Kapitel 11
„Bist du verrückt?!", quiekte Bea erschrocken, „Das ist doch eine Steilküste. Hier kann jederzeit etwas abbrechen.
„Ach was", kam es lässig über die Schulter gerufen zurück, während Jannik sich furchtlos bis zur Abbruchkante vorwagte, um dort ein paar Fotos von der in tiefblaue Farben getunkten Ostsee und einem heimkehrenden Kreuzfahrtschiff zu machen. Dann drehte er sich um und forderte sie lachend auf: "Komm her, dann machen wir ein paar Selfies."
„Auf keinen Fall!", weigerte sich Bea, der bereits vom Hinsehen leicht flau im Magen wurde, und rief zurück: „Hast du mich wenigstens in deinem Testament bedacht?"
Sein Lachen wehte zu ihr herüber und mit ein paar Schritten war er wieder zurück auf dem Wanderweg. „Hast du wirklich Angst um mich gehabt?", wollte er wissen und legte den Arm um ihre Schulter.
Ein wenig verlegen verpackte Bea ihre Antwort in einen Scherz: "Natürlich. Wie soll ich denn mit einem kaputten Navi ohne dich zurück nach Hause finden?"
„Ach so ist das..." kam es grinsend zurück und er machte Anstalten, sich wieder der Steilküste zuzuwenden. „Ich schicke dir aus dem Wasser eine Wegbeschreibung."
„Sei nicht albern!", schalt Bea scherzend und zog ihn an der Hand zurück. „Ich würde noch ein bisschen mehr vermissen als nur den menschlichen Navi."
„Das will ich doch schwer hoffen. Was zum Beispiel?" Mit einem großen Schritt stellte er sich ihr in den Weg und zog sie in eine Umarmung.
„Deine Dreistigkeit und dein unverschämtes Selbstbewusstsein." Halbherzig versuchte sie sich zu befreien.
„Ich lasse dich frei, wenn du mir sagst, was ich hören will", flüsterte Jannik in ihr Ohr und hielt sie noch ein wenig fester.
Bea hatte keinen blassen Schimmer, worauf er hinaus wollte, ließ sich aber spontan eine List einfallen und stieß daher entschlossen hervor: "Heirate mich!"
Den perplexen Gesichtsausdruck, als er seine Arme überrascht lockerte, hatte sie kaum Zeit zu genießen, rasch entwand sie sich ihm und rannte kichernd und mit einem leichten Gefühl des Triumphes vor ihm den Berg hinunter, und so dauerte es ein wenig, bis er sie eingeholt hatte.
„Du sagst ja Sachen", bemerkte er kopfschüttelnd, und Bea, sein Mienenspiel von eben noch vor Augen, kämpfte vergeblich darum, das Lachen zurück zu halten. Es überrollte sie wie eine Welle, gegen die jeder Widerstand zwecklos war.
„Dein Gesicht war ein Bild für die Götter", keuchte sie mit Lachtränen in den Augen. „Ehe muss für euch Männer etwas Schreckliches sein."
Jannik betrachtete sie amüsiert, bevor er leichthin zugab: "Keine Ahnung. Ich war noch nicht verheiratet und habe auch noch nie einen Antrag gemacht. Du?"
Bea beruhigte sich soweit, dass sie nicken und kurz bestätigen konnte: "Einen erhalten."
„Echt jetzt? Und?"
Janniks gespannte Miene verriet brennende Neugier, während sie nun langsam über den Parkplatz zu ihrem Auto schlenderten.
„Ich habe ihn angenommen und war verheiratet."
Beas Heiterkeit war der Nüchternheit gewichen und so bestand ihre Aussage mehr aus der emotionslosen Darstellung einer simplen Tatsache als aus romantischer Nostalgie, was Jannik aber nicht davon abhielt, mit einer gewissen Faszination nachzufragen: "Du warst also schon verheiratet. Und wie lange?"
Gerade noch rechtzeitig erkannte Bea die Richtung, die das Gespräch zu nehmen drohte, und daher wiegelte sie entschlossen ab:
"Lass mal, es war nicht gerade die beste Entscheidung meines Lebens."
