3. Kapitel/ The Truth
„Vor sieben Jahren hatte Ihre Familie einen Autounfall und Sie waren der einzige Überlebende. Alle anderen sind noch am Unfallort oder später im Krankenhaus verstorben. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen."
Der Glanz in meinen Augen verschwindet und ich schaue ihn ungläubig an. Das ist jetzt nicht wahr... Ich... Ich soll keine Eltern und keine Geschwister mehr haben? Wie habe ich das dann überlebt? „Wie kam es zu dem Unfall? Und was ist danach mit mir geschehen?", frage ich und meine Stimme klingt in meinen Ohren fremd. Mein Hals ist plötzlich trocken und wie zugeschnürt. Innerhalb weniger Sekunden sind alle Hoffnungen wieder verflogen.
„Sie haben später ausgesagt, dass Ihre Eltern sich gestritten haben und ihr Vater daraufhin in einen mit Steinen beladenen LKW gefahren ist. Die genaue Todesursachen würde ich Ihnen gerne vorenthalten."
Kopfschüttelnd sage ich leise: „Ich will es wissen."
„Hashirama...", meldet Kisame sich zu Wort. „Es ist vermutlich besser, wenn du nicht alles weißt."
Ein weiteres Mal schüttle ich den Kopf. „Das ist meine Vergangenheit. Ich habe ein Recht darauf, das alles zu erfahren."
„Da kann ich nicht widersprechen", stimmt der Uchiha mir zu und schaut auf einen Zettel, welchen er in der Hand hält. „Ihr Vater wurde noch im Auto von den Steinen erschlagen und ihre Mutter ebenfalls, nachdem sie noch versucht hatte Sie und Ihre Brüder zu beschützen. Ihre drei Brüder kamen dann alle drei im Krankenhaus wegen schweren Hirnverletzungen und inneren Blutungen um. Sie haben wie durch ein Wunder überlebt, so wie sie auch den Unfall von vor einem Monat ohne schwere Schäden überstanden haben. Der liebe Gott meint es wirklich gut mit Ihnen und hat Ihnen mehr als nur einen Schutzengel zur Seite gestellt. "
Ich schlucke. Muss ich das wirklich akzeptieren? Ist das die Wahrheit? Kann das nicht irgendein blöder Traum sein, der jeden Augenblick aufhören könnte? Ich will nicht, dass das passiert ist.
„Danach kamen Sie in ein Waisenhaus. Die Berichte besagen, dass Sie damals schon sehr selbstständig waren. Noch am Tage Ihres sechszehnten Geburtstages haben Sie das Waisenhaus verlassen und sind in Ihr altes Zuhause gezogen – das Haus am Waldrand. Ihre Eltern haben Ihnen das Haus vermacht, weswegen Sie dort auch ohne Probleme wieder leben konnten. Zwischendurch hat immer wieder jemand nach Ihnen gesehen."
„Und wie ist er dann hier her gekommen?", fragt nun Kisame.
Das interessiert mich auch, aber ich bringe kein Wort hervor.
Der Arzt presst die Lippen aufeinander. „Das wissen weder ich, noch die Polizei so recht. Aber es gibt einige Vermutungen. Sie haben doch von einem Feuer geredet, nicht wahr?" Er schaut wieder mich an und ich nicke. „ Es gab wirklich eins. In Ihrem Haus, vermutlich während Sie dort drin waren."
Verständnislos sehe ich ihn an. „Wie jetzt? Was soll das heißen?"
„Das Haus ist bis auf die Grundmauer abgebrannt und keiner weiß, wie es dazu gekommen ist. Die Ermittlungen haben nichts ergeben, somit ist die Brandursache weiterhin unklar. Aber es ist möglich, dass sie aus dem Haus fliehen konnten, als es gebrannt hat und dann den ganzen Weg bis hierher durch den Wald gelaufen sind. Die Verbrennungen scheinen das Gefühl ausgelöst zu haben, als würde Ihr Körper in Flammen stehen und vielleicht hatten sie einen Schock, der dann zu Halluzinationen geführt hat, was auch erklären würde, weshalb Sie das Feuer ebenfalls sehen konnten."
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Kopf ist leer. Ich kann gerade an nichts denken. Alles was ich sehe sind Bilder von den Ereignissen, die der Arzt gerade beschrieben hat. Doch diese Bilder sind keine Erinnerungen, sonder Produkte meiner Fantasie.
„Hashirama soll zwanzig Kilometer gelaufen sein? Und das noch mitten in der Nacht? Er hat sicher nicht die Ausdauer, um das durchzuhalten. Dass er das geschafft haben soll kann ich mir einfach nicht vorstellen", erwidert Kisame.
Mit einem Schulterzucken bekommt er folgende Antwort: „Wenn Adrenalin im Blut ist, ist eine Menge möglich, was man vorher für unmöglich gehalten hat. Es haben schon Menschen Autos deswegen angehoben. Es ist ein Stresshormon und kann in Notfällen das Leben der betroffenen Person retten. Und oft fängt es erst an sich abzubauen, wenn die Person wieder halbwegs sicher ist. Deswegen ist es schon möglich, dass er es geschafft hat."
Ich kann die Blicke der beiden auf mir spüren, starre selbst jedoch nur in die Luft.
„Sie haben doch gesagt, dass ich Glück habe", sage ich langsam und schaue ihn schließlich an. „Das ist kein Glück. Vielleicht bin ich ein Überlebenskünstler. Vielleicht hat Gott etwas mit mir geplant und lässt mich deshalb nicht sterben. Aber ich habe kein Glück. Wie soll es denn auch welches sein, wenn erst meine ganze Familie stirbt, dann mein Haus abbrennt und ich jetzt bei einem Typen wohne, der mich überhaupt nicht ausstehen kann?" In den ich mich aber hoffnungslos verliebt habe. „Wo soll denn da bitte Glück zu finden sein?"
Langsam nickt der Arzt und scheint noch einmal das, was ich gesagt habe, zu überdenken. „Ich denke, es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen. Das was Sie gerade alles erfahren haben müssen Sie erst einmal verarbeiten und das braucht Zeit", sagt er schließlich und steht auf. Er hält mir lächelnd eine Hand hin. „Ich hoffe dann, dass wir uns nicht wiedersehen werden. Und bleiben Sie gesund."
Ich muss mich zusammenreißen. Bereits einmal bin ich damit klargekommen, dann werde ich das jetzt auch weiterhin schaffen! Ich stehe ebenfalls auf, ergreife die Hand und drücke sie.
„Das hoffe ich ebenfalls", sage ich und ringe mir ein leichtes Lächeln ab. Sonst fällt mir das nicht so schwer, aber jetzt irgendwie schon.
„Und was jetzt?", frage ich Kisame, als wir wieder in seinem Auto sitzen. „Ich kann nicht dahin, wo ich gelebt habe. Und Geld habe ich auch immer noch keins... Es ist fast so, als hätte ich kein Leben."
Im vergangenen Monat haben wir uns öfter getroffen und einfach nur ein bisschen geredet. Zum Großteil habe eigentlich nur ich geredet und mich über Hidan aufgeregt. Der Typ ist aber auch wirklich ein Arsch! Allein der Gedanke an ihn lässt mein Blut schon wieder kochen! Ich habe auch Kisames Freundin kennen gelernt. Sie ist eine wirklich nette und hübsche junge Frau und ich kann durchaus verstehen, dass er etwas an ihr findet, aber reizen tut sie mich nicht. Das ist nur bei jemand anderem der Fall.
„Ich werde mit Hidan sprechen und ihm sagen, dass du noch eine Weile bei ihm bleiben wirst. So lange bis wir wissen, was wir am besten mit dir anstellen."
