Kapitel 46

Sobald Jannik die automatisch aufgleitenden Türen hinter sich gelassen hatte und die Ankunftshalle des Flughafenterminals betrat, gewahrte er bereits Biancas hochgewachsene Gestalt, die dezent einen Arm gehoben hatte, um auf sich aufmerksam zu machen, und die Wiedersehensfreude versetzte ihn in eine heitere, gelöste Stimmung und vertrieb die Müdigkeit, die ihn während des Fluges überfallen hatte.

Bianca blieb geduldig vor dem Starbucks stehen, bis er die letzten Meter zurückgelegt hatte, dann fiel sie ihm freudestrahlend um den Hals, was durch die Tatsache erleichtert wurde, dass sie mit ihren hochhackigen Stiefeln kaum kleiner war als er. Mit einem breiten Lächeln löste er sich langsam und nahm sie in Augenschein.

„Das Eheleben bekommt dir, Schnuck", bemerkte er wohlwollend. Obwohl sie fast gleichaltrig waren, empfand er sie immer wie eine jüngere Schwester, es verband sie eine Innigkeit, die noch aus der Zeit herrührte, in der sie gemeinsam im Garten gespielt und zusammen die Schulbank gedrückt hatten.

„Du meinst, weil meine Haare jetzt adrett ihre Form behalten und nicht mehr so in der Gegend herumfliegen wie in Zeiten der wilden Ehe?", lachte Bianca und schob ihre Hand in den Nacken, um den Sitz ihres Haarknotens zu überprüfen.

„Stimmt, du siehst irgendwie distinguiert aus", kommentierte Jannik lächelnd ihre vornehme Frisur. „Hält sie dem Ansturm deiner Kindergartenkinder denn stand?"

Bianca machte eine wegwerfende Geste mit der Hand und hakte sich dann bei ihm ein.

„Da trag ich einen Pferdeschwanz. Aber ich wollte meinen Lieblingstypen beeindrucken", scherzte sie.

„Gelungen. Und ich dachte schon, die Privat-Kita färbt auf dich ab" Sein Lachen übertönte die Durchsage im Terminal über die Warnung, Gepäck nicht unbeaufsichtigt zu lassen. „A propos Lieblingstyp – wo hast du denn deinen Göttergatten gelassen?"

Suchend fuhr sein Blick durch die Menge, aber er konnte Murats schwarzen Schopf nirgendwo entdecken.

„Wir waren mal wieder zu spät dran."

Bianca ignorierte sein Schmunzeln, denn Pünktlichkeit war eine Eigenschaft, der sowohl Bianca als auch Murat bereits vor langer Zeit abgeschworen hatten, und fuhr ohne Pause fort: "Er hat mich schon mal rausgeworfen und wollte einen Parkplatz suchen. Magst 'nen Kaffee?"

Sie deutete mit einem Nicken auf den Coffeeshop. Janniks Zögern veranlasste sie, ihm einen überraschten Blick zuzuwerfen.

„Sag mir nicht, dass du unter die Kaffeeabstinenzler gegangen bist."

„Im Gegenteil. Ich ziehe nur meist den ruhigen Kaffeegenuss mittlerweile dem Coffee to go vor."

Bianca hob die Augenbrauen und musterte ihn neugierig, was Jannik mit stiller Erheiterung über sich ergehen ließ, er ahnte ihre anschließende Frage voraus.

„Du bist noch mit Bea zusammen, stimmt's?"

„Ich gebe zu, dass sie an meinem Sinneswandel nicht ganz unschuldig ist", gab Jannik mit einem Augenzwinkern zu.

Bianca verkannte nicht, dass sie sich freute, ein Lächeln füllte ihre Wangen, was sie gleich weniger vornehm erscheinen ließ, und sie neckte ihn vergnügt:

„Du bist also solide geworden, wer hätte das gedacht. Bea muss besondere Qualitäten haben. Aber ich find's gut. Sie war mir schon im Sommer sympathisch. Wer weiß, vielleicht macht ihr es uns bald nach..."

„Nun ist aber gut!", stoppte Jannik hastig ihren Redefluss. „Ist ja nicht jeder so konservativ wie ihr. Wozu einen Trauschein, wenn man alles so haben kann?"

