51. Tacheles.
(Bild von Park Jimin- links und V Taehyung- rechts)
...
Erzähler-Sicht:
Eliza hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während sie zwischen den Jungs her sah. Ihre Augenbrauen waren wütend verzogen, wobei sie ungeduldig mit dem Fuß wippte.
V saß breitbeinig auf der Couch. Sein Kopf war beiseite gedreht, sodass er seine Schwester nicht ansehen musste. Seine Augenbrauen wütend verzogen, hatte er die Arme ineinander verschränkt.
Jimin hingegen hatte den Kopf leicht gesenkt und hielt sich eine gefrorene Erbsen-Tüte ans Kinn. Er saß im Schneidersitz vor Eliza, wodurch er den Eindruck vermittelte, dass er seiner Cousine nicht zuhörte, aber Eliza wusste genau, wie achtsam er jede ihrer Worte verfolgte.
„Ich kann nicht glauben, was ihr getan habt...", gab sie in einem genervten Ton von sich.
Das, obwohl ihr Herz enttäuscht war. Sie konnte nicht fassen, was ihr lebhafter sowie herzensguter Bruder und Cousin, der unschuldiger und zurückhaltender nicht hätte sein können, getan hatten. Sie riskierten die Beziehung zu Penelope, einer der besten Menschen, die sie kannte, wodurch sie aufs Spiel setzten, was sie mit der ganzen Gruppe hatten. Die Freundschaft, die die beiden Jungs mit den anderen besaßen, war sehr selten. Dabei hatte V sogar eine Weile gebraucht, um ihre Herzen von sich zu überzeugen.
Warum war er solch ein Idiot und sollte eine so wundervolle, pure Freundschaft zu all den Leuten riskieren, dachte sich Eliza. Reichte es denn nicht, dass sie beide ständig damit kämpfen mussten, von anderen akzeptiert zu werden?
Sie war genervt von der Tatsache. Sie konnte nicht einsehen, dass V durch die Wette mehrere Freundschaften aufs Spiel setzte. Denn die Wahrheit war, dass sie alle zu Penelope halten würden. Das wusste sie. Selbst sie hielt zu Penelope. Genauso wenig konnte sie einsehen, dass Jimin da mitmachte. Sie fragte sich, wie er eine jahrelange Freundschaft derartig zu Nichte machen oder überhaupt daran denken könnte.
Beide Jungs machten sie sprachlos, wobei ihr zeitgleich soviel auf der Zunge lag.
„Ihr beide macht mich krank", verzog Eliza das Gesicht. „Das, was ihr gemacht habt, ist nicht nur geschmacklos und nicht der Stil unserer Familie, die sich niemals auf so eine niveaulose Ebene begeben würde, nein... Das, was ihr getan habt, war nicht ehrenhaft und ganz sicher nicht männlich."
Als sie das aussprach, realisierte sie ein weiteres Mal, wie ungewöhnlich das für beiden Jungs war. Ihr gefiel nicht, was sie getan hatten und noch viel weniger erfreute sie es, dass sie mit solchen Idioten dasselbe Blut teilte.
Mit gespitzten Lippen von Jimin zu V gesehen, sah sie direkt wieder zu ihrem Cousin, als er einen Ton von sich gab.
„Müssen wir uns jetzt echt noch eine Standpauke anhören, nachdem wir so verprügelt wurden, E?", hob Jimin den Kopf, was dafür sorgte, dass Eliza die Zähne aufeinander biss.
Ihre Ohren konnten nicht glauben, was sie hörten.
Sie atmete schwer aus, worauf sie ihre Arme lockerte. Anschließend ließ sie es über sich ergehen. Sie stellte sich vor Jimin auf, um ihm ihre flache Hand auf die linke Wange zu hauen.
Jimin hatte das kommen sehen, weshalb er sich keinen weiteren Millimeter mehr rührte. Er presste nur noch die Kiefer zusammen.
„Die hast du verdient!", hob sie warnend den Finger, als sie mit verzogenen Augenbrauen zu ihrem Bruder sah, der kritisch ihren Blick empfing. „Und du! Mit dir werde ich drei Tage nicht reden. Drei Tage, die nach unserem Geschwister-Kodex legitim sind- obwohl du Wochen verdienst!"
Wütend, wie sie war, drehte sie sich von den beiden, um das Wohnzimmer zu verlassen, in dem sie sich aufhielten.
