47. Freunde.

(Bild von Eliza Taehyung)

...

Ich saß auf der Couch, während ich den Kopf mit meiner Hand abstützte. Hoseok stand mit verschränkten Armen vor dem Geländer und V stellte sich vor ihm auf.

Wir warteten auf Suga und Eliza, die sich deutlich Zeit ließen. Schlussendlich wollte Hoseok vor versammelter Gruppe berichten, was er die letzten Stunden getan hatte.

Bevor die bereits erwähnten jedoch eintrafen, wollte ich die letztmalige Bestätigung dafür, dass Hoseok glaubte, V und ich hatten nichts. Ich erklärte ihm, wie es zu der Situation kam, was er bloß abnickte.

„Macht euch keine Sorgen. Es ist alles gut.", sprach er.

„Also ich mache mir keine Sorgen.", sagte V nur, als er mir einen Blick zuwarf und die Augenbrauen wackelte.

Ich rollte bloß die Augen.

Nachdem wir eine Weile warteten, kamen die letzten beiden auch schon an. Suga stellte sich neben V und Eliza setzte sich neben mich auf die Couch. Sie räusperte sich, als sie auch schon zu sprechen begann.

Tatsächlich hatte ich nicht erwartet, dass sie die Führung des Gespräches übernehmen würde, doch sie tat es...

„Ich mache es jetzt knapp", verschränkte sie ihre Arme auf dem Couchrücken ineinander. „Hoseok und ich hatten lange, intensive Sitzungen mit Chan sowie dem Rat, um zu erklären, was eigentlich vorgefallen ist, was das Problem ist und wie das jetzt gehandhabt wird..."

Sie fuhr sich erschöpft über die Haare, worauf sie schulterzuckend fortfuhr.

„Es ist kompliziert, also hört mir zu; besonders du, Penelope. Keine Lust mich zweimal zu wiederholen", warf sie mir einen Seitenblick zu, was mich nur verteidigend die Arme heben ließ. „Na gut. Also... Suga hat ja eine Vereinbarung mit den Bikern getroffen. Er sagte, dass er gehen würde, um den Streit mit ihnen zu besänftigen. Seine Bedingung dafür war aber; sie sollten sich von seinem Bezirk fern halten, damit es in seiner Abwesenheit keinen unnötigen Streit gibt. Dabei war Jungkook mit eingeschlossen worden!"

Sie hob warnend einen Finger.

„Jetzt wissen wir, dass die Biker sich nicht daran hielten. Sie haben nämlich eine unschuldige Frau ermordet; Jungkooks Mutter"

Ich zog die Lippen zu einer Gerade.

Eine unschuldige Frau... Das traf es. Denn sie hatte mit all dem Mist nichts zutun... Dass sie dafür zahlen musste, war unfair.

„Sie ermordeten sie wohl, so fand ich heraus, weil Jungkook sie provoziert haben soll. Das bedeutet für die Tears gleich, dass sie damit aus dem Spiel sind. Schließlich ist Jungkook kein Tear...", nickte Eliza. „Da der Mord aber in unserem Viertel stattfand, trotz Sugas Bedingung, sagte Chan, müssten wir der Sache auf dem Grund gehen. Naja... Hoseok musste für Suga einspringen, weil", sah sie zu Suga. „Du ihn darum gebeten hast... Somit musste Hoseok erklären, was an diesem Abend vorgefallen war und dass er nicht mitbekommen habe, was wirklich vorfiel..."

Aufmerksam zu Eliza gesehen, die ausführlich erklärte, was Sachlage war, schwirrten bereits die ersten Fragen in meinem Kopf umher. Doch ich schwieg erstmals...

„Ich wurde dann zu den Bikern geschickt, um mit ihnen ein Gespräch zu suchen..."

„Alleine?!", hatte V direkt die Augen groß gemacht.

Seine Schwester zog die Augenbrauen zusammen.

„Natürlich nicht, Trottel. Hoseok war bei mir und einige unserer Angreifer..."

Angreifer...? Was hatte sie damit denn gemeint?

Als hätte Suga das Fragezeichen in meinem Kopf gesehen, öffnete er den Mund, um mir die Frage zu beantworten.

