Epilog.

5 Jahre später - Erzähler Sicht

...

„Ahhhhhhhhh!", rief Jungkook mit verzogenem Gesicht und lachte laut, während er seine Hand zur Faust ballte.

Er rieb sie an den Kopf des kleinen Jungen, dem das gar nicht gefiel. Dieser versuchte sich mit allen Mitteln aus Jungkooks Griff zu befreien, was ihm ziemlich schwer fiel. Daher wurde er unfair und umschlang den Oberschenkel des muskulösen Mannes, um ihm ins Bein zu beißen. Jungkook wich damit zurück, wodurch er vom Jungen abließ.

Hobi! Wir sagten; kein beißen!", zog er scharf die Luft ein, als er nach seinem Oberschenkel griff.

Hyunjin, der vor den beiden saß und dabei zusah, wie sich die zwei regelmäßig prügelten, wenn er mal selber nicht derjenige war, lachte sich schlapp. Er hätte nicht stolzer auf den kleinen Knirps sein können, weshalb er eine Hand hochhielt, damit dieser einschlagen konnte. Anschließend zog er den fast sechsjährigen Jungen in die Arme und drückte ihn fest an sich.

„Sehr gut gemacht! Onkel Jungkook muss man genau so platt machen - mit Tricks! Ansonsten wird der noch hochmütig!"

„Genau!", rief Eliza schmunzelnd, die auf der selben Decke saß, wie Jungkook und Hyunjin. „Und was bedeutet das, wenn man hochmütig ist, Hoseok?"

In Hyunjins Armen aufgesetzt, hob er aufmerksam den Zeigefinger.

„Hochmütig sind diejenigen, die sich viel besser einschätzen als ihre Mitmenschen, obwohl das unrealistisch ist! Niemand sollte denken, er sei besser, nur weil er zum Beispiel stärker ist!", erklärte der kleine Junge, was Eliza stolz belächelte.

Sie nickte.

„Von mir lernt der Junge wenigstens, was es heißt, den Kopf zu benutzen."

„Ja, klar. Wohl eher bringst du ihm bei, dass ich kein guter Mensch bin!", meckerte Jungkook.

Hoseok -der Name des kleinen Jungen- erhob sich, um auf Eliza zuzugehen. Er setzte sich zwischen ihre Beine, sodass sie ihre Arme um ihn legen konnte.

Denn... Wenn der kleine Junge ehrlich zu sich selber war, musste er zugeben, dass er Tante Eliza neben seinen Eltern am liebsten hatte. Das bedeutete nicht, die anderen würden ihm weniger bedeuten! Aber Tante Eliza bewegte etwas in ihm, was die anderen nicht konnten. Somit liebte er sie am meisten, was, so vermutete er, die anderen vielleicht auch bemerkten.

Der Blick des Jungen ging in den Armen seiner liebsten Tante umher. Sie trafen auf Tante Jihyo und Onkel Namjoon, die auf der Decke nebenan saßen. Während Onkel Namjoon ein Baby im Arm hielt, drückte Tante Jihyo Sana ein Sandwich in die Hand. Sana war seine beste Freundin! Sie waren beide ungefähr gleich alt und machten alles gemeinsam. Sie besuchten zusammen den Kindergarten, wobei sie bereits besprachen, auf dieselbe Grundschule zu gehen. Hoseok mochte Sana sehr und hoffte, sie würden ewig befreundet sein. Er freute sich schon darauf, sollte Sanas Schwester Chaeyoung älter werden. Er nahm sich bereits vor, dass sie dann zu Dritt spielen würden. Das konnte er kaum abwarten.

Weiter umher geschaut, sah der kleine Junge zu Onkel Jin. Dieser war dabei zu telefonieren, wie er es leider ständig tun musste. Er hatte viel zutun, erklärte er immer, aber dennoch nahm sich Onkel Jin stets die Zeit, um mit dem Jungen zu spielen oder sich mit der ganzen Familie zu treffen. Das fand Hoseok super, da er Onkel Jin regelmässig vermisste. Dieser wusste das, weshalb er auch mal alleine mit Hoseok rausging. Er besorgte ihm dann alles, was er wollte! Das hieß seine Mutter zwar nicht gut, nur winkte das Jin jedes Mal ab.

