64. Liebe.
(Bild von Penelope Davis)
...
Es waren mehrere Stunden vergangen. In meiner Brust fühlte ich noch immer ein beklemmendes Gefühl. Die letzten Wochen passierten regelmäßig Revue vor meinen Augen, dabei wusste ich nicht genau, ob das so gesund war. Ich spürte, wie träge ich war und welch einen Einfluss die Wochen auf mich nahmen. All die Brutalität, die Gewalt und die Skrupellosigkeit musste ich erst verarbeiten, wobei ich nicht glaubte, dass das so schnell gehen würde.
Ich versuchte durchzuatmen, als ich mit gesenktem Kopf den Friedhof verließ. V stand eng an meiner Seite.
Wir waren auf der Beerdigung vom Tear Anführer gewesen; von Chan, der nach dem großen Brand aus dem Gebäude gezerrt wurde. Seinen Körper hatte ich zwar nicht mehr gesehen, doch nach den Gerüchten musste er übel ausgesehen haben.
Mir wurde jedes Mal übel, sobald jemand das sagte.
Chan hatte sein Leben für uns gelassen. Er hatte eine Bombe abgeworfen, um uns zu retten. Er starb von der Hand seiner Feindin, die er an diesem Tage fallen sehen wollte. Er starb mit dem Gewissen, seinen Bruder alleine zurückgelassen zu haben.
Mich machte sowas traurig, obwohl ich keinen besonderen Bezug zu ihm hatte. Daher wollte ich gar nicht wissen, wie sich seine AnhängerInnen fühlten...
Aus ihren Gesichtern war abzulesen, wie niedergeschlagen sie doch waren. Doch keines kam an das von Minho ran, der seit der Nacht keinen Mucks mehr von sich gab. Ich konnte mitbekommen, wie viele der Tears auf ihn zugingen, um ihm ihre Hilfe anzubieten. Minho benickte ihre herzlichen Einladungen, die sie bloß aussprachen, weil er der Bruder von Chan war. Doch sie taten es aus ehrenhaften Gründen trotzdem, was ich ihnen hoch anrechnete.
Unterbewusst hoffte ich sehr, dass Minho das nicht ausnutzen würde... Ein anderes Gefühl von mir sagte, dass er das nicht würde, da er unter dem Tod seines Bruders zu leiden schien.
Mit Sicherheit wusste ich das aber nicht.
„Ich bringe dich nach Hause.", sagte V, während ich in Gedanken noch bei Chan war.
Das, obwohl ich an tausend andere Sachen hätte auch denken müssen.
„Zu Jin; ja.", erwiderte ich.
Schließlich lebte ich nicht mehr zu Hause. Meine Eltern hatten mich noch immer nicht Heim geholt und je länger ich darüber nachdachte, desto eher freundete ich mich mit dem Gedanken an. Vielleicht war es besser so.
„Okay", fuhr sich V müde übers Haar. „Ich bin am Abend im Krankenhaus. Möchtest du mit?"
Beiseite gesehen, um ihn anzugucken, nickte ich.
Natürlich wollte ich in das Krankenhaus. Nicht nur, um Eliza zu besuchen... Mein Bruder lag einige Zimmer weiter, weil er in der Nacht angeschossen wurde. Hätten mir die Ärzte nicht gesagt, dass er Ruhe benötigte, wäre ich längst bei ihm und hätte am Bett übernachtet. Aber ich wollte ihm den Freiraum geben, der ihm nach der langen Operation zustand.
„Dann hole ich dich ab.", schmunzelte er knapp.
Somit verließen wir beide den Friedhof und ließen uns fahren. Doch ich dachte daran noch kurz bei mir vorbei zu schauen, um einige meiner Klamotten mitzunehmen. Während V also kurz bei sich zu Hause wartete, packte ich einiges von meinem Kram zusammen. Meine Eltern waren ein Glück nicht zu Hause.
Geseufzt, schulterte ich meine Tasche und stand bereit im Flur. Durch den Gang gesehen, nickte ich mir selbst zu.
Das war vermutlich die weiseste Entscheidung meines Lebens... Einfach zu gehen... Mein Heim und meine Eltern zurückzulassen...
Unsere Familie war sowieso nicht die, die sie sein sollte. Auch, wenn das viele anders glaubten. Wir lebten in toxischen Verhältnissen, die ich mir einfach nicht mehr geben musste. Nicht, nachdem sie mich derartig erniedrigten, wie sie es an dem Tag taten, an dem sie erfuhren, dass ich schwanger war. Nicht zu vergessen war die Kindheit, die Hoseok und ich hatten. Alles im allen war ich nie glücklich zu Hause. Ich war es immer nur dann, wenn ich meine vier Wände verließ. Ich war es, wenn ich mit meinen Freunden unterwegs war...
Denn sie waren meine Familie. Über die Jahre wurden sie die Familie, die ich mir schon immer wünschte.
Mit einem kleinen Lächeln aus dem Fenster gesehen, war ich bereit.
Ich war endlich bereit den nächsten Schritt zu wagen und loszulassen. So, wie ich einiges bereits losließ.
Unkontrolliert spürte ich eine kleine Erleichterung, die sich weiter ausbreiten würde, je weiter ich mich für mich entschied. Und verdammt. Das fühlte sich gut an.
Am Fenster gestanden, schob ich die Gardine beiseite. Ich atmete einmal tief durch, um das letzte mal die Aussicht von der Perspektive zu genießen. Meine Augen schauten automatisch auf die Straße, auf der ein Auto stand. Ein Auto, das sich gerade mit Taschen füllte.
Die Augenbrauen zusammengezogen, versuchte ich herauszufinden, was da vor sich ging und wer da zugange war. Dafür vergaß ich all meine Gedanken um das „wegziehen" im Sekundentakt. Nur noch der Junge mit blondem Haar war zu sehen, der die letzte Tasche abwarf.
Park Jimin...
