2. Kapitel/ The struggle is real
„Hast du's jetzt mal?", fragt Hidan, der draußen vor der Umkleidekabine wartet, genervt. „Gott, du bist ja schlimmer als eine Frau!"
Ich ignoriere ihn, so wie eigentlich die letzten eineinhalb Tage. Denn den Vorfall mit der Plastikpistole habe ich ihm noch immer nicht verziehen. Wie konnte der es sich nur wagen mich so zu verarschen?! Das bekommt er auf jeden Fall zurück! Ich weiß zwar noch nicht wie, aber er bekommt es zurück. Da er aber sowieso nicht heiß darauf ist mit mir zu reden, ist es eigentlich nur zu meinen Gunsten.
Nachdem ich mir den Pullover angezogen habe begutachte ich mich im Spiegel. Die Ärmel sind etwas zu lang und insgesamt sehe ich ein bisschen aus wie ein Kartoffelsack, aber dafür ist er auch unglaublich bequem. Seufzend kuschle ich mich in den weichen Stoff und rieche wieder daran. Einen Moment stehe ich einfach nur mit geschlossenen Augen da und genieße das Gefühl, das dieser Pullover mir gibt. Ich könnte dieses Teil jeden Tag tragen. Ein letztes Mal atme ich noch tief durch die Nase ein, schiebe den Vorhang der Umkleidekabine weg und trete hinaus. Hidan dreht sich sofort weg und läuft Richtung Kasse.
Ich hasse es ja schon von irgendjemand abhängig zu sein, aber noch mehr hasse ich es, dass dieser jemand ausgerechnet Hidan sein muss! Ich denke es oft, ich weiß, aber der Kerl ist einfach nur ein totales Arschloch. Es wäre ja nicht einmal halb so schlimm, wenn ich mir das ganze Zeug selbst kaufen würde, aber ich habe ja verdammt nochmal kein Geld! Nicht mal einen Cent! Und das ist wirklich mehr als deprimierend.
„Das Geld dafür bekomme ich aber irgendwann wieder", sagt er und drückt mir die Tüte in die Hand, als wir den Laden verlassen.
War ja klar. Ich glaube ich sollte nicht zu viel Hoffnung an Freundlichkeit in ihn stecken. Da wird man nur enttäuscht. Ich gebe ihm keine Antwort und wie ich mittlerweile weiß, hasst er das. Aber das ist er selbst schuld, wenn er mich so verarscht. Er bleibt stehen und ich laufe in ihn rein.
„Hast du mir zugehört?", fragt er und ich weiß, ohne ihn anschauen zu müssen, dass er angepisst ist.
„Jahaaa", gebe ich genervt zurück und gehe weiter.
„Gut", sagt er und folgt mir. „Hast du jetzt alles?", will er noch wissen und wirft dabei einen Blick auf die Uhr.
„Ich habe Hunger."
Genervt stöhnt Hidan, was er ziemlich oft tut. „Auch das noch... Dann geh dir was zu essen kaufen. Aber beeil dich." Er drückt mir etwas Geld in die Hand und setzt sich auf eine Bank. Als ich nicht losgehe und sage, dass ich nicht weiß wo ich lang muss, stöhnt er ein weiteres Mal genervt und beschreibt mir kurz den Weg.
Während ich laufe murmle ich vor mich hin. „Rechts... dann hier links... und noch mal links." Am Straßenrand stehen einige Buden und ich überlege, was ich mir kaufen soll. Schließlich entscheide ich mich für eine Currywurst.
Okay, wo jetzt lang? Ich bin von da gekommen, also muss ich auch da wieder hin.
Langsam laufe ich los und fange an dabei zu essen. Als ich ein Mal von meinem Essen aufschaue, um zu gucken wo ich lang muss, zucke ich erschrocken zusammen und bekleckere mich, oder besser den Pullover, mit etwas Currysoße. Vor mir steht eine Frau, die sehr dezent bekleidet ist, hinter einer Scheibe. Alles was sie trägt ist aus Spitze und bedeckt wirklich nur das Nötigste. Sie leckt einmal über das Glas und ich gucke auf den Fleck, der sich sehr deutlich auf dem Pullover abzeichnet. Na super. Mit der Serviette versuche ich ihn so gut wie Möglich wegzuwischen, was aber natürlich nicht funktioniert. Ich schaue auf und muss feststellen, dass ich durch dieses kleine Chaos nicht einmal mehr weiß aus welcher Richtung ich gekommen bin. Einen letzten Blick werfe ich der Frau, die mich zu sich winkt zu, und stelle mich wirklich vor sie. Fragend ziehe ich eine Miene und zeige nach links und rechts. Sie deutet nach, von mir aus gesehen links, und lächelt mich an. Ich nicke und gehe in diese Richtung. Doch nach kurzer Zeit muss ich mir eingestehen, dass ich mich endgültig verlaufen habe. Sie hat vermutlich in die Richtung gezeigt, wo der Eingang zu dem Bordell ist und nicht in die, aus der ich gekommen bin. Toll. Und was jetzt? Ich sehe mich weiter suchend um.
Welche Wahl habe ich denn, als einfach weiter zu laufen? Nicht einmal ein Handy habe ich, damit ich Hidan anrufen kann. Natürlich könnte ich auch irgendwelche Passanten fragen, aber wer macht sowas schon gerne? Außerdem kenne seine Nummer nicht einmal auswendig, das würde mir also auch nicht helfen. Somit laufe ich einfach weiter. Als ich nach etwa einer Stunde erfolglosen Suchens und schon wieder hungrig meinen Namen höre, drehe ich mich um und sehe Hidan auf mich zulaufen. Erleichtert atme ich aus.
„Was zum Henker tust du hier?!", macht er mich auch schon sofort blöd an, weswegen ich ihm aber nicht wirklich böse sein kann. Immerhin hat er ja recht. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich beeilen! Und jetzt musste ich dich auch noch suchen?"
„Ich habe mich verlaufen und bin im Rotlichtviertel gelandet. Und dann bin ich wohl wieder in die falsche Richtung gelaufen. Warum bist du denn nicht einfach gegangen?"
„Wie konntest du dich auf dieser Strecke bitte verlaufen?! Und da wo du warst hättest du nur zwei Straßen weiter gehen müssen und wärst dann wieder an der Hauptstraße!", sagt er aufgebracht und knirscht dann mit den Zähnen. „Weil Kisame mir den Hals umdrehen würde, wenn er erfährt, dass ich dich hier irgendwo alleine gelassen habe! Du würdest mich bestimmt bei ihm verpetzen! Und was hast du mit meinem Pullover gemacht?!"