Schlussendlich besaß Jin das größte Herz für den kleinen Hoseok, welches er nicht zurückhalten konnte.

Die Tatsache belächelte der Junge und ließ seine Augen weiter wandern. Er schaute zu seinen Eltern rüber, die dicht neben Onkel Jin saßen, doch wirkten, als wären sie in ihrer eigenen Welt. Er liebte es seine Mutter lachen zu sehen, die das regelmäßig tat, sobald sein Vater zu Hause war und sich mit der Familie beschäftigte.

Bedauerlicherweise konnte Suga nicht immer bei seiner Familie sein, da ihm Aufgaben aufgebürdet wurden, denen er nachgehen musste. Als der vertretende Tear-Anführer besaß er Pflichten. Eigentlich wurde V zum Führer ernannt, bloß musste dieser fort, weshalb Suga übernahm. Über die Jahre ließ der enorme Druck um die Führung des Clans nach, nachdem er Jungkook offiziell zu seiner rechten Hand erklärte und Jin ihm als sein heimlicher Vermittler beiseite stand. Das bedeutete, dass Suga seit dem letzten Jahr mehr Zeit für seine Familie hatte, was alle zufriedener stellte.

Der kleine Hoseok verstand die Welt seines Vaters nicht ganz. Doch er wusste, dass jeder Verständnis dafür hatte, wodurch niemand wirklich wütend auf ihn war. Das erleichterte den Jungen. Schlussendlich liebte er seinen Vater und wollte daher, dass sie alle miteinander befreundet waren.

Noch immer in den Armen von Eliza gelegen, sah der kleine Knirps sich weiter um. Auf der Decke nebenan saßen Onkel V und Onkel Jimin, die immer mal wieder regelmäßig zu Besuch kamen. Sie lebten zwar in New York City, aber während sie alle in Brooklyn lebten, zogen die Cousins nach Bronx.

Jimin war der Erste, der vor Jahren fortging. Die Umgebung in Brooklyn schien ihm nicht mehr gut getan zu haben, wodurch er beschloss, zu gehen. Die Tragik um die Tode und die Vielfalt der Gewalt konnte er nicht mehr ertragen.

Sein Cousin, V; derjenige, der Jimin niemals aufgeben würde, folgte ihm nach einigen Monaten. Er pausierte offiziell seine Position bei den Tears, vernachlässigte die Schule und ließ sogar seine geliebte Schwester zurück, um Jimin zu folgen. V hatte nämlich im Gefühl, dass sein Cousin ihn gebrauchen könnte. Somit wollte er ihn nicht im Stich lassen.

Gemeinsam gingen sie fort. Sie waren für ein Jahr verschwunden gewesen, worauf sie nach Bronx zogen und seither regelmäßig zu Besuch nach Brooklyn kamen. V tauschte sich zeitweise mit Suga und Penelope aus, genauso wie mit Jungkook, Jin und Hyunjin. Seine Schwester besuchte er sogar noch viel öfter, wobei dasselbe für seine Familie galt.

Anders als Jimin, der sich noch immer gerne zurückhielt. Über die Jahre hatte sich nicht wirklich viel bei ihm verändert. Er blieb der Mann, der sich gerne ruhig verhielt und seine Umgebung beobachtete, als sich aktiv zu beteiligen.

Aber die TherapeutInnen sagten, er sei auf dem Wege der Besserung gewesen und das war alles, an dem V festhielt. Er gab seinen Cousin nicht auf. Die Aufgabe seines Lebens war es nämlich, ihn von seinem Leid zu befreien. Diese Aufgabe würde er noch vollenden, koste es, was es wolle.

Der kleine Hoseok kannte die Vergangenheit der Cousins nicht, noch viel weniger kannte er das komplizierte Verhältnis der Freunde. Was er wusste, war, dass sie alle erleichtert waren, wenn die Cousins zu Besuch waren. Er wusste auch, dass seine Mutter ein Leuchten in den Augen trug, sobald sie Onkel V sah. Sie trug ein Leuchten in den Augen, welches sein Vater nicht einmal in ihr entfachen konnte und weshalb dieser an den ein oder anderen Tagen eifersüchtig war... Aber er verstand ihre Freundschaft, wodurch die Harmonie zwischen den Beteiligten nie in die Brüche ging.