„Muss ich wirklich bei ihm bleiben? Gibt es denn keine andere Möglichkeit? Ich habe keine Lust mehr auf seine ständigen Stimmungsschwankungen", jammere ich.
„Hidan wird dir wohl kaum ein Hotelzimmer auf unbestimmte Zeit bezahlen."
„Auch nicht, wenn ich sage, dass ich ihm das Geld zurückgeben werde?"
Kisame schüttelt den Kopf. „Darauf wird er nicht eingehen, denn er ist nicht dumm, auch wenn das oft so rüber kommt. Du hast kein Geld und du weißt auch nicht, wann du mal welches bekommst. Deswegen würde er das nicht machen, weil er nicht sicher sein kann, dass er es überhaupt zurück bekommt."
„Verdammt...", fluche ich leise.
„Ist es denn noch immer so schlimm?"
„Er hackt ständig auf mir rum, verarscht mich mit irgendwelchen Sachen und lässt seine miese Laune auch an mir aus", antworte ich nickend.
„Beschädigt das alles denn irgendwie deine Psyche?"
Diesmal schüttle ich den Kopf. „Ich denke nicht. Aber es geht mir einfach so sehr auf die Nerven und ich habe keine Lust mehr auf das Theater. Warum muss er nur so einen Spaß daran haben mich runterzumachen?"
Kisame presst die Lippen zusammen und zuckt mit den Schultern. „Er war nicht immer so und es scheint auch, dass er das nur bei dir macht. Klar, er ist nicht zu jedem nett und freundlich, eigentlich zu so gut wie keinem und das war er auch noch nie, aber sein Leben ist alles andere als einfach. Ich will dir jetzt nicht gegen seinen Willen etwas über ihn erzählen, aber er versucht mit den Dingen, die geschehen sind, selbst klarzukommen. Nur, wenn man alleine ist, ist das halt um einiges schwerer, als wenn du noch jemanden an deiner Seite hast, der dich bei allem unterstützt. Ich weiß, wovon ich rede. Auch wenn es dir vermutlich sehr schwer fallen oder gar unmöglich sein wird, aber nimm Hidan das alles nicht zu übel."
„Aber warum ich? Warum macht er es denn nur bei mir? Liegt es daran, dass wir jetzt zusammen wohnen und er mich einfach nicht leiden kann? Oder doch daran, dass er mich als Zeitvertreib benutzt? Das ergibt für mich alles keinen Sinn. Denn immer wenn wir sogar normal anfangen miteinander zu reden, endet es so gut wie immer damit, dass wir uns gegenseitig anschreien. Und es kann ja nicht sein Ziel sein sauer zu werden. Oder doch?"
„Ich habe wirklich keine Ahnung. Aber bitte tu mir den Gefallen und sprich ihn nicht darauf an. Er wird dir sowieso keine Antwort geben. Wenn dann wird er wütend und das nicht nur auf dich, da ich angefangen habe dir davon zu erzählen. Bitte versprich mir das."
Ich darf ihn nicht darauf ansprechen? Aber er hat recht. Auch wenn ich es so gefragt habe, hat Hidan mir nie wirklich eine Antwort gegeben. Und wenn ich jetzt mit etwas ankomme, dass ihn sowieso schon belastet...
„Ich verspreche es", sage ich und Kisame nickt.
„Danke." Er fährt los und ich gucke aus dem Fenster. Die Blätter beginnen sich langsam braun zu färben und es wird auch immer kälter. An guten Tagen geht es auch noch ohne Jacke, aber sonst braucht man eine. Es regnet und gewittert auch häufiger, aber das ist mir eigentlich egal. Ich mag Gewitter. Viele Menschen haben Angst, wenn es blitzt und donnert, aber mich macht genau das ruhig und lässt mich entspannen. Das Prasseln des Regens und die vielen hellen Blitze, das Grollen des Donners. Ein schöneres Naturschauspiel gibt es schon fast nicht mehr.
Schweigend fahren wir durch die Stadt, halten ab und zu an einer roten Ampel und lassen uns von dem Strom des Nachmittagverkehrs treiben. Es ist wirklich schön mal etwas Zeit nicht in der Nähe von Hidan zu verbringen. Es kommt mir gleich alles viel ruhiger vor. Aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass wir sonst ständig streiten. Wie ein verzwicktes Ehepaar.
Hastig schüttle ich den Kopf. Jetzt fang nicht schon wieder damit an...
Kisame parkt im Hinterhof des Wohnhauses und zusammen gehen wir die Treppen hoch. Kurz nachdem wir geklingelt haben, öffnet Hidan die Tür und geht einen Schritt zur Seite, doch Kisame schüttelt den Kopf.
„Ich muss gleich wieder los. Aber trotzdem würde ich gerne kurz mit dir reden." Er zieht ihn nach draußen und wird darauf etwas hilflos von mir angeschaut.
„Geh einfach rein", sagt Kisame nun und ich nicke, verabschiede mich kurz von ihm und schließe dann die Wohnungstür hinter mir.
Seufzend lehne ich mich dagegen. Hidan wird nicht begeistert sein...
Mit hängenden Schultern schlurfe ich in die Küche und setze mich auf einen der Stühle.
Wie lange muss ich es noch in dieser Hölle aushalten? Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn die beiden mich hätten liegen lassen. Dann wäre jetzt alles viel einfacher.
Ich lege meinen Kopf auf die Tischplatte und schließe die Augen.
Kann mich nicht einfach jemand hier rausholen?
Irgendein Geräusch holt mich langsam wieder aus meinen Gedanken. Die Waschmaschine? Wohl kaum. Was ist es dann? Und wie lange sitze ich hier jetzt schon so? Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Benommen hebe ich meinen Kopf wieder an und schaue in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Hidan. War er das?
„Kisame hat mir die Situation erklärt und du kannst so lange bleiben bis jemand eine Idee hat, was wir mit dir machen. Mir gefällt das zwar alles nicht und ich will dich immer noch so schnell wie möglich wieder loswerden, aber es scheint als hätte ich keine Wahl."
„Warum setzt du mich dann nicht einfach vor die Tür?", frage ich. Das wäre für ihn doch die einfachste Option, wie er wieder alleine sein kann.
„Weil das unverantwortlich wäre", sagt er nur.
Überrascht hebe ich die Augenbrauen. „Seit wann interessiert es dich, ob etwas unverantwortlich ist? Weißt du überhaupt was dieses Wort bedeutet? Immerhin hast du ja keinen Duden, wo du es nachschlagen könntest."
Sofort verengen sich seine Augen. „Ich glaube, ich habe es mir doch anders überlegt und erfülle unsere beider Wünsche und schmeiße dich raus." Er tritt aus der Küchentür und zeigt zum Eingang. „Da ist die Tür. Entweder du lässt mich mit deinem sinnlosen und langweiligen Gelaber in Ruhe oder du fliegst raus. Ist deine Entscheidung." Mit diesen Worten dreht er sich um und geht.
Ich folge ihm ins Wohnzimmer und sehe, wie Hidan auf dem Balkon steht. Doch er raucht nicht. Im vergangenen Monat habe ich kein einziges Mal mitbekommen wie er raucht. Und der Aschenbecher hat sich auch nicht weiter gefüllt. Vielleicht hat er auch einfach aufgehört und den Aschenbecher noch nicht weggeräumt. Wie alles andere, kann mir auch das egal sein.
Ich lege mich auf das Sofa und schließe die Augen.
„Wenn du schlafen willst, dann geh in dein Zimmer, aber hier störst du nur", sagt Hidan und schließt die Balkontür.