Ein Schulterzucken meinerseits. „Ich habe beim Essen nicht wirklich darauf geachtet wo ich lang gegangen bin, weil du wolltest, dass ich mich beeile. Woher soll ich das denn bitte alles wissen? Ich habe doch keine Ahnung von dieser Stadt hier! Und woher willst du wissen, dass ich dich verpetzt hätte?" Ich senke den Blick und schaue auf den Fleck. „Mich erschrocken und dann mit der Soße gekleckert. Wenn wir zurück sind wasche ich ihn."
Ungläubig schaut er mich an. „Jetzt ist es auch noch meine Schuld?! Ach, leck mich doch einfach! Ich bin mir sicher, dass du es getan hättest, weil du mich nicht leiden kannst!" Schnaubend dreht er sich weg. „Ist jetzt auch egal. Aber ich werde dich kein zweites Mal suchen, beim nächsten Mal hast du Pech gehabt!" Mit diesen Worten geht er los.
„Ja, ich kann dich nicht leiden, einfach weil du ein Arschloch bist, aber das ist für mich trotzdem kein Grund, um dich bei irgendjemand zu verpetzen!", sage ich noch.
„Dass ich ein Arschloch bin musst du mir nicht sagen, das weiß ich auch so", erwidert er, schaut mich dabei aber nicht an. Ich öffne grade den Mund, um noch etwas zu sagen, doch er unterbricht mich. „Sag nichts und belasse es einfach dabei." Der letzte Satz hat sogar recht freundlich geklungen. Aber er hat nicht ‚bitte' gesagt. Ob er das Wort überhaupt kennt?
Schweigend gehen wir nebeneinander her, steigen in die U-Bahn ein und wieder aus und laufen weiter, bis Hidan stehen bleibt und den Schlüssel aus seiner Jackentasche zieht. Dann laufen wir die Treppe hoch. Er scheint wirklich nicht sonderlich gesprächig zu sein, wenn es keinen Grund zum Reden gibt.
Mit einer Schere, die ich in der Küche gefunden habe, schneide ich die Schilder von meinen neuen Klamotten ab und werfe sie in den Müll. Dann sehe ich mir den Pullover an und presse die Lippen aufeinander. Ich bleibe neben Hidan, der auf dem Boden vor dem Couchtisch sitzt und irgendetwas schreibt während er dabei über Kopfhörer Musik hört, stehen.
Er zieht sich die Stöpsel aus den Ohren und schaut zu mir hoch. „Was ist?", fragt er und ich höre sofort wieder den genervten Unterton in seiner Stimme.
„Ich wollte fragen, ob ich vielleicht noch ein Oberteil von dir bekommen könnte?"
Er klappt den Collegeblock zu. „Wozu? Du hast jetzt doch eigene."
„Ja, aber ich wollte die neuen Sachen waschen und den Pulli hier gleich mit und dann habe ich nichts zum Anziehen", erkläre ich.
„Ich habe kein Problem damit, wenn du hier halb nackt rumläufst", erwidert er.
Ausdruckslos schaue ich ihn einfach nur an. Sein Ernst jetzt? Doch dann steht er auf und ist direkt wieder größer als ich. „Jaja, schon gut, du bekommst was. Aber nur, wenn du mich danach in Ruhe lässt", sagt er und ist wohl endgültig genervt von mir. Das geht immer so wunderbar schnell.
Ich nicke. „Natürlich. Hast du auch noch irgendwas das ich mit waschen soll?"
„Hinter der Tür im Bad steht ein Wäschekorb, da sind ein paar Sachen drin", erklärt er und geht ins Schlafzimmer.
Wieder bleibe ich im Türrahmen stehen und diesmal sagt er nichts dazu, öffnet nur seinen schwarz glänzenden Kleiderschrank und kramt darin herum, bis er etwas gefunden hat. Er drückt mir einen schwarzen Pullover in die Hand und geht dann ohne ein weiteres Wort an mir vorbei zurück ins Wohnzimmer.
Schon wieder schwarz. Muss wohl seine Lieblingsfarbe sein. Schnell ziehe ich mich um, nehme meine Sachen und gehe damit ins Badezimmer. Tatsächlich steht hinter der Tür ein Wäschekorb. Applaus, Hashirama, natürlich steht das Teil da. Der Kerl wird doch wohl wissen was es alles in seiner Wohnung gibt. Manchmal bin ich echt ein Idiot.
Ich beschließe einfach den ganzen Wäschekorb mitzunehmen und gehe dann aus der Wohnung. Die Waschmaschinen werden mit Sicherheit im Keller sein.
Nach minutenlangen Suchen, in den Räumen hinter den fünf Türen, die es im Keller gibt, und wiederholtem Nachschauen, stehe ich ratlos im Flur. Keine Waschmaschine. Nirgends. Nicht mal ein Trockner oder so. Muss ich jetzt wirklich erst in einen Waschsalon gehen?
Schlecht gelaunt erklimme ich wieder die Treppen in den dritten Stock und klingle dann an der Tür. Ich höre Hidan fluchen, dann ein Poltern, ein weiterer Fluch und schon ist die Tür auf.
„Kannst du nicht einen Schlüssel mitnehmen?", fragt er sofort wieder genervt, als er mich sieht.
„Ich hab keinen. Wo deiner ist weiß ich auch nicht. Und ich finde die Waschmaschine nicht."
Er zieht die Stirn in Falten und lässt mich dann rein. „Ich war schon verwundert, als du zum Wäsche waschen rausgegangen bist. Warst du im Keller oder wo?"
Ich nicke. „Das ist doch in vielen Wohnhäusern so, da dachte ich, dass es hier genauso ist."
Er schüttelt den Kopf und geht dann in die Küche. Neben dem Tisch greift er an die Wand und erst jetzt fällt mir auf, dass dort eine Schiebetür ist. Diese schiebt er zur Seite und gibt einen Blick in den kleinen Abstellraum dahinter frei. Dort stehen eine Waschmaschine, ein Bügelbrett, ein Staubsauger und ein Wischmop. Hätte er mir das nicht früher zeigen können?
„Vielleicht solltest du mal nachdenken, bevor du handelst und unnötigerweise irgendwo rumläufst. Nicht dass mich das interessieren würde."
„Woher soll ich denn wissen, dass die Waschmaschine so versteckt ist? Zufälligerweise bin ich erst seit zwei Tagen hier und war mir bis grade nicht sicher, ob du überhaupt weißt, wie man Wäsche wäscht."