Hoseok liebte die kleine Familie, die am See ihre Zeit verbrachte. Sie war sein Safe Place und er glaubte fest daran, dass die anderen fühlten, wie er es tat...

„Jin, sag mal!", rief Eliza, sobald der Geschäftsmann seine Telefonate beendete. „Wo bleibt eigentlich deine mysteriöse Freundin, hm?"

„Echt mal! Wann dürfen wir sie endlich kennenlernen!", rief Jungkook frustriert.

Penelope hatte sich aufgesetzt, als sie zu ihren Freunden rübersah. Sie erkannte, wie Jin sich räusperte und schlicht abwinkte.

„Ich besitze keine Freundin.", stellte er das Wort in Anführungszeichen dar.

An der Stelle rollte Penelope die Augen, wie so viele andere auch. Sie wussten nicht, weshalb Jin um seine Freundin ein Geheimnis machte. Sie konnten nicht verstehen, warum er sie verborgen hielt, aber akzeptierten, dass das wohl noch eine Weile dauern würde, bis sie sie kennenlernen durften.

„Wo bleibt eigentlich Yuna?", fragte Namjoon an Jungkook gerichtet, der aber vielmehr damit beschäftigt war Jin stinkig anzusehen, wodurch Hyunjin antwortete.

„Sie kommt gleich nach."

Richtig, denn... Jungkook hatte sich endlich das Mädchen gekrallt. Er und Yuna waren nun einige Jahre zusammen gewesen, wobei er überlegte, ihr einen Antrag zu machen. Doch dafür war der charmante Jungkook noch viel zu schüchtern.

Penelope seufzte, während sie das Wetter genoss. In den letzten Jahren war einiges passiert, dachte sie sich, doch die Freunde hatten sich nie verloren. Sie blieben gemeinsam, da es das einzige war, woran sie nach den letzten Todesfällen festhalten konnten. Sie teilten allesamt ein Leid, woran sie sich zwar nicht gerne zurückerinnerten, aber sie teilten ein Leid, was sie gemeinsam stärkte. Sie versuchten das beste daraus zu machen, was sich an ihrem Sohn bewies; ihr wertvollster Lebensinhalt...

Penelope vermisste ihren Bruder jeden Tag, ohne Ausnahme. Doch ihr Sohn erinnerte sie täglich daran, dass es in Ordnung war... Er erinnerte sie daran, wie zufrieden Hoseok sein würde, wenn er hier wäre... Ihr Sohn erfüllte ihre Trauer mit Liebe.

So erging es Suga auch. Nachdem er einige Jahre mit Schuldgefühlen kämpfte, weil er glaubte, dass der Tod seines ehemaligen Feindes ihm zu verdanken war, trat die Besserung ein. Auch er fand in seinem Sohn ein Licht, welches die Dunkelheit dämmte...

Kinder waren ein Geschenk. Ein Geschenk, das zu schlechtes Zeiten für Erleichterung sorgen konnte. Sie war froh darüber, schwanger gewesen zu sein. Noch viel froher war sie, dass sie ihr Kind nach dem besten Menschen dieser Welt benannte; Hoseok.

Erneut geseufzt, schaute Penelope zu den Cousins rüber, die seelenfriedlich nebeneinander saßen. Sie hatte den ruhigen, in sich gekehrten Jungen vermisst, doch noch viel mehr vermisste sie den verspielten, offenherzigen Schwachkopf, der nach ihrer Ansicht viel zu selten bei ihr war. Da sie ihn also vermisste, erhob sie sich, um auf ihren besten Freund zuzugehen. Dieser hatte sie bereits kommen sehen, weshalb er sich schmunzelnd ebenfalls von der Decke rollte. Sie mussten beide nicht sehr viel sagen, sondern spazierten näher auf den See zu, an dem sie inne hielten. Wie zu alten Zeiten betrachteten sie die Aussicht und ließen die Gesellschaft des anderen auf sich eingehen.

V verschränkte die Arme vor der Brust, als er ausatmete. Er drehte sich zu einer der wichtigsten Personen in seinem Leben und schnalzte mit der Zunge.

„Möchtest du mich fragen, ob es in Ordnung ist, mit Jimin zu reden?", fragte er interessiert.

Die Frage hätte man missverstehen können, dachte sich Penelope. Aber eigentlich war sie gar nicht mal so verkehrt.

