17. Lion
„Hei Freunde!", gab ich gut gelaunt von mir, als ich morgens auf den Pausenhof kam und Lucy hochhob.
Sie quiekte auf, lachte aber und gab mir einen Kuss. Ihh Lippenstift.
Sie wischte ihn zum Glück gleich wieder von meinen Lippen und ich sah sie dankbar an. Dann nahm ich sie routinemäßig in den Arm und sah überrascht zu Matt, der Tony umarmte. Vor allen.
Ace stand mit verschränkten Armen daneben und sah mich ungläubig an. „Die haben sich grade geküsst, Alter" Er deutete mir durch ein Tippen an seine Stirn, dass sie komplett verrückt waren, aber ich schmunzelte nur. „Ist doch schön. Jetzt brauchst nur noch du jemanden"
Er schnaubte und drehte den Kopf weg.
Ich wusste eigentlich, dass er schon seit Jahren total in Lucy verknallt war, aber sie wollte eh nichts von ihm und er war ein Granaten-Arschloch, also konnte ich mich nicht schlecht fühlen.
Ich war ohnehin nur mit Ace „befreundet", weil er Lucys bester Freund war und Tony quasi am Arsch klebte. Ich persönlich konnte ihn nicht leiden.
Matt und Tony bekamen ganz seltsame Blicke zugeworfen, als sie sich nur eine kurzen Schmatzer auf die Lippen gaben und dann händchenhaltend herumstanden.
Matt war sich ein bisschen unsicher, aber Tony strahlte heller als die verdammte Sonne im Hochsommer.
„Schau mal, Lion!" Er zeigte mir stolz seine Hand, die mit Matts verschränkt war.
Ich lachte leicht. „Ja, Tony ich habe Augen im Kopf"
Er grinste breit, sah zu Matt. Er erwiderte es mit einem Lächeln, aber ich sah ihm an, dass er sich ein bisschen unwohl fühlte.
Nicht wegen Tony oder so, nein man erkannte in der Art, wie er ihn ansah, dass er es nicht bereute, seine Hand zu halten oder ihn zu küssen, aber Matt war einfach niemand, der gerne im Mittelpunkt stand und durch dieses „Outing" passierte das leider automatisch.
„Ihr seid jetzt also zusammen mh?", fragte ich meinen Cousin, um ihn von allen anderen abzulenken.
Er zuckte mit den Schultern, sich grinste dabei verlegen. „Tony hat mich so lange genervt, bis ich keine Lust mehr hatte, mich zu wehren"
Tony nahm es locker, legte einen Arm um Matt und zog ihn besitzergreifend an sich. „Er meint, er konnte sich nicht mehr gegen seinen Wunsch wehren, mich Tag und Nacht abzuknutschen"
„Klaaar!", lachte ich.
Lucy fand es süß, obwohl es ungewohnt war, dass sie mal ein paar Typen sah, die etwas füreinander übrig hatten. Die wusste ja nicht, dass sie sich mit einem Schwulen das Bett teilte...
„Wir könnten Doppeldates machen", schlug Lucy vor.
Tony war total begeistert und fing an zu planen.
Matt dagegen schlug sich auf die Stirn und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
Ich lachte darüber. „Hei, Cousinchen, alles klar?"
Er seufzte, nickte. „In Wahrheit dachten wir einfach, nach dem, was letzte Woche passiert ist, ist es einfach besser dazu zu stehen. Sonst machen wir uns nur angreifbar. Und naja... So musst du nicht irgendwelche Idioten verprügeln"
Ich nickte verstehend. „Aber ihr habt das nicht nur für mich getan, hoffe ich?"
Er schüttelte schnell den Kopf. „Nein nein. Mich nerven auch die Blicke, die immer auf Tony liegen. Diese ganzen Frauen und Mädchen, die auf ihn geiern, da könnte ich ausrasten"
„So so du warst also eifersüchtig", schmunzelte ich.
Er verdrehte die Augen. „Ein bisschen vielleicht"
Ich lachte und haute ihm leicht auf die Schulter. „ich bin stolz auf dich, Mann. Du bist mutig und stark und ganz sicher mein Cousin"
Er lachte leicht. Es war selten, dass er so ausgelassen war, aber dafür war es umso schöner, ihn mal so zu sehen.
„Es hat nochmal einen Grund, weißt du?", meinte Matt danach.
„Jap", Tony schaltete sich nach seinem Gespräch mit Lucy ein und drückte Matt die Lippen auf die Wange.
Er zog schützend die Schultern hoch, aber Tony lachte nur und wuschelte ihm durch die Haare, was Matt mit einem Augenverdrehen quittierte.