„Ich dachte du hättest dich umgeschaut. Und was soll das heißen, ich weiß nicht wie man Wäsche wäscht? Denkst du etwa ich lege meine getragenen Sachen zurück in den Kleiderschrank und ziehe sie ein anderes Mal wieder an? Oder die wäscht sich von selbst? Vielleicht habe ich ja auch einen Roboter, der das für mich übernimmt! Ich bin vielleicht scheiße, aber ganz bestimmt kein Idiot!"
„Tut mir leid, dass mir diese Geheimtür nicht sofort ins Auge gefallen ist und ich nicht ausversehen in deinen Sachen rumschnüffeln will! Für mich siehst du wie jemand aus, der nichts auf dem Kasten hat! Eben wie ein totaler Vollidiot!"
Wütend funkelt er mich an. „Nenn mich noch ein Mal so und du hast meine Faust in deiner beschissenen Visage!"
„Wie? Meinst du Vollidiot?", frage ich und provoziere ihn damit absichtlich noch etwas mehr. Und tatsächlich, im nächsten Augenblick spüre ich einen stechenden Schmerz an meiner Wange. Er schlägt mich so fest, dass ich zurück taumle, mit dem Kopf hart gegen die Wand knalle und langsam daran hinunter auf den Boden rutsche.
„Ich habe dich gewarnt", knurrt er und verlässt daraufhin die Küche.
„Bastard...", murmle ich noch und schließe die Augen während ich versuche den pochenden Schmerz in meinem Hinterkopf irgendwie zu verdrängen. Verdammt... Vermutlich bin eher ich der Idiot von uns beiden...
Einen Augenblick bleibe ich noch so sitzen und rutsche dann über den Boden und auf die Waschmaschine zu. Ich befülle sie mit meinen Sachen und schaue dann im Wäschekorb die Sachen von Hidan an. Langsam nehme ich die einzelnen Teile heraus und stopfe sie ebenfalls in die Trommel. Noch etwas Waschmittel dazu und– Ich stocke in der Bewegung und schaue mir die Verpackung genauer an. Was steht da? Anstrengt blinzle ich, kann aus den Buchstaben aber kein sinnvolles Wort bilden. Scheiße...
Ich mache die Maschine zu und schalte sie an. Dann gucke ich noch einmal verwirrt in den Wäschekorb. War da wirklich keine Unterwäsche bei? Vielleicht habe ich sie auch einfach übersehen. Na ja, kann mir eigentlich auch egal sein.
Ich rapple mich wieder auf und stütze mich erst einmal an der Wand ab, da es dadurch in meinem Kopf nur noch mehr hämmert. Langsam gehe ich in mein Zimmer und lasse mich auf das Bett sinken. Das fängt ja schon mal gut an... Ich glaube mit Hidan kann man sich gar nicht vertragen... Seufzend lege ich mich hin und ziehe die Decke über mich. Wenn die blöden Kopfschmerzen wegen ihm wieder schlimmer werden, dann ist er der Nächste, der geschlagen wird.
Ich will hier weg...
-x-
Die folgenden Tage gehe ich Hidan gezielt aus dem Weg, was auch ziemlich gut funktioniert. Ich habe sogar einen geregelten Tagesablauf. Nachmittags um fünf Uhr beginnt mein Tag, denn dann geht er immer arbeiten und ich kann mein Zimmer verlassen, in dem ich die ganze Zeit verharre, ohne ihm über den Weg zu laufen. Wenn er aus der Tür ist warte ich noch zehn Minuten um sicher zu gehen, dass er nichts vergessen hat. Denn genau das ist am ersten Tag passiert.
Als die Wohnungstür ins Schloss fällt, stehe ich auf und gehe aus meinem Zimmer ins Badezimmer. Ich schaue mich einmal im Spiegel an und wasche mir dann das Gesicht. Es ist wirklich anstrengend so zu leben, aber es geht. Gerade will ich mich ausziehen und unter die Dusche steigen, als ich höre, wie sich der Schlüssel wieder im Schloss dreht. Ich will ihm nicht über den Weg laufen!
Mit rasendem Herzen schaue ich die Badezimmertür an. Erst denke ich, dass er nur etwas vergessen hat und sofort wieder weg ist, doch dann realisiere ich, dass seine Schritte genau auf mich zukommen. Ich sitze in der Falle.
Als sich die Tür öffnet, erleide ich einen halben Herzinfarkt und drücke mich sofort dahinter mit dem Rücken gegen die Wand. Mit angehaltenem Atem sehe ich dabei zu, wie Hidan rein kommt und die Tür wieder hinter sich schließt. Jetzt sieht er mich und dann ist es vorbei. Doch wie durch ein Wunder scheint er mich nicht zu bemerken, sondern summt nur leise vor sich hin, da er Kopfhörer in den Ohren hat. Mit großen Augen folge ich ihm mit dem Blick, wie er weiter in den Raum geht und dann hinter der Trennwand verschwindet. Gott, diese Teil hat mir grade vermutlich das Leben gerettet. Schnell mache ich mich aus dem Staub und erlaube mir erst in meinem Zimmer wieder tief durchzuatmen.
Bei der Erinnerung schaudert es mich immer noch. Und dann habe ich noch eine halbe Stunde gewartet, nachdem er weg war, nur um ganz sicher zu sein, dass er nicht mehr wieder kommt, bevor ich erneut ins Badezimmer gegangen bin.
Nachdem ich im Bad war gehe ich immer erst in die Küche und esse etwas. Den ganzen Tag zu hungern ist wirklich schlimm. Dann geht es noch einmal schnell unter die Dusche und danach steht ein Spaziergang an. Am Dienstag habe ich nämlich auf dem Küchentisch einen Schlüssel gesehen, der in einem Apfel gesteckt hat. Die Botschaft dahinter habe ich noch immer nicht verstanden, aber den Apfel habe ich danach erst einmal weggeworfen, da ich Hidan nicht traue und nicht weiß, was er mit dem Ding vorher schon alles gemacht hat. Ich habe schnell verstanden, dass es der Zweitschlüssel für die Wohnung ist und seitdem gehe ich jeden Tag spazieren. Denn die ganze Zeit nur in der Bude hocken? Das kann ich meinem Körper und mir selbst nicht antun. Es gibt vielleicht Leute, die den ganzen Tag nur im Haus sein können, aber ich gehöre da eindeutig nicht zu.
Nachdem ich draußen war, schaue ich meistens noch, was alles im Fernsehen läuft. Oft gucke ich einfach nur irgendwelche Dokumentationen und wenn es zu langweilig wird schalte ich den Fernseher wieder aus, esse meistens noch eine Kleinigkeit und gehe dann ins Bett. Wann genau Hidan wieder kommt weiß ich nicht, aber er schläft immer bis mittags. Das heißt eigentlich könnte ich schon vorher aus meinem Zimmer, da ich nicht ganz so lange schlafe, aber ich möchte trotzdem nicht das Risiko eingehen, dass er doch irgendetwas hört und mir dann den Hals umdreht, weil ich ihn geweckt habe.