„Die, die bei den Tears befugt sind zu morden..."

Zu morden...?

Ich bekam eine Gänsehaut.

War das etwa so ernst gewesen, dass sie solche Leute brauchten, die mitkommen mussten? Menschen, die andere töteten, wenn es dazu kommen musste?

Irgendwie sorgte der Gedanke dafür, dass mir schlecht wurde, obwohl das in solch einer Welt, wie ihrer, nur logisch war...

„Richtig", ergriff Eliza wieder das Wort. „Und ich bin diejenige bei den Tears, die die Gespräche mit anderen Gangs führen soll. Erstens, weil ich als Frau besser anzusprechen bin und zweitens, weil ich eine hinterlistige Art habe, um Geheimnisse zu enthüllen."

Sie zwinkerte.

Da rollte V die Augen.

„Außerdem hat Eliza ein sehr gutes Gefühl dafür, aus wenigen Worten zu filtern, was der Gegenüber als Nächstes geplant hat."

„Ganz genau!", wollte sie darauf zurückkommen.

Doch sie ließ mir kurz einen Moment, damit ich darüber nachdenken konnte.

Also war Eliza jemand, die verdeckt arbeitete...? Sie belauschte Gespräche oder nahm aktiv an welchen Teil, um Pläne zu entschlüsseln und diese weiter zu geben?

Nun... Sie war nicht umsonst so intelligent, wie sie es war und nicht umsonst so direkt. Sie hatte viel mit Männern zu tun, die hart zu knacken waren. Auch ihre bitchige bzw. schroffe Art wunderte mich nicht mehr. Sie war wie gemacht für diesen Job.

„Aufgrund meines Talentes", warf sie ihr Haar zurück. „Habe ich also ganz schnell raushören können, dass es ihnen größtenteils um Rache ging, weil Jungkook ihre Männer verprügelt hatte", sie zuckte die Achseln. „Natürlich ist auch Minhos Name gefallen... Nur konnte ich auf ihn bezogen nichts weiter interpretieren. Es war für mich sehr schwer herauszuhören, ob er mit ihnen letztendlich zusammenarbeitet oder nicht..."

Oh, nein... Nicht Minho schon wieder...

„Was hat Chan dazu gesagt?", fragte V, der direkt wieder eine Gereiztheit in der Stimme trug.

„Ja, was wohl?", rollte Eliza die Augen. „Er würde mit seinem Bruder reden, sagte er und oh mein Gott", hob sie demonstrativ die Arme. „Keiner ist Schock! Minho ist nicht beteiligt, sondern ach so unschuldig!"

So sagte das sein Bruder... Er behauptete, Minho sei nicht involviert. Wie ich in den Gesichtern der anderen jedoch herauslesen konnte... Dachten sie allesamt das Gegenteil.

„Das Endergebnis?", fragte Suga kritisch.

Da seufzte Hoseok.

„Chan sagte, wir müssten bei den Bikern zurück feuern. Als er im Rat jedoch abgestimmt hatte, war der Großteil dagegen, weil sie erstens keinen Krieg provozieren wollen und zweitens, weil Jungkook kein Teil von uns ist. Wir belassen es also dabei. Das ist das Endergebnis", schüttelte er den Kopf darüber. „Da unsicher ist, wer den Mord von den Mitgliedern bei den Bikern begangen hat, kein Tear involviert war und nicht klar ist, wer noch beteiligt ist... Hat er die Angelegenheit auf Eis gelegt, um, wie gesagt, keinen Krieg zu provozieren, bei dem die Biker ganz sicher mit den Venoms eine Allianz bilden könnten. Er machte ihnen jedoch eine Warnung, in der es hieß, dass sie sich unserem Viertel erstmals nicht mehr nähern dürften, bis die Tears es ihnen wieder erlauben würden. Hinzu kommt, dass er ihnen gesagt hat, sie sollen damit rechnen, dass die Polizei, also Jin, und Jungkook ihnen im Nacken sitzen, die Tears damit jedoch nichts zutun haben", atmete er aus. „Grundsätzlich sind die Tears erstmal raus aus dem Spiel. Aber... Wer weiß schon, wie lange das anhält."