„Schämt euch.", sagte sie noch, bevor sie ging.
Die Jungs ließ sie alleine zurück; in der unangenehmen Stille, die sie beide nicht aushielten. Das, obwohl V dafür bekannt war jede Situation meisterhaft handhaben zu können und Jimin jede Stille aus tiefstem Herzen genoss.
Bloß... Nachdem sie heute bis aufs kleinste Detail gedemütigt wurden, war ihnen die Situation unangenehmer als sie beide sich je erdenken hätten können. Dabei führten die Gefühle der beiden Jungs auf was ganz anderes zurück...
„Wieso. Jimin.", zischte V, der die Angelegenheit mit seinem Cousin klären wollte, das jedoch nicht unbedingt vor seiner Schwester tun mochte.
Mit seiner Frage hatte er gemeint, was Jimin Penelope erzählte und nun dafür sorgte, dass sie soviel Stress um die Ohren hatten.
Er warf seinem Cousin einen genervten Blick zu. Doch dieser dachte nicht einmal daran V in die Augen zu sehen. In Jimin loderte nämlich eine ungeheuerliche Wut, die sich an V richtete. Er wusste ganz genau, worum es seinem Sitznachbarn ging, ohne dass dieser seine Frage erklären musste.
„Weißt du, was man über Menschen sagt, die nicht ihren Mund halten können und die Geheimnisse anderer weitererzählen?", kam Jimin daher direkt auf das Thema zu sprechen, was ihm bereits seit Wochen auf der Seele lastete.
Vs Blick weichte bei der Frage auf, worauf seine innerliche Wut auf Jimin direkt verflog. Er brauchte nicht lange, um seinen Cousin zu verstehen. Er hatte begriff, worum es ihm ging...
Jimin hatte herausgefunden, dass V Penelope von seinem Geheimnis erzählte. Dem Tear Mitglied fiel es somit nicht schwer zu begreifen; sein Cousin nutzte die Situation mit Penelope aus, um von der Wette zu berichten, damit er sich an V rächen konnte. Schließlich wusste Jimin, dass V tatsächlich wahre Gefühle für das Nachbarsmädchen hegte.
Das war aber unfair, dachte sich V. Jimin war klar, wie schwer die Situation um das Geheimnis auf dem Internat für V war. Er konnte mit dem, was seinem Cousin zugestoßen war, nur schwer umgehen. Das lag nicht unbedingt daran, dass V dafür zu schwach war, nein. Er hatte die Veränderung von Jimin am nächsten mitbekommen, wobei er jede Einzelheit indirekt miterlebte, weshalb er sensibler auf das Thema reagierte. Ihn belastete, dass er seinem Cousin nicht helfen konnte, obwohl er Teil einer Gang war, die wiederum für ihre große Macht bekannt war. Ihn frustrierte das innerlich, was er niemandem zeigen oder sagen konnte, weil Jimin ständiges Schweigen verlangte.
V war bewusst, dass er dadurch nicht das Recht hatte, Penelope von dem Geheimnis zu erzählen. Das war nicht ehrenhaft von ihm, auf keinen Fall. Nur deshalb respektierte er den Rachefeldzug seines Cousins.
Unfair fand er es dennoch...
Konnte Jimin ihn denn nicht nachvollziehen? Zumal er die Wette doch nur einging, weil sie Jimin forderte...
V hatte in den letzten drei Jahren noch nie gesehen, dass sein Cousin an etwas Interesse zeigte, weshalb es ihn überraschte, dass Jimin mit ihm um ein Mädchen wetten wollte. Es überraschte ihn positiv - so hart das auch klang. Er hätte nicht erwartet zu sehen, wie Jimin um ein Mädchen eifern wollte, das bereits Hals über Kopf in ihn verliebt war, was jeder Blinde sehen konnte. Doch V ging die Wette ein, weil er glaubte, das Mädchen hätte in Jimin etwas bewegen können, zu dem er selber nie imstande gewesen wäre...
Die ironische Wahrheit dahinter war, dass V sich dadurch in das Mädchen verliebte, was Jimin nicht entging. Damit erledigte sich die Wette nach einer Zeit; vor allem dann, nachdem Hoseok für sie ein Tear wurde und Regeln aufgestellt wurden, die für Penelope galten. Dagegen zu verstoßen, bedeutete für V, dass er seinem Kopf verlieren könnte. Somit brach er die Wette ab, womit Jimin einverstanden war. Da V seinen Cousin jedoch respektierte, würde er ihm immer den Vortritt lassen, trotz seiner eigenen Gefühle, weshalb er bei Penelope betonte, dass sie sich immer für Jimin entscheiden dürfte, wenn sie wollte.
