01. Concert
Sie erstarrte und sah auf ihre Hand, die von seiner fest umschlossen war. In ihre Augen traten die Tränen. Sie schluchzte, und er nahm sie wie selbstverständlich in den Arm. An seiner Schulter weinte sie alles, was sich in den letzten Wochen angesammelt hatte, aus.
Genervt schlug ich das Buch zu. Ich hasste solche Schnulz-Romane einfach abgrundtief. Der Grund, weshalb ich sie trotzdem las, war über die Hälfte meines Freundeskreises.
Irgendwie war gerade so eine Phase, in der alle Paare Streit hatten, oder sich trennten. Dann waren auch viele unglücklich verliebt, oder sonst irgendwie todtraurig, und alles wegen der Liebe. Gott, ich war so verdammt froh, nicht verliebt zu sein und auch keine Beziehung zu führen! (Man konnte auch nicht verliebt sein, und trotzdem eine Beziehung führen, was man an meiner Freundin Mara merkte, die allerdings gerade daran zerbrach.)
Ich war so gar nicht der Typ, der alle Beziehungen mitnahm, die er bekommen konnte, und ich dachte auch mindestens zehnmal nach, bevor ich sagen konnte: 'Ich bin verliebt!' Der Schritt zu 'Ich liebe dich!' war ein noch viel weiterer Weg.
Es klingelte an der Haustür und ich stand vom Sofa auf. Meinen Laptop und das blöde Buch ließ ich auf dem Couchtisch liegen. Schnell huschte ich zur Tür, und setzte bereits meinen mitfühlenden Blick auf.
Entweder war es Hannah, die sich über Jake, ihren Ex, aufregen würde, danach feststellen würde, dass sie ihn noch liebte und mich bitten würde, ihr zu helfen, wieder mit ihm zusammen zu kommen. Um mir dann beim nächsten Besuch anzuhören, dass er total bescheuert sei und sie sich wieder von ihm getrennt habe.
Oder es war Benni. Benni konnte sich nicht entscheiden, ob er schwul war oder nicht, aber bi zu sein lehnte er kategorisch ab. Das war immer kompliziert, denn bei einem Besuch schwärmte er mir von einem Mädchen vor, das er kennengelernt habe, und am nächsten Tag kam er mit wortwörtlich pinker Herzchen-Brille an und erklärte mir, dass er sich in einen Mann verliebt habe. Typisch bi eben, aber das wollte er nicht einsehen.
Natürlich konnten es auch die drei Lästerschwestern sein, Marco, der mir in einem Moment eine Liebeserklärung machte und im nächsten schwärmte, wie gut seine derzeitige Freundin im Bett war (er hatte so ungefähr jeden zweiten Tag eine neue, sein Rekord war, eine für drei Tage zu behalten), Leonie, die heulte, weil ihr Freund sie verlassen hatte (vor gefühlten drei Jahren) oder Finja, die Berührungsängste hatte und immer total durchdrehte, wenn eines ihrer Dates ihr zu nah kam. Weshalb sie sich dann am nächsten Tag am liebsten umbringen würde. Es waren noch tausende Andere, die mit ihren Beziehungsproblemen zu mir kamen, nicht etwa, weil ich Ahnung hatte, sondern eben, weil ich keine solche Probleme hatte. Ich lebte mein Leben, und half meinen Freunden so gut ich konnte, doch selber hasste ich es, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ich öffnete die Tür, um mich nicht einem meiner "Problemkinder" - so nannte ich sie liebevoll - gegenüber zu stehen, sondern Jessica. Gut, Jess war im Prinzip auch ein Problemkind. Jess war Fan. Und nicht irgendein Fan. Sie war Fan irgendeiner Boygroup, und redete ständig davon, einen dieser Jungs später zu heiraten. Ich schaltete meistens ab, sobald sie anfing, den Namen des Typens in den Mund zu nehmen. Harold Edward Styles. Sobald ich das hörte, musste ich mich beinahe übergeben. Doch diesmal fing sie gar nicht an zu reden, sondern wedelte fröhlich mit zwei Papierfetzen vor meinen Augen rum.
"Ich habe Karten bekommen!", jubelte sie und hüpfte auf und ab. Oh nein. Bitte sag, dass das nicht wahr ist.
Seit Wochen schwärmte sie davon, dass die Jungs in London ein Konzert in der O2 Halle geben würden. Sie hatte wie verrückt versucht, an Karten zu kommen, und anscheinend hatte sie das jetzt - zu meinem großen Bedauern - geschafft. Leider hatte ich ihr in einem unaufmerksamen Moment versprochen mit ihr hinzufahren, und ich brach meine Versprechen nicht.
