04. Laugh and Cry
"Jetzt küss ihn endlich, du blöde Kuh!" Niall hüpfte neben mir vor Aufregung auf der Couch auf und ab und wollte nicht stillsitzen. Er schob sich - weiterhin wie paralysiert auf den Fernseher starrend - Popcorn in den Mund und fieberte wie ein kleines Kind bei allem mit, was die Protagonisten in dem Film so taten. Niedlich. Aber selbst ich war nicht so emotional, und ich heulte generell schon am Anfang von Filmen wie Remember Me, weil ich das Ende so traurig fand. Niall schien mir da bisher in nichts nach zu stehen.
"Endlich", seufzte Niall zufrieden auf und ließ sich wieder entspannt ins Sofa sinken, um im nächsten Moment total aufgelöst fast aufzuspringen.
"Neeein, weicht aus, bleibt stehen aber fahrt nicht gegen den beschissenen Eisberg und zerstört die Liiiebe!", heulte er auf und schien wirklich fertig mit den Nerven. Mir liefen zwar auch schon die Tränen übers Gesicht, aber als ich sah, dass Niall ebenfalls am heulen war (Erkennungszeichen: rot geschwollene Augen, nasses Gesicht), tat er mir einfach nur noch leid. Ein Mann, der heult, und das auch noch vor einer Frau, die er noch nicht lange kennt, das gab es höchst selten und mir wurde zum zweiten Mal bewusst, wie wahnsinnig emotional er wirklich war. Warum brach er eigentlich auf der Bühne nicht in Tränen aus? Als Musikstudentin wusste ich schließlich, wie emotional angreifbar man dabei war.
Als die Titanic, entgegen Nialls Anweisungen, schließlich doch gegen den Eisberg fuhr, schnappte ich mir den nächsten Gegenstand in meiner Nähe und klammerte mich daran fest. Jedes Mal bei diesem Film hoffte ich aufs Neue, dass alle überleben würden und es ein Happy End gäbe, aber natürlich - was mir allerdings immer erst hinterher einfiel - konnte das nicht passieren. Niall knirschte plötzlich mit den Zähnen und ich sah ihn verwundert an.
Oh nein. Oh nein. Oh nein! Bitte Gott, sag, dass das nicht wahr ist! Ich umklammerte gerade Niall, und scheinbar ziemlich fest, denn sein Gesicht war schmerzverzerrt. Ich ließ ihn los, als hätte ich mich verbrannt und rückte ein Stück von ihm weg. Ein Glucksen ertönte. Wer lachte denn da? Niall konnte es auf keinen Fall sein, schließlich weinte er doch gerade! Ich sah auf und erkannte schließlich, dass ich mich geirrt hatte. Niall saß auf meiner Couch vor Titanic und lachte sich richtig einen weg! Krank. Doch bei seinem Anblick - Tränen auf dem Gesicht, rot geschwollene Augen, einen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck und ganz klar nach oben gezogene Mundwinkel - musste ich plötzlich auch lachen.
Sollte nun irgendjemand in mein Wohnzimmer kommen, würde derjenige einen reichlich verrückten Anblick haben. Auf dem Tisch standen gefühlt tausende Popcorn-Schüsseln (alle für Niall), der Film Titanic lief gerade an der traurigsten Stelle und auf dem Sofa saßen zwei junge Erwachsene mit Tränen verschmiertem Gesicht vom Weinen, der eine mit schmerzverzerrter Mimik, und lachten sich so weg, dass sie fast von der Couch fielen.
Bei dieser Vorstellung musste ich nun noch mehr lachen und fiel tatsächlich von der Couch, woraufhin Niall ebenfalls mehr lachte und mir hinterher rollte. Verbesserung: Die zwei Erwachsenen lagen auf dem Boden vor der Couch und lachten sich noch mehr weg.
"Niall - Luft!", japste ich und bekam einen erneuten Anfall, als dieser versuchte, mir Luft zuzufächeln. Es sah einfach zu komisch aus, wie er da wie wild mit der Hand vor meinem Gesicht in der Luft herumfuchtelte. Inzwischen hatte ich echt Angst um meine Lunge. Wie lange konnte man nochmal ohne Sauerstoff überleben? Drei Minuten? Dann müsste ich mich aber schnell wieder beruhigen... Da ich eigentlich nicht vor hatte zu sterben, richtete ich mich mit einem Ruck auf und hörte auf zu lachen.