Ohne die Augen zu öffnen antworte ich: „Ich will nicht schlafen, aber mir ist langweilig. Und wir beide sind hier alleine, wen soll ich da stören? Du sitzt sowieso immer auf der anderen Hälfte, also kann ich doch die hier einnehmen. Oder erwartest du noch Besuch?" Jetzt öffne ich doch ein Auge und sehe ihn an.
„Du hast doch dein komisches Buch, mit dem du dich beschäftigen kannst. Und nein, ich erwarte keinen Besuch."
„Das habe ich schon lange durch. Aber wenn du mir ein neues kaufst habe ich auch wieder etwas zu lesen."
„Ne, für so einen Scheiß geb' ich kein Geld aus. Da kannst du lieber auf irgendwelchen Internetseiten lesen, wenn du das unbedingt machen willst. Oder auf 'nem eBook oder so."
„Ist ja schön und gut, dass du das alles vorschlägst, nur leider besitze ich weder ein Handy, noch ein Laptop, Tablet, eBook oder sonstige Internetfähige Geräte. Aber ansonsten ist das eine gute Idee", sage ich und schließe die Augen wieder.
„Ich lebe auch nicht hinterm Mond, aber gut." Und wieder verlässt er den Raum.
Verwirrt ziehe ich die Stirn in Falten und setze mich auf. Sollte das grade ein Angebot sein, dass ich seine Sachen mitbenutzen darf? Oder verarscht er mich nur wieder? Denn wenn er es wirklich ernst meint, stimmt mit ihm etwas ganz und gar nicht. Ich muss Kisame bei Gelegenheit einmal fragen, über was genau die beiden jetzt geredet haben. Denn das ist eindeutig nicht der Hidan, den ich im letzten Monat kennengelernt habe. Mal gucken, ob das jetzt so bleibt oder ob er wieder das Arschloch wird, das er die meiste Zeit über ist.
-x-
Autobahngeräusche und Kindergeschrei. Wasser. Irgendwo ist Wasser.
„Gib den wieder her!" Zwei Kinder, die sich um einen Teddybären streiten.
Die Sicht ist verschwommen. Zwei Erwachsene, die reden. Lauter Laternen rasen vorbei. Dann geht alles ganz schnell. Ein langes Quietschen. Schreie. Ein Ruck. Dunkelheit. Nichts. Nichts, als Dunkelheit.
Ich öffne die Augen und spüre mein Herz in der Brust hämmern und höre Blut in den Ohren rauschen. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass es halb vier in der Nacht ist. Was war das für ein Traum? Das ergibt doch alles keinen Sinn. Jetzt kann ich mich nur noch Lückenhaft an das erinnern, was darin vorkam. Erneut schließe ich die Augen und versuche weiter zu schlafen. Doch die ganze Zeit ist diese eine Kinderstimme zu hören. Gib den wieder her! Was hat das nur zu bedeuten?
Irgendwann gebe ich den Versuch noch einmal einzuschlafen dann doch auf. In der Küche nehme ich mir aus dem Schrank ein Glas und fülle es mit Wasser. Einen Schluck und noch einen zweiten. Dann schaue ich auf den Kalender, der neben der Schiebetür zum Abstellraum hängt. Heute ist Samstag, der erste Oktober.
„Was machst du denn noch hier? Bist du wieder am Wäsche waschen? Hast du das nicht vorgestern erst gemacht?"
Vor Schreck lasse ich das Glas fallen, welches am Boden zerspringt, und sehe zu Hidan, der im Flur steht und zu mir in die Küche schaut. Ich selbst gucke von ihm zu den Scherben auf dem Boden und zurück. Erst dann kommt so richtig bei mir an, was er gesagt hat. „Eh, hi..." Wieder schaue ich zu den Scherben und bücke mich, um sie aufzusammeln. „Ich konnte nicht schlafen, wollte was trinken und ja... Hast du Hunger? Soll ich was kochen?", frage ich und sehe zu ihm hoch. Endlich weiß ich auch mal, warum er die ganzen Lederhosen hat. Die zieht er immer zur Arbeit an. Was für ein Club das genau ist, weiß ich zwar nicht, aber was ich weiß ist, dass sein Hintern darin einfach nur zum Anbeißen aussieht. Das Leder wirkt fast wie eine zweite Haut, so eng sind die Hosen.
Verwundert hebt er eine Augenbraue. „Es ist vier Uhr und du willst kochen?"
Ich stehe auf und werfe die Scherben in den Müll. Mit etwas Küchenpapier wische ich vorsichtig das Wasser vom Boden auf. „Immerhin fange ich ja auch mitten in der Nacht an zu waschen und zu bügeln, warum sollte ich da nicht auch kochen?"
Er schüttelt den Kopf. „Brauchst du nicht. Ich gehe jetzt schlafen", sagt Hidan und macht sich daran zu gehen.
„Okay, gute Nacht." Ich stehe auf und will grade dem Staubsauger rausholen, als Hidan doch noch etwas sagt.
„Hashirama?"
„Hm?", mache ich, strecke den Kopf aus dem Abstellraum und sehe ihn an.
Er hat eine Hand an den Türrahmen gelegt und sieht mich an. In seinem Gesicht ist keine Wut, Verärgerung oder sonstige Gefühle zu sehen. Das heißt, er will keinen Stress machen. Zumindest noch nicht. „Warum machst du das alles?"
„Warum mache ich was alles?", frage ich, da ich die Frage an sich nicht verstehe.
„Na, das alles hier. Kochen, Wäsche waschen, wischen, einfach alles. Ich bin ein totales Arschloch zu dir, behandle dich wie ein Stück Scheiße und trotzdem bist du immer so freundlich. Warum?
„Bist du betrunken?", hake ich nun nach, da ich mir nicht vorstellen kann, dass ausgerechnet Hidan so etwas sagen würde.
„Ein bisschen vielleicht", gibt er zu.
„Du trinkst auf der Arbeit? Oder warst du danach noch in einer Bar?"
„Es ist nur mal ein Drink mit ein paar Stammgästen. Aber kannst du mir jetzt eine Antwort geben oder muss ich dumm schlafen gehen?"
Ein Barkeeper, der bei der Arbeit trinkt? Ist das überhaupt erlaubt? „Was sagt dein Chef dazu?"
„Hashirama!" Da ist er wieder. Dieser genervte Unterton in seiner Stimme, wenn er zu viel nachfragen muss und keine Antwort bekommt. Er ist betrunken, da wird er sich später sowieso nicht mehr daran erinnern.
„Weil ich mich eigentlich gerne mit dir vertragen würde. Ich denke, dass du gar nicht so ein schlechter Mensch bist." Und das ist die Wahrheit. So habe ich vorher nicht gedacht, aber seit Kisame mir erzählt hat, dass er alleine mit irgendwelchen Problemen zu kämpfen hat, hat sich meine Sichtweise ihm gegenüber etwas geändert. Möglicherweise sogar gebessert, nur das weiß ich noch nicht so ganz. Vielleicht ist das ja alles nur eine Mauer, hinter der er sich versteckt. Eine Fassade. Und genau die muss doch irgendwie zu durchbrechen sein. „Jeder Mensch hat eine gute Seite und ich bin mir sicher, dass auch du eine hast. Sie ist nur etwas verborgen. Aber mit etwas Willenskraft kannst du bestimmt auch nett sein. Und ich hoffe einfach, dass meine Freundlichkeit etwas abfärbt und du irgendwann vielleicht auch etwas freundlicher zu mir sein kannst. Und wenn es auch nur ein kleines bisschen ist. Außerdem lässt du mich bei dir wohnen und versorgst mich so gesehen auch, weil ich kein eigenes Geld habe. Da ist das Mindeste was ich dir zurückgeben kann, dass ich den Haushalt mache und dir auch mal eine gute Nacht wünsche."