Denn V würde immer zurücktreten, wenn es um Jimin ging. Er würde alles erdenkliche tun, damit er die alte Version seines Cousins zurückhaben könnte.
Nur leider musste V langsam einsehen, dass der Jimin, den er einst kannte, in der Nacht auf dem Internat sein Leben ließ. Dieser Jimin existierte nämlich nicht mehr.
„Erzähl es mir, Jimin. Wie nennt man einen Menschen, der die Geheimnisse anderer nicht für sich behalten kann?", fragte V nach einer kurzen Pause, um herauszufinden, was Jimin ihm sagen wollte.
Der Junge neben ihm stieß die Luft aus. Er wirkte beinahe enttäuscht, dass V nicht selber darauf kam, ergriff aber dann doch das Wort, um für Aufklärung zu sorgen.
„Man sagt, dass diese Menschen ihr Herz auf der Zunge tragen", lächelte Jimin ironisch. „Paradox, nicht?"
Ohne es gewollt zu haben, drehte er seinen Kopf schließlich doch so, dass er seinem Cousin in die Augen sehen musste.
Jimin war ziemlich wütend auf V. An manchen Tagen mehr, als an andere... Seit ihm bewusst war, dass V sein Geheimnis weitererzählte, war er nicht gut anzusprechen. Er mochte es nicht, wenn seine Bitten missachtet wurden. Das kam bereits viel zu oft vor, was er nicht mehr tolerieren wollte.
Warum konnten die Leute in seinem Umfeld nicht verstehen, wenn er etwas nicht wollte? Fiel es ihnen etwa wirklich so schwer?
Er hatte bloß eine Bitte an V gehabt und diese war es, sein Geheimnis niemandem zu erzählen. Jimin mochte es nämlich nicht, wenn er das Gefühl hatte, jemand trat ihm zu nah. Dieses Gefühl kam jedoch in ihm auf, sobald es einer wagte ihn auf die Nacht anzusprechen, was Penelope definitiv tat. Dadurch fühlte er sich verwundbar und angreifbar; zwei Dinge, die er zutiefst verabscheute.
Ein Teil von ihm wollte V diese Sache daher nicht vergeben.
Doch dann war da der andere Teil. Der unschuldige Teil in ihm, der fest daran glauben wollte, dass sein Cousin keinen anderen Ausweg kannte und sich anders nicht zu helfen wusste. Dieser Teil in ihm war der naive und dumme Part, den er mit allen Mitteln versuchte im Keim zu ersticken.
Er hasste es, dass ausgerechnet dieser Teil seinem Cousin bereits vergab...
„Es tut mir leid, Jimin", sprach V mit ruhiger Stimme, was Jimins Herz erreichte, doch sein Gesicht gab kein Anzeichen zu erkennen. „Ich wollte ihr nicht von deinem Geheimnis erzählen... Sie hatte uns belauscht und auf einmal... Stand ich in ihrem Zimmer. Sie hat um die Wahrheit gebeten und ich weiß auch nicht... Die Diskussion zwischen uns beiden hat mich emotional aufgewühlt. Dummerweise habe ich ihr dadurch von dir erzählt..."
Jimin hielt Vs Blick stand. Seine Augen strahlten vor Ehrlichkeit, wobei Jimin klar war, dass sein Cousin ihn nicht belügen würde. Dafür verrieten seine Augen ihn zu oft, wodurch er eine Lüge nie riskieren würde, zumal er nicht der Typ für war.
V hatte einen widersprüchlichen Blick. Einerseits sprachen sie nur die Wahrheit, wobei sie andererseits voller Geheimnisse waren und wirkten, als würden sie einem in die Seele schauen, was er nicht gerne hatte, da er viel verborgen hielt.
Aus diesem Grunde fand Jimin es am schwersten, wenn er V in die Augen sah. Für ihn war es ein Kampf, sobald er seinen Cousin anschaute, auch wenn dieser das nie wissen würde.
„Ich meine das ernst, Jimin", sprach V erneut. „Mir tut leid, was ich getan habe."
Jimin nahm den Blick ab, um beiseite zu sehen. Ihm war bewusst, dass er seinem Cousin bereits verzieh, obwohl er das nicht wollte. Er verstand manchmal nicht, wieso er ihm gegenüber nicht so sein konnte, wie er es bei den anderen war...