Und jetzt sitze ich, wie jeden Tag, mit dem Rücken an das Kopfende meines Bettes gelehnt und warte darauf, dass endlich Nachmittag ist und Hidan arbeiten geht. Wieder einmal starre ich das Regal an, das gegenüber von mir steht. Inzwischen weiß ich auswendig, was auf den einzelnen Aktenordnern steht. So viele sind das aber auch nicht. Arbeit, Bank, Wohnung, Verschiedenes, Pläne, Kontakte und es gibt einen ohne Aufschrift.
Am meisten frage ich mich, ob in dem Ordner ohne Aufschrift etwas ist. Eigentlich würde ich ja gerne nachschauen, aber ich darf nicht. Sonst findet er das noch irgendwie heraus und schlägt mich wieder. Und das will ich nicht, denn die Kopfschmerzen waren wirklich unangenehm.
„Hashirama", ertönt meine Name aus dem Flur und spanne mich an.
Scheiße, was soll ich denn jetzt machen? Ich will nicht mit ihm reden! Ich höre, wie Hidan immer näher kommt und lege mich schnell hin. Gerade, als die Tür zu meinem Zimmer aufgeht, habe ich die Decke über mich gezogen und die Augen geschlossen. Ruhig atme ich ein und aus und entspanne meine Gesichtszüge so gut es geht, damit es auch wirklich so aussieht, als würde ich schlafen.
„Ich bin am Wochen-", beginnt er, bemerkt dann aber, dass ich 'schlafe' und schnaubt. „Faulpelz! Ich gehe arbeiten und du gammelst den ganzen Tag nur herum. Das kann doch wirklich nicht sein."
Wenn der wüsste.
„Dann penn' halt weiter und hör' mir nicht zu!" Er zieht die Tür wieder hinter sich zu und ich atme erleichtert aus. Trotzdem bleibe ich noch eine Weile so liegen, falls er doch noch einmal reinkommen und mich auf frischer Tat ertappen sollte. Tatsächlich schlafe ich ein und wache erst zwei Stunden später, um achtzehn Uhr, wieder auf. Hidan ist seit einer Stunde weg, also kann ich ruhigen Gewissens meine abendliche Routine beginnen.
Um halb zwölf liege ich wieder im Bett, kann aber nicht schlafen. Egal wie lange ich meine Augen geschlossen halte und mich hin und her wälze, es funktioniert einfach nicht. Da fällt mir ein, dass ich wieder Wäsche waschen könnte. Also stehe ich auf, sammle meine Sachen zusammen und hole den Wäschekorb aus dem Badezimmer. Wirklich sortieren muss ich nicht, denn Hidans Sachen sind pflegeleicht und alle dunkel gehalten. Und wenn meine Klamotten sich etwas verfärben ist das auch nicht schlimm. Somit reicht es, wenn ich eine Maschine wasche.
Schon wieder keine Unterwäsche. Also habe ich es mir beim letzten Mal doch nicht eingebildet.
In den zwei Stunden, die die Waschmaschine braucht, räume ich die Wohnung etwas auf. Viel gibt es nicht, denn eigentlich ist ja nichts unordentlich. Aber zumindest kann ich Hidans Schuhe anständig hinstellen und einmal durchwischen. Etwas abgestaubt wird auch noch und dann noch mal gewischt, da ein bisschen Staub auf den Boden gefallen ist.
Als die Waschmaschine fertig ist, hole ich die saubere Wäsche heraus und überlege, wo ich sie aufhängen kann. Für den Balkon ist es zu dunkel und zu spät, außerdem regnet es gerade. In meinem Zimmer möchte ich auch nicht und Küche und Wohnzimmer? Vielleicht ja im Bad irgendwo. Doch das Badezimmer bleibt ebenfalls erfolglos, bis mir der Föhn ins Auge fällt. Schulterzuckend setze ich mich auf den Boden. Ich habe ja sowieso nichts Besseres zu tun. Somit beginne ich die einzelnen Kleidungsstücke trocken zu föhnen. Allein das dauert schon wieder fast eine Stunde und währenddessen mache ich mir Gedanken.
Was wollte Hidan mir heute Nachmittag sagen? Es hatte irgendwas mit dem Wochenende zu tun. Denn was soll ich machen, wenn er dann zu Hause ist? Dann kann ich ihm nicht mehr die ganze Zeit aus dem Weg gehen. Immerhin ist heute schon Freitag. Und wenn ich jedes Mal schlafe, wenn er etwas von mir möchte, wird er auch misstrauisch. Oder er denkt, dass ich tot bin, wobei ihm das eigentlich nur gelegen kommen dürfte. Aber dann würde er meine ‚Leiche' entsorgen und spätestens da würde auffallen, dass ich noch lebe.
Seufzend stehe auf und trage die inzwischen trockene Wäsche wieder in die Küche. Dort stelle ich das Bügelbrett auf und bügle sorgfältig jedes Kleidungsstück einzeln, so wie es sich gehört.
Als dies ebenfalls geschafft ist und auch alles ordentlich zusammengelegt ist, lasse ich mich erschöpft auf einen der Stühle sinken. Gleich kann ich bestimmt gut schlafen. Ich esse noch einen Apfel und räume dann die Sachen wieder weg. Inzwischen ist es schon viertel nach drei. Jetzt nur noch eben die Klamotten weg bringen und dann ab ins Bett.
Einen Augenblick bleibe ich vor dem Schlafzimmer stehen, zucke dann aber nur mit den Schultern und betrete es. Nachdem ich das Licht eingeschaltet habe, gehe ich zum Bett, auf dem ich den Wäschekorb abstelle. In einem gemütlichen Tempo nehme ich Hidans Sachen heraus und lege sie auf das Bett. Wozu auch beeilen? Vielleicht sollte ich sie aber doch lieber vor den Kleiderschrank auf den Boden legen? Denn wenn er zurück kommt ist er bestimmt müde. Gerade als ich nach dem Kleiderstapel greifen will, ertönt hinter mir eine Stimme.
„Was hast du hier zu suchen?", fragt Hidan, leise aber bedrohlich.
Der Klang seiner Stimme jagt mir ein kalten Schauer über den Rücken und ich drehe mich zu ihm um. Scheiße. Warum habe ich nicht mitbekommen, dass er wiedergekommen ist? Das alles hier erinnert mich ein bisschen an die Situation in der Küche.