Er schaut mich nur weiter an, was mich schlucken lässt. War das jetzt alles zu viel für ihn und sein betrunkenes Hirn und er hat nur die Hälfte verstanden?
„Ach so, okay", sagt er dann nach einer Weile und geht einfach.
Ich starre nur an die Stelle, wo er gestanden hat. War das jetzt alles, was er dazu zu sagen hatte? Ich habe ihm gefühlt mein halbes Herz ausgeschüttet und alles, was er dazu zu sagen hat ist ‚Ach so' und ‚Okay'?
Verwirrt schaue ich in den Abstellraum. Super. Jetzt habe ich wegen dem auch noch vergessen, was ich eigentlich hier drin wollte!
Ich drehe mich um und schreie fast auf, als ich in eine der kleinen Scherben trete, die noch immer auf dem Boden liegen. Verdammt! Da war ja was. Dieses beschissene Glas!
„Scheiße, tut das weh!", jammere ich und halte mir den Fuß. „Miststück!", beleidige ich die Scherbe und sehe dabei zu, wie Blut auf den Boden tropft. So schnell wie möglich humple ich ins Badezimmer und suche nach Verbandsmaterial. Doch wie es natürlich sein muss, finde ich keins. Jetzt sag mir nicht noch, dass der sowas nicht besitzt! Scheint als habe ich wohl keine andere Wahl. Ich humple wieder aus dem Badezimmer und öffne die Tür zum Schlafzimmer. Das Bein habe ich so angewinkelt, dass die Ferse meinen Hintern berührt, sodass das Blut nicht direkt auf den Boden tropft, sonder erst noch an meinem Bein herunter fließt. Vielleicht kann ich so verhindern, dass der Boden nicht vollkommen eingesaut wird.
„Hidan", sage ich, in den dunklen Raum, bekomme jedoch keine Antwort. Schläft der etwa schon? Einmal atme ich tief ein, bevor ich das Licht einschalte. Hidan liegt auf dem Bauch in seinem Bett und hat den Kopf auf einem Kissen liegen, unter dem seine Arme verschränkt sind. Die Bettdecke ist nur bis kurz über seinen Arsch hochgezogen, sodass sein gesamter Rücken freiliegt.
„Was willst du?", grummelt er unzufrieden und öffnet ein Auge.
„Ich bin in eine der Scherben getreten und finde das Verbandszeug nicht", erkläre ich kurz.
„Du bist ein Idiot", grummelt er und schließt das Auge dann wieder.
„Ich weiß. Aber kannst du mir jetzt bitte sagen, wo ich die Sachen finde? Denn du solltest wissen, dass Blut nur schwer wieder zu entfernen ist." Langsam werde ich unruhig, weil mein Bein immer wärmer wird und ich jeden Tropfen hören kann, der auf dem Boden landet.
„Im Abstellraum", sagt er schließlich leise, aber deutlich genug,
Ich schalte das Licht aus und schließe die Tür hinter mir. Dann hüpfe ich auf einem Bein in die Küche zurück, mache dieses Mal aber einen Bogen um die Scherben, und schiebe erneut die Tür zur Abstellraum auf. Hektisch suche ich nach etwas, das irgendwie aussieht wie ein Verbandskasten. Doch nach einigen Minuten des Suchens und immer mehr auf den Boden tropfenden Blutes gebe ich auf und hüpfe wieder durch den Flur. Erneut öffne ich die Tür zu Hidans Zimmer, lasse das Licht diesmal aber aus.
„Was?!", fragt er gereizt.
„Ich finde nichts", antworte ich kleinlaut.
„Dann musst du halt verbluten. Ist nicht mein Problem", gibt er zurück.
„Hidan, bitte", jammere ich und halte mich am Türrahmen fest.
Genervt stöhnt er. „Du gehst mir echt auf die Nerven, weißt du das eigentlich?!"
„Ja, ich weiß. Aber mein Fuß brennt höllisch."
Er schiebt die Bettdecke zur Seite und – es verschlägt mir erst einmal die Sprache. Erst jetzt fällt mir seine Kleidung auf, die auf dem Boden liegt. Die schwarze Lederhose und das ebenso schwarze Hemd. Er ist nackt. So richtig nackt. Splitterfasernackt. Das Licht, welches an mir vorbei aus dem Flur in den Raum strömt, zeichnet sanft die Konturen seines Körpers nach. Bei jeder Bewegung verändern sich die Schatten auf seiner Haut. Es juckt mich in den Fingern den Lichtschalter zu betätigen, doch ich kann mich zurück halten. Das dämmrige Licht lässt ihn unfassbar sexy aussehen und seine inzwischen verwuschelten Haare machen das alles nicht besser. Wie gerne würde ich da jetzt einmal mit meinen Fingern hindurchfahren. Ich bin so sehr von seinem Anblick fasziniert, dass ich den Schmerz schon fast wieder vergesse.
Er macht nicht einmal Anstalt sich etwas anzuziehen. Während er auf mich zukommt fällt mir immer mehr auf, wie trainiert er ist. Er geht auf jeden Fall ins Fitnessstudio! Aber wann? Bisher war er neben der Arbeit nicht oft weg. Und so einen durchtrainierten Körper hat niemand von Natur aus! Warum ist mir das bisher noch nicht aufgefallen?
Seine Bauchmuskeln zeichnen sich deutlich unter seiner honiggoldenen schimmernden Haut ab, deren Farbe gerade aber auch nur Einbildung sein kann, und scheinen sich bei jeder seiner plötzlich anmutigen Bewegungen mit zu bewegen.
Ich muss inzwischen so viel Blut verloren haben, dass ich mir das alles einbilde. Hidan und anmutig? Diese zwei Wörter gehören von Natur aus nicht in einen Satz. Auch wenn ich ihn gerade dennoch sehr gerne anfassen würde.
Er drängt sich an mir vorbei durch die Tür und geht Richtung Küche. Und da sehe ich ihn. Seinen Arsch.
Ich glaube ich habe mich gerade neu verliebt. Ungehalten starre ich dieses wunderbare Geschöpf an. Bei jedem Schritt bewegt er sich von der einen Seite zur anderen und wieder zurück. Wie kann man bitte nur so ein perfektes Hinterteil haben?! Die Haut ist straff und sieht einfach nur unglaublich weich aus. Seit er ein Baby war hat sich bestimmt nur die Größe geändert. Ich will ihn anfassen. Ich will ihn anknabbern und dann reinbeißen. Ich will meine Finger hinein krallen und mein Gesicht daran reiben. Okay... Das Letzte war jetzt wirklich merkwürdig, aber ich will ihn! Ich will, dass dieser Arsch mir gehört! Mir und niemandem sonst!
Meine Gedanken spielen verrückt und fahren Achterbahn. Der vernünftige Teil meines Gehirns hat sich inzwischen komplett abgeschaltet.
Hastig laufe ich ihm nach, vergesse dabei fast den Schmerz in meinem Fuß. Denn alles was meine Aufmerksamkeit momentan verdient, ist dieser verdammt geile Arsch! Mir läuft das Wasser förmlich im Munde zusammen. Ich würde ihn so gerne anknabbern! Nur ganz kurz. Ein kleiner Biss. Ob er mich wohl lässt? Ist es komisch, wenn ich ihn jetzt frage, ob ich in seinen Arsch beißen darf? Ich glaube schon. Oder doch nicht? Vielleicht sollte ich es einfach mal versuchen.
Während ich ihm hinterher laufe klebt mein Blick die ganze Zeit an diesem Prachtstück. Als Hidan in der Tür vom Abstellraum stehen bleibt, bewegt sich meine Hand verräterisch in dessen Richtung. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch in genau diesem Augenblick schlägt er mir mit etwas hartem auf den Kopf, was mich aus dieser Trance reißt und sofort in sein Gesicht schauen lässt.