„Ich habe ihr sehr weh getan.", sagte Jimin knapp, um die Situation zu überspielen.
Er sah vom Blickwinkel, wie sein Cousin das Kinn hob.
„Ich weiß."
Jimin war sehr wohl bewusst, dass V in seinem Kopf jegliche Weisen der Konversation durchging, die Penelope und er gehabt haben könnten. Er ahnte mit Sicherheit, zu was Jimin imstande war. Dafür kannte er seinen Cousin zu gut und Penelope konnte er mittlerweile auch einschätzen.
„Ich habe ihr auch Dinge gesagt, die dich betreffen.", nickte Jimin.
Auch V nickte an der Stelle.
Das brauchte ihm Jimin nicht zu erzählen. V wusste ganz klar, dass sein Cousin im Gespräch mit Penelope sogar Halbwahrheiten erzählen würde, um sie zu verletzen.
Doch das war ihm egal. V war das total gleichgültig. Er würde Jimin, was das anging, auch nicht in die Pfanne hauen. Er würde sich nur für seine Taten entschuldigen...
„Wundere dich deshalb nicht, denn...", schnalzte V mit der Zunge. „Nach dem heutigen Abend habe ich ihr genug Zeit zum Nachdenken gegeben. Ihre Rache bekam sie durch Suga und Hoseok, was bedeutet, ich werde alles tun, damit sie mir vergibt."
„Tue, was du nicht sein lassen kannst.", seufzte Jimin an der Stelle bloß.
Er nahm die Erbsen-Tüte von seinem Kinn, die bereits tropfte, weil sie auftaute. Die Tatsache war ihm wichtiger bzw. interessierte ihn mehr als das, was V ihm gerade erzählte. Ihm konnte doch egal sein, was er versuchen würde, damit Penelope ihm vergab.
Oder...?
„Möchtest du etwa nicht, dass sie dir verzeiht?", fragte V.
In seiner Stimme schwang ein kleiner Unglaube mit, da er nicht glauben konnte, wie Jimin so gleichgültig mit dieser Situation umzugehen vermochte.
„Glaubst du, dann hätte ich ihr davon erzählt, V?", zog Jimin die Augenbrauen zusammen, als er wieder zu seinem Cousin sah.
Deshalb hatte er Penelope davon erzählt? Von der Wette...? Damit er sie bewusst verletzte und sie sich dadurch von ihm abwandte?
V atmete aus.
Er verabscheute es. Er hasste es aus tiefstem Herzen, wenn Jimin sich versuchte so brutal zu distanzieren, wie er es gerade tat. Daher ging er selber auch nicht auf Abstand, indem er Jimin seinen Freiraum ließ. In letzter Zeit tat er das gerne Mal seltener...
„Du kannst nicht ewig jeden von dir stoßen und weglaufen. Weißt du das eigentlich?", erhob sich V, doch nahm den Blick nicht von Jimin.
Jimin zog für einen Bruchteil der Sekunde die Augenbrauen zusammen, bevor er die Muskeln in seinem Gesicht wieder lockerte.
Er fragte sich innerlich, wie sein Cousin auf einmal auf diese Frage kam. Doch er schwieg darüber, wobei er Intuitiv den Augenkontakt unterbrach. Er konnte die analysierenden Augen von V kaum mehr ertragen, obwohl er das sonst immer so gut konnte. Jimin wusste selber nicht, was mit ihm los war.
„Eines Tages wirst du da alleine stehen, Jimin und... Du wirst dich fragen, wieso du all das getan hast. Dann wirst du realisieren, dass die Menschen in dieser Stadt dich über alles geliebt haben und du sie zu Unrecht wie Dreck behandelt hast. Du wirst verstehen, weshalb sie keine Kraft mehr hatten, um für dich da zu sein und du wirst dir selber die Schuld geben", ging V zurück, wobei Jimin noch seinen Blick auf ihm spürte. „Vermeide diesen bitteren Moment in deinem Leben. Wache endlich auf und sehe ein, dass nicht jeder das Schlechte für dich will."
Aber Jimin sagte nichts mehr. Er verfiel in seine alten Muster; er blieb stumm und sagte nichts mehr.