Ich ließ all die Informationen auf mich wirken, als ich schluckte.

Eigentlich klang all das ziemlich harmlos... Früher, zu der Zeit, in der Suga gerade ein Tear wurde, habe ich schlimmeres gesehen und gehört. Ich vermutete, dass ich die Situation daher verharmloste. Das konnte auch daran liegen, dass sich die Anwesenden keine Panik ansehen ließen. Das färbte sich auf mich ab.

Oder lag es daran, dass es doch keinen Krieg gab? Zumindest klang das so und ich hoffte, das würde dabei bleiben.

Ich wollte keinen Streit zwischen Gangs. Dafür hatte ich viel zu oft in Filmen gesehen, wie brutal das endete... Die Gangs in unserer Stadt bewies es mir. Die Menschen, die befugt waren, andere zu töten... Sie bewiesen mir ebenfalls, wie ernst das war.

Daher war ich fast schon erleichtert...

Vielleicht sah ich aber auch nicht das ganze Bild, wie manch andere...

„Gilt das eigentlich auch für mich?", fragte Suga plötzlich.

Hoseok nickte.

„Ja. Wir beide sind von nun an gemeinsam für den Bezirk zuständig."

Er sah zu Suga, der den Kopf zwar neigte und die Augenbrauen hob, doch ziemlich zufrieden damit schien.

„Bin ich cool mit.", hob sich sein linker Mundwinkel.

Während die beiden gelassen wirkten und auch Eliza ausgeglichen schien, war V wohl der Einzige, der noch ernst bei der Sache war.

„Wurde die Vereinbarung unterschrieben?", fragte er mit kritischem Blick.

„Du meinst, damit du bei einem Verstoß den Krieg ansagen kannst?", hob Eliza eine Augenbraue.

Ich setzte mich auf.

Was hatte sie da gesagt...?

„Krieg ansagen?", sah ich aus großen Augen zwischen den Anwesenden her.

Eliza nickte und drückte mich leicht zurück, wobei sie mir signalisierte, dass alles gut war.

„Ja. V sitzt im Rat der rationalen Köpfe. Er und zwei weitere sind befugt bei einem Vertragsbruch die Lage abzuschätzen und den Krieg zwischen Gangs anzusagen.", erklärte seine Schwester ausführlich genug.

Was...? V hatte die Entscheidungsmacht einen Krieg zwischen den Gangs anzusagen...?

Ich wusste nicht, ob ich das so gut fand... Obwohl ich wusste, dass er ein rationaler Mensch war, ganz egal, ob er stark fühlte, hatte ich keine Ahnung, was ich davon halten sollte...

„Erschreck dich nicht", versuchte Suga mich zu beruhigen. „In den letzten Jahren musste er den Krieg nicht einmal ankündigen, dabei gab es schon schlimmere Situationen. Er kann das ganz gut abschätzen."

Zu dem Gesprochenem gesehen, der sanft nickte, nahm ich das erstmals so hin. Aus irgendeinem Grunde beruhigte ich mich immer, wenn Suga die Aussagen der anderen bestätigte... Er schaffte es mit wenigen Worten mit meine Sorge zu nehmen...

Wieder zu Eliza gesehen, die an der Frage ihres Bruders hing, bejahte sie.

„Ja... Sie haben mit ihrem Blut unterzeichnet."

„Sehr gut.", nickte V ab.

Damit bekam er seinen Frieden. Er wusste, dass er von nun etwas gegen die Biker in der Hand hatte. Die Biker hatten nämlich mit ihrem Blut bei den Tears unterzeichnet...

Ich hatte in der halben Stunde über die Gangs mehr gelernt, als in den letzten Jahren. Das lag aber auch daran, dass ich früher nie etwas wissen wollte, während das heute anders aussah. Mittlerweile war ich viel offener dafür. Ich wollte wissen, was vor sich ging. Dabei war ich froh, dass ich an den Gesprächen teilnehmen durfte. Ich war mir sicher, andere dürften das nicht...