Ohne vorher überlegt zu haben, öffnete ich die Tür zu meinem einst zuhause, um hinaus zu treten. Intuitiv ging ich auf ihn zu, ließ die Tür zum Haus offen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Er bemerkte mich nicht, doch ich sah alles, was ich sehen musste.
Das waren gepackte Taschen. Taschen, wie ich sie füllte, damit ich gehen konnte.
Ja... Jimin wirkte, als wolle er gehen...
Ich wusste nicht, warum... Doch die Tatsache, dass ich gerade sah, wie er seine Sachen packte und offensichtlich gehen wollte, ohne sich von mir zu verabschieden, löste nichts in mir aus.
Das klang erschreckend, ja... Aber es war die Wahrheit. Seine Intention... Bewegte in mir nichts. Ich versuchte zu erfahren, woran das lag... War ich etwa noch zu mitgenommen von der Nacht? Lag es an meinem plötzlichen Beschluss zu gehen?
Verstand ich ihn vielleicht auch einfach nur, nachdem ich all das Grausame mit eigenen Augen sehen durfte...?
Ich wusste es nicht.
Was ich jedoch wusste war, dass es sich nicht falsch anfühlte.
Vielleicht sollte er gehen... Vielleicht war das der bessere Weg für ihn...
„Lebewohl", kam es leise aus mir, was meinen ehemaligen besten Freund erstarren ließ, bevor er in der nächsten Sekunde auftaute und vorsichtig über seine Schulter sah.
Anschließend drehte er sich endgültig zu mir.
Ich versuchte zu lächeln. Tatsächlich gelang mir das besser als ich dachte. Ein warmes Schmunzeln legte sich über meine Lippen, worauf ich nickte.
„Hoffentlich kehrst du eines Tages munter wieder.", fuhr ich ruhig fort.
Jimin biss seine Zähne leicht aufeinander, nur konnte ich das klar erkennen. Ohne den Blick von mir abgewendet zu haben, warf er die Autotür zu. In dem Auto saß eine junge Frau, die seine Chauffeurin darstellte.
Ja, dachte ich. Es war ihm deutlich anzusehen. Er wollte gehen...
„Ich kehre aber nicht wieder.", sagte er nur.
Knapp, wie sonst auch immer. Eine Sache, die nun mal zu ihm gehörte. Er war kein Mann der großen Worte, nein. Jimin antwortete direkt, knapp und ehrlich...
Daran hatte ich mich gewöhnt. Mich störte nicht mehr, dass er das tat. Noch viel weniger berührten mich seine Worte.
„Das werden wir dann sehen...", atmete ich aus.
Mit einem halbherzigen Nicken nahm er zögerlich den Blick ab. Ohne weiteres ging er um das Auto, weil er einsteigen wollte.
Es fühlte sich an, als wollte er so schnell wie möglich gehen. Fast so... Als wollte er nicht, dass ihn jemand sah.
Schließlich realisierte ich, dass Jimin das machen wollte, was für ihn in den letzten Jahren am typischsten war. Er traf im Schweigen Entscheidungen, ohne sein soziales Leben dran teilhaben lassen zu dürfen.
Damit wusste ich... Jimin wollte nicht nur gehen, ohne sich von mir zu verabschieden. Er wollte gehen, ohne dass das überhaupt jemand wusste.
Jimin wollte die Einsamkeit... Mal wieder entschied er sich gegen jeden Menschen, um alleine zu sein...
„Kannst du den anderen nicht noch Tschüss sagen?", platzte es schneller aus mir, als ich beabsichtigte.
Nicht unbedingt, weil ich mir Sorgen um Jimin machte. Ehrlich gesagt war mir das gleichgültig geworden.
Ich dachte eher an all die anderen Menschen um mich herum, die ihn noch nicht aus ihre Herzen bannten. Ich dachte an V, Eliza, Jungkook und Hyunjin. Ich dachte aber auch an Namjoon, Suga, Jin und Hoseok. Ich dachte an alle, die je Kontakt zu ihm hatten. Ich dachte an diejenigen, denen er fehlen würde, obwohl er immer glaubte, er würde keinem fehlen. Dabei verstand Jimin nicht, welche Präsenz er hatte, auch wenn er sie nicht beabsichtigte. Er war nicht zu übersehen...
„Ich glaube nicht, dass sich irgendwer verabschieden möchte.", öffnete er die Hintertür des Autos und sagte mal wieder etwas, was nur von ihm kommen konnte.
Nur machte es mich nicht mehr sauer. Ganz im Gegenteil... Ich versuchte ihn eher zu verstehen.
„Hör auf immer für andere zu bestimmen, Jimin", versuchte ich es ruhig. „Sie werden es sich gewünscht haben. Vertrau mir."
Ihn nicht aus den Augen gelassen, sah ich, wie er den Kopf hob und sich unsere Blicke erneut trafen.
Aus irgendeinem Grunde schien das, was ich sagte, etwas in ihm ausgelöst zu haben. Er wirkte nämlich nachdenklich. Ich hatte es ein erneutes Mal geschafft, in Jimin etwas zu bewegen.
Manchmal fragte ich mich, was es dafür brauchte. Denn total oft brachte es nichts, wenn ich zu ihm sprach.
Aber manchmal... In den seltensten Fällen... Brachte es dann doch was.
Ich würde lügen, wenn ich nicht behaupten würde, dass mich das froh machte und zugleich erleichterte...
„Na gut.", gab er von sich, woraufhin er hart schluckte und die Autotür erstmals zuwarf.
Seinen Blick gehoben, schaute er auf das Haus der Taehyungs.
Mich berührte es dann doch, dass er als allererstes an seinen Cousin dachte. An denjenigen, der wohl als Einziger für immer an Jimins Seite kämpfen würde. Und das? Das wusste Jimin...
Somit ging er die Schritte voraus, die er gehen musste, um sich von dem Menschen zu verabschieden, der ihn von uns allen am meisten liebte; von V...
„Ach und Jimin?", wurde ich mein kleines Schmunzeln nicht los, was nun entstand, weil ich froh um die weise Entscheidung meines ehemaligen besten Freundes war.