Niall dagegen lachte unbeirrt weiter und schien zunächst nicht zu bemerken, dass ich nicht mehr lachte. Doch scheinbar kam es ihm dann doch komisch vor, und er sah mich verwundert an. Ebenso wie ich hörte er ruckartig mit dem Lachen auf. Dann setzten wir uns auf das Sofa als wenn nichts gewesen wäre und fingen sofort wieder an zu heulen, als wir einen Blick auf den Bildschirm warfen. Warum hatten wir gerade eigentlich so gelacht? Naja, egal. Mein Kurzzeitgedächtnis war generell sehr darauf bedacht, seinem Namen alle Ehre zu machen. Die meisten Dinge blieben kurz hängen, aber eben wirklich auch nur kurz. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb ich die Existenz One Directions immer wieder verdrängte.
Nach dem Abspann - den wir im Übrigen noch ganz zu Ende geschaut hatten, weil wir zu faul waren, aufzustehen und den Film herauszuholen - stand ich schließlich doch auf und schaltete den Fernseher aus.
"Wie lange willst du noch bleiben? Ich habe morgen Uni", erkundigte ich mich bei meinem Besucher und sah auf die Uhr. Es war bereits ein Uhr in der Früh, die Zeit war wirklich schnell vergangen.
"Wie spät?", fragte dieser sogleich und ich nannte ihm die Uhrzeit.
"Verdammt, Leyum macht mich fertig!", murmelte er und sprang hektisch vom Sofa auf.
"Ich muss leider ganz schnell weg, mein Kumpel wartet garantiert noch auf mich ...", erklärte er kurz und ich war verwirrt. Er meinte wahrscheinlich einen seiner Bandkollegen, aber warum sollte dieser auf Niall warten? An der Tür verabschiedete ich den Sänger. Dieser bedankte sich mit einer Umarmung für den tollen Abend.
"Ich hab' noch nie bei Titanic gelacht, wir müssen das unbedingt wiederholen! Und du hast echt super leckeres Essen da! Außerdem finde ich es echt entspannt, wie normal du mich behandelst, obwohl du ganz genau weißt, wer ich bin! Schau nicht so, ich bin nicht total blöd!", kicherte er auf meinen Blick hin. Ich hatte ihn nur ein wenig entgeistert angestarrt. Wie hatte er das denn jetzt herausgefunden? Diese Frage stellte ich ihm auch sofort.
"Ich will überhaupt nicht angeberisch klingen, aber wer in London lebt und One Direction nicht kennt, lebt unter einem Stein, und das tust du offensichtlich nicht. Ich habe schon mitbekommen, als es bei dir Klick gemacht hat, schließlich kann ich das inzwischen ganz gut einschätzen. Abgesehen davon warst du bei unserem Konzert, ich habe dich schon mal auf einem Foto mit El gesehen. Du hast zwar nicht gerade froh geschaut, aber ich gehe trotzdem davon aus, dass du mich vorher auf der Bühne gesehen hast", er kicherte. "Eleanor findet dich übrigens komisch, weil du nichts gesagt hast!" Ich stöhnte. Na toll, da hatte ich ja einen guten ersten Eindruck hingelegt.
Er lachte daraufhin nur und verabschiedete sich nun endgültig.
"Wir treffen uns wieder! Man sieht sich immer zweimal im Leben und wir können uns ja einfach was einfallen lassen", erklärte er mir, nachdem ich ihn gefragt hatte, wie ich denn mit ihm in Kontakt bleiben könnte. Interessant, er schien also nicht besonders erpicht darauf, mich wieder anzutreffen. Ansonsten hätte er mir sicher seine Kontaktdaten gegeben, wie das so viele andere Menschen taten, die mich kennenlernten. Meine Problemkinder hatte ich schließlich nicht umsonst.
Nachdem er die Treppe heruntergesprungen war, schloss ich die Wohnungstür und ging ins Wohnzimmer, um Nialls Popcorn-Reste zu entsorgen. Sonderlich viel hatte er allerdings nicht übriggelassen, woraufhin ich den Rest einfach selbst aß. Noch beim Essen schnappte ich mir wieder meinen Laptop und klickte in meinem Musikprogramm auf die dritte Symphonie Beethovens. Auf der Suche nach weiterer Heldenmusik des Komponisten wurde ich zum Glück dann doch recht schnell fündig. In der Klaviersonate op. 26 stieß ich im langsamen Satz auf das Wort Eroe, das ich direkt mit der Eroica in Verbindung bringen konnte. Das Heldenbild schien zur Zeit Beethovens in der Musik tatsächlich eine Modeerscheinung gewesen zu sein, denn es gab mehrere dieser Art.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Werke herauszufiltern war nicht leicht, aber anhand der Partituren und der Hörbeispiele war es gut möglich, den Zusammenhang herzustellen. Ich schrieb die gefundenen Stellen und den inhaltlichen und historischen Zusammenhang auf. Dann setzte ich mich noch an mein elektronisches Klavier, das ich glücklicherweise mit Kopfhörern spielen konnte, und begann damit, den langsamen Satz so gut es ging vom Blatt zu spielen. Es fiel mir oft leichter, Musik zu analysieren, wenn ich mich direkt damit auseinandersetzte. Auch aus der Partitur spielte ich einige Stellen, was jedoch deutlich schwieriger war. Die vielen transponierenden Instrumente vom Blatt zu lesen war generell eine große Herausforderung, der ich mich jedoch stellen wollte.
