2. Lie
‚I can't be free from this lie
Give me back my smile
Caught in a lie
Pull me from this hell
I can't be free from this pain
Save me, I am being punished
I am still the same person I was before
I am here, the same person I was from before, but
An overgrown lie is trying to swallow me whole'
Taehyung
Jungkook ließ nicht gerade überzeugt von seinem Freund ab. Seine Hand rutschte langsam an Taehyungs Arm herab und an jeder Stelle seiner Haut, die durchs Jungkooks erhitzte Finger gestreift wurde, stellten sich alle kleinen Härchen auf. Taehyung nahm dieses elektrisierende Gefühl mehr als deutlich wahr, weshalb er sich schnell von dem Jungen löste und in das Lied einstimmte. Dabei versuchte er so gut es ging, sich seine Unsicherheit und Verwirrtheit nicht anmerken zu lassen. Er hüpfte gespielt fröhlich auf die andere Seite der Bühne und konnte Jungkooks Blick in seinem Nacken spüren.
Dort angekommen versuchte er ein wenig mit den Fans und der Kamera zu interagieren. Nach kurzer Zeit kam sein Freund Jimin, der kleinste und blonde Junge, zu ihm herüber und sie beide zogen ein paar Grimassen in die Kamera. Dabei legte Jimin seinen Arm um die Schultern von Taehyung. Das war komisch. Taehyung konnte hier keine derartige Veränderung wie zuvor bei Jungkook spüren. Es fühlte sich einfach ganz normal an, eben so wie es sich zwischen normalen Kumpels anfühlen sollte.
Mit einem Mal überschlugen sich seine Gedanken. Was war denn nur los? Wieso fühlte sich jede einfache Berührung mit Jungkook nur so anders an? Das war doch noch nicht lange so. Eigentlich waren sie doch immer beste Freunde gewesen. Dass sie viel aufeinander rumhangen und natürlich auch öfter mal freundschaftliche Zärtlichkeiten austauschten war ja ganz normal. Ihre Bindung war eben die engste unter den sieben Freunden. Aber dieses Kribbeln, als wenn jemand mit einem aufgeladenen Luftballon über seine Haut fahren würde, das hatte er eindeutig noch nicht lange. Seine Besorgnis konnte man aus seinem Gesicht ablesen, welches Sorgenfalten auf seiner Stirn bildete.
Auch Jimin merkte nun, dass mit seinem Kumpel wohl nicht alles in Ordnung war. „Hey Taehyung, ist alles gut?", fragte auch er, genauso besorgt wie Jungkook zuvor. Aber jetzt verlor Taehyung sich nicht in den Augen seines Gegenübers. Er spürte nichts dergleichen. „Ja, es ist alles gut, Jiminie", antwortete er nur. Und schon wieder hatte er gelogen. Eine große Lüge lastete auf seinen Schultern. Und diese Lüge drohte so langsam, ihm sein Leben zur Hölle zu machen. Er konnte nicht mehr länger schweigen. Aber er konnte auch nicht einfach damit herausrücken. Schließlich war er ein K-Pop Idol. Dort wird sowas doch gar nicht gerne gesehen. Und was würde das Management nur sagen? Nein, er musste seine Lüge noch weiter bewahren und leben. Er war lieber weiter in dieser gefangen, als alles dafür aufs Spiel zu setzen.
Wieder ließ er seinen Blick über die Bühne gleiten und kam erneut bei seinem besten Freund zum Stehen. Der Schwarzhaarige winkte gerade fröhlich mit beiden Armen ins Publikum. Dort stand er, heiter, glücklich und so schön. Schön? Das hatte er doch jetzt gerade nicht wirklich gedacht, oder? Natürlich war Taehyung klar, dass sein Freund schon immer gut ausgesehen hatte, aber er selbst hatte das noch nie so wie in genau diesem Augenblick wahrgenommen.
Unter Jungkooks weißem T-Shirt zeichneten sich seine Bauchmuskeln leicht ab, seine helle Röhrenjeans betonte seine muskulösen Oberschenkel und seine schwarzen Locken hingen ihm verwegen ins Gesicht. Bei diesem Anblick legte sich direkt wieder eine Gänsehaut über Taehyungs Körper, weshalb er den Blick ruckartig wieder abwendete. Er schüttele einmal den Kopf und kniff die Augen zusammen. Doch es half nichts. Immer wieder tauchte das Bild seines Freundes vor seinem inneren Auge auf und er wurde es nicht los. Es brannte sich dort fest. Was war denn nur los mit ihm? Er konnte sich das alles nicht wirklich erklären. Jungkook war doch sein bester Freund, er war sein bester Freund! Es konnte doch nicht sein, dass er auf einmal so für ihn empfand. Nein, das konnte und durfte einfach nicht sein! Er hatte sich doch nicht etwa in Jungkook verliebt?
Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Das durfte nicht sein. Doch je mehr der Junge darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich der Sache. Was sollte er denn nun tun? Es bahnte sich also eine weitere Lüge in seinem Leben an. Aber diese Lüge war anders. Sie war größer, gewaltiger und er spürte schon die zusätzliche Last auf seinen Schultern. Er wusste, wenn es so weiter ginge und er diese Lüge jetzt vor seinem besten Freund leben müsste, dann würde es nicht mehr lange dauern, bis er unter der Last zusammenbrechen würde. Taehyung war am Ende. Am Ende seiner Möglichkeiten und Geheimnisse angekommen. Genau in diesem Moment wurde ihm das schmerzlich bewusst.
Plötzlich stieß Jimin ihm mit seinem Ellenbogen in die Seite. Der Blonde schaute erwartungsvoll drein und Taehyung realisierte nun geschockt, dass er seinen Einsatz einfach verpennt hatte. Hastig versuchte er, den Faden wieder zu finden und fing dann an zu singen. Jimin konnte sich ein Lachen nun nicht mehr verkneifen, aber Taehyung war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Er wendete sich von dem Kleinen ab und schaute in die Menschenmassen vor ihm.
Und da sah er es. Ganz deutlich. Dort stand ein zierliches Mädchen mit ihrer Freundin. Sie beide hielten ein Plakat in die Höhe. Ein Plakat, auf welchem in großen, bunten Buchstaben stand: No matter what, we love you, Taekook! Eine Welle von Emotionen drohte über den Sänger herein zu brechen. Sein Blick ruhte immer noch auf dem Plakat und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg in seine Augen. Sein Herz pochte mit einem Mal wieder wild in seiner Brust. Er konnte nicht anders. Er winkte also den beiden Mädchen zu und legte dann seine rechte Hand an sein Herz. Mit der linken wischte er sich schnell eine Träne von seiner Wange.
Der Junge hatte erwartet, die Mädchen würden nun ihre Handys zücken, ein Video drehen und laut herum kreischen, aber dem war nicht so. Sie beide fingen einfach nur liebevoll an zu grinsen und hielten ihre beiden Hände verschränkt in die Luft. Ihre Lippen formten ein lautloses „Thank you!" und Taehyung fühlte sich plötzlich so viel besser. Er fühlte sich nun kraftvoll und in der Person bestärkt, die er war. Diese beiden Mädchen gaben ihm ein Gefühl von Zugehörigkeit und er wusste jetzt, dass es nicht falsch war wie er empfand. Er wusste, dass er die ganzen Lügen endlich loswerden musste. Er wusste, dass er sie nicht länger leben konnte. Eine allumfassende Wärme machte sich von innen in ihm breit. Seine Tränen liefen nun wie ein Rinnsal über seine Wangen, aber es war ihm egal. In diesem Moment war er einfach nur glücklich!
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