„Ja?", kam es von ihm.
Über meine Schulter gesehen, erkannte ich, wie er geduldig auf eine Reaktion von mir wartete.
Ich nickte sanft.
„Kümmere dich bitte um dein Alkoholproblem..."
An der Stelle zog er seine Augenbrauen leicht zusammen, sodass eine Falte zwischen ihnen entstand.
Ich vermutete, dass er nicht kommen sehen hatte, dass es mir auffallen würde, dass er ein Problem mit seinem Alkoholkonsum hatte. Doch die Wahrheit war, dass Jimin es nicht sehen wollte. Denn jeder wusste, welche Probleme er besaß...
Im nächsten Moment trug er wieder das Gesicht, mit dem ich ihn das erste mal sah, als er vom Internat kam. Er trug wieder das unnahbare Gesicht, welches eigentlich nur versuchte Trauer und Schmerzen zu verarbeiten.
Und ich wünschte mir so sehr... Dass er das eines Tages schaffen würde.
Jimin ließ die Schultern sacken, als er nickte.
Daraufhin machte er Kehrt, ohne nochmal etwas zu sagen oder zu tun. Er ging zielsicher auf das Haus der Teahyungs zu, als er klingelte. Es dauerte nicht mehr lange, bis V die Haustür öffnete und seinen liebsten Cousin erblickte.
Von der Entfernung konnte ich nicht hören, was sie beide besprachen. Da ich Jimin aber ziemlich gut kannte, wusste ich, dass er nicht lange zögerte, um mit der Ehrlichkeit rauszurücken.
Außerdem war es kaum zu übersehen, wie alles in Vs Gesicht fiel und er ihn in eine Umarmung zog, von der ich spürte, dass er Jimin eigentlich nicht gehen lassen wollte.
Aber er musste...
Wir mussten alle, wenn wir wollten, dass es Park Jimin gut ging. Denn das war sein Weg. Der Weg raus aus dieser Stadt; direkt in seine innere Freiheit...
...
„Ich werde wieder gesund.", lächelte Eliza.
Nach ihrer Hand gefasst, bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen.
Eliza war erwacht. Als wäre es ein Wunder, welches nach all der Tragödie folgte, erwachte sie aus ihrem Koma. Das Krankenhaus hatte direkt bei V angerufen, der all die anderen in Kenntnis setzte. Natürlich brauchten wir nun einige Zeit, um sie endlich zu besuchen - nur waren wir am Abend auch schon da. Gemeinsam, da wir im Allgemeinen unterwegs waren, fuhren wir zu ihr. V hatte geweint, als er seine Schwester gesund erblickte. Ihre Eltern ebenfalls, was mir nur wieder zeigte, wie schön die Familie sein konnte, wenn sie einen mit Liebe und Respekt behandelte.
„Du hast uns so sehr gefehlt.", sagte ich ehrlich.
Wer hätte das gedacht? Wer hätte gedacht, dass Eliza und ich eines Tages solch gute Freundinnen werden würden. Mit Jihyo bildeten wir eine Dreier-Kombination, die ich niemals erwartete.
Aber wir wurden es. Wir wurden echte Freunde..
„Ach, ja? Jungkook hat davon geredet, dass ihr actionreiche Tage hattet!"
„Du hast wirklich nichts verpasst!", musste ich darüber lachen.
„Warte mal", mischte sich V ein. „Wann hast du denn Jungkook getroffen?!"
Eliza hob ungläubig eine Augenbraue, als sie das Gesicht selbstverständlich verzog.
„Ich habe mit ihm und Hyunjin ein Gruppentelefonat geführt?!"
V zog schlagartig die Stirn kraus.
„Oh Gott.", sagte er nur und schaute kopfschüttelnd beiseite, weil er das kaum glauben konnte.
Dabei war das so normal. Eliza verstand sich gut mit den beiden, wobei es Teil ihrer Natur war, anzurufen, bevor sie persönlich kamen.
Darüber gelächelt, sah ich, wie Eliza den Kopf wieder zu mir drehte. Die Hand, die ich um ihre legte, umfasste sie mit ihrer anderen. Sie fing an sie zu drücken, bevor sie es wagte zu fragen.
„Wie geht's Hobi?"
In ihren Augen erkannte ich ein Funkeln, was sie nur hatte, wenn sie von meinem Bruder sprach. Ich erwischte mich dabei, wie ich absichtlich danach Ausschau hielt, wenn sie von ihm sprach, weil ich es genoss. Ich genoss ihre Liebe zueinander... Sie hatten einander verdient.
„Wir durften ihn noch nicht besuchen, weil er im OP war, aber...", atmete ich aus. „Die Ärzte sagen, dass er auf dem Wege der Besserung ist."
„Das hoff' ich doch sehr.", seufzte sie erleichtert über die Nachricht.
Ich nickte.
Die letzten Stunden waren so voll bepackt, dass ich an sich nicht unbedingt zu Hoseok musste. Doch je mehr Zeit ich in Ruhe verbrachte oder im Krankenhaus, desto eher wollte mein Herz zu ihm.
Ich wollte doch einfach nur sehen, dass es ihm gut ging...
Erschrocken zusammengezuckt, drehte ich mich zurück, als auf einmal die Krankentür aufgerissen wurde. Eliza erschrak sich ebenfalls, weshalb wir die Hände voneinander nahmen. Sie fasste sich an ihrer Brust, als sie aus großen Augen aufsah.
Eine ganze Bande an Leuten betrat den Raum. Hyunjin stand mit gebreiteten Armen an vorderster Front, wobei Jungkook jubelnd hinter ihm herlief. Hinter den beiden folgte das junge Ehepaar, das extra aus ihrem Urlaub kam, Jin und Suga. Jin machte die Trottel darauf aufmerksam, dass sie nicht so laut sein sollten, während V sie radelte.
„Könnt ihr mal nicht in Räume stürmen, wenn wir bis vor Stunden noch gegen Gangs feuerten?!"