V ignorierte sein Verhalten, weil er das anders nicht kannte. Er winkte nur noch ab, als er das Wohnzimmer verließ. Ähnlich, wie es Eliza zuvor auch tat. Bloß mit dem Unterschied, dass V der heutige Tag etwas belasten würde...
Penelopes Sicht:
Ich schaute auf, doch legte mir die Hand über die Augen, da mich die Sonne blendete. Das änderte aber nichts daran, dass ich nicht trotzdem sah, wer vor mir stand.
Es war Jungkook, der den Knopf tätigte, der dafür da war, um den Sonnenschirm zu öffnen, damit wir nicht erblindeten. Wir saßen in seinem Garten, welcher von seinem Vater täglich gepflegt wurde. An den Holztisch gelehnt, der von gemütlichen Holzstühlen umgeben war, schaute ich meinem Freund dabei zu, wie er sich vor mir niederließ. Seufzend griff er nach seinem Handy, weil er mit Sicherheit den anderen schrieb, damit sie bei ihm vorbeischauen konnten. Exakt so, wie er mit mir tat.
Jungkook hatte mich darum gebeten den heutigen Tag mit ihm zu verbringen. Er hatte mir eine Nachricht geschrieben, in der es hieß, dass er sich gerne mit mir unterhalten würde. Natürlich sagte ich dem direkt zu. Ich würde nichts lieber wollen, als mich endlich mit Jungkook zu vertragen bzw. es so zu biegen, dass wir uns nicht mehr nur an einer Bar trafen.
Deshalb saß ich hier mit voller Freude. Das, obwohl ich genau erkennen konnte, wie verfärbt Jungkooks Gesicht war. Ich bemerkte die Wunden, die er besaß, weil er die Auseinandersetzung mit den vier Venoms hatte, bevor Suga eingriff. Ich erkannte die Kratzer an seinen Wangenknochen und Lippen, sowie die blaulila Flecken, die nicht nur in seinem Gesicht zu sehen waren, sondern auch an seinem Ellenbogen und Beinen. Er trug nämlich ein T-Shirt, das er mit einer kurzen Hose kombinierte.
Natürlich blieb mir auch nicht erspart, was sich unter Jungkooks linkem Auge befand; eine tätowierte Träne. Ich sah das auffällige Tattoo sofort, als er mir die Tür öffnete. Es war kaum zu übersehen, bei dem Gesicht, das ich auswendig kannte. Ich sah das Tattoo, das für den Beitritt bei den Tears sprach...
Jungkook hatte es getan. Er trat bei den Tears bei.
Wenn ich ehrlich war... Störte mich das nicht sonderlich. Selbstverständlich brauchte ich einige Momente, um das sacken zu lassen und es würde gewöhnungsbedürftig werden, doch... Das war in Ordnung. Sein Beitritt machte mir nichts aus, obwohl ich wusste, welche Gefahren das bedeutete. Ich würde immer das akzeptieren, wofür sich meine Freunde und Familie entscheiden würde. Ich stand bei jeder Entscheidung hinter ihnen, denn... Auch, wenn ich etwas nicht gut hieß, hatte ich keine Entscheidungsgewalt über sie. Sie hatten ein eigenes Leben, in dem sie tun konnten, wonach ihnen war.
Wer war ich schon, um andere zu verurteilen?
„Warum bist du so ruhig?", fragte Jungkook, ohne den Kopf angehoben zu haben.
Ich räusperte mich, um aus meinen Gedanken zu flüchten, worauf ich mich aufsetzte.
„Ich wollte warten, bis du den anderen schreibst."
Jungkook hatte gemeint, dass Hyunjin, Namjoon und Jihyo heute vorbeikommen würden, um einen Film mit ihm zu schauen. Mich hatte er auch gleich eingeladen, wobei er sagte, dass Yuna eventuell auch käme. Ich sagte dem natürlich direkt zu. Ich hatte es vermisst mit der Gruppe was zu machen, weshalb es mich erleichterte- obwohl die Hälfte fehlte...
„Bin durch!", legte er das Handy ab, verschränkte die Hände ineinander und sah zu mir.
Ich musste direkt anfangen zu lächeln. Ich war so froh darüber Jungkook nüchtern zu sehen. Er schien ausgeschlafener und gesünder im Vergleich zu den Tagen zuvor. Er wirkte besser gelaunt, was ich sehr begrüßte. Diese Faktoren machten mich glücklich und ich wusste genau, sein Zustand war den Tears zu verdanken.
„Wie geht es dir?", fragte ich positiv eingestellt.