Während mein Cousin seine Frisur wieder richtete, erzählte mir Tony den weiteren Grund. „Ich habe ihn erpresst, nie wieder seinen kleinen Lümmel zu bearbeiten, wenn er nicht zu mir steht"
„Klein ist der gar nicht!", beschwerte sich Matt sofort.
Tony lachte und strich Matt beruhigend über die Seite „Nein, natürlich nicht. Er passt perfekt in meinen..."
„Okay, stopp, ich kotze gleich!", verkündete Ace und machte ein Würggeräusch.
Er schien nicht so recht damit klarzukommen, aber ich sah ihm an, dass er sich zurückhielt. Vermutlich nur Tony zu Liebe.
Ich seufzte nur. „Okay, lasst uns rein gehen"
Die Schule begann ohnehin gleich.
Ich und ein paar andere aus meinem Sozikurs waren in den von Matt reingeschoben worden, weil unser Lehrer nicht da war.
Mir war gar nicht richtig bewusst, dass das hieß, dass ich jetzt Tyler hatte, bis ich ins Klassenzimmer kam, wo er schon seine Sachen vorbereitete.
Ich setzte mich neben Matt, der sich sehr dramatisch von Tony verabschiedet hatte.
Naja, eher hatte Tony sich an Matt geklammert und verkündet, ihn nie wieder loszulassen, weshalb Matt ziemlich mit seinem Liebhaber zu kämpfen gehabt hatte, bis Ace sich einfach Tonys Ohr geschnappt hatte, wie seine Mamma es immer bei ihm machte, und ihn so hinter sich hergeschleift hatte.
Aber jetzt, wo er seinen kindischen, aber doch irgendwie süßen Freund los war, sah man Matt schon an, dass er nur an ihn dachte und ihn bereits vermisste.
Ich kannte dieses Gefühl. Ich vermisste Tyler, selbst wenn er ein paar Meter im Klassenzimmer vor mir stand.
Bevor ich in meine Schwärmereien abrutschen konnte, stupste ich Matt an, weil ich ihn noch ein bisschen aushorchen wollte. „Hei!", zischte ich.
Er sah mich fragend an.
„Hattet du und Tony schon..." Ich wackelte mit den Augenbrauen und grinste Matt dreckig an.
Er schüttelte schnell, beinahe panisch den Kopf. „Wir wissen doch gar nicht wie das geht. Tony will sich unbedingt einen Schwulen-Porno mit mir anschauen, nur zu Recherche hat er gesagt, aber ich will das echt nicht sehen. Außerdem, wenn mein Dad das im Browserverlauf sieht, kann ich mich gleich von meinem Leben verabschieden..."
Ich nickte verstehend, da ich auch Angst gehabt hatte, meine Neugier erstmal im Internet zu befriedigen.
Außerdem hatte ich jetzt schon viel Sex mit Männern gehabt und konnte versprechen, dass das rein gar nicht so ablief wie in Pornos, das würde also gar nichts bringen, außer Matty unnötig in eine Tomate zu verwandeln.
„Ihr macht es euch aber bestimmt anders oder?"
Zwar kannte ich die Antwort schon, aber ich fand das Thema gut, um Matt zu beweisen, dass ich tolerant war, was das anging und, dass er keine Angst vor mir haben musste, da er mich ja für den größten Homophoben der Galaxis gehalten hatte. Außerdem war ich einfach nur neugierig.
Er nickte zaghaft, wurde schon wieder leicht rot. „Er mir mit dem Mund, ich ihm mit der Hand. Weißt du, ich will es ihm ja auch mit dem Mund machen, aber ich traue mich einfach nicht zu mehr als ihn da unten mal kurz zu küssen. Das ist alles so... ungewohnt..."
Ich nickte verstehend. Klar war es ungewohnt für Matt, Tony war immerhin der erste Junge, mit dem er all diese Sachen machte, aber ich schätzte Tony da ziemlich verständnisvoll ein.
„Ich bin sicher, Tony ist okay damit, wenn das noch ein bisschen auf sich warten lässt. Wichtig ist nur, dass du dich dabei wohlfühlst, sonst ist es für ihn auch nicht schön. Wenn du irgendwann bereit dazu bist, kannst du es ja mal versuchen und dann immer noch jederzeit einfach mit der Hand übernehmen. Und, wenn das deine Angst ist, dann denke ich nicht, dass man da so viel falsch machen kann. Oder macht er es falsch?"
Schnell schüttelte Matt den Kopf. „Er ist schon von Anfang an voll gut darin und richtig selbstsicher dabei. Er übt bestimmt heimlich..."