Heftig schüttelte er den Kopf, trotz seiner Gefühle für Bea hatte diese Vorstellung überhaupt nichts Verlockendes, und das lag nicht nur an den Kindern. Ob es an seinem Alter lag oder an der noch überschaubaren Dauer ihrer Beziehung oder schlicht und ergreifend daran, dass er es nicht gewohnt war, eine feste Freundin zu haben, war ihm selbst nicht klar, doch er verspürte auch keine Lust, darüber nachzudenken, denn er war mit der jetzigen Situation durchaus sehr zufrieden – wenn man davon absah, dass Bea weniger Zeit mit ihm verbringen konnte als ihm lieb war.

„Das verstehst du noch irgendwann", flötete Bianca leichthin und schmunzelte in einer Art und Weise, die sie wie eine ältere Schwester wirken ließ, bevor sie verkündete:

„Also ich hole mir jetzt einen Kaffee!"

Während Bianca im Shop verschwand und Jannik ihr nachsah – mit einer inneren Zufriedenheit und der Freude darüber, seine besten Freunde wiederzusehen – legte sich ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter und Jannik konnte nicht verhindern, dass er kurz zusammenfuhr. Murat lachte lauthals und dann umarmten sich die beiden Freunde und klopften sich mit aller Emotion, derer sie fähig waren, auf die Schultern.

„Murat, altes Haus!"

„Janni, du Schwerenöter!"

Jannik grinste in sich hinein, diese Frotzelei zu hören, machte ihm deutlich, wie sehr er seinen Freund vermisst hatte, denn obwohl er Bianca deutlich länger kannte und sie unzählige Erinnerungen miteinander teilten, war sich mit Murat, den er erst durch Bianca kennengelernt hatte, über das Studium oder Frauen auszulassen oder gemeinsam zu schweigen, etwas deutlich anderes.

„Na, alles im grünen Bereich?", fragte er schließlich leutselig und erhielt als Antwort zwei hochgestreckte Daumen.

„Läuft", verkündete Murat entspannt, während beide das laute Scheppern eines Koffers ignorierten, der dicht an ihnen vorbei geschoben wurde.

„Job macht Spaß und Eheleben könnte nicht besser sein! Bei dir? Hast dich lange nicht mehr gemeldet."

„Viel passiert." Jannik beließ es bei der vagen Aussage und winkte beiläufig ab. „Später. Längere Geschichte."

„Was machen die Jungs?"

„Wir gehen uns auf den Sack."

Hochgezogene Mundwinkel machten deutlich, dass Jannik nicht im Geringsten so genervt war, wie seine Aussage vermuten ließ.

„Also alles beim Alten in Hamburg", konstatierte Murat gelassen und machte, da er seine Frau mit einem frischen Kaffee versorgt aus dem Shop kommen sah, eine auffordernde Kopfbewegung hin zum Ausgang.

„Let's go! Damit der Parkautomat nicht noch mehr von meinem schwer erarbeiteten Geld frisst."

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Die Zeit, die Mühlseen zu erreichen, war ausreichend genug gewesen, damit Jannik sich einen Eindruck von Murats neuem Job verschaffen konnte und angesichts des nagelneuen BMW-Firmenwagens konnte er nicht ganz einen neidischen Gedanken verhehlen. Der Wagen war eindrucksvoll genug, dass er ihn selbst gern sein eigen genannt hatte, ungeachtet der von ihm selbst oft vertretenen Ansicht, dass es in einer Großstadt unnötig sei, ein Auto zu besitzen. Angetan fuhr er mit der Hand über das völligen Luxus ausstrahlende Interieur und um sich abzulenken, erkundigte er sich schließlich nach Murats Familie.

„Vermisst du deine Verwandten nicht?"

Murat hatte so viele Familienmitglieder, dass es manchmal einer gewissen Herausforderung – seitens seiner Freunde und ihm selbst – bedurft hatte, den Treffen mit Freunden Vorrang gegenüber den Verwandtenbesuchen einzuräumen. Murat rollte auf einen Parkplatz, stellte den Motor aus und drehte sich halb um die eigene Achse, um Jannik ansehen zu können. Gleichzeitig fuhr Bianca das Fenster herunter und feuchte, nach Tannennadeln duftende Luft strömte ins Auto.

„Ehrlich gesagt – es ist wohltuend entspannter. Hierher zu ziehen war das Beste, das mir passieren konnte."

Er warf Bianca einen liebevollen Blick zu und bekräftigte: „Endlich genug Zeit für meine Frau", was diese ihm mit einem flüchtigen Kuss dankte, und während sie alle aus dem Auto stiegen, fuhr Murat fort, als hätte er sich nicht eben selbst unterbrochen:

„Auch in München leben ein paar Verwandte. Das ist absolut ausreichend, um in Familienangelegenheiten auf dem Laufenden zu bleiben und alle wissen zu lassen, dass es uns hier gut geht."