Als das Gespräch nicht mehr fortgefahren wurde, setzten sich die anderen auch auf die Couch. Hoseok hatte uns etwas zu trinken vorbei gebracht und Kleinigkeiten zum Essen. Wir unterhielten uns eine weitere halbe Stunde über die momentane Lage, wozu es nichts nennenswertes gab. Die Gang-Geschichte hing mir zwar noch im Kopf, doch sie belastete mich nicht. Ich musste eher an Jungkook denken, der noch immer kein Lebenszeichen von sich gab.

Als mein Handy jedoch zu klingeln begann, was darauf deutete, dass ich eine Nachricht bekam, nahm ich es direkt hervor. Neugierig auf mein Display gesehen, konnte ich sehen, wie ich tatsächlich eine Nachricht bekam. Doch sie war nicht von Jungkook...

Du solltest vielleicht mal nach Hyunjin sehen...

Das war eine Nachricht von Namjoon. Diese ließ mich die Stirn kräuseln. Zwar hatte ich sowieso vor bei Hyunjin vorbei zu sehen, da ich mit ihm über Jungkook sprechen und herausfinden wollte, weshalb er ihn nicht besuchte. Aber Namjoon verunsicherte mich auf einmal.

Warum fragte er mich das?

Als ich ihm eine Nachricht schickte, bekam ich keine Antwort mehr. Daher beschloss ich einfach bei den Hwangs vorbei zu schauen. V war so nett, um mich auf dem Weg zu begleiten.

Da wir alle so gut wie auf einem Haufen wohnten, brauchte es nicht lange, bis ich bei den Hwangs ankam. Ich verabschiedete mich von V, als ich auch schon an der Haustür klopfte.

Wie zu erwarten, hatte mir Hyunjin die Tür geöffnet. Seine Eltern waren nämlich die meiste Zeit nicht zu Hause, was er als Kind bereits hasste, aber er kam damit einigermaßen gut aus.

Zu ihm aufgesehen, musste ich direkt die Augenbrauen verziehen. Ich erwartete zwar, dass etwas nicht in Ordnung war, weil Namjoons Nachricht dramatisch klang, aber... Das hatte ich auch nicht erwartet.

In sein Gesicht gesehen, erkannte ich nicht die typische Masche, die Hyunjin für gewöhnlich immer aufsetzte... Von dem heiteren, verspielten Jungen, der gerne so tat, als wäre er ein Arschloch, war gerade nichts zu sehen. Ich erkannte nur noch ein Gesicht, welches traurig schien, wobei seine tiefen Augenringe darauf hindeuteten, wie wenig er geschlafen hatte. Er war blasser als sonst und seine Haare wirkten nicht gekämmt. Für jemanden, wie Hyunjin, war das schon sehr fragwürdig.

„Was machst du hier?", fragte er mit rauer Stimme, was mich schließen ließ, dass er geschlafen hatte.

Ich zog die Augenbrauen zusammen.

Geschlafen...? Hyunjin hielt keine Mittagsschläfe- Was war denn nur los mit ihm? Das war total untypisch für ihn...

„Hast du etwa geschlafen?", wollte ich herausfinden, während er die Tür bereits öffnete, sodass ich eintreten konnte.

Er ging vor, weshalb ich die Tür hinter mich schloss. Mit ihm vor mir schritten wir in sein Zimmer.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich mich um.

Es sah ziemlich unordentlich aus. Auch, wenn man es mir nicht glaubte- Hyunjin war ein ziemlich ordentlicher Mensch. Dass hier leere Flaschen standen, seine Decken nicht gefaltet waren und der Müll nicht ausgeleert wurde, passte nicht zu ihm.

Dann erst fiel es mir ein. Als wäre ich die ganze Zeit über blind gewesen, hatte ich ein ganz wichtiges Detail vergessen!

Hyunjin und Jungkook- ihre Eltern hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Sie waren so gut befreundet, dass die jeweiligen Eltern des anderen wie ihre eigenen waren. Man dachte schließlich nicht umsonst, die Jeons und die Hwangs seien Verwandte. Ich Idiotin hatte auch vergessen, dass die beiden Jungs der Ursprung unserer damaligen Vierer-Clique waren.