Doch sie ignorierten V herzlich, weil die Sonne heute hell schien. Diese Sonne war keine andere als Eliza, die in alle Gesichter ein Lächeln zauberte.
„Unsere Queen ist wach!!!", rief Jungkook laut, der auf die Worte von Jin und V keine Rücksicht nahm.
Mit Tüten, die er in der Hand hielt, worin sich vermutlich Geschenke befanden, warf sich Jungkook aufs Bett, weshalb ich mich erhob. Die anderen umkreisten sie, was mich grinsend zusehen ließ.
Den Moment genießend, freute ich mich, wenn sie Hoseok derartig belagerten. Sein Gesicht wie unbezahlbar!
V stellte sich zu mir, wodurch ich zu ihm sehen musste. Unbemerkt nickte dieser hinter mich, was ich direkt verstand.
Vor dem Begräbnis von Chan machte mich V darauf aufmerksam, dass ich Suga erzählen musste, was zwischen uns lief. Er habe sich nämlich mit Suga beinahe gekloppt, weil dieser nicht verstehen wollte, warum ich bei der Mission dabei gewesen war. V konnte ihm schlecht sagen, dass ich schwanger war und deshalb dabei war. Doch im Gespräch erzählte Suga, dass er bereits von Thea wusste, dass ich schwanger war. Er würde es jedoch noch immer nicht verstehen, weshalb ich mitging, was V dumm darein sehen ließ. Also beließ er das Gespräch mit Suga und fragte mich. Er hatte mich gefragt, weshalb ich darauf bestand, mitzugehen.
Die Wahrheit war... Zu dem Zeitpunkt wusste ich das selber nicht so genau. Ich hatte keinen blassen Schimmer, weshalb ich mitgehen wollte. Ich konnte mir nicht ausmalen, was mir wichtiger hätte sein können, als das Kind, das in meinem Bauch wuchs und was ich mit meinem Leben hätte beschützen müssen. Wie konnte ich das junge Leben riskieren, indem ich auf ein Selbstmordkommando mitging? Hinzukommend wusste ich, Saga hätte das nicht gewollt...
Also... Warum?
Ich hatte lange überlegt, wollte die Wahrheit aber nicht einsehen. Ich wollte nicht wahrhaben, weshalb ich wirklich mitging...
Bis V nach meinen Oberarmen fasste, mir tief in die Augen schaute und mir die nackte Wahrheit ins Gesicht klatschte.
„Du liebst ihn, Penelope."
Perplex hatte ich zu ihm aufgesehen.
Liebe...?
Das musste es sein... Auch, wenn seine Worte in meinen Ohren zu Beginn abstrus klangen, wusste ich, dass es das war. Es war die Liebe... Sie war der Grund für mein Kommen.
Mein Herz war nämlich noch nie so unruhig gewesen, wie zu dem Zeitpunkt, als Suga entführt wurde. Noch nie hatte ich das Bedürfnis bei einem gefährlichen Erlebnis dabei zu sein, bis vor paar Tagen. Ich hatte noch nie soviel Angst um eine Person, wie um Suga.
Ich musste mich nicht mehr selber belügen.
Weshalb verlor ich wohl nicht den Verstand, als ich hörte, dass ich schwanger war?
Das Gegenteil traf ein. Ich war beinahe erleichtert gewesen... All das, weil ich mir niemand anderen gewünscht hätte... Suga war der perfekte Mann für ein Kind. Für mein Kind... Ich konnte mir keinen anderen an meiner Seite vorstellen.
So, wie ich mir kein Leben ohne ihn vorstellen konnte...
Jeder Moment, an dem Suga nicht bei mir war, vermisste ich ihn. Das fiel mir zu Beginn gar nicht auf... Sobald er jedoch wieder in New York war, freute ich mich. Ich war glücklich darüber, dass wir wieder Freunde sein konnten. Ich freute mich, dass wir unsere toxische Vergangenheit begraben und eine neue Basis des Vertrauens aufbauen konnten.
Das Vertrauen hatte ich Angst zu verlieren, als ich dachte, Suga hätte die Fotos von mir veröffentlicht. Ich erinnerte mich an meine bestürzte Reaktion, weil ich von niemandem hätte enttäuschter sein können... Suga bedeutete mir soviel - zu ihm hatte ich solch ein großes Vertrauen und ein gutes Verhältnis, dass ich nicht wollte, dass er mir sowas antat.
Im Anschluss war ich erleichtert, dass er es nicht war. Er hatte mich nie verraten oder fiel mir in den Rücken, denn Suga und ich waren etwas, das andere sich wünschten.
Wir waren Seelenverwandte.
Ich konnte ihn verstehen, wenn es kein anderer tat. Er spürte, was ich fühlte, bevor es andere sahen. Wir kommunizierten miteinander, wie wir das mit keinem anderen tun konnten. Unser Vertrauen zueinander nahm eine Tiefe an, die wir beide nicht kommen sahen, doch uns die Welt bedeutete. Wir kannten die Schwächen und Stärken des anderen und das war in Ordnung. Wir schämten uns nicht voreinander.
Wir waren ehrlich...
Nach all den Jahren unserer komplizierten Beziehung schafften wir es mit der neueren, gesünderen Version von uns wieder zueinander zu finden - mit unserer Ehrlichkeit.
Wir hatten einen Schritt geschafft, von dem andere nur träumten.
Suga und ich fanden wieder zueinander. Unsere Herzen hatten sich nämlich nie voneinander verabschiedet.
Das hatte ich endlich eingesehen...
Ich liebte Suga... Während er sich seinen Gefühlen bereits die ganze bewusst war, brauchte ich eine Weile, doch nun wusste ich es mit Sicherheit.
Ich liebte ihn und ich hatte nie aufgehört ihn zu lieben.
Das wusste ich, weil ich Suga um nichts auf der Welt hergeben wollte. Außer von meinem Bruder konnte ich das von niemand anderem behaupten... Jeden anderen konnte ich nämlich aufgeben.