Er legte einen Arm um Bianca und die Zufriedenheit, die beide ausstrahlten, war unverkennbar, Jannik nahm es mit Freude, aber auch noch einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis, denn obwohl Murat immer ein Familienmensch gewesen war, waren die Heiratspläne der beiden eine Überraschung gewesen angesichts der Tatsache, dass Murat gerade erst sein Studium beendet hatte und Bianca bislang das Leben jenseits konservativer Konventionen vorgezogen hatte – erst beim dritten Antrag, romantisch am Elbufer inszeniert, hatte sie nachgegeben, wie Bianca ihm irgendwann vergnügt berichtet hatte, wohingegen Murat kein Sterbenswörtchen von seinen vergeblichen Versuchen verraten hatte.

„So, und jetzt lass ich es mir mit meinen Freundinnen gut gehen und ihr zwei macht euren Männer-Trip", verkündete Bianca energisch und entwand sich aus Murats Armen. Sie gab ihm noch einen kurzen Kuss und mit den an Jannik gewandten Worten "Wir sehen uns dann morgen!" entschwand sie winkend in Richtung des zwischen den Bäumen gerade so auszumachenden Kaffeehauses.

„Was hat sie vor?", wollte Jannik wissen und kam nicht umhin, leises Bedauern zu verspüren, denn sein Besuch galt Bianca nicht weniger als Murat. Ihr versonnen noch einen Moment hinterher schauend erläuterte sein Freund:

„Mädels-Nacht. Erst trifft sie sich hier mit ihrer Freundin, dann fährt sie mit der zurück und dann haben die da noch eine Übernachtungsparty mit mehreren Anderen."

„Also ist bei dir sturmfreie Bude", stellte Jannik lächelnd fest.

Murat riss schließlich den Blick von Bianca los und bestätigte dann aufgekratzt:

„So ist es! Aber erst mal starten wir mit einer Kanutour!"

Ein Zweierkanu zu mieten war eine Sache von wenigen Minuten und daher fanden sich die beiden Männer kurze Zeit später auf dem Wasser wieder. Nach einer kurzen Kabbelei, die Murat für sich entschied – er saß nun vorne – stachen sie ihre Paddel in das klare, schimmernde Wasser und bugsierten das Kanu mehr schlecht als recht vom Steg fort. Dank fehlender Koordination ihrer Kräfte trieben sie schon bald auf die nahe Böschung zu, woraufhin Murats Kopf unter den Zweigen einer Trauerweide begraben wurde, was Jannik zu einem unkontrollierten Lachanfall veranlasste, und das Boot stieß mangels weiterer Bremsbemühungen kräftig gegen das Ufer.

„Hier, du schadenfroher Heini!"

Murat schaufelte eine ordentliche Fuhre Wasser und schüttelte sie mit einer raschen Körperdrehung Jannik entgegen, dessen Jacke der Wasserschwall sofort durchnässte.

„Na warte...!", drohte Jannik, richtete sich auf, stemmte die Füße auf den Boden und begann das Boot gefährlich zum Schaukeln zu bringen.

„Du weißt aber schon, dass du auch im Wasser landest, wenn du das Boot zum Kentern bringst? War es dir noch nicht kalt genug?", neckte Murat und hielt sich an einem dicken Zweig fest, um das Boot zu stabilisieren.

Jannik seufzte demonstrativ und setzte sich wieder, auf ein kühles Bad konnte er getrost verzichten.

„Wo du Recht hast, hast du Recht. Dann lass uns mal das Boot wieder flott machen."

Mit einem kräftigen Stoß durch sein Paddel stieß er das Boot vom Ufer ab und tatkräftig unterstützt von Murat glitten sie bald darauf wieder durch das freie Wasser, wo sie nach einigen Minuten schließlich einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten.

„Der Anfang erinnert mich ein bisschen an unser Stand-up Paddeln auf der Alster", kommentierte Murat amüsiert und stoppte sein Paddel, um einem vorbeischwimmenden Blässhuhn den Vortritt zu lassen.

„Bevor du kurz darauf deine Kumpels schmählich in Stich gelassen und nach Süden abgedampft bist. Und wo ist dann jetzt das Bier?"

Auch ohne dass er das Boot mit einem Blick inspizierte, war eindeutig, dass das einzig Flüssige hier das Wasser um sie herum war.

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!", tönte es von vorne.