Wie konnte ich das vergessen haben?

Mein Herz zog sich schmerzerfüllt zusammen, als ich zusätzlich daran dachte, dass Hyunjin hätte das Opfer der Nacht sein müssen... Nicht Jungkooks Mutter... Sie hatte sich nämlich vor ihn geworfen und war an seiner Stelle verstorben.

Eine Gänsehaut überkam mich.

Hyunjin war traurig... Er hatte eine Mutterfigur in seinem Leben verloren, die er vor seinen Augen sterben sah. Eine Mutterfigur, die da war, wenn es seine nicht war...

Zudem... Müsste er fürchterliche Schuldgefühle haben... Schuldgefühle, die Jungkook gegenüber gerichtet waren... Er gab sich sicherlich die Schuld, dass sie anstelle von ihm starb... 

Ich schluckte hart, während ich sah, wie er sich erschöpft zu mir drehte, sobald wir vor seinem Bett standen. Die Achseln gezuckt, nickte er.

„Ich schlafe irgendwie nur noch...", murmelte er, was mir die endgültige Bestätigung gab.

Ohne gezögert zu haben, ging ich auf ihn zu und zog ihn an seinen Armen an mich heran, um ihn in eine Umarmung zu ziehen. Ich musste erneut schlucken, während ich ihn ganz fest drückte. Er schien erst ziemlich steif, bevor er seine Arme ebenfalls um mich legte.

Mir stiegen die Tränen in die Augen.

Wie konnte ich bloß so blind sein? Irgendwie ging ich die ganze Situation mit dem derzeitigen Tod nicht so an, wie ich es gerne hätte. Ich vernachlässigte die entscheidenden Details, wobei ich nicht vernünftig dachte.

Nur weil ich unter dem Tod von Mrs Jeon nicht litt, bedeutete das nicht, dass es mein Umfeld nicht tat. Ich hätte achtsamer sein müssen...

„Es tut mir so leid, Hyunjin...", strich ich ihm über den Rücken.

Ich spürte, wie seine Atmung sich beschleunigte und auch hörte ich, dass seine Nase plötzlich lief.

„Ich habe nicht daran gedacht, was du gerade durchmachen musst, weil ich nur an Jungkook denken konnte. Ich habe total vergessen zu fragen, wie es dir geht..."

Vorsichtig ließ ich von Hyunjin ab, der sich direkt über die Wangen wusch. In dem Moment riss ich mich zusammen nicht gleich mitzuweinen. Das fiel mir ziemlich schwer, weil ich Hyunjin noch nie weinen gesehen hatte...

Nach seiner Hand gegriffen, zog ich ihn aufs Bett, damit er sich setzen konnte. Daraufhin umfasste ich seine Hand und nickte.

„Schon in Ordnung... Okay? Lass alles raus", nickte ich erneut. „Und fühle dich frei mir zu sagen, was du fühlst, wenn du möchtest..."

Er schloss die Augen, als er beiseite sah. Seine Hand ließ er jedoch in meiner, was mich schließen ließ, dass ihm meine Nähe gut tat.

Das erleichterte mich sehr...

„Ich... Ich traue mich nicht mehr raus, Penelope", berichtete er, was mir beinahe das Herz brach. „Ich habe das Gefühl, Jungkook hasst mich... Ich... Wegen mir... Ich weiß nicht...", versuchte er durchzuatmen.

Ich schüttelte auf der Stelle den Kopf.

Nein, nein, nein. So durfte er auf keinen Fall denken! Keiner zog ihn für irgendwas zur Verantwortung! Die einzigen Schuldigen in dem Ganzen sind die Biker. Nicht er!

„Was erzählst du da bloß? Die anderen haben dich furchtbar vermisst! Du hast gestern gefehlt!", sagte ich ehrlich, was ihn noch immer nicht dazu brachte zu mir zu sehen. „Vergiss nicht, dass ihr von den Bikern angegriffen wurdet. Sie haben beschlossen euch weh zutun, Hyunjin... Nicht du hast sie darum gebeten. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass Jungkooks Mutter sich bewusst war, was sie in der Nacht tat... Glaubst du, sie hätte gewollt, dass du jetzt so traurig darüber bist?"