"Erste Reihe! Ich habe mehr als eine Monatsmiete dafür gezahlt", quietschte sie und schob sich durch die Wohnungstür, zusammen mit einer riesigen Reisetasche. Ihr Geld zu verprassen, nur um von den Typen bespuckt zu werden, schien das Highlight ihres Tages zu sein.
Ich ließ sie durch und schloss die Tür hinter ihr. Dann lief ich ins Wohnzimmer, um den Laptop und das Buch in Sicherheit zu bringen. Wobei ich beim Buch eigentlich nichts gegen eine Zerstörung durch ihre Kosmetik-Utensilien hatte, die sie gleich hier ausbreiten würde. Mein Laptop dagegen war heilig, denn darauf war meine gesamte eigene Musik und die Texte. Schnell speicherte ich meine aktuelle Arbeit eines Mash-Ups und trug den Computer in mein Schlafzimmer. Ich schmiss ihn auf mein Bett und schloss meinen iPod an, um das Neueste zu synchronisieren. Alle meine Dateien des PCs befanden sich ebenfalls auf dem iPod. Gedichte, Geschichten, Dokumente, Bilder, Videos und Musik. Das konnte ziemlich praktisch sein, wie ich herausgefunden hatte. Deshalb synchronisierte ich regelmäßig, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.
Weil Jess noch einige Zeit brauchen würde, um ihr gesamtes Kosmetik-Regal aufgebaut zu haben, wie ich aus Erfahrung wusste, setzte ich mich noch schnell an mein Handy und überprüfte Twitter.
Greg, ein Kumpel von mir den ich vor einiger Zeit auf einer Musikveranstaltung in Irland, meinem Heimatland, getroffen hatte, hatte etwas getweetet.
@Greghoran87: concert today, goin' away
Wie ich herausgefunden hatte, war er regelmäßig auf irgendwelchen Konzerten und machte auch selber Musik, also verwunderte mich das nicht besonders.
Greg wohnte in einem kleinen Ort namens Mullingar, und ich wollte ihn schon immer einmal dort besuchen, jedoch hatte es sich bis jetzt noch nicht ergeben. Schnell verfasste ich meinen eigenen Tweet, bevor ich mich in mein kurzfristig umdekoriertes Wohnzimmer begeben würde.
@SaraTraysen: concerti concerto – not the good kind though
Ich sperrte mein Handy wieder und ging zu Jess ins Wohnzimmer, wo sie den Tisch bereits vollgestellt hatte mit Nagellack, Eyeliner, Wimperntusche, Lidschatten, Lippenstift, Rouge, Concealer und einigem mehr.
Sie drückte mich in meinen Lieblingssessel und nahm eine Creme zur Hand.
"Jetzt wirst du mal richtig schön gemacht, damit sie sich in dich vergucken!", erklärte sie mir und ich bekam jetzt schon Angst. Jess hatte manchmal leicht weltfremde Vorstellungen davon, was Make-Up so anrichten konnte. Jedoch schloss ich brav meine Augen und ließ sie machen. Wenn Jess etwas konnte, dann war es das Stylen. Tatsächlich war sie schon innerhalb einer halben Stunde fertig mit meinem Gesicht und machte sich daran, meine Haare zu bearbeiten.
An meine Haare ließ ich ziemlich wenige heran, denn sie waren mir heilig (wie mein Laptop und so einiges andere) und machten leider oft das, was sie wollten. Nur bei Jess, und gelegentlich bei mir fügten sie sich, und deshalb vertraute ich sie Jess an. Dieses Mädchen war die geborene Stylistin, sie hatte einfach das Talent dazu, und außerdem machte es ihr Spaß. Sie holte zuerst ihr Glätteisen heraus, um meine Haare gefügig zu machen und drehte sie anschließend mit dem Lockenstab ein. Die weichen Locken fielen mir bereits um die Schultern und Jess beendete ihr Werk. Dann holte sie aus ihrer Sporttasche ein kurzes, blaugrünes Cocktailkleid. Diese Farbe war wohl der einzige knallige Ton, der mir wirklich immer stand, und Jess wusste das durchaus. Sie reichte mir das Kleid, und befahl mir, es anzuziehen. Sofort schlüpfte ich aus meiner Jogginghose und meinem Oversizepullover, um in das Kleid zu steigen. Schnell lackierte meine Freundin mir die Fingernägel im selben Farbton, den das Kleid hatte, auch meine Füße blieben nicht unverschont. Zum Glück gab sie mir jedoch als Schuhe keine mit hohen Absätzen, sondern lediglich schwarze Ballerinas. Ich atmete auf, auf den anderen Schuhen, die sie sonst so im Schrank hatte, hätte ich unmöglich laufen können.