Wir lachten beide bei der Vorstellung, wie Tony an Bananen lutschte, um seine Blaskünste zu trainieren.
„Außerdem", redete Matt weiter, als wir uns wieder beruhigt hatten. „Seine Familie ist doch so streng katholisch. Ich habe Angst, dass sie uns den Teufel austreiben wollen, wenn sie jemals rausfinden, was zwischen Tony und mir ist. Und ich weiß, dass Tony es nicht verheimlichen will, auch nicht bei seinen Eltern..." Er schüttelte den Kopf. „Was, wenn sie uns den Kontakt verbieten? Ich würde das nicht aushalten, Lion!"
Ich seufzte und legte beruhigend meine Hand auf seine. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Unser lieber Tony weiß mit seiner Familie schon umzugehen. Er ist doch Mammas Liebling" Ich zwinkerte Matt zu, weil wir uns schon immer darüber lustig gemacht hatten, dass Tonys Mum nicht so richtig akzeptieren wollte, dass ihr Baby erwachsen wurde. Und er war einfach ein Mamikind.
„Außerdem stehe ich ja immer hinter dir und, wenn ihr Probleme bekommt, dann finden wir zusammen schon irgendwie einen Weg. Verlass dich auf mich"
Er sah mich dankbar an, drückte meine Hand und nickte zustimmend.
Bevor wir noch weiter reden konnten, klingelte es und der Unterricht startete.
Schon bei der Begrüßung war Tyler ziemlich überrascht, mich zu sehen und rückte mit einem Räuspern seine sexy Brille zurecht, während er mich ansah und ich ihn breit angrinste.
Ich fand es echt amüsant, wenn er den Lehrer spielte und versuchte so ernst dabei zu sein. Er war süß dabei, aber diese Autorität machte ihn nur noch heißer.
Ich mochte es, dass er immer alles Griff hatte, ohne sich viel Mühe dafür geben zu müssen, dass er im Unterricht locker war, aber trotzdem was beibringen konnte.
Er lehnte wie so oft ans Pult vorne in der Mitte der Klasse und ich wollte nichts lieber, als ihn darauf zu stoßen, mich auf ihn zu setzten und... Okay, ganz falsche Richtung, Alex... Zurück zu seinem Unterricht!
Seine Tafelanschriften waren die pure Hölle, aber er diktierte es dann immer nochmal und er war ohnehin davon überzeugt, dass sich grundsätzlich jeder seine eigenen Notizen machen sollte und er die wichtigsten Informationen in gedruckter Form nach der Stunde austeilte.
Heute gab er nach dem großen Anriss eines Themas Gruppenaufgaben und lief dann von Tisch zu Tisch, um zu helfen oder sich die Fortschritte anzusehen.
Jedes mal, wenn er sich etwas vorbeugte, um besser auf den Tisch sehen zu können, zuckte es gefährlich in meiner Hand und ich musste mich zusammenreißen, nicht zu ihm zu rennen und ihn vor allen Anwesenden zu slappen, stattdessen schaute ich ihn nur verträumt an.
Irgendwann kam er auch zu meiner Gruppe, stellte sich dabei hinter mich und striff zufällig meine Schulter dabei, sodass ich eine leichte Gänsehaut bekam und grinsen musste.
„Wie kommt ihr voran?", fragte er interessiert in seiner Lehrer-Stimme, vermied den Blick auf mich, sondern sah nur zu unseren Informationen.
Matt erklärte ihm, was wir bisher hatten und wie wir weitermachen wollten, während ich Ty von unten anhimmelte. Einmal erwiderte er meinen Blick, kam dann komplett aus seiner Konzentration und Matt musste alles nochmal sagen, was mich leise kichern ließ.
Was mir an der ganzen Situation aber nicht so gefiel, war, dass Kristin, die auch in meiner Gruppe war, Tyler ebenso anschmachtete wie ich und sogar meinte, ihr Dekolleté richten und sich so hinsetzen zu müssen, dass er gar keine andere Wahl hatte, als hineinzusehen.
Wäre sie nicht Lucys beste Freundin, würde ich mir gerade fest vornehmen, diese Schlampe umzubringen. Nicht nur, dass sie Matt immer anzickte, jetzt machte sie sich auch noch an Tyler ran.
Als Ty wieder weg war, seufzte Kristin verträumt und schaute ihm hinterher. „Er ist so heiß!"
Ach ne! Das wusste jeder, der nicht blind war!
Ich hasste es, ihr nicht detailgenau erzählen zu können, wie ich es mit Tyler getrieben hatte, damit sie wusste, zu wem er gehörte. Ich hasste diese ganze Situation.