„Bist du irgendwie blind oder so?!", faucht er. „Der hing direkt neben der Tür!"
„Oh", bringe ich nur hervor und schaue ihm weiter in die Augen.
„Ist das alles?! Du bist wirklich ein Depp!", sagt er wütend.
„Da habe ich nicht geguckt. Tut mir leid", murmle ich.
Es scheint ihn überhaupt nicht zu stören, dass er gerade nackt vor mir steht. Wenn er damit so offen ist, kann er das gerne öfter machen.
Prüfend sieht er mich an und zieht dann die Stirn in Falten. „Ist irgendwas? Du guckst so komisch."
Ich schüttle den Kopf und gebe, wenn auch etwas heiser, zurück: „Nein, alles gut. Es ist nichts." Nicht nach unten schauen. Nein, Hashirama, nein! Du schaust jetzt nicht genau zwischen seine Beine! Das kommt noch komischer, als wenn du fragst, ob du an seinem Arsch knabbern darfst! Warum habe ich darauf nicht gerade schon geachtet, als er auf mich zugekommen ist?
Das ist keine gute Idee. Wenn du jetzt genau da hin guckst, dann bekommst du selbst an der gleichen Stelle möglicherweise ein ernsthaftes Problem. Und dann weiß er, dass du auf Kerle stehst und wirft dich mit Sicherheit raus. Aber– Meine Augen beginnen zu funkeln. Bei so einem Körper macht man bestimmt viele Fotos, unter anderem auch Nacktbilder. Ich muss morgen mal sein Handy danach durchsuchen! Irgendein Foto werde ich ganz bestimmt finden! Das ist der perfekte Plan!
Hidan schaut mich nur weiter misstrauisch an und drückt mir dann den grünen Verbandskoffer in die Hand. „Und selbst wenn du dir jetzt einen ganzen Arm abhacken solltest, kommst du damit nicht zu mir, sondern kümmerst dich da gefälligst selbst drum!"
Meine Antwort ist ein einziges, langsames Nicken.
„Gut." Erneut geht er an mir vorbei und mein Handrücken streift dabei seinen Oberschenkel, was mir eine Gänsehaut verpasst, ihn jedoch nicht im Geringsten stört.
Während ich den Koffer weiter in den Armen halte beobachte ich, wie er wieder aus der Küche geht, sich dann aber noch einmal im Flur zu mir umdreht und ich ihn daraufhin in voller Pracht bewundern kann. Er hat einen fast perfekten Körper und jetzt, da er weiter von mir weg ist, traue ich mich auch meinen Blick etwas tiefer wandern zu lassen. Doch ich schaue schnell wieder weg, da mir warm im Gesicht wird.
„Wenn du auch nur die Tür von meinem Zimmer berühren solltest, dann drehe ich dir den Hals um!"
Wenn ich durch seine Hände sterben darf, habe ich damit kein Problem.
„Und das alles hier machst du auch noch weg, sonst lasse ich dich den Boden so lange ablecken, bis er wieder komplett sauber ist!" Bevor ich noch irgendetwas sagen kann sind er und dieser verdammt geile Knackarsch auch schon wieder weg.
Seufzend humple ich zu einem der Stühle und lasse mich darauf sinken. Zum Glück sind keine Scherben in der Wunde, weswegen ich diese schnell verarzten kann. Nachdem ich großzügig einen Verband um meinen Fuß gewickelt habe, nehme ich den Staubsauger und stelle ihn auf die leiseste Stufe, um Hidan nicht noch mehr zu verärgern. Schnell sauge ich die restlichen Scherben weg und beginne dann gründlich den Boden zu wischen und zu schrubben.
Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen und schließe die Augen, als ich plötzlich ein lautes Krachen höre. Erschrocken setze ich mich auf und schaue zur Tür. Als ich diese öffne, um nachzuschauen was das für ein Geräusch war, traue ich meinen Augen nicht. Sofort sticht mir wieder dieser perfekte Hintern ins Auge. Das muss Schicksal sein! Erst dann realisiere ich, dass Hidan auf dem Boden liegt.
„Hashirama", knurrt er dunkel und bedrohlich meinen Namen, was mir eine Gänsehaut verpasst. „Willst du mich eigentlich verarschen?!"
„Ich sollte die Flecken wieder weg machen, da ist es doch klar, dass der Boden danach noch rutschig ist", verteidige ich mich. Der hat wirklich Nerven mir alles in die Schuhe schieben zu wollen!
„Du hättest ja zumindest Bescheid sagen können!"
Ungläubig schaue ich ihn an. „Wenn ich geklopft und gesagt hätte ‚Hidan Schatz, sei bitte vorsichtig, wenn du noch einmal aufstehst. Der Boden ist rutschig. Bussi', dann hättest du mir wirklich noch den Hals umgedreht, weil du schlafen wolltest. Also gib nicht mir die Schuld daran, wenn ich dich in Ruhe lasse, weil du das so wolltest!"
Er hebt eine Augenbraue an, sagt dazu aber nichts.
„Außerdem habe ich nicht damit gerechnet, dass du noch mal aufstehst."
„Jaja, schon gut. Ich hab's kapiert", sagt er und rappelt sich auf. „Ich bin ja schon ruhig."
Überrascht gucke ich ihn an. Hat er grade wirklich von sich aus nachgegeben? Er muss wirklich betrunken sein, wenn es schon so weit kommt.
Er schaut mich an und ich muss mich beherrschen, um nicht wieder seinen Körper anzustarren. Dann dreht er sich weg, geht einen Schritt und rutscht erneut aus. Ich zucke zusammen und verziehe das Gesicht. Autsch.
„Fuck, Alter!", flucht Hidan und setzt sich hin. Diesmal ist er auf dem Rücken gelandet. „Hast du den Boden irgendwie mit Butter eingeschmiert oder so?!" Beim Aufstehen strauchelt er etwas, behält diesmal jedoch das Gleichgewicht.
Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es ist schön ihn auch mal so hilflos zu sehen und zu wissen, dass auch er nur ein Mensch ist.
Ohne ein weiteres Wort verschwindet er in seinem Schlafzimmer und lässt mich alleine im Flur stehen.
-x-
Ich werde wach, weil ich jemanden lachen höre. Verschlafen blinzele ich und drehe mich um und will weiterschlafen. Doch eine laute Stimme und ein weiteres Lachen verhindern das. Da ich auch nicht wach im Bett liegen bleiben will, beschließe ich doch aufzustehen. Ich bleibe im Türrahmen zum Wohnzimmer stehen und sehe Hidan und noch einen anderen Mann sich gegenüber auf dem Sofa sitzen.
Hidan guckt zu mir und presst die Lippen aufeinander, als er mich sieht. Ob es an mir liegt oder es mit dem, was der andere gerade gesagt hat, zu tun hat weiß ich nicht. Doch als der Mann merkt, dass Hidan ihm nicht mehr zuhört, dreht er den Kopf in meine Richtung und ich kann sein Gesicht sehen, auf dem sich ein breites Grinsen abbildet. Seine Haare sind orange gefärbt, und stachelig nach oben gestylt, während ihm noch ein paar Strähnen ins Gesicht fallen. An beiden Ohren befinden sich diverse Piercing, ebenso an seiner rechten Augenbraue.
Der Mann steht auf und kommt, immer noch grinsend, auf mich zu. Von Nahem fällt mir auf, dass sogar seine Augenbrauen orange sind. Er ist etwa so groß wie ich und ich schätze ihn auf Mitte zwanzig. Aber im Alter erraten war ich noch nie gut. Meistens mache ich die Leute älter, als sie wirklich sind.