Meine Gedanken nach dem Spielen schrieb ich noch auf, dann merkte ich wie ich langsam müde wurde und schaltete den Computer aus, nachdem ich gespeichert hatte. Ich warf mir mein Schlaf-Shirt über und begab mich schließlich mit meinem Lieblingsbuch ins Bett. Auf Kitschromane hatte ich nun gerade wirklich keine Lust. Okay, wie immer eigentlich. Voller Vorfreude auf das Ende in diesem Buch ließ ich mich einfach in die Handlung fallen und bemerkte gar nicht, wie meine Augen langsam zu fielen...
Piep, piep, piep war das Erste, was ich am nächsten Morgen zu hören bekam und ich entschloss mich, endlich mal einen cooleren Weckton einzustellen. Falls ich es nicht vergaß. Als ich mich aufsetzen wollte, landete etwas mit einem lauten Platsch! auf dem Boden und ich sah auf den Punkt, wo das Geräusch hergekommen war. Mist, mein Lieblingsbuch war gerade auf der Erde gelandet. Hoffentlich war keine der Seiten zerknickt! Durch meine Angst um das tolle Buch merkte ich nicht, dass ich auch das Licht noch angelassen hatte in der Nacht, und dass ich wohl beim Lesen eingeschlafen war. Vorsichtig hob ich das tolle Buch hoch und seufzte erleichtert auf, als ich feststellte, dass es unbeschädigt war. Ich stellte es in mein kleines Regal und ging ins Bad, um zu duschen.
Nach einer halben Stunde war ich fertig angezogen und machte mir in der Küche ein Müsli. Als ich aus dem Kühlschrank Milch holen wollte, merkte ich, dass er deutlich leerer war als vor Nialls Besuch. Wie viel hatte der Typ denn bitte gegessen? Er war doch kurz vorher erst im Nando's gewesen! Holy Shit! Zum Glück hatte er die Milch jedoch nicht missbraucht, und ich beschloss, nach der Uni in den nächsten Supermarkt zu gehen.
Apropos Uni, vielleicht sollte ich gleich mal los... Ich aß mein Müsli auf, schnappte meine Tasche sowie meinen Laptop, und hoffte wie immer, nichts vergessen zu haben, als ich auch schon aus der Wohnung ging und diese abschloss. Den Weg zur Uni ging ich ein wenig zügiger als sonst, unter anderem weil Jess mir tausende Nachrichten schrieb à la Hurry, girl, hurry up. Was sie nun schon wieder von mir wollte war mir ein Rätsel, aber höchstwahrscheinlich hatte sie einfach nur irgendetwas über Harry gehört, was sie mir sofort berichten musste. So war es eigentlich immer.
Als ich schließlich an der Uni ankam, stellte ich fest, dass dies keineswegs der Grund war. Nein, es ging wirklich nicht um Harry.
"Zayn ist mit Perrie verlobt!", quietschte sie und warf sich mir an den Hals, als wäre etwas wahnsinnig Tolles und Aufregendes passiert. "Sie hat mich heute Morgen angerufen, die Nummer hatte sie von Eleanor, und hat es mir erzählt, glaub mir, die ist so happy, ich weiß nicht, ob wir die heute Abend echt ins Gothic schleppen können." Oh Gott, Jess tat ja fast so, als wäre sie selbst verlobt, und nicht Perrie. Und wie kam die blonde Sängerin eigentlich dazu, Jess, eine völlig Unbekannte, deshalb anzurufen? Das würde wohl immer ihr Geheimnis bleiben, denn Jess redete ohne Punkt und Komma weiter. "Die Medien wissen noch nichts, aber ich schon, ist das nicht wahnsinnig cool?", erkundigte sie sich bei mir.