Sie hatte über Jahre nicht mehr mit Jimin geredet. So schmerzhaft das auch klang- das war die Wahrheit. Sie mied den Mann, der ihr früher immer nur weh tat, sobald sie sich unterhielten. Penelope wusste zwar, dass es heute anders wäre, da Jimin sie nicht mehr verletzen konnte, wie er es einst tat. Dafür hatte sie jeden Schmerz mit ihm überwunden.

Dennoch stand ein wichtiges Gespräch mit ihm offen, das sie heute führen wollte. V schien das wohl gespürt zu haben.

Nur ging es ihr gerade nicht darum. Wenn sie neben ihrem besten Freund stand, dann ging es auch bloß um ihn. Auf ihrer Seele lastete nämlich vielmehr, seit ihr Sohn etwas bestimmtes zu ihr gesagt hatte. Er flüsterte er ihr einmal zu, dass er beobachtet hatte, wie Onkel V sie anders behandelte. Dadurch erinnerte sich Penelope an drei kleine Worte zurück, die sie in einem sehr unpassenden Moment von V zu hören bekam. Drei kleine Worte, die sie über die Jahre vergessen hatte. Doch es waren drei kleine Worte, die sie nicht einfach ignorieren konnte...

„Erstmal will ich mit dir reden.", drehte sie sich lächelnd zu ihm.

„Oh?", hob er die Augenbrauen. „Ein ernstes Gespräch, also? Das hatten wir ja lange nicht mehr, Davis."

Penelope musste über den Kommentar lachen, denn so war das tatsächlich. V und sie hielten seltener ernstere Unterhaltungen, da sie eine Freundschaft führten, die auf eine gewisse Lockerheit beruhte. Sie witzelten gerne viel, lachten und ließen sich einfach fallen. Zwischen ihnen war es gelassen, wobei keine Spannung das je hätte zerstören können. Darüber waren sie beide froh. Froh, dass ihre vergangenen Verhalten nichts zwischen ihnen veränderte...

Bevor Penelope also mit dem Thema anfing, das sie beschäftigte, fuhr sie sich über das Gesicht. Tief eingeatmet, zuckte sie die Achseln, dabei lachte sie verlegen.

„Du wirst jetzt sicherlich denken; wie bist du denn darauf gekommen?! Aber... Da gibt es eine Sache, die mich schon seit einer Weile nicht in Ruhe lässt, Tae", nannte sie ihn beim Spitznamen, den ihr Sohn ihm gab. „Erinnerst du dich daran, als... Wir uns damals gestritten haben?"

„Wie könnte ich das je vergessen.", antwortete V ehrlich, wie er das gerne tat.

Das stimmte. Der Streit war ihr einziger; ein abscheulicher, dummer Streit, den sie beide eigentlich zu vergessen versuchten. Ein Streit, der sie nie mehr negativ beeinflusste. Er war Vergangenheit...

„Und... Erinnerst du dich auch an unsere Konversationen zu dem Thema?", fragte Penelope, an die sie nicht gerne zurück dachte.

„Aber sicher. So viele gab es zu dem Thema ja nicht."

V schaute zu Penelope, die noch immer beiseite sah.

„Richtig..."

Penelope überlegte, wie sie sich am besten hätte ausrücken sollen. Auf einmal überkam sie die Unsicherheit, ob sie das alte Geschehen doch wieder aufbringen sollte. Bloß hatte sie sich nicht mehr ausreden können. Nun leitete sie das Thema bereits ein.

Mit einem schlechten Gefühl ausgeatmet, blickte sie in die Augen von V, der bereits wusste, worauf Penelope hinaus wollte. Somit nahm er ihr die Last ab, indem er den Mund öffnete.

„Du sprichst von meinem ich liebe dich. Oder irre ich mich?", fragte er geradewegs heraus.

Beschämt senkte Penelope den Kopf, dabei wusste V nicht genau, weshalb ihr die Situation unangenehm sein sollte. Sie hatten beide jegliches Stadium einer Freundschaft überbrückt. Sie musste sich vor ihm nicht schämen, genauso wie er wusste, dass er das vor ihr nicht brauchte.

„Ja... Ich... Kann das irgendwie nicht vergessen."