„Ich habe Wäsche gewaschen und wollte dir nur deine Sachen auf das Bett legen", bringe ich gerade so hervor und gehe einen Schritt zur Seite, damit er sieht, dass ich die Wahrheit sage. Langsam kommt er auf mich zu und bleibt vor mir stehen. Ich atme flach und schlucke einmal, während ich ihm in die Augen schaue, die vor Zorn aufblitzen
„Was habe ich dazu gesagt?", fragt er weiter.
„Ich darf hier nicht rein?", gebe ich kleinlaut zurück.
„Genau! Und warum bist du dann trotzdem hier?"
Ich zeige auf die Kleidung. „Weil ich–"
„Lass sie das nächste Mal einfach vor der Tür liegen! Und wenn ich sage, du sollst hier nicht rein, dann hältst du dich auch gefälligst dran!"
Als ich sehe wie er eine Hand zur Faust ballt ziehe ich den Kopf zwischen die Schultern und hebe abwehrend die Hände. „Es tut mir leid. Ich werde nicht noch einmal ohne deine Erlaubnis hier rein gehen. Aber nicht schlagen...bitte..."
Hidan schaut mich kurz verwundert an und geht dann einen Schritt nach links. „Raus", sagt er dann plötzlich wieder ruhig und mit einem müden Unterton in der Stimme.
Ich nehme den Wäschekorb, verlasse schnell das Zimmer und gehe in mein eigenes. Erst als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, erlaube ich mir durchzuatmen. Was hat er damit eigentlich für ein Problem, wenn ich in sein Zimmer gehe? Hat der da irgendwie Leichen versteckt und Angst, dass ich die finden könnte? Oder hat er wirklich einen Roboter, der ihm die Wäsche macht, und es wäre ihm peinlich, wenn ich herausfinde, dass er doch nicht weiß, wie man eine Waschmaschine bedient? Der Gedanke, wie Hidan rot anläuft, lässt mich schmunzeln. Das würde ich gerne mal sehen. Und er hätte eine gerechte Strafe dafür, dass er mich so verarscht hat! Eine Idee habe ich leider immer noch nicht.
-x-
Irgendein nerviges Piken an meinen Rippen weckt mich, woraufhin ich unzufrieden murre und mich auf die andere Seite drehe. Doch jetzt geht es an meinem Rücken weiter. Und eine nervtötende und mir inzwischen ziemlich bekannte Stimme dringt zu mir durch.
„Ey... Ey. Jetzt wach schon auf. Hallo. Marshmallowgesicht! Aufstehen!"
Ein fester Tritt gegen meine Wirbelsäule lässt mich zischen. Ich drehe mich wieder um und öffne die Augen, nur um Hidan böse anzufunkeln. „Was willst du?", frage ich und lege wirklich alle Missgunst und Boshaftigkeit, die ich momentan aufbringen kann, in diesen einen Blick.
„Ich wollte es dir gestern schon sagen, aber da hast du gepennt–"
„Jetzt habe ich auch geschlafen!", gebe ich bissig zurück. „Und seit wann nimmst du denn bitte Rücksicht auf mich?"
„Tu ich nicht, deswegen habe ich dich jetzt ja geweckt. Was ich sagen wollte–"
„Was wenn ich nicht hören will, was du zu sagen hast?", unterbreche ich ihn ein weiteres Mal.
Er knirscht mit den Zähnen. „Du hast es dir anzuhören! Sonst fessle und kneble ich dich, spiele dir tausendmal das Lied von der Sesamstraße vor und mache dich nie mehr los. Danach ist dein Hirn Matsch! Du hast die Wahl", sagt er todernst. Aber ich glaube auch er meint alles ernst, was er sagt.
„Was wolltest du sagen?", gebe ich nun doch schließlich nach. Ich bin kein Fan von Gewalt, das sollte er auch langsam wissen. Vermutlich macht er sich auch genau dieses Wissen zum Vorteil, damit ich mache oder lasse was er will. Kann sein, dass ich mich manchmal nicht meinem Alter entsprechend verhalte, wobei ich ja nicht einmal weiß wie alt ich jetzt bin, aber das ist mir egal. Wenn ich der Gewalt aus dem Weg gehen kann, dann mache ich das auch. Und wenn es heißt, dass ich das Schoßhündchen von diesem Arschloch spielen muss. Wobei, ich würde lieber sterben, als nach seiner Pfeife zu tanzen. Eigentlich würde ich mich gerne einfach nur mit ihm vertragen, aber vermutlich ist in seinem Gehirn eine Sperre, die das nicht zulässt.
„Ich bin übers Wochenende weg", sagt er und ein zufriedenes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, doch dann wird er wieder ernst. „Ich kann, will und werde dich nicht mitnehmen und es gefällt mir gar nicht, dich hier alleine zu lassen. Aber es geht nicht anders." Wieder knirscht er unzufrieden mit den Zähnen.
„Ich will auch gar nicht mit", spreche ich meine Gedanken aus.
„Gut. Wie gesagt, hätte ich dich auch nicht mitgenommen, wenn ich gekonnt hätte. Ich habe nämlich keine Lust Babysitter zu spielen."
„Du kannst auch kein Babysitter sein, sonst würdest du netter zu mir sein. Außerdem würden die Kinder bei jemandem wie dir vermutlich Suizid begehen."
„Halt die Klappe", knurrt er. „Ich lasse dir Geld da, damit du für nächste Woche einkaufen kannst."
„Wann kommst du wieder?"
„Sonntagabend."
„Soll ich dann was kochen?", biete ich an. Man kann ja mal freundlich sein.
„Wenn deine Kochkünste so überragend sind wie dein Orientierungssinn, dann lieber nicht", antwortet er und lehnt sich in den Türrahmen.
Arschloch. „Gut, dann nicht", gebe ich beleidigt zurück. „Und das war nur, weil ich mich beeilt habe und das weißt du auch."
„Also muss ich immer damit rechnen, wenn du sagst ‚Ich beeile mich', dass das dann eine Stunde oder länger dauert?", fragt er, mit leichter Belustigung in der Stimme.
„Nur, wenn es um meine Haare geht."
Hidan schnaubt. „Ja klar, so siehst du auch aus. Die sind sowieso viel zu lang."
„Müssen ja mir und nicht dir gefallen", erwidere ich und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Und bevor du noch mal auf die Idee kommen solltest in meinen Sachen zu schnüffeln: Ich habe das Schlafzimmer abgeschlossen. Also versuch es erst gar nicht!"
„Ich habe nicht geschnüffelt!", verteidige ich mich. „Aber vielleicht sollte ich das wirklich mal machen, um herauszufinden warum du so ein Problem damit hast, wenn jemand anderes als dir in deinem Zimmer ist!"