„Aber hallo!", sagt er und pfeift durch die Zähne, während er ein Mal um mich herum geht. „Wen hast du dir denn da schönes geangelt und genagelt?", fragt er und wendet sich grinsend an Hidan.
„Ich habe mir niemanden geangelt und ihn erst recht nicht genagelt", antwortet dieser kühl.
„Durfte ich deswegen nicht in das Zimmer?" Er schaut mich an. „Weißt du, Hidan hat mit allen Mitteln dafür gesorgt, dass ich nicht in den Raum komme, in dem du sehr wahrscheinlich warst. Er hat sich sogar mit ausgestreckten Armen vor die Tür gestellt. Aber es scheint, als hätte er dich nicht gut genug verstecken können. Scheint als bist du ihm so wichtig, dass er nicht will, dass sich jemand in dich verguckt."
Wie ein Auto gucke ich ihn an und dann zu Hidan. Was redet der da für einen Unsinn? Ich soll Hidan wichtig sein? Wenn er ihn richtig kennen würde wüsste er, dass das nicht der Fall ist.
Mit einem noch breiteren Grinsen wendet er sich wieder Hidan zu. „Du hast dir da aber schon ein Schnuckelchen rausgesucht."
„Yahiko!" Das Wort gleicht einem Knurren.
Schnuckelchen?
„Warum hast du mir nicht von ihm erzählt?"
„Weil es da nichts zu erzählen gibt. Und genau aus dem Grund, weil du es einfach falsch interpretierst!", sagt Hidan grimmig.
„Was gibt es da denn falsch zu verstehen? Es ist doch ganz eindeutig. Du hast dir einfach jemand neu–"
„Eben nicht!", unterbricht Hidan ihn. „Ich habe ja gesagt, dass du es falsch interpretierst! Kisame hat ihn am Straßenrand gefunden und nachdem er aus dem Krankenhaus war hier untergebracht, weil er selbst keinen Platz hat." Unzufrieden knirscht er mit den Zähnen. „Und deswegen muss er jetzt so lange hier bleiben, bis wir eine andere Lösung gefunden habe. Denn irgendwie hat der alles vergessen und geht jetzt mir auf die Nerven. Mehr ist da nicht. Er stellt mir auch irgendwelche Stolperfallen und macht sich dann über mich lustig! Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir ihn liegen lassen sollen!"
„Hidan! Du kannst nicht einfach jemanden am Straßenrand liegen lassen! Das ist unterlassene Hilfeleistung!"
„Mir doch egal was das ist oder nicht! Interessiert mich einen Scheißdreck! Kann ich ja nichts für, wenn der nicht aufpasst!"
Yahiko wendet sich an mich. „Ich bin das ja gewohnt, aber ich frage mich wirklich, wie du es mit ihm aushalten kannst. Den ganzen Tag aufeinander rumhocken. Wie lange bist du jetzt schon hier?"
„Einen Monat. Und ich weiß auch nicht recht, wie ich das alles aushalte. Vielleicht durch die Momente, in denen er nicht so scheiße ist."
Überrascht weitet er die Augen. „Einen Monat? Ich glaube ich würde Suizid begehen!"
„Danke", wirft Hidan ein, wird jedoch einfach ignoriert.
Ich zucke mit den Schultern. „Wozu Suizid, wenn man auch Stück für Stück zerstört werden kann? Und das dann quälend langsam."
Traurig schaut er mich an. „Es ist wirklich blöd, sowas zu hören. Und irgendwann bist du ihn auch wieder los."
Wieder zucke ich nur mit den Schultern.
„Jetzt heul nicht rum und geh Kaffee holen", sagt Hidan und ich werfe ihm einen mörderischen Blick zu. „Marshmallowgesicht."
„Ich sehe immer noch nicht aus wie ein Marshmallow!", fauche ich ihn an, woraufhin er trocken und emotionslos zurückgibt: „Stimmt, eher wie ein Waschbär auf Drogen."
„Ich habe auch einen Namen!" Schnaubend drehe ich mich um und stolziere in die Küche.
„Hidan, du könntest zumindest versuchen ein bisschen nett zu sein", sagt Yahiko.
„Ach, halt die Klappe, Karottenkopf!"
Dieses Arschloch kann mich mal! Soll der sich vergraben gehen! Ich kann ihn auch nicht leiden und trotzdem... Warum muss er nur immer so gemein zu mir sein? Was habe ich ihm getan?
Betrübt beobachte ich den Kaffee, wie er tropfenweise in die Tasse fließt. Das ist fast wie Gruppenzwang. Zuerst hat jeder Tropfen ein eigenes Leben, jeder Tropfen ist ein bisschen anders. Groß, klein. Dick, dünn. Unterschiedlich. Aber dann verschmelzen sie zu einer ganzen Flüssigkeit. Wie unsere Gesellschaft. Alle laufen mit der gleichen Kleidung herum, alle hören die Musik, die grade in den Charts ist, alle haben den gleichen Haarschnitt. Sie gehen mit dem Trend. Und es geht auch noch weit darüber hinaus. Nur weil alle im Freundeskreis schon Sex hatten, muss man nicht auch direkt welchen haben, sobald das Gesetz es erlaubt. Man muss sich nicht anpassen. Aber alle sind gleich, weil sich einfach keiner traut anders zu sein. Weil sich keiner traut aus der Menge heraus zu stechen und sich von dem Wahnsinn zu lösen. Denn dann fangen sofort alle an über einen zu lästern und zu spotten. Aber die wenigen Menschen, die das doch tun, denen die Worte und Beleidigungen der anderen egal sind, die haben das, was einen zu etwas Besonderem macht. Die haben das, was einen Menschen zu dem macht, der er ist. Charakter. Menschen, die Charakter haben sind stark, die wissen, was sie wollen. Die anderen, die nur mit dem Strom laufen, sind charakterlos. Die haben keine eigene Meinung und wenn doch, dann behalten sie diese für sich. Denn sie haben Angst verstoßen zu werden. Angst. Das, was dafür sorgt, dass diese kaputte Gesellschaft immer weiter wächst. Wobei es nicht einmal eine Gesellschaft ist. Eigentlich sind das alles nur Maschinen. Maschinen, deren eigener Wille unterdrückt wird. All diese furchtbaren Trends. Unter anderem der Magerwahn bei den Frauen. Natürlich gibt es Menschen, die so viel essen können wie sie wollen und nicht dick werden, zu denen gehöre ich. Und es gibt auch welche, die nehmen bei einem Stück Schokolade gefühlte fünf Kilo zu. Und dann wollen sie abnehmen, so werden wie die super schlanken Models, wobei das bei denen doch gar nicht mehr schön ist. In Zeitschriften wird nur noch mit Photoshop gearbeitet, doch das wissen viele einfach nicht oder wollen nicht glauben, zu welchen Veränderungen dieses Programm richtig eingesetzt verhelfen kann. Warum können die mit ihrem Körper nicht einfach zufrieden sein, wie er ist. Man muss keinen extrem flachen Bauch haben oder super große Brüste haben. Nicht alle Kerle stehen auf Pornodarstellerinnen. Irgendwo wird es auch einen Mann geben, der sie so akzeptiert wie sie ist. Mit allen Macken, ob am Körper oder Charakter. Niemand ist perfekt, auch wenn es bei den Promis manchmal so scheint. Niemand ist perfekt. Versuche nicht den Charakter eines Menschen zu ändern, akzeptiere ihn lieber so wie er ist. Und so werde ich es auch machen. Ich akzeptiere Hidan, als das Arschloch, das er ist. Denn den Charakter eines Menschen kann und soll man nicht ändern. Sonst ändert man den ganzen Menschen an sich. Ich werde seine Sticheleien weiter über mich ergehen lassen, weil ich sowieso nichts daran ändern kann. Denn würde ich es ändern, wäre er nicht mehr Hidan. Ich werde ihn akzeptieren, wie er ist, denn eine andere Wahl habe ich nicht.