Jungkooks Mundwinkel hoben sich leicht.
„Ganz ehrlich?", nickte er. „Deutlich besser. Ich glaube... Ich habe mich endlich besser unter Kontrolle..."
Ich lächelte bei seiner Aussage. Das bemerkte ich natürlich sofort. Das war nicht nur an seinem Aussehen zu erkennen oder daran, dass er nicht mehr an einer Theke hing, nein. Er wirkte viel ausgeglichener und dadurch, dass er mich herbei rief, ging ich davon aus... Ihm ging es besser. Ihm ging es nicht unbedingt gut, aber besser.
„Und dir?", setzte sich Jungkook auf.
Seine Augen fokussierten meine, weil er tatsächlich interessiert war.
Ich hatte im Gefühl, dass Jungkook dachte, ich wäre wütend auf ihn oder als wäre irgendwas zwischen uns ungeklärt. Aber eigentlich war alles in Ordnung. Er musste sich für nichts entschuldigen, wenn er das dachte...
„Mir geht es gut, wenn es dir gut geht, Jungkook.", sagte ich ehrlich.
„Sicher?", hob er die Augenbrauen. „Als die Tears sich gestern Nacht für die Zeremonie versammelt haben, um mich offiziell als Mitglied anzuerkennen, habe ich mitgekriegt, wie Hoseok und V gestritten haben..."
Ich zog die Lippen zu einer Gerade.
Mein Gefühl hatte sich wohl getäuscht. Jungkook fragte mich, ob mit mir alles in Ordnung war, weil er sich Sorgen um mich machte... Er dachte, mir würde es nicht gut gehen. Vermutlich... Weil er durch seine Mitgliedschaft bei den Tears mitbekam, was zwischen V, Jimin und mir vorfiel.
„Du weißt also, was passiert ist."
„Ja und ich hasse es! V hat dafür ordentlich von mir zu hören bekommen!", nickte Jungkook streng, worauf sich seine Körperhaltung dementsprechend veränderte; er setzte sich kerzengerade auf, bevor er wieder einsackte. „Okay! Nein! Ich habe ihn schlagen wollen, aber ich durfte nicht...", rollte er die Augen. „Jimin habe ich einen Diss-Track geschrieben, bevor ich ihn geblockt habe. Der kann jetzt ruhig ein paar Tage von meiner kalten Schulter spüren, wie sonst jeder von seiner."
Den Kopf abgewandt, verschränkte er die Arme vor der Brust.
Was hatte er da gesagt? Er wollte wegen der Wette auf V losgehen und hatte Jimin sogar von sich gestoßen...? Für mich...?
Automatisch musste ich an gestern Nachmittag denken. Ich dachte daran, wie Hoseok und Suga die Cousins im wahrsten Sinne des Wortes verprügelten. Eine Sache, die ich von meinem Bruder nicht erwartete, von Suga aber schon. Jetzt sprach auch Jungkook für mich...
Gestern war ich viel zu aufgewühlt, um klare Gedanken zu fassen. Heute sah die Welt anders aus...
Obwohl ich nicht fand, dass die Gewalt eine Lösung für alles sein konnte, erleichterte mich, was gestern passierte. Ich freute mich fast schon darüber, dass mein Bruder und Suga was taten, wozu ich nicht imstande war. Zu gerne hätte ich den Cousins so weh getan, wie die beiden es taten. Da ich ihnen jedoch körperlich unterlegen war und emotional zu aufgewühlt, konnte ich es nicht. Das wussten Hoseok und Suga, weshalb sie kurzerhand selber beschlossen, mich zu verteidigen. Sie standen für meine Ehre gerade, denn darum ging es hier. Es ging um meinen Wert, den die Jungs so einfach zu Nichte machten.
Durch die Angelegenheit von gestern, musste ich daher gestehen, fühlte ich mich etwas besser. Ich fand nämlich, dass die Cousins den Ausmaß der Konsequenzen verdienten, obwohl ich paradoxerweise Mitleid mit ihnen hatte.
Aber jetzt war ich quitt mit ihnen. Das bedeutete zwar nicht, dass ich mich mit ihnen vertragen wollte, doch... Es fühlte sich nicht mehr so... Beklemmend an, wenn ich die Wette in meinem Herzen ein weiteres Mal beleuchtete...
„Du musst das nicht tun.", sprach ich zu Jungkook, der direkt wieder zu mir schaute.