„Vielleicht habe ich ja nur bei dir so ein Problem damit? Könnte doch sein."
Abfällig schnaube ich. „War's das jetzt? Kann ich weiter schlafen? Und mein Gesicht sieht nicht aus wie ein Marshmallow! Denn ich bin weder fett noch weich!"
„Du kannst es ja mal versuchen, aber ich denke nicht, dass es dir gelingen wird." Er dreht sich um und zieht die Tür fast ganz zu, lässt nur noch einen Spalt offen. „Wenn du willst, kannst du am Sonntag trotzdem kochen. Ich esse eigentlich alles, außer Brokkoli, Rosenkohl und Blumenkohl. Und wenn du morgens in den Spiegel gucken würdest, dann würdest du mir zustimmen. Aber ich kann verstehen, dass du das nichts tust", sagt Hidan, ohne dabei noch einmal zu mir zu schauen.
„Mhm. Ich werde schon was finden", antworte ich, drehe mich auf die andere Seite und schließe wieder die Augen. „Viel Spaß...Wichser."
-x-
Ich sitze an die Wand gelehnt, in meine Wolldecke eingewickelt, mit angezogenen Beinen auf dem Fußboden und lese in einem Buch, das mir eine Frau heute Mittag auf dem Flohmarkt geschenkt hat, als Hidan wieder kommt. Einfach so hat sie es mir in die Hand gedrückt und gesagt ‚Du siehst so aus, als würde es dir gefallen. Nimm mit, ich schenke es dir'. Zuerst war ich noch misstrauisch, da sie behaupten könnte ich hätte es gestohlen, aber ein paar andere Verkäufer haben ebenfalls gesagt, dass ich es nehmen soll. Also habe ich das dann auch getan. Erst als ich wieder zurück war ist mir aufgefallen, dass es ein Liebesroman ist, den die Frau mir da angedreht hat, aber es ist besser als gar nichts. Denn Hidan besitzt kein einziges Buch. Nicht einmal die Bibel. Aber vielleicht hat er ja auch einfach eine andere Religion, wer weiß.
An seinen Schritten höre ich, dass er gerade in die Küche geht und sich vermutlich die Lasagne anguckt, die im Backofen steht. Ein zweites Mal quietscht der Boden unter seinen Füßen etwas, als er die Küche wieder verlässt. „Was machst du da?", fragt er und ist sichtlich verwundert, warum ich auf dem Boden sitze.
Eine wirklich tolle Begrüßung, muss ich schon sagen. Aber so ist er nun mal und immerhin ignoriert er mich nicht. Was will ich also mehr? „Lesen", gebe ich knapp zurück und blättere zur nächsten Seite.
Er bleibt vor mir stehen, nimmt mir das Buch aus der Hand und schaut es sich an. „Ich liebe dich", sagt er dann und ich brauche einen Augenblick bis ich verstehe, dass er diesen Satz gerade vorgelesen hat.
„Ich dich auch", sage ich daraufhin und er schaut mich perplex an, hält mir das Buch vor die Nase.
„Das steht hier!"
„Ich weiß", erwidere ich. „Und das was ich gesagt habe steht direkt dahinter."
Schnell wirft er noch einen Blick in das Buch, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich die Wahrheit sage, und gibt es mir dann zurück. „Dass du so einen Schrott liest. Dass du überhaupt liest", sagt er kopfschüttelnd und dreht sich weg.
„Liebensromane sind eigentlich ganz toll. Kennst du Macbeth? Das ist eine sehr gute Tragödie, auch wenn es keine Liebesgeschichte ist."
Angewidert verzieht er das Gesicht. „Gott, bleib mir bloß damit weg! Diesen Scheiß musste ich irgendwann in der Schule lesen!
„Du hast ja keine Ahnung von guter Literatur", sage ich patzig.
„Hab ich wirklich nicht. Denn ich weiß nicht einmal, was Literatur überhaupt bedeutet. Aber in meinem Beruf brauche ich das sowieso nicht, also kann es mir auch egal sein." Er zeigt auf das Buch. „Hast du das geklaut? Denn ich habe keine."
„Das habe ich auch schon feststellen müssen, dass du so etwas leider nicht besitzt. Und ich habe es auf dem Flohmarkt geschenkt bekommen."
„Aha", sagt er nur und geht dann aus dem Wohnzimmer.
Wütend schaue ich ihm nach. Arschloch! Warum fragt er denn dann überhaupt?! Und irgendwie ist immer einer sauer, wenn wir ein Gespräch beendet haben.
Kurze Zeit später sitze ich Hidan gegenüber am Esstisch und starre förmlich Löcher in seinen Kopf.
„Was?", fragt er und ist sofort wieder gereizt.
„Ich will wissen wie es schmeckt", gebe ich zurück und warte weiterhin auf seine Antwort.
„Ganz gut", sagt er und isst weiter. Doch er lügt. Die Art und Weise wie er isst zeigt, dass es besser als nur ‚ganz gut' schmecken muss.
„Wie war's?", frage ich schließlich noch und esse selbst weiter.
„Geht dich nichts an."
„Ich wollte nur freundlich sein!", gebe ich bissig zurück. Jetzt kann der Kerl mich mal! Ich werde so freundlich oder unfreundlich zu ihm sein wie er zu mir!
„Musst du nicht", sagt er vollkommen ruhig. „Aber du könntest öfter kochen."
„Wenn du netter zu mir bist und mich besser behandelst, dann mache ich das sogar vielleicht." Gott, pisst der mich grade an!
Er verzieht eine Miene und schüttelt dann den Kopf. „Da esse ich ja noch lieber jeder Tag Pizza."
Ungläubig schaue ich ihn an. Ist das jetzt sein scheiß Ernst? Der will so gerne auf mir rumhacken, dass er dafür sogar auf gutes Essen verzichten will?! Was ist das denn bitte für ein Untermensch?! Der Typ macht mich noch wahnsinnig!
Ohne ein weiteres Wort stehe ich auf und stolziere in mein Zimmer.
Nächstes Mal ist da Rattengift dran, das verspreche ich dir!