V hatte das geahnt. Er vermutete, dass das Thema früher oder später aufkommen würde. Schließlich hatte er die drei kleinen Worte damals in einem Moment gesagt, bei dem er wünschte, er hätte es nicht getan. Auch wünschte er sich, dass sie das vergessen würde oder nie gehört hätte.

Manche Wünsche waren jedoch unrealistisch, dachte er sich.

Zumal er nie wirklich ein Geheimnis um seine Gefühle machte. Über die Jahre nahmen sie zwar ab, aber er würde lügen, wenn er sich nicht ehrlich eingestand, dass er nie aufhörte, sie zu lieben. Dabei war es egal, ob das eine freundschaftliche oder romantische Liebe war - V würde nie damit aufhören, sie zu lieben.

„Penelope", fing er an zu lächeln. „Das ist doch unwichtig."

Es war unwichtig. Seine Gefühle waren total egal, wenn er sich dachte, wer an ihrer Seite stand. Suga trug ihr Herz auf den Händen; der beste Mann, den er kannte. Wieso sollte er also versuchen dazwischen zu funken, wenn er wusste, dass Penelope mit niemandem glücklicher sein könnte als mit Suga? Für V war Penelope keine Option mehr, nein. Sie gehörte einem anderen, viel besseren Mann und das war gut so, dachte er sich. Das hatte sich seit der Sekunde gedacht, seit er beobachtete, wie Suga sich in Penelopes Gegenwart veränderte.

V stand keiner echten Liebe im Weg, nein.

Ganz im Gegenteil.

Er würde für die Liebenden sterben.

„Nein. Ist es nicht.", zog Penelope die Augenbrauen zusammen, doch V war sturer als sie es war.

„Doch, denn, wenn du mal um dich schaust, siehst du, dass das nie unsere Geschichte war", zeigte er um sich und deutete vor allem auf den kleinen Hoseok. „Es war die von Suga und dir. Das ist perfekt so, Penelope. Perfekter geht's gar nicht und glücklicher hätte ich dabei nicht sein können."

„Aber...", blinzelte Penelope, weil sie noch nicht ganz verstand.

Sie begriff noch nicht, in welche Richtung ihr Gespräch gehen würde und ob ihr das gefiel...

„Was würde das denn noch ändern? Sag's mir, bitte", hob er die Augenbrauen, wobei seine Stimme sanft war. „Genau. Nichts. Du liebst Suga und er liebt dich. Eure Herzen gehören zueinander. Wen interessiert das also, was ich dazu zu sagen habe?"

„Mich. Mich interessiert, was dein Herz zu sagen hat, V.", sah sie ungläubig zu ihm auf.

Penelope mochte es nicht mit ansehen, wenn sie das Gefühl hatte, ihre Freunde litten. Das war die einzige Sache, die sie nicht ertrug. Erst recht nicht, wenn das auf lebensfrohe Menschen zutraf, wie auf Jungkook oder V. Sie würde am liebsten alles opfern, um diese Menschen wieder glücklich zu sehen.

Sie glaubte zwar nicht, dass V nicht glücklich war... Doch er veränderte sich über die Jahre. Seit er mit Jimin unterwegs war, schien V nicht mehr der sorglose Nachbar zu sein, den sie einst kennenlernte. Er wurde viel vorsichtiger, achtsamer und beschützerischer. Das waren keine schlechten Eigenschaften, dachte sich Penelope. Aber vielleicht sollte sich V nicht nur auf Jimin konzentrieren... Er dürfte sich selber nicht vergessen, dachte sie sich.

Die Sorge trug sie nun einige Jahre mit sich.

Mit dem Gespräch hatten sie aber nichts zutun...

„Möchtest du wissen, was mein Herz fühlt?", fragte V.

Penelope nickte, was ihn dazu brachte fortzufahren. Dabei entwickelte sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.

„Du bist meine beste Freundin, Penelope Davis und ich werde niemals aufhören dich zu lieben. Dich nicht, Suga nicht und erst recht nicht Hobi - ihr gehört zur Familie. Ich werde mit Ehre euer bester Freund sein und dem Titel als Patenonkel gerecht werden", sein Lächeln vergrößerte sich, als er die Arme lockerte und sie demonstrativ breitete. „Ich bin glücklich, P. Eure Liebe macht mich glücklich."