Mein loyaler und zuverlässiger Freund musste mich nicht auch verteidigen. Ich konnte von nun an selber weiter machen.
„Doch. Muss ich", zog Jungkook selbstverständlich die Augenbrauen zusammen. „V kann froh sein, dass nur ich das mitbekommen habe und Hoseok nicht verlangt hat, dass er dafür bestraft wird."
„Bestraft?", fragte ich verwundert.
Was hatte er damit denn gemeint?
„Klar. Er hat den Kodex verletzt, indem er die Wette um dich schloss.", zuckte er die Achseln.
Den Kodex...
Stimmte! Den hatte ich ja beinahe vergessen... Mein Bruder trat bei den Tears bei, weil er mich schützen wollte. Das wog viel auf der Waagschale, wenn einer ihrer Männer beschloss um mich zu spielen, als sei ich ein Objekt und keine Frau, die sie zu achten und zu schützen versprachen.
„Hobi...", sprach ich erinnernd.
„Richtig. Als Hoseok beigetreten ist, warst du ja die Person, die er angegeben hat, damit sie geschützt wird.", fasste er nochmal zusammen, was mich nicken ließ.
„Stimmt..."
Das war unter anderem wohl auch der Grund dafür, weshalb mein Bruder an die Decke ging, sobald er von der Wette hörte. Er konnte nicht nur fassen, dass die Cousins um mich spielten, nein. Er konnte es nicht einsehen, dass sie so sehr auf sein Wort geschissen hatten.
Dasselbe galt wohl auch für Suga... Wobei er noch weiteres mit der Wette verband, was mich betraf. Weiteres, über das ich gerade nicht nachdenken wollte, weil ich mich sonst wieder in Gedanken verlor, für die ich gerade keine Zeit hatte.
Eigentlich konnte ich auch nicht, selbst, wenn ich gewollt hätte, da Jungkook plötzlich zu lachen anfing und so meine vollste Aufmerksamkeit bekam.
„Du hättest V sehen müssen! Er hat förmlich nach Vergebung gebettelt, was ich ihm schon irgendwie gönne", musste er grinsen, was mich blinzeln ließ. „Versteh mich nicht falsch. Ich hab V lieb und ich liebe ihn immer noch, aber... Etwas Leid hat er diesbezüglich verdient."
Was das anging... Hatte er schon recht. Aber das genügte.
„Er hat seine gerechte Strafe bekommen, nachdem Suga und Hoseok ihn verprügelt haben. Genauso wie Jimin... Jetzt sollte man mir den Rest überlassen.", zuckte ich die Achseln, dem Jungkook direkt zustimmte.
„Die Jungs vertragen sich eh wieder. Müssen sie", schnalzte er mit der Zunge. „V hat ja auch gute Argumente gebracht, indem er sagte, er hat die Wette nach Hoseoks Beitritt bei den Tears sausen lassen. Ich sage dir auch ehrlich, dass dein Bruder nur deshalb keine Strafe verlangt hat. Aber... Bis das wieder familiär wird, dauert das wohl noch eine Weile."
Den Kopf geneigt, dachte ich über Jungkooks Worte nach.
Er hatte aufschnappen können, dass V die Wette im Bach untergehen ließ, sobald Hoseok bei den Tears beitrat? Bedeutete das, er hatte mehr Respekt vor meinem Bruder als vor mir?
Ich musste mir innerlich einen ironischen Lacher verkneifen.
Der könnte sich noch warm anziehen, denn ich war noch lange nicht fertig mit ihm!
„Du hast wohl schon viel aufgeschnappt.", versuchte ich meine Wut, die V galt, zu überspielen, indem ich zu Jungkook sprach.
Dieser nickte heftig.
„Du wärst überrascht! Ich weiß soviel und irgendwie fehlen mir noch einige Informationen", seufzte er erfreut. „Es ist wie eine andere Welt, die mehr Wissen hat, als die, in der ich vorher gelebt habe."
„Freut mich, wenn es dir ein gutes Gefühl gibt.", lächelte ich, weil ich fühlte, wie sehr Jungkook die Welt der Tears genoss.
Das war mir recht, solang Jungkook nicht mehr weinte... Das Einzige, dass mir die ganze Zeit über wichtig gewesen war; das war die Tatsache, dass es meinem Freund endlich wieder besser ging. Die Qual nicht helfen zu können hielt ich nämlich kaum mehr aus. Ich konnte nicht mehr dabei zu sehen, wie er alleine litt, obwohl er hoffte, dass seine Freunde für ihn da waren. Ich wollte doch nur, dass es ihm etwas besser ging, was nun der Fall war.
