21. Lion

Ich begriff gar nicht, was ich da gesagt hatte, bis mein Herz fast brach, weil er es nicht erwiderte.

Ich drückte mich von ihm weg, weil ich nicht das kleine naive Kind sein wollte, das um die Liebe seines Schwarms betteln musste.

„Alex, ich..."

Ich schüttelte den Kopf und drehte mich von ihm weg, um mein Aussehen im Spiegel zu überprüfen. Ich wischte mit eine Träne weg, die mir entflohen war und fuhr einmal durch meine Haare, ehe ich auf die Tür zuging, vor der er noch immer stand.

Er hielt mich sanft am Unterarm fest. Er sah mich an. Ich sah ihn an.

„Ist okay, Tyler. Ich versteh das"

Er schüttelte den Kopf, seine Hand wanderte runter in meine. „Ich hab das schon so oft zu John gesagt, über all die Jahre, dass es irgendwie bedeutungslos geworden ist. Ich will nicht, dass es bei dir so wird wie mit ihm. Aber... Du bist noch so jung wie ich damals, als das mit mir und John seinen Anfang genommen hat. Du weißt gar nicht, was das überhaupt bedeutet"

Ich schüttelte den Kopf, riss meine Hand aus seiner. „Ich bin kein Kind mehr, das hast du selbst gesagt"

„Trotzdem hast du manche Erfahrungen einfach nicht", erklärte er mir sachlich. „Vielleicht empfindest du nur so für mich, weil du mich heiß findest und es gerade spannend ist. Weil ich dich verstehe. Weil ich dich kenne. Aber was, wenn du dich outest und dann plötzlich alle dein wahres Ich sehen? Wenn du auch andere hast, denen du vertraust und andere Männer triffst, die dir gefallen? Würdest du dann immer noch behaupten, mich zu lieben?"

„Im Gegensatz zu John behaupte ich das nicht nur", knurrte ich ihm zu. „Dein toller Freund findet dich zu langweilig und will deshalb mit anderen ficken. Er hat dich betrogen und verarscht und jetzt tut er es, obwohl du davon weißt. Und das alles nur, weil du ihm nicht genug bist. Er hat dich nicht verdient. Dich und deine sogenannte Liebe" Ich setzte es in Anführungszeichen. „Ihr liebt euch nicht, Ty, ihr seit einfach nur abhängig voneinander. Vor allem du. Du kannst einfach nicht loslassen. Aber in Wahrheit ist eure Beziehung schon lange kaputt und je länger du dir das antust, desto mehr gehst auch du kaputt. Und das werde ich mir nicht mitansehen oder es unterstützen."

Ich ging einen Schritt zurück, um ihm nicht mehr so gefährlich nahe zu sein. „Ich gebe dir jetzt ein Versprechen.", sage ich neutral. „An meinem Abschluss werde ich 18. Wenn es soweit ist, dann oute ich mich. Dann kannst du entscheiden, ob du dein Leben mit John und einer Lüge leben willst, die dich jetzt schon unglücklich macht, oder mit mir. Und ich werde dich weder betrügen, noch von dir verlangen, mir zu erlauben, es mit anderen zu treiben"

Ich ging wieder auf ihn zu und legte ihm die Hand auf seine Wange, sah ihm eindringlich in die Augen und wurde leiser, als ich ihm mein Angebot unterbreitete. „Für mich wärst du genug. Alles, was ich will und brauche. Ich würde dich wirklich lieben und das für immer"

Ty schluckte.

Ich setzte ihn unter Druck, das wusste ich und ich tat es bewusst. Um mich nicht allzu schlecht zu fühlen, gab ich ihm trotz unserer derzeitigen Differenzen einen kleinen, sanften Kuss auf die Lippen.

„Überleg es dir", hauchte ich ihm dabei zu, während ich mit dem Daumen über seine Wange strich.

Er atmete zittrig durch und ich schob ihn sanft zur Seite, um aus der Tür nach draußen zu kommen.

Hier war aber das totale Chaos. Tonys Eltern schrien ihn an, er schrie zurück.