„Nein...", antwortete er mir leise, während ihm weitere Tränen der Wange entlang rollten.

Ich drückte seine Hand in dem Moment fester.

„Siehst du...?", versuchte ich ihn aufzumuntern. „Außerdem war ich bei Jungkook... Er klang nicht so, als wäre er wütend auf dich..."

„So würde er das auch nie sagen...", biss Hyunjin sich auf die Unterlippe. „Aber ich weiß, dass er wütend ist. Er hat nicht auf meine Nachrichten reagiert..."

In meiner Brust machte sich ein Schmerz breit, der so schnell erstmal nicht verschwinden würde.

Ich hasste Missverständnisse... Hyunjin glaubte, Jungkook sei wütend auf ihn, weil er ihm nicht antwortete. Die Wahrheit war aber, dass es Jungkook miserabel ging und er niemandem antwortete. Das lag nicht an seinem besten Freund.

„Ich habe dir gerade gesagt, dass ich gestern bei ihm war, Hyunjin", wiederholte ich mich mit fester Stimme. „Er hat gesagt, dass er dich braucht... Dich und Jimin... Er war traurig euch nicht gesehen zu haben."

Meine Worte schienen Hyunjin wohl zu erreichen, da er, sobald ich über Jungkooks Aussage sprach, seinen Kopf zu mir drehte. Seine glasigen Augen schauten in meine, als er zögerlich nickte.

„Er wollte, dass... Er wollte mich sehen?"

„Ja, natürlich", sagte ich selbstverständlich. „Du, Jimin und ich... Jungkook liebt uns doch. Er liebt uns alle, das weißt du. Er legt soviel Wert auf Freundschaften... Das müsstest du am besten wissen... Nicht?"

Er biss sich unsicher auf die Unterlippe.

„Jungkook geht es nicht viel besser als dir, verstehst du? Er hat allgemein niemandem geantwortet... Stattdessen geht er sich betrinken. Du weißt doch, wie er ist...", versuchte ich weiter bei ihm zu appellieren. „Er ist sehr traurig und wütend. Aber wütend auf die Biker. Nicht auf dich... Wie gesagt; er hatte sich gewünscht, du wärst gestern dabei gewesen..."

Hyunjin senkte den Kopf. Meine Worte erreicht ihn definitiv, da er über sie nachdachte. Sein Gesicht wirkte überlegend und seine Haltung lockerte sich. Nach einer schweigsamen Zeit atmete er aus, worauf er die Nase hochzog. Mit seiner freien Hand wusch er sich übers Gesicht.

Anschließend sah er mir wieder in die Augen.

Ich musste sachte schmunzeln, weil ich auf einmal eine Veränderung erkannte. Ich konnte sehen, dass er erleichtert war.

Ja... Hyunjin war erleichtert darüber, dass sein bester Freund ihn nicht hasste. Dabei... Hätte Jungkook ihn doch niemals hassen können...

„Dann schlage ich vor", atmete er ein. „Dass wir unserem Freund beistehen, hm? Was sagst du dazu?"

Nun lächelte ich, als ich von seiner Hand abließ. Ich nickte; stolz auf seine Stärke.

„Sobald es dir besser geht..."

„Wird es, wenn ich erstmal wieder bei meinem besten Freund bin.", sprach er ehrlich.

Ich würde meinen... Sie beiden konnten nicht ohne einander, was mich fast schon ein wenig neidisch machte, aber im positiven Sinne. Mir fehlte es, dass wir das Gefühl zu viert hatten. Nur schien das Schicksal es eher mit Jungkook und Hyunjin gut gemeint zu haben. Nicht mit Jimin und mir...

„Okay", seufzte ich entlastet. „Aber erstmal will ich Jimin auch einen Besuch abstatten."

Hyunjin raufte sich über die Haare. Er nickte, worauf er gestikulierte.

„Viel Erfolg. Ich mache mich in der Zeit frisch.", deutete er an sich hinab.

„Ja, bitte...", deutete ich auf seine stinkenden Klamotten.