Suga wollte und konnte ich nicht aufgeben.
Denn, wie gesagt.
Ich liebte ihn...
„Wollen wir?", fragte V leise.
Ich atmete aus. Nickend, drehte ich mich zu ihm. Er musste schmunzeln, als er sich zu Suga drehte. Suga verstand natürlich sofort, worüber wir beide kommunizierten, weshalb wir zu dritt schnell aus dem Krankenzimmer kamen.
V, der aus irgendeinem Grunde unser größter Supporter war, führte uns auf den Hinterhof des Krankenhauses. Neben dem Raucherbereich waren Bänke um eine kleine Grünfläche zu sehen, worauf er als erster Platz nahm. Suga war nicht nach sitzen und mir genauso wenig.
Nun stellte man sich die Frage, warum V nicht ging.
Wenn ich ehrlich war, bat ich ihn darum dabei zu sein. Irgendwie fürchtete ich mich nämlich vor dem kommenden Gespräch...
„Bitte sehr.", gestikulierte V, um es so richtig unangenehm zu machen.
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu.
Suga jedoch atmete nur aus, als er die Arme ineinander verschränkte. Von V zu ihm gesehen, senkten sich meine Schultern.
Wollte er das Kind etwa nicht, sprachen meine Gedanken zu mir, die mich verunsichern wollten.
Bevor ich mich mit ihnen verrückt machen konnte, schluckte ich und wartete auf das, was er sagen wollte. Ihm lag offensichtlich etwas auf der Zunge.
„Ich kann nicht glauben, dass du Idiotin mitgekommen bist!", schoss es dann direkt aus ihm, was mich dazu brachte die Augenbrauen zusammenzuziehen.
Ich hätte es besser wissen müssen... Natürlich sprachen wir zuerst darüber, warum ich mich in Gefahr begeben musste!
Männer! Ugh! Vor allem die, die sich in meinem Umfeld aufhielten! Es war mit ihnen kaum zu glauben!
„Echt jetzt...?", rollte ich die Augen, konnte mir ein Lächeln aber trotzdem nicht verkneifen.
Insgeheim liebte ich es doch. Ich liebte es, dass Suga sich Sorgen um mich machte. Obwohl er derjenige war, der entführt wurde, kreisten seine Gedanken um mich.
Ich wollte nicht egoistisch klingen... Nur erfüllte es mein Herz, dass er das tat. Das zeigte mir nur wieder, wieviel ich ihm bedeutete oder dass er sich nicht zu schade wäre, wenn es um mich ging. Ich war Suga alles wert.
„Das fragst du?", hob er die Augenbrauen. „Klar meine ich das ernst. Weißt du, was dir hätte passieren können?", lockerte er seine Arme. „Du hättest neben deinem Bruder oder Chan liegen können."
„Tue ich aber nicht.", erinnerte ich ihn an das Jetzt.
Suga schüttelte den Kopf.
„Ich meine das ernst, Lope...", blieb er ernst. „Als Thea mir gesagt hat, dass du...", versuchte er die richtigen Worte zu finden.
„Dass du schwanger bist.", half ihm sein bester Freund auf die Sprünge.
Genickt, fuhr mein Gegenüber gestikulierend fort. Das Thema machte ihn offensichtlich ruhiger, weshalb seine Strenge für einen Moment nachließ.
„Ich dachte, ich hätte mich verhört! Fragte mich aber dann, weshalb sie lügen sollte...", er zuckte die Achseln. „Ich habe gebetet, dass du nicht kommst. Nicht nur für dich... Es ging auch um das Kind..."
Mir war bewusst, dass es ihm nicht nur um mich ging, sondern auch um das Kind. Ich kannte ihn doch. Ich wusste, wie er dachte.
Aber Suga wusste auch, wie ich fühlte oder dachte. Er wusste ganz genau, weshalb ich mitgehen musste. Zumindest sollte er das wissen, war aber geblendet von seiner Sturheit.
„Ich kam mit dem Gedanken nicht zurecht, dass ich dich eventuell nie wieder sehen würde, Suga...", sagte ich ehrlich.
Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden und der Vater meines Kindes die Augen leicht weiten musste.
„Soviel zwischen uns war unausgesprochen... Außerdem wusste ich nicht, ob du die Wahrheit über das Kind schon kanntest... Ich... Wollte dich einfach sehen. Sicherstellen, dass du wiederkommst... Ich hätte mich nämlich nie mit dem Gedanken abfinden können, dass du gestorben wärst, ohne die Wahrheit zu kennen", atmete ich aus. „Was hätte ich dem Kind sagen sollen? Dein Vater wusste nichts von dir?", ich schüttelte den Kopf. „Verdammt, nein. Ich wollte dich lebend sehen! Wissen, dass du atmest. Ich wollte einfach bei dir sein..."
Das war die verdammte Wahrheit... Am Ende des Tages wollte ich einfach nur bei Suga sein, auch wenn er das nicht glauben konnte. In seinem Gesicht war genau abzusehen, dass er meine Worte nicht erwartete.
Aber was glaubte er denn? Jetzt mal wirklich. Musste ich es geradewegs heraus sagen, damit er mich verstand?
Die Schultern angespannt, nickte ich.
Er hatte es mir auch gesagt...
„Ich liebe dich, Suga...", sagte ich, wobei ich mich beinahe an meiner eigenen Spucke verschluckte.
Mein Gegenüber fing an zu blinzeln. Seine Augen weiteten sich sachte, da er erschrak.
Im nächsten Moment räusperte er sich aber und versuchte seine Reaktion zu überspielen. Das fiel mir direkt auf. Er kratzte sich am Hinterkopf, als er dann zögerlich mit den Achseln zuckte.
„Okay... Naja... V liebst du auch..."
„Das ist gerade nicht dein Ernst, oder?", erhob sich V schlagartig, der ungläubig zu seinem Freund sehen musste.
Ich atmete aus, musste aber kichern.