Dann war ich fertig und sie hielt mir einen Spiegel hin. Zufrieden mit ihrem Ergebnis legte ich den Spiegel weg und begann, ihr die Haare zu machen. Ich drehte ebenfalls Locken hinein, nur dass sie sowieso glatte Haare hatte, ich diese also vorher nicht bearbeiten musste. Währenddessen bearbeitete sie bereits ihre Fingernägel. Als wir gleichzeitig fertig waren, zog sie schnell ihr rotes Kleid aus ihrer Tasche und zog es sich an. Wie immer sah sie umwerfend aus, damit würde sie ihren angebeteten Typen wenigstens zu einem One-Night-Stand bringen. Das jedenfalls beschloss ich so für mich.
Jess sah auf ihre Uhr und war plötzlich total gehetzt. Wir suchten noch schnell einigen Schmuck zusammen und fuhren schließlich mit der Tube zur O2 Halle. Diese war zum Glück nicht weit von meiner Wohnung entfernt.
Dort angekommen sprintete die Blonde geradezu die Rolltreppen hoch und stellte sich zusammen mit mir in die riesige Schlange. Gut, ich wollte mich in die Schlange stellen, aber Jess zog mich weg und zu einem Hintereingang.
"Ich habe doch VIP-Karten, Mädel!", flüsterte sie mir zu, zeigte diese dem Türsteher und dieser führte uns widerspruchslos durch den Backstage-Bereich. Überall liefen gehetzte Leute herum und ich fragte mich, woher zum Teufel Jess diese Karten hatte. Wer bot denn sowas an?
"Hey Gemma!", sprach sie plötzlich ein Mädchen an, das aus einer der Türen kam. Oh, wenn sie hier jemanden kannte, war das ja kein Wunder!
"Hey Jess!", bemerkte diese und umarmte das Mädchen. "Gut sehr ihr aus, viel Spaß beim Konzert und man sieht sich!" Damit verschwand sie in einem der Gänge.
Ich könnte mich hier nie zurechtfinden, doch der Typ von der Security, der uns führte, kannte den Weg zum Glück und setzte uns hinter der Bühne ab. Jess zog mich mit in den Zuschauerraum und zu unseren Plätzen. Wir waren tatsächlich in der ersten Reihe, und würden vollgespuckt werden. Juchhu! Ich hatte immer noch keine Ahnung worum es hier ging, beziehungsweise welche Boygroup das war, aber es war mir ehrlich gesagt auch einfach egal. Ich machte nur Jess hiermit eine Freude, und das war's dann auch schon. Meine eigene Freude hielt sich in Grenzen, denn um uns herum waren lauter kreischende Mädels. Kreischende Mädels, obwohl man diese "tollen" Jungs noch nicht zu Gesicht bekommen hatte! Das konnte ja was werden... Jess neben mir kreischte fröhlich mit, und ich fühlte mich einfach nur noch von Verrückten umgeben.
Als plötzlich alles dunkel und die riesige Bühne in Scheinwerferlicht getaucht wurde, wurde das Kreischen noch lauter und mir tat es um mein Trommelfell leid. Ich brauchte meine Ohren doch noch, sonst könnte ich nie wieder richtige Musik hören!
Fünf Jungs sprangen auf die Bühne und die Masse tobte. Hilfe, was war denn so besonders an denen? So gut sahen sie nun auch wieder nicht aus, und ob sie singen konnten, wusste ich zwar noch nicht, aber in jedem Fall gab es sicherlich viele Menschen, die mindestens genauso gut singen konnten und auch noch besser aussahen! Diese Jungs kochten letztendlich auch nur mit Wasser!
Sie begannen mit ihrem ersten Song und die gesamte Halle sang mit, ich war hier scheinbar die Einzige, die den Text nicht kannte, oder das Lied überhaupt. Um ehrlich zu sein, war es mir aber total egal. Die Halle bebte, und alle feierten einfach nur. Ich musste zugeben, hier war richtig gute Stimmung. Alle freuten sich einfach, und vergaßen alles, um für einige Stunden in die Musik zu entfliehen. Das gefiel mir, und so entspannte auch ich mich nach dem dritten Lied und ließ mich einfach in den Rhythmus fallen. Jess neben mir tanzte ausgelassen und war begeistert, ebenso das Mädchen an meiner anderen Seite. Die Brünette hatte ein sanftes, verliebtes Lächeln auf dem Gesicht und sah sehr hübsch aus. Sie brüllte nicht, wie die anderen, sondern tanzte einfach zu der Musik und ließ sich fallen. Solche Menschen gefielen mir total. Jedoch hatte sie auch eine kleine Macke, denn sie starrte die ganze Zeit zu einem Typen mit braunen, verwuschelten Haaren, immer mit diesem verliebten Blick. Oh Gott, die Fans waren doch nur noch durchgeknallt! Sie sah ungefähr aus wie Anfang zwanzig und nicht so, als würde sie sich in einen Typen verknallen, den sie nur aus der Sun kannte. Vielleicht war sie ja mit den Jungs befreundet? Dann konnte das natürlich sein.
