1. Oneshot // Die Busfahrt

Ich rannte so schnell ich konnte durch die dunklen Straßen der Stadt. Es hatte geregnet und alles war von einer dünnen Schicht Wasser überzogen. Sie glänzte im grellen Licht der Straßenlaternen. Ich kam gerade von einer Party, war leicht angetrunken, und versuchte noch irgendwie rechtzeitig den letzten Bus zu erwischen, denn wenn ich ihn nicht bekommen würde, müsste ich den ganzen Weg allein durch die Stadt, entlang der düsteren Wohnblocks, laufen. Wenn ich den Bus allerdings kriegen würde, müsste ich bloß ein paar Gassen durchqueren und wäre sofort zu Hause.

Von weitem erkannte ich zwei dunkle Gestalten in einem gläsernen Bushäusschen. Sie standen gebeugt, hatten sich in ihre dicken Jacken gekuschelt und schienen auch auf den Bus zu warten. Ich warf einen schnellen Blick auf meine Uhr, die sich gut in dem Ärmel meiner dünnen Lederjacke versteckte. Es war 22:59 Uhr. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte noch schneller. Punkt 23 Uhr kam ich an der Haltestelle zum Stehen. Aus meinem Mund wich ein angestrengter Seufzer, woraufhin ich den finsteren Blick von einem der Wartenden kassierte. Neben mir stand der grummelige Mann. Ein wenig von uns entfernt lehnte ein junges Mädchen an der Glaswand. Sie trug weiße Kopfhörer und richtete ihren Blick starr auf ihr Smartphone als würde sie von der Außenwelt nichts mitbekommen wollen.

Ein paar Minuten später rollte der kleine Bus um die Ecke. Er hielt mit dem mir allzu gut bekanntem Quietschen der Reifen an. Seine Türen öffneten sich hinten wie auch vorne. Eine Person stieg aus und wir drei ein. Ich grüßte den Fahrer freundlich und streckte ihm mit einem Lächeln auf den Lippen meine Monatskarte entgegen. Er nickte mir schwach zu, anscheinend war er müde. Im Bus waren alle Sitzplätze, bis auf einer ganz hinten, besetzt. Es war ungewöhnlich, dass an einem Freitag mitten in der Nacht so viele Menschen Bus fuhren. Ich wollte mich gerade auf den Weg zu dem freien Platz machen, als mir plötzlich jemand den Ellenbogen in den Bauch rammte. Erschrocken stöhnte ich auf und drehte mich um. Ich blickte direkt in das Gesicht des grimmigen Mannes mit dem ich bereits an der Haltestelle wartete. ,,Gehen sie auch weiter oder wollen sie hier die ganze Nacht im Weg stehen?!" Zischte er mir entgegen. Erschrocken über seine vor Wut glitzernden Augen nickte ich vorsichtig. ,,Ich gehe gern beiseite." Antwortete ich ihm ungewöhnlich nett. Ich hatte nicht erwartet, dass ich nach dieser frechen Frage, welche er mir grundlos an den Kopf geworfen hatte, überhaupt noch so freundlich sein konnte. ,,Nehmen Sie ruhig den Platz da hinten. Ich kann stehen." ,,Das will ich auch hoffen..." Murmelte der ältere Mann und schob sich mit unnötiger Gewalt an mir vorbei. Langsam kippte mein Kinn nach unten. Ich erwartete von ihm definitiv kein Dankeschön, aber auf seine unhöfliche Reaktion war ich dann doch nicht vorbereitet, denn es reichte ihm offensichtlich nicht sich an mir vorbei zu quetschen, nein er musste mir natürlich auch noch mit seinem gesamten Gewicht auf den Fuß treten. Dieses Arschlo....

Abprubt fuhr der Busfahrer mit einem reisen Schwung an, sodass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Ich versuchte noch mir den Plastikgriff, der über meinem Kopf an den gelben Stangen befestigt war, zu schnappen. Doch ohne Erfolg, ich fiel rückwärts direkt auf die belegten Sitze zu. Ich ließ es einfach über mich ergehen und schloss die Augen, um nicht in die entsetzten Gesichter der Fahrgäste, auf denen ich jeden Moment landen müsste, zu schauen. Plötzlich spürte ich eine große warme Hand auf meinem Rücken, kurz darauf merkte ich eine zweite Hand auf meinem Bauch. Erschrocken riss ich meine grünen Augen auf. Ich sah einem jungen attraktiven Mann, der etwa in meinem Alter war, ins Gesicht. Er hatte schwarze leicht gelockte Haare, einen starken Kiefer und ein schlangenartiges Tattoo, welches sich über seinen Hals erstreckte. Der Mann räusperte sich kurz und riss mich aus meiner Traumwelt zurück in die peinliche Realität. ,,T-tut mir unendlich leid." Er ging nicht auf meine Entschuldigung ein, sondern legt den Kopf schief, während sich ein kleines Grinsen auf seine wunderschönen Lippen schlich. ,,Bist du betrunken?" Fragte er ohne irgendwelche Umwege. ,,Ich... äh... nein, nur ein wenig angetrunken." Eine seiner schwarzen Augenbrauen hob sich langsam an. Er löste seine Arme von mir und ich stand so schnell ich konnte auf.