Sugas Verhalten war beinahe niedlich, wenn ich daran dachte, wie er sich sonst immer verhielt. War ich etwa genauso drauf, als er mir die drei Worte zusprach?
„Okay, dann lass es mich so formulieren", räusperte ich mich, noch immer schmunzelnd. „Ich liebe dich auch, Suga.", versuchte ich ihn an den einen Tag zu erinnern, an dem er mir seine Liebe beichtete.
Sobald ich diese Worte aussprach, schien sich etwas in Sugas Augen zu verändern. Ich könnte es mir auch einbilden, aber... Ich glaubte, dass ich das selbe Funkeln sah, wie das in Elizas Augen. Das, welches sie hatte, wenn sie über Hoseok sprach, weil sie ihn liebte...
Als es aber von Sugas Augen glitt, zog sich mein Herz zusammen.
„Das sagst du aber nicht, weil du schwanger bist...?", schluckte er plötzlich.
„Oh, Suga.", seufzte V ungläubig, der die Dummheit seines besten Freundes kaum mehr aushielt.
An einem anderen Tag hätte ich mich V angeschlossen. Aber die Wahrheit war, dass ich Suga absolut verstehen konnte.
Unser Weg war kein Leichter gewesen. Eine plötzliche Liebe vom Gegenüber war nicht unbedingt vorherzusehen. Daher kratzte ich meine Mut zusammen, um ihm eine ausführliche Begründung zu geben.
„Ich liebe dich, seit du zurück bist. Ich habe es nur nicht einsehen wollen", atmete ich ehrlich aus. „Deshalb war ich damals wegen den Fotos so verletzt, Suga. Deshalb wollte ich immer die Kette deiner Mutter... Ich wollte die sein, die du am meisten liebst", sagte ich. „Ja, das Kind spielt eine Rolle bei meinen Gefühlen...", fing ich an, als ich fortfuhr. „Sie haben sie mir nämlich endgültig bestätigt. Als ich realisiert habe, dass das Kind von dir kommt, war ich erleichtert. Ich wollte dich als Vater, Suga und das? Das hat mir die Augen geöffnet...", presste ich die Lippen für einen Moment aufeinander. „Ich liebe dich wirklich und ich habe nie damit aufgehört."
Endlich war es ausgesprochen... Sich die Gefühle von der Seele zu reden, fühlte sich entlastend an. Ich spürte, wie mein Inneres rein wurde, da ich endlich ehrlich sein konnte; ehrlich zu mir selber...
Ich hatte eingesehen, wen mein Herz gehörte und demjenigen sagte ich das.
Verdammt... Sich für sich zu entscheiden fühlte sich mehr als einfach nur gut an. Es war befreiend.
Den Kopf gehoben, um zu Suga zu sehen, der mich nie aus den Augen gelassen hatte, wusste ich nicht recht, was ich jetzt noch sagen sollte. Suga hatte sich nicht mehr gerührt. Er schien vielmehr von meinen Worten überrascht zu sein.
Aber das Funkeln in seinen Augen war wieder da...
„Könnt ihr euch jetzt endlich küssen?", fragte V genervt, der den Moment mehr als nur zerstörte. „Oder muss ich echt nach euren Köpfen fassen?"
Suga ließ sich das nicht zweimal sagen. Er schritt auf mich zu, was mich dazu brachte aufmerksam die Augenbrauen zu heben. In seine Augen gesehen, die in meine schauten, stand er nun vor mir. Seine Hände fassten nach meiner Wange, was mein Herz einen Hüpfer machen ließ.
Als wäre ich in einem Traum schaute ich erwartungsvoll zwischen seinen Augen her. Sugas linker Mundwinkel zog sich auf, als er sich langsam zu mir beugte. Er schloss die Augenlider, was ich ihm intuitiv gleich tat.
Im nächsten Moment trafen seine weichen Lippen auf meine. Ein altbekanntes Gefühl machte sich bemerkbar, das ich beinahe vermisste. Nicht nur in meinem Bauch, in dem all die Schmetterlinge zu flattern begangen, sondern in meinem Herzen.
Es war endlich nach Hause gekommen...
Meine Hände fanden Sugas Handgelenke, die ich hinauffuhr, um seine Oberarme zu halten.
Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Dieses hatte mich direkt mitgezogen, weshalb ich es erwiderte.
Daraufhin entzogen wir uns beide voneinander.
„Du hast mir gefehlt...", sprach Suga flüsternd.
Ich musste tief einatmen.
Wenn er nur wüsste, wie sehr er mir eigentlich gefehlt hatte... Ich war froh mich in seinen starken Armen wieder zu finden, die immer auf mich warten würden.
Denn so waren wir.
Suga und ich würden immer aufeinander warten und zueinander zurückkehren...
...
„Ich hätte es mir nicht vergeben, wärst du wegen mir gestorben.", kam es leise von Suga, der auf dem Stuhl saß, den er vor dem Krankenbett aufstellte.
Zu zweit hatten wir beschlossen Hoseok zu besuchen, nachdem wir V wieder in das Zimmer seiner Schwester schickten. Ich hatte meinen Bruder lange genug nicht gesehen, weshalb sich das einfach nur gut anfühlte. Nach all der nervenraubenden Zeit war das heute nach langem ein erfolgreicher Tag. Einer, den ich in vollen Zügen genoss.
Nicht nur, weil die Ruhe einkehrte...
Eliza erwachte aus dem Koma.
Die anderen waren glücklich.
Suga und ich durften ehrlich zueinander sein.
Meinem Bruder ging es gut... All die Angst um ihn war unberechtigt gewesen, denn er überlebte den Krieg. Er war nämlich ein Kämpfer.
„Schon okay...", leckte sich Hoseok über die Lippen. „Das war das Mindeste."
„Sag das nicht. Ich bin dir viel mehr schuldig.", zog Suga die Augenbrauen zusammen.
Er hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil mein Bruder ihn beschützte und für ihn die Kugel abfing, wegen der er im Krankenhaus lag. Doch ihm war deutlich anzusehen, dass er sich nichts daraus machte. Hoseok würde es wieder tun. Das wusste ich. Er bereute keine einzige Sekunde.