Jungkook schien endlich zufriedener...
Als ich aufsah, erkannte ich, dass meine Aussage ihn nach unserer kurzen Stille an etwas erinnert zu haben schien, was in seinem Gesicht direkt zu sehen war.
„Ach ja", setzte sich Jungkook auf. „Ich wollte mich nochmal bei dir entschuldigen..."
„Für?", zog ich schlagartig die Augenbrauen zusammen, weil ich eine Entschuldigung nicht kommen sah.
Beschämt den Blick abgewendet, senkte er für einen Moment den Kopf.
„Ich habe dich in Gefahr gebracht... Mit den Bikern.", rollte er die Augen, weil er nicht glauben konnte, was er getan hatte.
Er sprach von dem Vorfall vor der Kneipe, von der ich dachte, sie wäre längst Vergangenheit.
Es war doch nichts passiert. Warum hing er da noch dran?
„Quatsch! Idiot", schüttelte ich den Kopf. „Mir sollte es leid tun, dass ich im Anschluss so überreagiert habe."
Jungkooks Schultern sackten, worauf er wieder den Blick hob. Er kniff die Augen zusammen, um mir zu zeigen, dass ich mich jetzt bloß nicht entschuldigen sollte. Er hatte sogar den Finger warnend gehoben.
Die Wahrheit war aber... Die verdiente er.
„Du wurdest wegen mir fast geschlagen!"
„Und du brauchtest bloß eine Freundin.", zuckte ich die Achseln.
Das brachte Jungkook dazu die Lippen zu einer Gerade zu ziehen. Er seufzte, als er zwischen meinen Augen hersah, bevor er sich anschließend erhob.
Geschmunzelt, weil ich wusste, was passieren würde, breitete ich bereits die Arme. Im nächsten Moment warf sich Jungkook an mich, was mich lachen ließ. Er legte seine Arme um mich, worauf ich mich erhob, damit er mich fest an sich ziehen konnte.
„Danke, Penelope... Für alles...", kam es leise aus ihm, doch ich hörte jedes einzelne Wort und in ihr jede Wahrheit.
Obwohl sich Jungkook niemals hätte bei mir bedanken müssen, hätte ich an der Stelle losheulen können. Ich verstand nämlich, dass jede Mühe sich um ihn gelohnt hatte, wobei das Endresultat war... Jungkook achtete mich als Freundin.
„Nichts zu danken.", versicherte ich ihm.
Im nächsten Augenblick ertönte eine laute Stimme, die uns beide voneinanderriss, weil wir uns erschraken.
„Was läuft hier denn?!"
Ein hampelnder Hyunjin trat in den Garten, der winkend einen Arm gehoben hatte und breit grinste. Ich konnte sehen, dass hinter ihm Namjoon, Jihyo und Yuna folgten.
Nach meiner Brust gegriffen, um mich zu erholen, konnte ich mir dennoch kein Lächeln verkneifen.
Sie waren gekommen...
Das bedeutete, dass ich mich nach langem, so fühlte es sich zumindest an, wieder erleichtert zurücklehnen könnte. Wissend, meine Freunde waren an meiner Seite. Freunde, die es immer schaffen würden mich glücklich zu machen...
———
Heyoooou. 👋🏼❤️
Ich bin nach genau einem Monat auch endlich mal wieder zurück xD. Und dann auch noch mit einem etwas lahmen Kapitel - also I think sooo?? Aber keine Sorge! Im nächsten ist die Kacke schon wieder am dampfen 👀 und i guess ich bin wieder back mit dem Schreiben an Love is a Issue...
Somit frage ich, weil ich lange nicht mehr gefragt habe... Wie fandet ihr das Kapitel? Wie wirkte das Gespräch zwischen Jungkook und Penelope auf euch, die wieder vereint scheinen?
Wie hat euch der Einstieg ins Kapitel erreicht? Schließlich gab es eine Erzähler-Sicht... Was dazu zu sagen...?
Mal sehen, was uns im nächsten Kapitel erwartet, hm. Ich kann euch aber sagen, dass die Biker wieder kommen werden 😏 *hust keiner will die hust*
Stay Tuned!
In love, N xX.
Ps. I miss Park Jimin 🥲...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top