"Ja klar, total genial!" Ich war mir zwar nicht ganz sicher, weshalb das so eine große Sache war, aber naja. Trotzdem freute ich mich irgendwie für Perrie, die ich ja auch noch kennenlernen würde. Um einen besseren ersten Eindruck als bei Eleanor zu machen, fragte ich Jess kurzerhand: „Kannst du mir ihre Nummer geben, damit ich ihr gratulieren kann?" Ich wollte ihr tatsächlich gratulieren, dass das vor allem zu meinem Eigennutz geschah, musste ja niemand wissen. Wenigstens bekamen sie so eine tolle Beziehung auf die Reihe. Und toll musste diese sein, denn sonst wären sie mit Sicherheit nicht verlobt. Jess nickte sofort total eifrig, zückte ihr Handy und diktierte mir die Nummer, die ich sofort abspeicherte. Ich drückte den grünen Button und es tutete.
"Hey, hier ist Perrie Edwards!", meldete sich eine total fröhlich klingende Stimme. Ich könnte wetten, dass diese junge Frau gerade ununterbrochen grinste.
"Hey hier ist Sara, die Freundin von Jess, ich wollte dir eigentlich nur gratulieren zur Verlobung, das ist ja klasse!"
"Danke!", grinste Perrie. "Superlieb von dir, echt! Aber wir sehen uns doch heute Abend im Gothic, oder?"
"Ja klar!", antwortete ich schnell, als ich im Hintergrund eine männliche Stimme vernahm.
"Mit wem telefonierst du denn da, Schatz? Komm doch bitte wieder zu mir ins Bett!" Das war wohl Zayn. Sah so aus, als würden die beiden gerade einen Marathon oder so starten...
"Ich komme sofort, ich telefoniere mit Sara!"
"Mit der Sara?"
"Ja und?"
"Dann wird das ja einfacher als gedacht!"
"Fresse, Schnucki!", beendete sie die Konversation zwischen ihrem Freund und ihr.
"Das war komisch", grinste ich und wackelte dabei mit meinen Augenbrauen.
"Wir sind immer so", antwortete sie schlicht.
"Erklärst du mir das heute Abend?", fragte ich hoffnungsvoll. Den Hundeblick konnte ich leider nicht anwenden.
"Vielleicht", wich sie aus, und wir verabschiedeten uns, weil meine erste Vorlesung bald begann und sie scheinbar zu Zayn zurückmusste. Ich wunderte mich zwar über dieses merkwürdige Gespräch, hatte aber keine Zeit mehr, mir darüber Gedanken zu machen.
"Gehen wir rein?", fragte Jess nach einigen Sekunden und zog mich mit ins Gebäude. Auf dem Plan stand, dass Klavier heute in Saal 2 stattfand und ich begab mich, nachdem ich mich mit Jess für den Abend zum Vorbereiten verabredet hatte, dorthin.
Hallo ihr Lieben!
Es tut mir wirklich leid, dass das Kapitel jetzt so spät kommt. Bei mir ist der Alltag letzte Woche wieder voll durchgestartet, und da ich Pendlerin bin, habe ich abends immer gerade noch genug Zeit und Energie, um etwas zu essen und schlafen zu gehen. Deshalb wird wohl das ein oder andere Kapitel mal länger auf sich warten lassen, aber ich gebe mir die größte Mühe, am Wochenende vorzuarbeiten.
Eine Anmerkung zu diesem Kapitel: Niall sagt, er habe Sara schon einmal auf einem Foto gesehen. Das habe ich noch geändert, in Kapitel 2 machen El, Jess und Sara ein gemeinsames Foto, das Niall zu sehen bekommt. Es wird vermutlich immer mal wieder zu nachträglichen Änderungen kommen, diese Geschichte ist ja sozusagen a work in progress ;) Ich schreibe das dann aber in meinen Kommentar unter das Kapitel.
Wie hat euch dieses Kapitel ansonsten gefallen? Mögt ihr Nialls und Saras Umgang miteinander? Was haltet ihr von dem merkwürdigen Gespräch zwischen Perrie und Zayn?
Wie immer heiße ich eure Kritik herzlich willkommen und freue mich, wenn ihr mir helft, diese Geschichte zu verbessern. Ich kann nicht alles immer direkt umsetzen, aber ich gebe mir Mühe und schreibe alles auf, was ihr anmerkt! Also danke schon mal an diejenigen, die mich bereits so fantastisch unterstützen, macht gern weiter damit.
Ich hoffe ihr seid gesund und es geht euch gut! Das nächste Kapitel kommt dann direkt morgen :)
Liebe Grüße
Catrifa xx
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