„Sobald du bei Penelope bleibst, bist du mir gar nichts schuldig.", nickte er zuversichtlich.
„Ich würde nie von ihrer Seite weichen."
Ich musste lächeln.
Mein Bruder und die Liebe meines Lebens konnten endlich in einem Zimmer sitzen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen.
Das fühlte sich beinahe irreal an.
„Das weiß ich. Und deshalb ist zwischen uns beiden alles gut.", sagte Hoseok ehrlich.
Sein Ausdruck wirkte müde, doch er gab sich Mühe aufrichtig zu klingen. Das entging Suga natürlich nicht, der das schätzte.
„Du bist ein guter Freund, Hoseok. Ein guter Freund und Bruder."
„Und du bist ein guter Mensch. Vergiss das nicht.", sprach mein Bruder.
Ein guter Mensch...
Das stimmte. Auch, wenn Suga das nicht gerne glaubte... Er sollte aufhören an seiner Vergangenheit festzuhalten, denn er war ein wundervoller Mensch, der alles für die Leute tun würde, die ihm etwas bedeuteten. Vielleicht wirkte er auf dem ersten Blick kaltherzig, nur war die Wahrheit, dass er einer der Wärmsten besaß, auf die geachtet werden sollte.
Suga musste lächeln, als er sich erhob. Langsam nach Hoseoks Schulter gegriffen, knetete er diese.
„Werd wieder gesund."
Mein Bruder nickte leicht, als Suga losließ. Er schaute zu mir und deutete auf die Tür. Er würde uns Eigenzeit schenken, doch wartete auf mich.
Mit meinem Blick dankte ich ihm, worauf er friedlich das Zimmer verließ. Hoseok und ich blieben zu zweit alleine zurück.
Ich erhob mich von Stuhl, um mich auf das Krankenbett zu setzen. Ich schaute direkt in das Gesicht meines Bruders, der langsam den Kopf zu mir drehte. Er zog die Lippen zu einer Gerade und am liebsten hätte ich ihm diesen einen bestimmten Ausdruck aus dem Gesicht radiert. Der Ausdruck, der sich mir gegenüber schuldig fühlte.
Obwohl er das nicht brauchte...
„Es tut mir so leid.", sprach er mit leiser Stimme.
Nun war ich diejenige, die die Lippen zu einer Gerade zog.
Hoseok entschuldige sich gerade für den Tag, an dem er erfuhr, dass ich schwanger war. Er bereute sein Verhalten, was er nicht brauchte. Mir war bewusst, dass er überreagiert hatte, aus den unterschiedlichsten Gründen.
Natürlich war seine Reaktion nicht richtig gewesen... Aber es war nun mal geschehen und das war okay für mich. Er brauchte sich nicht zu entschuldigen.
„Ist schon in Ordnung, Hobi..."
„Nein", schloss er sanft die Augen, weil er derartig müde war. „Ich war von meiner Wut auf den Suga von vor drei Jahren so geblendet gewesen, dass ich total falsch reagiert habe."
Das war mir bewusst gewesen. Nachdem ich etwas Zeit zum reflektieren hatte, war mir klar, dass der Teil in Hoseok sprach, der damals etwas gegen Suga hatte.
Heute war es anders.
„Wie bereits erwähnt. Ist in Ordnung.", gab ich ehrlich von mir.
Nur wollte mein Bruder nicht locker lassen.
„Ich fühl mich mies deshalb..."
„Hoseok", griff ich nach seiner Hand. „Das brauchst du nicht... Ich war in dem Moment wütend auf dich, ja. Aber ich habe es verstanden. Außerdem hast du mich nie fallen lassen; du hast mich verteidigt... Mit dir ist alles soviel einfacher gewesen..."
Denn es war so, wie ich es sagte.
Hoseok könnte wütend auf mich sein und er würde mir dennoch immer beistehen. Nicht einmal ein Mord hätte ihn von mir getrennt. Er würde stets auf meiner Seite bleiben. Für immer...
Denn das waren wir anders nicht gewohnt.
„Ich würde dich immer verteidigen.", schmunzelte er schwach.
Das wusste ich. Deshalb wurde er auch ein Tear... Er wurde Teil einer Gang, um mich zu beschützen. Soweit ging Hoseok für mich und ich wusste, er würde noch viel weiter gehen.
„Ich weiß...", nickte ich bewusst.
„Ich werde das Kind über alles lieben. Das ist dir klar, oder?", drehte er sich langsam zu mir.
Seine Augen etwas geöffnet, um mich anzusehen, erwärmte mein Herz. Seine Worte berührten mich.
Nachdem ich in der Nacht unseres Streites beinahe dachte, Hoseok würde das Kind verachten, fühlte sich das Gespräch so wundervoll an. Es entlastete mich nicht nur, sondern machte mich zur glücklichsten Schwester dieser Welt.
Ich lächelte.
„Wehe, wenn es dich nicht als Lieblingsonkel hat!", witzelte ich.
„Oh, je", lachte er schwach auf. „Neben V, Hyunjin und Jungkook wird das aber schwer sein hinterher zu kommen."
Verspielt auf seinen Handrücken gehauen, hob ich einen Finger.
„Du bist witziger, als du manchmal glaubst."
Er lachte rau, was ich erwiderte, als er seufzte. Zwischen meinen Augen hergesehen, nickte er.
„Ich liebe dich, Penelope."
Ich spürte, wie mich das Gespräch derartig emotional machte, dass sich die Tränen anbahnten.
Nein, Hoseok. Ich liebe dich. Und du wirst niemals verstehen, wie tief diese Liebe für dich eigentlich ist...
„Ich liebe dich auch, Hoseok.", drückte ich seine Hand.
So, wie er niemals von meiner Seite wich, so versprach ich mir selber, werde ich mich ebenfalls niemals gegen ihn stellen.