Jannik beschloss, sich nur an dem zweiten Teil der Verkündigung zu orientieren und stellte das Paddeln ein; der Schalk blitzte aus seinen Augen, während er darauf wartete, wann Murat es bemerken würde.

„Mann, wieso wird das auf einmal so schwer..."

Jannik verbiss sich ein Lachen, aber zu spät, Murat hatte sich bereits umgedrehte und einen empörten Blick auf das Paddel geworfen, dass Jannik wie eine Stange eines Banners schräg in die Luft hielt.

„Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass ich deine Frechheiten überhaupt nicht vermisse", konstatierte Murat trocken, eine Äußerung, die ihm Jannik kein bisschen abnahm und er daher nur mit einem Lachen beantwortete, bevor er sich wieder daran beteiligte, das Kanu vorwärts zu treiben. Ein frisch aufgekommener Wind kräuselte das Wasser des Sees und überrascht registriert Jannik, wie weit sie bereits gekommen waren.

„Wo soll's denn überhaupt hingehen?"

Murat streckte den Arm aus und deutete auf eine Insel, die in gerade Linie vor ihnen lag.

„Da rum und dann parallel zum anderen Ufer zurück."

In diesem Moment brach die Sonne durch die Wolken und die plötzliche Wärme ließ vergessen, dass der Nachmittag schon fast vorüber war. Als hätten sie es nun abgesprochen, hielten beide Männer einen Moment inne und ließen das Boot sanft ausgleiten, bis es von der leichten Gegenströmung abgebremst für einen Augenblick reglos auf dem Wasser lag.

Jannik ließ den Blick über die Weite des Sees gleiten; in der Ferne flog ein Schwarm Vögel durch die Luft und aus dem Schilf zu ihrer Rechten drang das mäkelnde Quaken einer Ente. Es war ansonsten unbeschreiblich ruhig und daher ein angenehmer Kontrast zu seinem sonst so turbulenten Leben und für einen Augenblick durchaus angetan von der Entspannung, die mit dem Aufenthalt in der Natur einher geht, bekannte er:

„Nett, mit so einem See in der Nähe."

„Vielleicht solltest du öfter mal auf die Alster", schlug Murat vor, obwohl beide wussten, dass der von Dampfern, Ruder- und Segelbooten frequentierte Alstersee mitten in Hamburg alles andere als ruhig war.

„Ha, ha", machte Jannik daher auch nur und zog sein Paddel wieder durch das Wasser, so dass das Kanu vorwärts glitt.

„Oder du suchst dir auch etwas in München... Wäre doch gar nicht so schlecht", ließ sich Murat von vorne vernehmen und fuhr ebenfalls mit dem Paddeln fort.

„Passt im Moment nicht so", wehrte Jannik leichthin ab und der Gedanke an Bea trieb ihm unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht.

„Weiterhin schwer verliebt?", kam es aus dem vorderen Teil des Bootes.

„Jipp", gestand Jannik knapp, während er spürte, wie ihm die Wärme in die Wangen stieg. Er hatte Bea ab und an beim Texten gegenüber Bianca und Murat erwähnt, aber ohne dabei viele Worte um seine Gefühle für sie zu machen.

„Wer hätte das gedacht, Casanova."

Das warme, freundschaftliche Lachen neutralisierte den leichten Spott von Murats Kommentar. Erwartungsgemäß hielt sich sein Freund anschließend jedoch mit weiteren Fragen zurück. Eine der Eigenschaften, die Jannik an Murat schätzte, war dessen Zurückhaltung, was persönliche Neugier anging.

„Ist eigentlich ganz schön so, in 'ner festen Beziehung", gab Jannik schließlich ein paar Momente später zu, während sie synchron ihre Paddel ins Wasser tauchten.

„Wem sagst du das!"

Obwohl er lediglich Murats Rückseite vor Augen hatte, hörte Jannik doch das Schmunzeln in dessen Stimme, er starrte auf die Schultern vor ihm, deren rotierende Muskeln selbst unter dem dicken Sweatshirt sichtbar waren, und dachte darüber nach, inwieweit er Murat einweihen sollte.

Sie hatten sich immer alles Wichtige erzählt, und mehr noch hatte er das Bedürfnis, mit irgendjemand über die verzwickte Lage mit Beas Sohn zu reden.

Dennoch konnte er eine gewisse Hemmung nicht leugnen, zu oft hatte er sich und zwar durchaus ernst gemeint als Mann ohne das geringste Interesse an Kindern präsentiert, als dass ihn die mögliche Reaktion seines Freundes auf seine Hundertachtzig-Grad-Wendung kalt lassen konnte. Als er ihn dann ins Bild setzte, tat er es mit gespielter Gleichgültigkeit.