Ich ließ mich wieder in die Musik fallen, und kam nur in meinen Körper zurück, um den Ansagen zuzuhören.
"Der nächste Song ist wahrscheinlich der, dessen Musikvideo auf der ganzen Welt bekannt ist. Wir tanzen zusammen zu Best Song Ever!" Also ich kannte den Song nicht, und von welchem Musikvideo sprachen die?
"Oh Gott, gleich tanzt Harry!", keuchte Jess neben mir und stützte sich auf mich, um nicht umzukippen. Als die Musik einsetzte, wurde die Hilfe jedoch überflüssig, denn Jess begann zu tanzen, und wenn sie tanzte, dann richtig! Ich ließ mich ebenfalls in die Musik fallen und beobachtete die fünf Jungs ganz genau, während sie tanzten.
"Schau mal zu Niall!", schrie Jess mir mitten im Lied plötzlich zu. Seit wann sprach sie denn, wenn sie tanzte?
"Wer ist Niall?", schrie ich zurück, weil ich echt keine Ahnung hatte.
"Blond!", kreischte sie und bekam fast einen Anfall, weil ich das nicht wusste. Ich sah zu dem einzigen Blondschopf in der Band, und bemerkte sofort, was sie mir sagen wollte. Also ich war ja wirklich nicht der Typ Frau, die jeden Mann sofort geil oder süß findet, aber Niall war genau das beides! Er tanzte ziemlich..., ähm, ausgelassen und grinste schief in die Runde. Nein, er grinste nicht in die Runde, und das hatte Jess aufmerksam gemacht. Er grinste MICH an! Und zwar wirklich mich, und niemand anderen, denn als ich zu ihm sah, und ihm für einen kurzen Moment in die Augen sah, trafen meine grünblauen auf seine ozeanblauen Augen, und ich hatte das wirklich merkwürdige Gefühl, in seiner Seele lesen zu können. Der Moment war aber schnell vorbei, denn er sah hastig weg, zu den anderen Jungs.
"Er hat dich angeschaut, oder?", fragte Jess mich zehn Tonstärken lauter als sonst.
"Kann sein", erwiderte ich bloß. Jess wandte sich zufrieden wieder zur Bühne und lauschte dem Lied, das gerade gesungen wurde.
Hallo ihr Lieben,
hoffentlich hat euch das erste Kapitel gefallen! Da ich gerade dabei bin, den Anfang dieser Geschichte zu überarbeiten, und mir noch nicht ganz sicher bin, wie sehr ich es überarbeiten sollte, bin ich offen für jegliche Kritik, also haut sie bitte raus. Alles, was euch nicht gefällt, möchte ich an dieser Stelle gern hören, damit ich es ändern kann. Ich bin gerade diesbezüglich im Zwiespalt, denn ich möchte nicht die komplette Geschichte umschreiben (das kann ich auch zeitlich nicht leisten), aber andererseits soll sie so gut wie möglich werden. Deshalb freue ich mich umso mehr auf eure Kommentare.
Was ist euer erster Eindruck von Sara? Teilt ihr ihre Ansichten oder seid ihr da anderer Meinung?
Wie findet ihr Jess, wie wirkt sie auf euch? Würdet ihr auch so viel Geld für Konzertkarten ausgeben?
Ich hoffe es ist in Ordnung, dass die Tweets auf Englisch sind. Falls jemand die Sprache nicht so gut versteht (oder auch, wenn ihr das stilistisch nicht gut findet), lasst es mich bitte wissen. Entweder schreibe ich sie dann komplett auf Deutsch, oder ich schreibe die Übersetzungen unter die jeweiligen Kapitel.
Ich habe beschlossen, die Kapitel nun erstmal dienstags hochzuladen. Es kann sein, dass ich mal eine Woche auslasse, aber größtenteils solltet ihr wöchentliche Updates bekommen. Wie gesagt muss ich anfangs nur korrigieren, viele Kapitel sind in der Rohfassung schon fertig.
Lasst mir wie gesagt bitte eure Meinung da, ich freue mich schon darauf!
Liebe Grüße
Catrifa xx
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