Ich nehme die Tasse mit dem Kaffee und gehe damit ins Wohnzimmer. Yahiko rutscht etwas zur Seite, damit ich mich nicht an ihm vorbei drängen muss. Kurz nicke ich ihm zu und setze mich dann ebenfalls hin. Langsam trinke ich einen Schluck der brühend heißen Flüssigkeit und schaue Hidan dabei über den Rand der Tasse an.
Wieder einmal knirscht er mit den Zähnen. „Du solltest mir einen Kaffee holen, nicht dir!"
Ich senke die Tasse wieder und halte sie in meinem Schoß fest. Ruhig gebe ich zurück: „Das hast du nicht gesagt. Außerdem bin ich nicht dein Diener. Du hast mir am Anfang gesagt, was für dich in Ordnung geht und was nicht. Und daran halte ich mich auch. Aber es gehört nicht zu meinen Aufgaben dich zu bedienen. Außerdem warst du auch bevor ich hier war dazu in der Lage dir selbst einen Kaffe zu kochen. Warum sollte sich daran etwas geändert haben? Oder sind etwa alle deine Zellen so grau wie deine Haare, sodass du alles wieder vergisst, wenn du es zu lange nicht mehr gemacht hast? Wenn das so ist, dann tun mir deine Eier und dein Schwanz leid." Todernst trinke ich einen weiteren Schluck.
Hidan scheint es die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrt mich einfach nur an. Und Yahiko will diesen Moment scheinbar nutzen zu wollen, da er mich anspricht.
„Wie heißt du eigentlich?"
„Hashirama", antworte ich, wende den Blick von Hidan ab und schaue stattdessen ihn an.
„Und wie alt bist du?"
„Zwanzig."
„Geburtstag?"
„Dreiundzwanzigster Oktober." Klingt wie eine typische Konversation unter Männern. Alles nur in ganz kurzen Sätzen.
Seine Augen weiten sich etwas. „Dann bist du ja nur etwa eineinhalb Jahre jünger als Hidan."
Mein Blick wandert wieder zu dem Grauhaarigen, der uns mürrisch beobachtet. Also ist er momentan zweiundzwanzig. „Und du?"
„Zwanzigster Februar und fünfundzwanzig."
Langsam nicke ich. „Und warum färbst du dir deine Haare orange?"
„Warum lässt du dir die Haare so lang wachsen?", erwidert und hebt grinsend eine Augenbraue.
Guter Konter. „Weil es mir gefällt und weil ich meinen Pottschnitt von früher los werden, aber auch irgendwie beibehalten wollte. Außerdem mochte ich lange Haare schon immer."
Warum erinnere ich mich jetzt daran? Ich weiß, welche Frisur ich früher hatte, aber ich kann mich trotzdem nicht an meine Familie erinnern. Warum? Warum erinnere ich mich an so nebensächliche Sachen, aber nicht an die Menschen, die einmal meine Familie waren? Ich senke den Blick auf meine Tasse und beobachte den Dampf, wie er über den Rand hinaussteigt.
„Du hattest einen Pottschnitt?", fragt er belustigt und ich nicke nur. „Alles okay?", kommt dann und er schaut mich besorgt von der Seite an.
„Ja, ich war nur etwas in Gedanken", antworte ich und schaue ihn wieder an, während ich ihn leicht anlächle.
Er nickt. „Und so wie mit deinen Haaren ist es bei mir auch. Ich färbe sie so, weil es mir gefällt."
„Was arbeitest du denn, dass das da erlaubt ist? Oder studierst du?"
Erneut breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ich arbeite. Und was denkst du als was?"
Eine Weile starre ich in die Luft und kaue dabei nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Doch dann zucke ich mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Es passt so viel, aber gleichzeitig auch so wenig zu dir."
Er lacht. Ein lautes und ehrliches Lachen.
„Yahiko", grummelt Hidan genervt.
„Ich bin Friseur, da sind solche verrückten Haarfarben und ausgefallene Frisuren sogar erwünscht. Und bevor du fragst, ich schneide und färbe mir die Haare selbst. Wenn du also mal einen neuen Schnitt oder in deinem Fall auch nur die Spitzen geschnitten bekommen willst, komm einfach bei mir vorbei."
„Das Angebot nehme ich gerne an", sage ich und schenke ihm dafür eins meiner breitesten Lächeln, die ich zu bieten habe. „Färbst du Hidan dann auch die Haare?", frage ich noch, da meine Neugierde dann doch siegt.
Wieder lacht er. „Nein, der ist von Natur aus so grau." Dann beugt er sich zu meinem Ohr und flüstert so laut hinein, dass Hidan es auch noch hören kann: „Und ich frage mich manchmal, ob seine Sackhaare auch grau sind."
Jetzt bin ich es, der lacht. Allein die Vorstellung reicht mir schon.
„Nein, sind sie nicht", knurrt Hidan unzufrieden und genervt. „Ihr beide vertragt euch für meinen Geschmack zu gut!"
„Dann liefere uns mal schön Beweise", flötet Yahiko. „Und dein Geschmack ist sowieso für den Arsch. Also interessiert deine Meinung mich grade recht wenig."
Beweise? Sofort habe ich das Bild eines nackten Hidans vor mir, was mich nur noch breiter grinsen lässt. Nur leider habe ich nicht darauf geachtet, welche Frisur er da unten hatte. Waren da überhaupt Haare?
„Ganz sicher nicht!", gibt Hidan patzig zurück. „Und vielleicht solltest du mal in den Spiegel gucken, denn dann siehst du, wessen Geschmack scheiße ist!"
„Wenn du mein Spiegel bist", lässt er den Satz offen im Raum.
Um Yahikos Aufmerksamkeit zu erlangen, stupste ich ihn mit dem Ellenbogen an. Als er mein breites Grinsen sieht, hebt er selbst grinsend die Augenbrauen. „Was möchtest du uns gerne Schönes mitteilen?", fragt er gespannt.
Um Hidan noch mehr zu ärgern, lehne ich mich zu Yahiko und flüstere etwas in sein Ohr, woraufhin er mich überrascht anschaut.
„Jetzt wirklich?"
Ich nicke und lehne mich wieder zurück.
„Hidan, du weißt schon, dass Hashirama, wenn er wollen würde, dich wegen sexueller Belästigung oder was auch immer anzeigen könnte?"
Fragend schaut Hidan ihn an. „Warum das? Ist ja nicht so, als würde ich ihm irgendwie an den Arsch packen oder so."
Kann er aber gerne machen. Mir würde das gefallen. Und wenn ich dafür an seinen Hintern darf, dann strecke ich ihm meinen sogar noch ein bisschen entgegen.
„Wenn du hier nackt herum läufst und er das nicht sehen will?"
„Wann–? Ach, das heute Nacht. Eigentlich muss ich mich nicht verteidigen, weil das hier meine Wohnung ist und wenn ihm etwas nicht passt soll er halt gehen. Außerdem weißt du, dass ich immer nackt schlafe und daran ändert auch der nichts. Und er ist es selbst schuld, wenn er ein Idiot ist und mich zum Aufstehen zwingt. Also sag nicht, ich würde ihn belästigen."
Er schläft immer nackt? Da wäre ich gerne seine Bettdecke... Nein, Hashirama, warum denkst du nur immer solche Sachen? Hör auf damit! Das ist doch falsch!
„Hidan, du belästigst ihn doch sowieso schon."
„Ach, und wie?!", gibt dieser zurück.
„Mit den ganzen Beleidigungen und all dem?"
Der Grauhaarige verdreht die Augen. „Müsst ihr immer wieder damit ankommen?"