Sie hätte auf einige Jahre ihrer Ehe verzichten können, aber das Beste, was immerhin daraus hervorgegangen war, waren ihre Kinder.
Mit einem Ruck öffnete sie den Kofferraum, wuchtete die Strandtasche heraus und verkündete: "Lass uns zum Strand gehen, mir ist total heiß."
„Gib mal her!"
Mit einer zuvorkommenden Geste nahm Jannik ihr die Tasche ab und schritt neben ihr die paar Meter zum Strand hinüber, das Thema von eben bereits vergessen. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie hinunter, aber der salzige Duft der Luft barg schon die Verheißung einer erfrischenden Abkühlung. Sie lösten ein Strandticket und versanken dann im bereits aufgewärmten Sand.
Neidisch sah Bea auf Janniks Turnschuhe, in die nicht wie bei ihren Sandalen der Sand herein quoll und das Gehen erschwerte, und kurzerhand streifte sie diese von ihren Füßen. Jannik wies mit dem Kinn auf eine Stelle hinter den ganzen Strandkörben, nahe dem Bereich, in dem der Sand in die zur Sicherheit vor übereifrigen Strandbesuchern mit Draht abgesperrten Dünen überging. Und nur wenige Minuten später sprinteten sie ausgelassen wie zwei Kinder zur Ostsee hinunter, so dass das Wasser aufspritzte und ein kleiner Junge vom Aufbauen seiner Sandburg am Wassersaum neugierig aufschaute.
Sobald das Wasser tief genug wurde, stürzte sich Jannik mit einem jubelnden Aufschrei ohne zu zögern in die Fluten. Bea ließ es langsam angehen, denn das Wasser war kälter, als sie gedacht hatte, und setze daher lediglich einen Schritt vor den anderen, bis es ihr bis zur Hüfte ging. Der Boden unter ihren Füßen war angenehm sandig und durch die Wellen leicht geriffelt, das Wasser überraschend klar. Ihre Kinder kamen ihr in den Sinn, Hannah würde es hier gefallen und selbst Jonas hätte beim Ballspielen im Wasser noch Spaß, davon war sie überzeugt. Gestern waren sie mit Thorsten nach Rügen gefahren und dem Telefonat vom heutigen Morgen nach zu urteilen hatten sie ein schönes Hotel und es ging ihnen gut.
„Komm, es ist schön!", rief Jannik und winkte ihr auffordernd zu.
„Ich brauche immer ein bisschen", rief Bea zurück und ging vorsichtig einen Schritt weiter, während Jannik ihr zügig entgegen kam, so dass sie schon bald die Wassertropfen sehen konnte, die in seinen Haaren glitzerten. Ehe sie es sich versah, schob er seine Arme unter ihren Rücken und ihre Kniekehlen und trug sie lachend ins tiefere Wasser hinein, und Bea kreischte auf, als das Wasser ihre bloße Haut umspülte, für einen Moment piekte es wie mit Nadeln. Jannik blieb stehen, als ihm das Wasser bis zur Brust ging und begann schelmisch zu zählen: "Eins...zwei...", er holte Schwung, doch Bea klammerte sich schnell fest und kreischte:
"Wehe, du wagst es!"
Ihre Gesichter waren jetzt dicht voreinander, sein blondes Haar sah durch die Nässe dunkler aus und klebte ihm auf den Wangen und einige Tropfen rannen ihm die Stirn hinab. Ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken war ein Leichtes und hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass sie einen Moment lang die Kälte des Wassers nicht mehr spürte. Und dann ließ sie Janniks Schultern los und sie schwammen ein Weilchen schweigend nebeneinander her, das Kältegefühl wich einer angenehmen Abkühlung und Bea sah zu Jannik hinüber, der sich auf den Rücken gedreht hatte und mit geschlossenen Augen die Sonne genoss, und sie fühlte sich leicht und unbeschwert und unendlich glücklich.
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