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Hidan ist bei der Arbeit und ich sitze in meinem Zimmer und plane händereibend meine Rache. Nun, eigentlich reibe ich nur meine Hände, da mir irgendwie keine Ideen kommen. Ich gucke auf die Uhr, die ich in dem Abstellraum gefunden und in mein Zimmer gehangen habe, und kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Noch eine Stunde, bis er wiederkommen müsste. Hat er nicht irgendwie gesagt, dass er später noch an den Laptop will? Dann muss er dafür ja hier rein. Ich stehe auf und gehe zum Schreibtisch, wo das gute Stück liegt. Vielleicht sollte ich den Akku rausnehmen oder das Ladekabel verstecken. Aber es muss dann einem Platz sein, wo er selbst es hat hinlegen können. Das Badezimmer eignet sich dafür nicht so gut. Schnell schnappe ich mir das Kabel und laufe durch die Wohnung, auf der Suche nach einem geeigneten Versteck. Letztendlich entscheide ich mich dazu es einfach unter das Sofa zu schieben. Dann bereite ich noch etwas vor und setze mich mit meinem Buch auf das Sofa und warte darauf, dass Hidan zurück kommt.
Ungeduldig sitze ich weiter auf dem Sofa und lese, während Hidan durch die Wohnung läuft.
„Hol mir mal den Laptop", sagt er und geht dabei in die Küche.
„Mach das selbst", gebe ich zurück und sehe ihn im nächsten Augenblick aus dem Augenwinkel im Türrahmen stehen.
„Er ist aber in deinem Zimmer", erwidert er und knirscht mit den Zähnen.
„Na und? Bisher hat dich das auch nicht davon abgehalten immer reinzukommen, wenn du irgendwas wolltest. Außerdem soll ich deine Sachen nicht anfassen und der Laptop gehört nun mal dazu." Während ich das sage schaue ich keine Sekunde von dem Buch auf, beobachte ihn jedoch weiter aus dem Augenwinkel.
Er wirft mir noch einen bösen Blick zu, geht dann aber wirklich, was mich zufrieden grinsen lässt.
Das kommt davon, wenn er solche Regel aufstellt. Gespannt lausche ich, was als nächstes passiert. Ich höre, wie die Tür zu meinem Zimmer aufgeht und dann für einen Moment gar nichts. Als ich bereits denke, dass mein Plan gescheitert ist, ertönt ein dumpfes Poltern und Hidan flucht. Leise kichere ich gehässig vor mich hin. Das hat er jetzt davon.
Unter den verschiedenen Flüchen höre ich auch ‚Mistkerl' heraus, doch das ist mir grade egal. Das Gefühl es ihm endlich heimgezahlt zu haben, ist einfach unglaublich befriedigend. Und es ist ja noch nicht einmal vorbei.
„Was sollte das?", fragt er und schaut mich mörderisch an, als er mit dem Laptop auf dem Arm zurück ins Wohnzimmer kommt.
Sofort bin ich wieder todernst und schaue von dem Buch auf. „Was soll was?", frage ich unschuldig zurück und lege den Kopf schief.
„Das weißt du ganz genau!", faucht er, woraufhin ich den Kopf schüttle.
„Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest."
„Warum um alles in der Welt, ist da eine befickte Wäscheleine in dem Zimmer als Stolperfalle über den Boden gespannt?!", knurrt er.
Überrascht weite ich die Augen. „Oh, verdammt, das habe ich ja total vergessen!", gebe ich entgeistert zurück. „Ich habe ein bisschen Limbo gemacht und dann vergessen die wieder wegzuräumen. Aber wie konntest du die denn übersehen?"
„Lüg mich nicht an! Auf dieser Höhe schafft das keiner!", knurrt er und tritt etwas näher an mich heran. „Ich gucke nicht auf den Bode, sondern geradeaus, wenn ich gehe!"
„Mache ich nicht", sage ich immer noch ernst. „Ich hatte es ja auch vorher höher, nur um nicht dagegen zu laufen, habe ich es einfach weiter nach unten geschoben. Und vielleicht solltest du dann mal damit anfangen. Denn dann kann sowas nicht noch einmal vorkommen."
Abfällig schnaubt er. „Klar, und dann werde ich irgendwann von einem Auto angefahren und du sagst, dass ich auf beides achten soll! Ich bin aber kein Chamäleon und kann deswegen nicht in zwei Richtungen gleichzeitig gucken!"
Nachdenklich verziehe ich den Mund. „Das ist natürlich schlecht. Kann man das nicht auch irgendwie lernen? Vielleicht wärst du dann ja das erste menschliche Chamäleon."
„Mach dich nicht über mich lustig!", faucht Hidan.
„Tu ich nicht", lüge ich. Innerlich grinse ich vor mich hin und bin wirklich erstaunt, dass ich es äußerlich nicht ebenfalls mache, denn eigentlich fällt es mir ziemlich schwer ruhig zu bleiben, wenn ich etwas lustig finde. Aber vielleicht liegt es auch einfach am ‚Ernst der Lage', dass ich mich kontrollieren kann.
Hidan scheint keine Lust mehr haben zu diskutieren, was mir nur recht ist, setzt sich mir gegenüber auf das Sofa, stellt den Laptop auf seinem Schoß ab, klappt ihn auf und fängt an zu arbeiten. Ich lese derweil weiter und warte darauf, dass der Akku nachgibt.
Nach etwa drei Stunden stellt er den Computer zur Seite und steht auf. Ich folge ihm mit den Augen und höre ihn kurz darauf wieder fluchen.
„Hashirama, was hast du mit dem Ladekabel für den Laptop gemacht?", fragt er genervt und kommt wieder zurück ins Wohnzimmer.
„Warum ist es immer meine Schuld, wenn du deinen Kram nicht findest?", werfe ich ihm an den Kopf.
„Weil du eine Stolperfalle gebastelt hast! Da liegt es nahe, dass du auch das Kabel weggeräumt hast."
„Ich habe dir keine Falle gebaut! Und selbst wenn ich wirklich alles machen würde, was du mir vorwirfst, hättest du es verdient! Karma ist wie neunundsechzig – du bekommst, was du gibst!"
„Sag mir einfach wo das beschissene Kabel ist oder ich werde richtig sauer!"
„Ich habe es nicht!" Und das ist nicht einmal Lüge.
Er verengt die Augen und funkelt mich an, geht dann aber wieder in mein Zimmer und sucht dort erneut.
Zufrieden grinse ich und lese in Ruhe weiter.
Als er das Ladekabel nach einer halben Stunde noch immer nicht gefunden hat, ist meine Schadenfreude fast überdimensional groß. Hidan tigert durch die ganze Wohnung und sucht überall doppelt und dreifach. Nur eben nicht unter dem Sofa. Er flucht lauthals los, als er zum siebten Mal ins Wohnzimmer kommt und feststellen muss, dass die Batterie endgültig leer geworden ist.
„Fuck, man! Was ist das hier für ein Bullshit?! Ich habe nicht mal gespeichert! Scheiße!" Verärgert rauft er sich die Haare.