,,Eine so schöne betrunkene Frau wie du sollte nachts nicht alleine Bus fahren, das weißt du oder?" Brummte er mir entgegen, während er seine Jeans Jacke glatt strich und die Kapuze seines schwarzen Pullovers, welchen er darunter trug, richtete. Es dauerte einen Moment bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, denn ich hatte wirklich keine Lust darauf mir von einem wild fremden Typen erklären zu lassen was ich tun darf und was nicht. ,,Erstens bin ich nicht betrunken und zweistens ist der Bus voller Menschen. Wer es wagt mich hier anzufassen muss also wirklich dumm sein." In seinem Gesicht regte sich etwas, doch was es war konnte ich nicht richtig deuten, bis er schließlich eine Hand nach mir ausstreckte und er nach meinem Rocksaumen griff. Sofort wollte ich ein Stück zurück weichen, doch er lächelte nur. ,,Keine Angst ich tue dir nichts, außerdem sind hier viel zu viele Leute im Bus um dich anzufassen." Seine Hand hatte meinen knappen Rock nun umschlossen und er zog ihn nach unten. Schlagartig stieg mir die Röte in Gesicht und spürte wie sich meine Wangen erhitzten. Mein schwarzer Rock war soweit nach oben gerutscht, dass man meinen Slip fast gesehen hätte. ,,Gern geschehen." Scherzte er und zwinkerte mir mit seinen dunkelbraunen Augen zu. Seine Hand rutschte weiter nach unten bis auf meinem Oberschenkel liegen blieb. ,,Sie haben wirklich große Hände, Mister." Versuchte ich den Mann darauf hinzuweisen, dass seine Hand noch bei mir war. ,,Oh bitte nenn mich Jacob und nicht Mister..." Vermutlich fühlte er sich alt wenn man ihn Mister nannte, was ich absolut nachvollziehen konnte. ,,Und wie heißt du, Süße?" ,,Sophia" ,,Wie die Göttin der Weisheit... gefällt mir." Antwortete er während er interessiert nickte. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Seine Hand lag weiterhin auf meinem Bein, war aber bis auf mein Knie gerutscht. Ich hielt mich an einer der Stangen fest und versuchte ihn so selten wie möglich anzuschauen, obwohl es mir, um ehrlich zu sein, ziemlich schwer fiel, da Jacob sehr gut aussah.

Ein paar Stationen weiter blieb der Bus erneut stehen. ,,Danke für die interessante Busfahrt." Sagte ich zu Jacob und sah ihm tief in seine wundervollen Augen. ,,Vielleicht sieht man sich mal wieder...." Mit diesen Worten wendete ich mich von ihm ab und verließ den Bus. Die Türen schlossen sich, doch ich spürte, dass mich jemand von hinten anstarrte. Ich wandte mich um und blickte wieder in Jacobs braune Augen. ,,Ich werde dich nach Hause bringen." Er setzte wieder dieses verführische Lächeln auf, welches er auch schon im Bus als ich auf ihn fiel trug, sodass ich sein Angebot einfach nicht ausschlagen konnte. Ich wusste nicht warum, doch sein charmanter Blick brachte mich zum Schmunzeln. ,,Ist mir eine Freude." Antwortete ich Jacob schließlich und hackte mich bei ihm unter, denn ich spürte den Alkohol in meinem Körper noch immer sehr.

,,Hast du morgen Abend schon etwas vor?" Fragte Jacob mich, während wir durch eine der dunklen Straßen zu meiner Wohnung gingen. ,,Nein, habe ich eigentlich nicht." ,,Ich glaube doch...Ich dachte du hast morgen ein Date mit einem gutaussehenden Mann, der gerne Frauen im Bus auffängt." ,,Ach ist das so? Weißt du zufälliger Weise auch wann dieser gutaussehenden Mann mich abholen wird?" Ich mochte seine Art wirklich sehr, sie hatte etwas süßes, aber doch auch etwas eingebildetes und lustiges an sich. ,,So gegen 7 Uhr, dann wird er dich zu dem besten Italiener der Stadt ausführen und vielleicht ergibt sich danach ja noch etwas..." Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen zwinkerte er mir zu. ,,Ja sicherlich, nach dem Essen wird er brav nach Hause gehen..." Jetzt verdunkelte sich sein froher Gesichtsausdruck etwas. ,, Du wohnst also in diesem Haus?" Fragte er, als wir zum Stehen gekommen sind. ,,Ja, es sieht zwar von außen nicht besonders schön aus, aber von innen ist es ganz gemütlich." Er gab ein kurzes Geräusch von sich, um zu bestätigen, dass er mir zuhörte. Es war Zeit, dass wir getrennte Wege gehen, doch tief im Inneren wollte ich nicht, dass der Abend schon endete. Ich kannte Jacob zwar erst seit einer Stunde, aber ich wusste er würde mir nicht wieder so leicht aus dem Kopf gehen. Es schien als bemerkte er, dass ich nachdachte, denn er trat ein paar Schritte auf mich zu und nahm mein Kinn in seine großen von Adern gezeichneten Hände. Vorsichtig hob er meinen Kopf an, sodass ich in sein makelloses Gesicht blicken musste. ,,Kein Angst, wir werden morgen so viel Zeit wie du willst miteinander verbringen." Hauchte er mir sanft entgegen. ,,Das hoffe ich." Flüsterte ich zärtlich zurück. Jacob beugte sich zu mir herunter und drückte vorsichtig einen Kuss auf meine Stirn.

Die Wärme seiner Lippen breitete sich auf meiner kalten Stirn aus. Ich spürte wie die Schmetterlinge in meinem Bauch immer wilder flogen. Ein wohliger Schauer strich meinen Rücken hinab. Langsam zog er seinen Kopf zurück und schaute mir nochmals in die Augen. ,,Wir sehen uns morgen." Sagte er, drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. ,,Bis morgen." Sprach ich leise und starrte noch eine Weile in die Finsternis. Nun drehte auch ich mich um, schloss die Tür des Hauseinganges auf und verschwand schlussendlich in meine kleine Wohnung, während ich noch immer Dank Jacob auf Wolke sieben schwebte.

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