Nico und Ace hielten Tonys Dad zurück, Lucy und Kristin seine Mutter, während Tony beim Sprechen wild gestikulierte und dabei immer wieder von sich zu Matt zeigte, der eingeschüchtert neben Tony stand und sich immer weiter hinter ihn schob.

John stand überfordert daneben und die anderen Gäste des Restaurants waren auch alle ziemlich verstört von diesem italienischen Krieg auf deutschem Boden.

Ich verstand davon verbal kein Wort, ich sah nur, dass Matt sich unwohl fühlte, also ging ich zu ihm. „Was ist los?" Besorgt musterte ich ihn, aber zumindest körperlich schien es ihm gut zu gehen.

„Tony hat mich geküsst und sein Dad hats gesehen", flüsterte er mir zu.

Tony bekam in dieser Zeit einen totalen Anfall. Er schrie so laut, dass er damit seine Eltern übertönte und seine Stimme sogar brach. Ich hatte Angst, seine Stimmbänder würden abreißen.

Das alles ging solange, bis John zu Tonys Eltern ging und ruhig mit ihnen sprach. Auf Italienisch.

Plötzlich war es leise und alle starrten ihn an. Er sagte irgendetwas, Tonys Eltern sahen zwischen ihrem Sohn und Matt hin und her.

Tony atmete ganz schwer, schaute seine Eltern böse an und zog währenddessen Matt in seine Arme, als wolle er ihn beschützen und seinen Eltern zeitgleich zeigen, dass er ihn nie mehr loslassen würde.

„Alles wird gut", hauchte er leise, strich seinem Freund über den Kopf.

Matt nickte bloß und drückte sich fester an Tony.

Ich hatte keine Ahnung, was John da mit Tonys Eltern diskutierte, aber es schien zu helfen.

Dass er meinem Freund gerade half, nicht alles zu verlieren oder von seinen Eltern windelweich gedroschen zu werden, machte zwar nicht wett, was für ein Arschloch er Ty gegenüber war, aber es brachte mich von meinem Vorhaben ab, ihn zu erschlagen und im Wald zu verbuddeln.

Nach kurzer Zeit kam auch Ty dazu. Er sah ziemlich fertig aus, doch er bemerkte schnell, dass etwas nicht stimmte und stellte sich zu John. Zu meiner Überraschung verstand er auch, worüber hier geredet wurde. Sein Italienisch klang zwar nicht so flüssig wie Johns, aber ich war dennoch beeindruckt, als Tyler Tony und Matt einfach zu den italienischen Eltern zog, sich aber beschützend vor sie stellte und irgendetwas sagte, unterstützt von John.

Sie waren ein viel zu gutes Team.

Ich verstand eigentlich nichts, doch spürte, dass langsam aber sicher alles gut wurde.

Tonys Eltern wandten sich, diesmal im menschlicher Lautstärke an ihn, seine Mamma lächelte sogar, obwohl sie Tränen in den Augen hatte und dann gingen beide wieder in die Küche.

Tony atmete erschöpft durch und drückte Matt seine Lippen auf die Stirn.

„Also das nenne ich mal Temperament", scherzte John.

„Danke für deine Hilfe, John. Ich dachte echt, die schicken mich sofort ins Kloster", seufzte Tony ehrlich dankbar.

John schmunzelte. „Kein Problem. Deine Eltern sind ein bisschen... naja ziemlich konservativ, aber sie lieben dich. Sie werden sich daran gewöhnen, mach dir keine Gedanken."

Er haute Tony kumpelhaft auf die Schulter und legte dann seinen Arm um Ty. „Danke für den spannenden Abend, Leute. War echt schön, euch kennenzulernen"

Meine Freunde verabschiedenden sich von ihm.

Ty und ich sahen uns währenddessen stumm an, ehe John ihn einfach mit sich zog.

Dieser Depp bemerkte ja nicht mal, dass es Tyler gerade alles andere als gut ging.

Ich wollte ihn echt nicht mit diesem Ego gehen lassen, aber ich wusste, ich musste. Was würde ihn schon bei mir halten?


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