"Bea hat übrigens Kinder. Einen Teenager und eine Zehnjährige."

„Holler die Waldfee", entfuhr es Murat impulsiv und er ließ das Paddel auf die Wasseroberfläche klatschen, ohne es einzutauchen und drehte sich kurz zu Jannik um. „Du gehst ja ran! Ich dachte, du magst keine Kinder haben."

Es lag keine Wertung in seiner Aussage, lediglich Verwunderung angesichts des für Jannik durchaus unerwarteten Verhaltens.

„Hab ich mir nicht ausgesucht", seufzte dieser und war froh, dass Murat das Paddeln wieder aufgenommen hatte und er daher nicht seinen Blick auf sich gerichtet spüren musste.

Murat schwieg dazu und gab Jannik damit den Raum, den er brauchte, um fortzufahren.

„Als ich es erfuhr, war es eh schon zu spät, ich war bereits total in sie verschossen."

Er grinste verlegen, obwohl Murat es nicht sehen konnte und fuhr fort: "Es hat auch ein paar Tage gedauert, bis ich entschieden hatte, mich darauf einzulassen. Man muss eine Herausforderung annehmen, wenn sie sich einem stellt."

Das Geräusch, das von Murat kam, klang wie ein Schnauben, war jedoch bar einer Tönung, aus der man die ein oder andere Ansicht hätte herauslesen können, und er enthielt sich jeglichen verbalen Kommentars, sondern fragte nur, während sich seine Schultern weiter gleichmäßig bewegten:

„Und jetzt?"

„Die Kleine ist total süß und mag mich, obwohl ich nicht weiß, was genau ich gemacht habe, um ihre Sympathie zu erlangen."

Er lächelte versonnen, weil Hannah es einem leicht machte, eine Art von Vater zu sein, dann kam er zum Kern der Sache.

„Aber Beas Sohn - der macht keinen Hehl daraus, dass er mich loswerden will. Unfreundlich bis hin zu boshaften Bemerkungen, wenn Bea nicht dabei ist, gleichzeitig fordert er dreist ein Rennrad geschenkt und klaut mir dann Geld aus der Tasche."

Er merkte kaum, mit welch grimmigem Griff er das Paddel umfasste und aggressiv durch das Wasser zog, die bisherige Leichtigkeit und Freude war einer Anspannung gewichen, die sich in schmerzhaften Kiefermuskeln äußerte.

„Oh ha!", kommentierte Murat nun und wollte wissen: „Und was sagt Bea dazu?"

„Ich hab's ihr nicht erzählt", gab Jannik knapp zurück und nun drehte sich Murat kurz mit einem „Warum?" zu ihm um, bevor er einen Wimpernschlag später zu Janniks Erleichterung das Paddeln wieder aufnahm.

„Den Kummer erspare ich ihr!", knurrte Jannik und mit der Wut, die ihn durchfuhr, hätte er Jonas gleich zwei Mal erwürgen können.

Murat schaffte es, mitten in der Bewegung mit den Schultern zu zucken.

„Wie alt ist der Junge? Dreizehn? Waren wir da nicht auch gegen alles und jeden, insbesondere Erwachsene, die uns das Leben schwer machten?"

„Ja", gab Jannik zu, „Mit dem Unterschied, dass ich ihm das Leben ja nicht schwer mache. Der ist eh fast nur vor seinem Computer oder beim Fußball und lebt sein eigenes Leben, und ich werde mich hüten, irgendwelche Anforderungen zu stellen. Das ist Beas Job. Ich glaub, das ist bei ihm einfach nur Widerwillen aus Prinzip."

„Na, da hast du dir ja eine Aufgabe gesucht. Wenn man sonst nichts zu tun hat...", spöttelte Murat gutmütig.

„Zugegeben, das ist die erste richtig schwierige Herausforderung in meinem Leben. Aber ich pack das!", verkündete Jannik resolut.

Murat drehte sich nun doch noch einmal um und betrachtete seinen Freund aufmerksam, dessen Äußerungen nicht verbargen, dass das aggressive Verhalten von Beas Sohn ihm zu schaffen machte, so sehr er es auch mit Nonchalance herunter zu spielen versuchte, und ruhig gab er zu bedenken:

„Ist Bea diesen ganzen Ärger und Stress denn wert?"

Die Antwort kam ohne zu zögern und voller Entschlossenheit:

„Ja, das ist sie!"

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