Hoseok war nicht nur mein Adoptivbruder, den ich als richtigen Bruder beschrieb. Er war mein Beschützer, mein Schutzengel und mein bester Freund. Wir gingen durch dick und dünn zusammen.
Niemals würde jemand unser Band nachvollziehen können. Wir verstanden es selber kaum.
Das brauchten wir aber auch nicht. Die Hauptsache war; unsere Herzen fühlten sich beieinander wohl und schenkten sich Trost...
„Ich habe so Angst...", flüsterte er plötzlich, was mich aufmerksam wieder zu ihm sehen ließ.
Das änderte die Stimmung zwischen uns beiden. Auf einmal wurde sie etwas düsterer.
Leicht vorgebeugt, legte ich den Kopf fragend schräg.
„Angst wovor...?"
„Dass du eines Tages alleine bist...", beantwortete er mir.
Er flüsterte noch immer.
In mir zog sich alles schlagartig zusammen.
Ich dachte an eine Zeit, in der wir beide etwas jünger waren. Hoseok und ich dachten damals, dass wir irgendwann alleine sein würden. Ich hatte die Angst verstärkter als er, doch je älter wir wurden, desto tiefer ging sie - für uns beide. Das lag natürlich an der Familie, aus der wir kamen. Wir hatten es nicht immer einfach. Außer uns beiden war kaum auf jemanden Verlass.
Heute sah das jedoch anders aus... Wir beide hatten Freunde. Nach vielen Jahren im Alleinsein hatten wir beide richtige Freunde...
Wir würden nicht mehr alleine sein... Darüber brauchte er sich keinen Kopf mehr zu machen.
„Oh...", hielt ich seine Hand fester und die Tränen machten sich bemerkbar. „Die brauchst du nicht haben...", nickte ich. „Denk dran... Wir haben wundervolle Freunde..."
Auch Hoseok wurde emotional. Eine Träne kullerte ihm der Wange entlang, als ich plötzlich bemerkte, wie blass er eigentlich war.
Vorsichtig erhob ich mich, um mich zu ihm runter zu beugen. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich nach seiner Wange griff.
„Außerdem weiß ich, dass ich mich immer auf dich verlassen kann... Selbst, wenn du am anderen Ende der Welt wärst.", flüsterte ich, was ihn dazu brachte mit feuchten Augen zu nicken.
Doch sein Nicken war so schwach gewesen, dass es kaum bemerkbar schien. Seine Augenlider flatterten, wobei ich spürte, dass seine Hand sich in meiner lockerte. Seine Atmung wurde flacher, je länger ich ihn ansah und wenn ich ehrlich war, machte mir das auf einmal Angst.
Unsicher zum Monitor gesehen, worauf ich wieder zu meinem Bruder sah, erkannte ich, wie sein Kopf beiseite neigte. Seine Augen hatten sich geschlossen.
Und während ich hoffte, dass er bloß schlief, ertönte vom Monitor auf einmal ein lautes Piepen.
Mein Herzschlag fing abrupt an sich zu beschleunigen, als ich fast schon panisch meine Hand entzog, um nach Hoseoks Schultern zu fassen.
„Hobi?", rüttelte ich erst leicht an ihm.
Als jedoch nichts geschah, fing ich fester an zu rütteln.
„Hoseok!", wurde ich lauter.
Ein Klos bildete sich in meinem Hals und mir wurde schlagartig warm.
Das laute Piepen, das mich von der Seite ablenkte, erschwerte mir das Denken. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte, weshalb ich ängstlich versuchte nach einer Reaktion bei meinem Bruder zu suchen.
Nur bekam ich sie nicht...
Keine Sekunde später flog die Krankenzimmertür auf, weshalb ich erschrocken von der Matratze wich.
Eine Horde an KrankenpflegerInnen kamen hinein gestürmt, unter ihnen zwei Ärzte. Sie stürzten sich auf Hoseok, was direkt dafür sorgte, dass meine bereits vorhandenen Tränen sich verstärkten.
Mit zitternden Beinen da gestanden, beobachtete ich aus großen, weinenden Augen, wie die Mediziner durcheinander redeten und versuchten meinen Bruder zu erreichen. Seine Vitalwerte waren mit einem Mal gesunken und er erlitt einen plötzlichen Herzstillstand.
Meine Unterlippe fing an zu beben, je länger ich alleine da stand und zusehen musste, wie sie versuchten Hoseok zu reanimieren.
Es blieb bei dem Versuch...
Sie erreichten ihn nicht mehr...
In meinem Brustkorb verengte sich alles, wobei ich solche Bauchschmerzen bekam, dass ich glaubte, ich könnte gleich umkippen.
„Nein...", schluchzte ich verbittert.
Das konnte nicht wahr sein... Ich müsste träumen. Hoseok sollte es gut gehen, denn ihm wurde die Splitter der Kugel raus operiert und er war auf dem Wege der Besserung. Es wurde gesagt, dass er das überleben würde.
Doch das stimmte nicht... Denn mein persönlicher Kämpfer lag da nun. Er lag stumm da und er atmete nicht mehr.
Nach seinen letzten Worten, in denen er sagte, er hätte Angst, dass ich alleine sein würde, war es zu Ende.
Hoseok starb...
„Bitte...", verstärkten sich meine Tränen, als ich vortrat.
Die Menschen neben mir blendete ich total aus, sobald ich mich wieder zu ihm ans Bett stellte. Meine Lippen fühlten sich trocken und mein Hals rau. Ich konnte noch nicht ganz realisieren, was in innerhalb von Sekunden passierte.
Aber er lag da... Jegliche Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen... Sein starker Körper lag flach...
Hoseok starb vor meinen Augen.
Mein Schutzengel, der mich all die Jahre begleitete und beschützte...
Er starb soeben und ließ mich zurück. Er ließ mich in einer Welt zurück, die verdorbener nicht hätte sein können; mit dem Wissen, dass um mich herum Menschen bereit waren, alles für mich zu riskieren.
Hoseok fand seinen Tod.
Er starb für den Vater meines Kindes...
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