„Was ist denn mit Nico?", fragte Matt ein bisschen verwirrt.
Kristin lachte. „Was soll schon mit ihm sein? Alles bestens."
Nico war ihr fester Freund, der bestimmt auch nicht begeistert sein würde, wenn man ihm mal erzählte, wie seine Bitch von Freundin andere Männer zu verführen versuchte.
„Können wir jetzt mal weitermachen?" brummte ich mies gelaunt.
Alle sahen mich verwirrt an, weil ich bisher noch gar nichts beigetragen hatte und nun die Arbeit wieder aufnehmen wollte. Das war nun mal besser als mir Sorgen um meinen Mann machen zu müssen.
Gerade als ich einen guten Lauf hatte und mein Hirn sinnvoll am Arbeiten war, während Matt fleißig alles mitschrieb, bat Ty mit durch ein freundliches: „Alex, kommst du mal schnell zu mir?" nach vorne.
Etwas verwirrt und irgendwie auch aufgeregt ging ich zu ihm, nachdem Matt mir versichert hatte, dass er den Rest allein schaffte. Von Kristin und Sven brauchte man immerhin nicht viel Hilfe zu erwarten.
Ty ging mit mir aus dem Klassenzimmer, ließ die Tür aber angelehnt, damit er hörte, falls drinnen etwas passierte.
„Was ist los?", fragte er mich besorgt, nahm dabei meine Hand, nachdem er sich versichert hatte, dass wir alleine auf dem Flur waren.
Ich zuckte mit den Schultern und sah leicht schmollend auf den Boden. „Ich mag es nicht, dass sich alle an dich ranmachen. Am liebsten würde ich dir ein Schildumhängen, auf dem steht, dass du nur mir gehörst" Ich wusste doch, dass er an alle dem genauso wenig etwas ändern konnte wie ich, deshalb versuchte ich zumindest, mich ein wenig zusammemzureißen und nicht anzufangen zu jammern wie ein kleines Baby.
Ein Druck an meinem Kinn sorgte dafür, dass ich nach oben sehen musste, direkt in Tylers faszinierende Augen, die ein Farbspiel aus Blau und Braun darstellten.
„Vergiss doch alle anderen einfach. Ich werde sie niemals so ansehen wie dich"
Das munterte mich direkt auf, sodass ich lächeln musste und einverstanden nickte.
Er erwiderte das Lächeln, strich mit seinem großen Daumen verträumt über meine Unterlippe.
„War das alles, was du besprechen wolltest?", fragte ich leise nach, spielte darauf an, dass wir uns ja am Wochenende treffen konnten...
Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nachher nicht zu dir kommen. John will mich besuchen"
Ich nickte verstehend, doch schob die Enttäuschung erstmal zurück. „Machst du Schluss mit ihm?" Ich sah ihn hoffnungsvoll an, obwohl das nicht der Plan gewesen war.
Er schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht"
Tief atmete ich durch, versuchte mir nichts von meiner Enttäuschung anmerken zu lassen, nickte dabei verstehend.
Ich konnte immerhin nicht von ihm verlangen, mit seinem langjährigen Freund Schluss zu machen, um dann eine Affäre mit mir haben zu können, für die er sogar in den Knast wandern konnte. Er riskierte schon genug für mich. Ich sollte mich damit zu Frieden geben, was er mir gab, denn es war alles, was er mir geben konnte.
„Sei mir bitte nicht böse", flehte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Wann verschwindet dein Schoßhündchen wieder?"
Ty seufzte, weil ich mich weigerte, ihn als seinen Freund zu bezeichnen oder auch nur seinen Namen in den Mund zu nehmen.
„Sonntagabend."
Das hieß, wir würden uns das ganze Wochenende über nicht sehen und er würde die ganze Zeit bei einem anderen Mann sein. Tolles Gefühl, echt.
„Aber wir telefonieren?" Ich baute auf meine letzte Hoffnung, um nicht komplett zu verzweifeln.
Er lächelte leicht. „Wenn ich mal kurz Ruhe habe, auf jeden Fall"
Erleichtert erwiderte ich sein Lächeln, hielt mit beiden Händen seine Hand fest, während wir uns in die Augen sahen, bis ich realisierte, dass ich mich jetzt losreißen musste, bevor ich es gar nicht mehr tun konnte.
Also ließ ich ihn los, nachdem ich seine Finger nochmal gedrückt hatte, und ging wieder ins Klassenzimmer, wo ich erstmal eine Ausrede auftischen musste, warum ich mit Ty draußen gewesen war. Ich musste also lügen. So wie ich es immer tat.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top