Kapitel 20
Es hatte sich herumgesprochen. Kolleginnen warfen ihr verstohlene Blicke zu, wenn sie dachten, Bea bemerke sie nicht, und so oft Kollegen beieinander standen und auseinander fuhren, wenn Bea sich näherte, konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie und ihr neuer Freund diese Woche Gesprächsstoff Nummer eins im Team waren. Bea war weniger erfreut darüber als mehr genervt, und sie hatte den vagen Verdacht, dass das allgemeine Interesse an ihrem Liebesleben nur daran lag, dass der Altersunterschied zwischen ihr und Jannik ein wenig größer als üblich war.
„Jetzt ist ja klar, warum ich nicht bei dir landen konnte, wenn du auf Jüngere stehst", hatte ein guter Kollege gefrotzelt, was sie ihm allerdings nicht übel nahm. Sie kannten sich, seitdem sie hier angefangen hatte zu arbeiten, was mittlerweile acht Jahre her war, und sie wechselten immer mal den ein oder anderen Scherz miteinander.
Nun saß sie über eine Akte gebeugt und versuchte, sich zu konzentrieren, hatte zu diesem Zweck bereits die Tür geschlossen, aber es fehlte ihr an Dreistigkeit, um das dezente Klopfen angelegentlich zu ignorieren, und in einer Stimme, die kaum die Frustration kaschierte, die sie empfand, bat sie ihre Kollegin Ines herein.
Ines spürte Beas Reserviertheit und fragte daher zurückrudernd: "Soll ich später noch einmal wiederkommen?"
„Nun lass", mit leichter Ungeduld wies Bea auf den Besucherstuhl und nahm sich vor, anschließend nun wirklich niemanden mehr hereinzulassen, um die Stellungnahme zu der neuen Rechtsverordnung heute noch vor dem Feierabend abschließen zu können. Sie rollte ihren Bürostuhl zur Seite, so dass sie Ines frontal gegenüber saß, und schlug die Beine übereinander.
„Ich habe ein Problem", begann Ines und fuhr ohne hörbare Pause fort: "Guck mal hier" - sie deutete auf einen Ausdruck in ihrer Hand - „Das ist die Versicherungspolice aus Serbien. Dort steht als Versicherungsschutz gemäß ICC und gemäß deutscher Masterpolice. In Serbien ist ein Schaden passiert, aber die serbische Versicherung hat abgelehnt, obwohl der Schaden nach dem deutschen Versicherungsschutz, der hiernach mitversichert ist, gedeckt ist."
Bea runzelte die Stirn, aber noch bevor sie fragen konnte, fuhr Ines fort:
"Der Kunde besteht darauf, dass in Serbien ausbezahlt wird. Es bringt denen nichts, wenn an die deutsche Firmenmutter bezahlt wird, weil die das Geld nicht nach Serbien kriegen."
„Hm..." machte Bea nachdenklich und fuhr mit leichter Neugier, denn es kam nicht oft vor, dass sie sich mit ausländischen Versicherungspolicen beschäftigen konnte, ein Fakt, den sie im Stillen bedauerte, fort:
„Das muss ich mir mal in Ruhe angucken. Schickst du's mir rüber?"
„Klar!", versprach Ines und lehnte sich, jetzt wo das Geschäftliche vorüber war, entspannt im Stuhl zurück und schlug ebenfalls die Beine übereinander. Mit der Sensibilität einer guten Kollegin, die sich in mehreren Jahren Zusammenarbeit entwickelt hatte, hatte sie erkannt, dass Bea im Moment nun doch entspannt genug für eine kurze Plauderei war.
„Stimmt es, was man so hört, du bist frisch verliebt?"
„Wie man das festgestellt hat, das möchte ich gerne wissen", schnaubte Bea belustigt und wunderte sich im Stillen, wie aus dem lediglich engen Zusammenstehen mit einem Mann gleich auf solche Gefühle bei ihr geschlossen werden konnte, aber sie war ehrlich und offen genug, um es zu bestätigen.
"Ich habe seit einigen Wochen einen Freund, ja. Aber im Ernst, warum treibt euch das so um?"
In einer automatischen Geste öffnete sie ihren Pferdeschwanz, schüttelte die Haare kurz durch und sicherte sie dann erneut mit dem Haarband.
„Du weißt doch...", Ines machte eine weitausholende Gebärde, „...wir sind ein gesprächiger Haufen."
„Tratschsüchtig, meinst du", korrigierte Bea und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Von mir aus auch das." Ines focht das nicht an. „Wo hast du ihn aufgegabelt? Und wie alt ist er? Manu meinte, er sähe nicht viel älter aus als ihr Sohn."
Der gerade Abitur gemacht hatte, wie Bea sich zu erinnern glaubte, sie schnitt eine Grimasse und dachte dabei, wie lächerlich es doch war, dass ihr der Altersunterschied manchmal so zu schaffen machte, wenngleich das noch nicht mal der Punkt war, der Jannik vor kurzem so erschreckt – bzw. verschreckt – hatte.
Ines sah sie noch immer an und Bea merkte, dass sie ihrer Kollegin noch die Antwort schuldig geblieben war, und um einen gelassenen Ton bemüht, der ihren Empfindungen überhaupt nicht entsprach, gab sie zurück:
"Er schreibt gerade seine Doktorarbeit", eine Aussage, die zumindest klar machte, dass Jannik vom Abitur dann doch schon einige Jahre entfernt war.
Ines strich sich die langen Haare aus dem Gesicht und Bea sah ihrem entschlossenen Gesicht an, dass sie gerne eine Frage gestellt hätte, sie hatte den Mund schon geöffnet, klappte ihn dann jedoch wieder zu und schwieg einen Moment. Schließlich lachte sie und scherzte:
"Wo die Liebe hinfällt", gefolgt von einem ernsthaften „Hab Spaß", das frei von jeder Ironie war.
Das Klingeln des Telefons nahmen beide zum Anlass, ihre Unterhaltung abzubrechen. Ines erhob sich und winkte lächelnd beim Rausgehen, während Bea den Hörer abnahm und sich bereits wieder zum Computer gedreht hatte.
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