Das hatte V ernst gemeint. Sein Inneres freute sich über die Liebe der beiden Seelen, die ihm so wichtig waren. Selbstverständlich war ein Teil von ihm eifersüchtig, fast schon neidisch, aber dieser toxische Part wurde von seiner Hingabe für seine besten Freunde getötet.

Schließlich würde sich V in einem Charakterzug niemals ändern; er bevorzugte es der zu sein, der nichts hatte, wenn seine Freunde und Familie dafür im Gegenzug vom Glück genießen durften. Nur deshalb ging er den schwierigen Weg mit Jimin überhaupt...

Die Tränen sammelten sich in Penelopes Augen. Ihr bedeuteten die Worte ihres besten Freundes viel. Sie berührten sie... Noch nie hatte sie einen wundervolleren Menschen getroffen, der purer war, als V. Sie schätzte ihn in all seiner Ehrlichkeit, in seiner aufrichtigen Liebe und seiner Ehrenhaftigkeit, die er niemals aufgeben würde. Sie schätzte aber auch seine Sturheit, seine Gereiztheit und seine strenge Art. Sie achtete ihn mit all seinen Fehlern und seinen tollen Eigenschaften.

Bloß würde sie jetzt nicht weinen. Obwohl V ahnte, dass sie es wollte.

Augenrollend, stupste er sie an der Schulter. Anschließend verschränkte er wieder die Arme vor der Brust und deutete auf die Menge, die es sich auf den Decken gemütlich machte.

„Jetzt geh schon. Jimin erwartet bereits ein Gespräch.", hatte er sanft gesprochen.

Penelope richtete sich auf, als sie nach Luft schnappte, um sich wieder zu beruhigen. Daraufhin nickte sie, worauf sie erneut in Vs Augen sah.

„Danke, Tae.", zog sie die Lippen zu einer Gerade.

Ihr Gegenüber schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, Penelope. Ich danke dir."

Nach diesem wunderbaren Gespräch mit V, auf das sich Penelope eine ganze Zeit eingestellt hatte, versuchte sie sich ein erneutes Mal zu sammeln, um sich mit einem weiteren zusammensetzen zu können. Sie wusste nicht, woher das Verlangen in ihr herkam mit den Dingen ihrer Vergangenheit abzuschließen, aber... Der Zeitpunkt war gekommen und darüber war sie ziemlich froh.

Es hieß nämlich... Besser jetzt als nie!

Somit entfernte sie sich beruhigt von ihrem besten Freund, um sich den Weg zu ihrem ehemaligen besten Freund zu machen. Sie ging auf denjenigen zu, der sie einst viel zu viel fühlen ließ...

Er saß alleine auf der Decke. Im Schneidersitz hatte er auf seine Hände runtergeschaut. Penelope nahm sich bereits vor, ihren Sohn zu ihm rüber zu schicken. Denn, obwohl Jimin nicht mehr allzu viel lächelte, funkelten seine Augen, sobald er Kinder sah.

Ein letztes Mal durchgeatmet, setzte sich Penelope tonlos zu Jimin. Sie streckte die Beine aus, während sie sich mit den Händen abstützte. Ihr Blick ging geradeaus; sie schaute zu, wie ihr Sohn mit der Tochter von Namjoon und Jihyo spielte. Dabei erkannte sie, wie Jimin ihr einen Seitenblick zuwarf, doch nicht sprach.

Die Lage zwischen ihnen beiden war kompliziert und in einem gewissen Grade auch traurig, dachte sich Penelope. Es war schade, was sie einst mal waren, doch wie dramatisch sie sich entwickelten. Penelope war nur leider nicht mehr so traurig über die Tatsache, wie sie es einst mal war. Dafür war zu viel Zeit vergangen, zumal sie gelernt hatte damit umzugehen.

In einem Gespräch mit Suga fand sie heraus, dass es eigentlich total überflüssig war mit Wut auf Jimin zu reagieren. Er brachte ihr bei, dass es klüger wäre, wenn sich Penelope selber beibrachte, dass es in Ordnung war, was aus Jimin und ihr wurde. Suga riet ihr, sie sollte lernen damit umzugehen...

Penelope dachte eine ganze Weile über das Gespräch mit Suga nach. Dabei fand sie heraus, dass sie nicht endgültig mit Jimin abschließen könnte, wenn eine Sache nicht aus der Welt geschafft wurde. Sie würde niemals vernünftig mit Jimin kommunizieren können, wenn sie nicht bereit war, ihm zu vergeben...