Ich lege eine Hand auf Yahikos Arm und schüttle den Kopf. „Lass ihn reden. Mir ist das eigentlich egal, denn ich komme damit klar. Es ist zwar schwer das zu ignorieren aber schlimmer geht immer."
Yahiko presst die Lippen zusammen und schaut mich kurz prüfend an, nickt dann aber. Ich lächle ihn noch einmal an und wende mich an Hidan.
„Kann ich mal kurz dein Handy haben?"
Er schüttelt den Kopf.
„Warum nicht? Du weißt doch, was Kisame gesagt hat."
Schnaubend erwidert er: „Weil du ein Glas kaputt gemacht hast und, weil Kisame nicht meine Mutter ist."
„Aber nicht mal auf deinen Mutter hörst du", wirft Yahiko glucksend ein und bekommt dafür sofort einen strafenden Blick.
„Okay, ich nehme alles zurück, was ich grade gesagt habe", sage ich schlecht gelaunt zu dem Orangehaarigen.
Hidan stöhnt genervt und wirft mir dann doch sein Handy zu. Es landet in meinem Schoß und schaue von dem Gerät zu ihm.
„Danke", sage ich und entsperre es schnell, da es keine Sicherung hat. Wieso auch, wenn man alleine wohnt?
Ich ziehe die Beine auf dem Sofa an und lehne mich zurück. Erst gucke ich was er alles für Apps hat. Nicht viele, nur das Übliche und ein paar Spiele. Schnell werfe ich einen Blick zu Yahiko, um sicher zu gehen, dass er nicht mit auf das Display schaut und öffne dann die Galerie. Es gibt vier Ordner, Arbeit, Kamera, Screenshots und Images. Mehr als dreißig Bilder sind in keinem der Ordner, also wird meine Suche nicht allzu lange dauern.
Vielleicht verschickt er ja Nacktbilder? Somit tippe ich zuerst auf den Images Ordner. Doch das interessanteste Bild ,welches es dort gibt, ist ein Mann mit langen schwarzen Haaren, der mit dem Gesicht auf einem Tresen liegt und schläft, während er eine Flasche Wodka in der Hand hält und einen Penis auf die Wange gemalt hat. Ich muss schmunzeln, reiße mich aber schnell wieder zusammen, damit nicht zu auffällig ist, was ich hier mache. Hidan und Yahiko unterhalten sich, weshalb ich in Ruhe weiter suche.
In den anderen Ordnern werde ich auch nicht wirklich fündig, bis nur noch einer übrig ist. Kamera. Der Ordner, wo die spontansten Bilder landen. Ich öffne ihn und wische schnell über das Display, bis ich an einem Bild hängen bleibe, auf dem Hidan zu sehen ist. Es muss von jemand anderem gemacht worden sein, wie fast alle anderen auch, da er im Bett liegt und schläft. Er sieht einfach nur friedlich und nicht so mürrisch aus, wie sonst immer. Ein schwaches Lächeln huscht über meine Lippen und ich wische weiter. Ein Video. Kurz lehne ich mich vor und nehme mir Kopfhörer, die unter dem Couchtisch liegen. Einmal schaue ich noch zu Hidan und Yahiko, die sich noch immer angeregt unterhalten und starte dann das Video.
Sofort dröhnt mir laute Musik in die Ohren und ich schalte den Ton etwas leiser. Es sind zwei Männer und ein paar Silhouetten am Rand zu sehen. Der eine davon ist Hidan, den anderen kenne ich nicht. Sie sitzen an einem Tisch, auf dem viele Gläser mit sehr wahrscheinlich alkoholischen Getränken stehen.
„Na los, jetzt macht schon!", sagt eine dunkle Männerstimme, aus der man aber die Belustigung heraushören kann, vermutlich die Person, die das Handy hält. „Ihr müsst oder es heißt nackt draußen herumlaufen."
Wahrscheinlich haben sie dort Wahrheit oder Pflicht gespielt..
Hidan grinst in die Kamera und dreht sich dann zu dem Mann neben sich.
Es ist schwer zu erkennen, doch ich glaube er hat lange braune Haare. Zwar nicht so lang wie meine, aber trotzdem lang.
Dann lehnt Hidan sich ihm entgegen, legt eine Hand an seinen Hals und küsst ihn. Der andere erwidert den Kuss sofort.
Die beiden küssen sich wirklich. Mit Zunge. Ich kann den Blick nicht von diesem Bild abwenden. Aus dem Hintergrund sind Pfiffe und Jubel zu hören. Ich sehe Hidan wieder grinsen.
Er sieht so glücklich und zufrieden aus. Warum ist das jetzt nicht mehr so?
Langsam lösen sich die beiden wieder voneinander und Hidan leckt sich über die Lippen, als er grinsend den Mittelfinger in die Kamera zeigt.
„Und Madara, was kommt als nächstes? Soll ich ihm direkt noch einen Blasen?"
Doch was die Antwort darauf ist erfahre ich nicht, denn das ist die Stelle, an der das Video endet. Und ich weiß auch nicht, ob ich die Antwort darauf wissen will. Einen Moment lang starre ich noch auf das Display, bevor ich die Kopfhörer zurück lege.
Er hat schon mal einen Mann geküsst. Das ist jetzt zwar keine weltbewegende Sache, aber von Hidan hätte ich das nicht erwartet. Vielleicht ist er ja schwul? Nein, eher nicht. Das war ja eine Pflichtaufgabe. Entweder einen Kerl küssen oder nackt durch die Straßen laufen. Da hätte ich mich wohl auch für das Küssen entschieden. Leise seufze ich und streiche ein weiteres Mal über das Display, zum nächsten Bild und erstarre sofort. Es ist ein Selfie von Hidan und diesem Kerl, den er in dem Video geküsst hat. Darauf schneidet Hidan eine Grimasse, während der andere die Augen verdreht. Das Bild lässt mich schlucken. Er sieht wieder so glücklich aus... Liegt das etwa an diesem Mann?
Plötzlich erscheint eine Hand in meinem Sichtfeld und nimmt mir das Handy aus der Hand. Erschrocken zucke ich zusammen und schaue auf. Hidan sitzt mir nicht mehr gegenüber. Verdammt, ich hätte besser aufpassen müssen.
„Hätte ich gewusst, dass du dir meine Bilder anguckst, dann hätte ich es dir bestimmt nicht gegeben!", sagt er wütend.
Yahiko wirft einen Blick auf das Display und schaut Hidan dann traurig an. Zumindest sieht es so aus. „Hidan...", sagt er leise. „Du musst dich langsam mal damit abfin–"
„Halt du dich aus meinen Angelegenheiten raus!", keift er den Orangehaarigen schließlich an. „Und du", er funkelt mich an. „Du bekommst nie wieder auch nur irgendetwas von mir! Da kannst du dich wirklich glücklich schätzen, wenn ich dich nicht verhungern lasse!"
Mit diesen Worten verlässt er das Wohnzimmer, woraufhin Yahiko aufsteht. „Ich glaube ich sollte dann auch mal lieber besser gehen. Denn auch ich habe keine Lust, mir jetzt noch seine schlechte Laune anzutun."
Eigentlich möchte ich nicht mit Hidan alleine sein, aber ich nicke nur. Immerhin kann ich ihn hier nicht gegen seinen Willen festhalten.
„Und du solltest lieber nicht zu oft in seinen Sachen wühlen. Das kann nämlich sehr böse enden."
Wiedernicke ich. Was soll ich dazu denn noch sagen? Ich schaue ihm nach, wie er dieWohnung verlässt und bin schließlich ganz alleine im Wohnzimmer. Aber trotzdemzusammen in der Wohnung mit diesem Beast.
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