„Man sollte aus genau solchen Gründen zwischendurch immer speichern."
„Halt die Klappe!", faucht er mich an. „Du bist so ein beschissener Besserwisser! Und ich bin froh, wenn ich dich endlich wieder los bin und du mir nicht ständig auf den Sack gehst!"
„Du musst mir nicht sagen, dass du mich nicht leiden kannst, das weiß ich auch so. Hast du schon mal darüber nachgedacht wegen deiner Aggressionsproblemen eine Therapie zu machen?"
„Ich habe gesagt, dass du die Klappe halten sollst! Und ich habe keine Aggressionsprobleme, du hast nur einfach keine Ahnung!"
„Stimmt, ich habe keine Ahnung, was immer dein Problem ist! Ständig fängst du an Stress zu machen, schreist herum und schlägst mich, nur weil ich dich einen Vollidioten nenne! Ich werde auch nicht so ausfällig, wenn du mich beleidigst und das tust du eigentlich den ganzen Tag über! Ständig ärgerst du mich und hackst auf mir rum, aber ich hole nicht aus und schlage dich einfach, in der Hoffnung, dass du damit dann aufhörst! Du lässt dich einfach viel zu leicht provozieren, das ist dein Problem! Und eben weil du so einen beschissenen Charakter hast, hast du keine Freunde!" Ich kann sehen, wie er bei meinen Worten immer wütender wird.
Er ballt die Hände zu Fäusten, lockert sie wieder und ballt sie dann erneut. Dann knurrt er bedrohlich tief. „Kisame hat keine Ahnung! Ich habe genug Freunde, von denen er nichts weiß! Dir muss mein Charakter ja auch nicht gefallen, denn du bist sowieso nur vorübergehend hier und dann muss ich dich nie wieder sehen!"
„Ich bin um einiges glücklicher als du, wenn ich aus diesem Drecksloch kann! Denn dann muss ich nicht ständig deine schlechte Laune und die ganzen Sticheleien ertragen!"
„Drecksloch?! Dein Arsch ist vielleicht ein Drecksloch aber ganz sicher nicht das hier!"
„Weißt du was? Ich habe genug! Deine Laune fuckt mich richtig ab!" Ich stehe auf und funkle ihn an. „Du kannst das Kabel schön weiter suchen und ich hoffe wirklich, dass das was du da nicht gespeichert hast wichtig ist und du es auch bald abgeben musst, es aber nicht schaffst!" Ich gehe an ihm vorbei, doch er hält mich am Arm fest. Ohne ihn anzuschauen reiße ich mich los, schnappe mir meinen Schlüssel und verlasse die Wohnung.
Dieses Arschloch! Ich hasse ihn!
---Einen Monat später---
„Die Brandwunden sind super verheilt und man sieht nur, wenn man weiß, dass dort überhaupt etwas war", sagt Doktor Uchiha und lächelt mich an. „Sonst hatten Sie keine weiteren Beschwerden?
Ich schüttle den Kopf. „Nein." Den Vorfall, dass Hidan mich geschlagen hat und ich danach noch tagelang Kopfschmerzen hatte, lasse ich einfach mal unausgesprochen.
Hidan...
Sofort schlägt mein Herz etwas schneller und ich seufze leise. Ich habe es tatsächlich geschafft mich im Vergangenen Monat in diesen Arsch zu vergucken. Er ist so scheiße und gemein und fies zu mir und trotzdem finde ich irgendetwas an ihm. Ich weiß nur leider nicht was. Es kommt noch immer nicht oft vor, dass er nett oder gar freundlich zu mir ist, aber manchmal, wenn er gute Laune hat, ist es doch der Fall. Das seltene ein oder andere Mal lächelt er auch, bedankt sich für irgendwas oder sagt bitte. Das sind die einzig schönen Momente mit ihm zusammen und ich habe es mir zum Ziel gemacht ihn so oft wie möglich dazu bekommen nett zu sein. Das hat zur Folge, dass ich ihm fast alles an Arbeit abnehme, die ich übernehmen kann. Und wenn er dann eine Sekunde lang lächelt oder wenige nette Worte sagt, ist alles andere halb so schlimm. Wahrscheinlich sind es diese Kleinigkeiten, die über die letzten Wochen verteilt dafür gesorgt haben, dass sich in mir alles auf den Kopf gestellt hat. Deswegen weiß ich wirklich nicht, was ich an ihm finde, da er die meiste Zeit über immer noch ein Arschloch ist, aber vielleicht ist es der Funken Hoffnung, dass er sich doch noch ändern wird. Und irgendwie macht es das alles ja auch erst so interessant.
„Sind irgendwelche Erinnerungen zurückgekehrt?", fragt mich der Arzt nun und reißt mich somit aus den Gedanken.
Einen Augenblick muss ich darüber nachdenken, worum es gerade ging und schüttle dann erneut den Kopf. „Nein."
„Auch nicht schlimm, denn die Polizei hat sich gestern gemeldet", fügt der Uchiha hinzu und sofort ist alles anderes vergessen.
Erwartungsvoll sehe ich ihn an.
„Haben sie irgendwas rausgefunden?", stellt Kisame, den ich gefragt habe ob er mitkommen könnte, die Frage, die mir ebenfalls durch den Kopf schwirrt.
Der Arzt nickt. „Ja. Aber es sind einige unschöne Dinge dabei. Ich gehe davon aus, dass Sie es trotzdem hören möchten?"
„Natürlich!", gebe ich zurück. Nach einem Monat voller Ungewissheit erfahre ich endlich mehr über mich selbst. Es ist schon komisch, dass andere einem erst erzählen müssen, wer man ist, aber das ist mir egal.
„Ihren Namen kennen sie ja bereits, Hashirama Senju. Sie werden bald einundzwanzig Jahre alt und leben in einer Stadt, die zwanzig Kilometer von hier entfernt liegt, in einem Haus am Waldrand. Die Namen Ihrer Eltern lauten Akemi und Butsuma. Zudem haben sie noch drei jüngere Brüder. Tobirama, Itama und Kawarama, ebenfalls alle Senju. Und Sie studieren an einer Universität Philosophie."
Meine Augen funkeln. Ich habe eine Familie. Endlich kann ich zurück nach Hause. Und ich studiere sogar wirklich, wie ich es bereits vermutet habe.
„Aber hier, beginnt der ungemütliche Teil", fährt er fort und holt tief Luft, während ich sie angespannt anhalte.
Was wird jetzt wohl kommen? Was sollte es noch Schlimmes geben, wenn ich bald zurück nach Hause zu meinen Eltern und meinen Brüdern kann? Das kann ich doch, oder?
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