Sie hatte lange darüber nachgedacht und hielt das für die beste Entscheidung. Sie glaubte, dass das viel zwischen ihnen heilen könnte, auch wenn die beiden sich das gar nicht so bewusst waren...

„Ich vergebe dir.", sprach Penelope daher nach einer langen Stille, die für keinen unangenehm war.

Jimins Kopf war hinauf geschossen. Die Augen leicht geweitet, schaute er Penelope von der Seite an. Er konnte kaum glauben, was er zu hören bekam, weshalb er vorsichtig nochmal nachfragte.

Das waren seine ersten Worte seit ihrem Abschied...

„Was sagst du da?"

Penelope dachte ein weiteres Mal über ihre Worte nach, als sie überzeugt nickte. Sie glaubte fest daran, dass das die richtige Entscheidung war.

„Ich sagte, ich vergebe dir.", wiederholte sie sich daher.

Aufmerksam den Kopf zu Jimin gedreht, beobachtete sie, wie sehr ihn das erschrak. Jimin hatte schlussendlich nicht erwartet, dass Penelope je wieder dazu bereit wäre, ihm zu vergeben. Seine Gedanken führten nicht bloß auf die Wette zurück oder die Tatsache, dass er sich nie die Mühe um sie gab. Es ging ihm um alle die Dinge, die er ihr an den Kopf warf. Es ging ihm um jedes Wort, das er zu ihr sprach und die Art, wie er sie damit bewusst verletzte.

Jimin war der Ansicht, dass er es nicht verdiente. Er war der festen Überzeugung, er war es nicht wert, dass ihm vergeben wurde. Jungkook sowie Hyunjin sollten ihm nicht vergeben und erst recht nicht Penelope.

Aber sein Umfeld wollte ihm stets eine neue Chance geben. Für Jimin war das unverständlich. Er hatte fest daran geglaubt, dass ihn seine Freunde nach seinem Verschwinden vergessen würden. Er glaubte, sie wären alle viel zu wütend auf ihn gewesen.

Nur war das nicht so.

Obwohl er sich das innerlich erhoffte... Ein Teil von ihm hoffte, dass jeder seine verkorkste Art endlich abschrieb, wobei der andere Teil in ihm sehnsüchtig darauf wartete, dass er endlich wieder ein Part von ihnen sein konnte. Ein kleiner Funken in ihm wünschte sich, dass einiges so sein konnte, wie es einst, vor einer langen Zeit der Fall war...

Penelope waren diese Dinge bewusst. Nach langen Gesprächen mit V, der ausgiebig über Jimins langjährige und erzwungene Therapie erzählte, fing sie an ihn zu verstehen.

Daher versuchte sie über die Scherben, die Jimin hinterlassen hatte, hinweg zu sehen. Sie räumte jede einzige weg und versprach sich selber, dass sie mit ihm neu anfangen würde, wenn sie dazu bereit war.

Heute schien für sie der perfekte Tag gewesen zu sein.

Sie war nämlich bereit gewesen, ihm zu vergeben...

Eine Eigenschaft, die sie nie verlieren wollte. Die Tatsache anderen vergeben zu können, wollte sie nicht aufgeben.

Penelope wollte zwar, dass Jimin sich seinen Fehlern bewusst war, zugleich wünschte sie sich aber, dass er ihre Vergebung ernst nahm. Sie wollte, dass er wusste, dass er es wert war.

Und wer wusste das schon?

Vielleicht würde ihr großes Herz in Jimin eine Tür öffnen, die ihm ein wenig mehr Hoffnung schenkte. Wer wusste schon, ob ihre Vergebung nicht einen Teil in ihm wieder beleben konnte und er dadurch irgendwann dazu bereit war, zu lieben...

Niemand konnte erahnen, ob die kleinen Worte von Penelope Jimin ein kleines Stück heilen konnten...

Die Wahrheit war, dass sich in seinem Kopf die Denkansätze zu verändern schienen.

Vielleicht war Jimin bereit es einzusehen. Vermutlich war er endlich bereit einzusehen, dass sich das Leben, welches er aufgeben wollte, zu leben lohnte...





The End!

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