Das brachte ihn dazu zu lächeln. Auch, wenn ich noch immer die Trauer in seinen Augen erkannte, war das zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich erhob mich somit und war bereit auf seine Zimmertür zuzugehen, als Hyunjin sich wieder zu mir drehte.

„Danke, Penelope", kam es leise aus ihm. „Wir haben lange nicht mehr so miteinander geredet."

Ich spürte erneut einen Stich in meiner Brust, der entstand, weil ich genau wusste, wovon Hyunjin sprach. Unsere Freundschaft hatte sich verändert, seit... Seit Jimin sich veränderte... Zwar waren wir alle noch immer miteinander befreundet, doch... Dadurch, dass Jimin mehr mit Jungkook und Hyunjin befreundet war, fing ich mich zeitweise an zu distanzieren, weil Jimin mich gerne abstieß. Ich wollte nicht, dass sich das auf die Gruppe auswirkte. Ich beachtete aber nicht, wie dadurch meine Beziehung zu den beiden anderen Jungs litt, wobei wir es dennoch schafften, beieinander zu bleiben.

Trotzdem hatte das einiges zwischen uns verändert... Es veränderte die emotionale Tiefe unserer Freundschaft.

Das lag an mir, das wusste ich. Ich beschloss schließlich von mir aus oberflächliche Freundschaften zu pflegen, da sie mir dann weniger weh taten. Dabei bemerkte ich nicht, wie ich mich selber belog... Ich erwischte mich nämlich, wie ich jeden einzelnen in meinem Umfeld in mein Herz ließ, ohne es gewollt zu haben...

„Ich weiß...", belächelte ich die Situation, weil sie mich sonst traurig machen würde. „Wir ändern das hoffentlich von nun an."

„Bitte..."

Den Rücken zu ihm gedreht, öffnete ich seine Zimmertür.

„Und Hyunjin?", blickte ich über meine Schulter zu ihm.

Er hob den Kopf an.

„Hm?"

„Du brauchst mir nicht zu danken. Dafür sind Freunde doch da, oder?", fragte ich und bezog mich auf das Danke, das meinem Beistand gewidmet war.

Dafür wollte ich jedoch kein Danke. Ich tat das gerne und würde es für immer tun, wenn ich's könnte.

„Ja... Sind sie...", lächelte er nun so, dass das Lächeln seine Augen erreichte.

Ich nickte. Daraufhin ging ich mit reinem Gewissen aus dem Haus. Ich schritt mit einem guten Gefühl zu mir nach Hause, denn Jimin war mein Nachbar und ich wollte zu ihm.

Das Gespräch mit Hyunjin verlief ziemlich gut, also erwartete ich, dass es mit Jimin genauso gut laufen würde. Ich baute heimlich darauf, dass unsere Vierer-Gruppe zusammenhielt, weil ich mir sicher war, nichts würde Jungkook in dieser Zeit eine größere Freude verschaffen.

Ehrlich gesagt... Mich überkam die Frage, wie Jimin zum Tod von Mrs Jeon stand... Im Vergleich zu mir stand er ihr nämlich auch näher. Zwar nicht so nah, wie es Hyunjin tat, aber nah genug...

Neugierig zu dem Haus gesehen, in dem er lebte, fragte ich mich, ob ihn das mitnahm...

Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass ihn das beschäftigte. Jungkook war sein bester Freund und zudem hatte Jimin schon mal einen Todesfall miterlebt, weshalb ich schloss, dass er darüber sehr wohl nachdachte. Gestern wirkte er außerdem sehr schweigsam, was auch für sein Leiden sprach.

Vielleicht war der Moment gekommen... Der Moment, an dem ich für Jimin da sein konnte, ohne dass er mich von sich stieß. Die Umstände waren im Vergleich zu denen auf dem Internat andere... Es waren mehrere von uns betroffen, wodurch ich vermutete, er könnte zugänglicher sein. Zumal es größtenteils um Jungkook ging, für den Jimin sowieso das größte Herz hatte...

Auf das Grundstück der Parks geschritten, atmete ich tief ein und wieder aus, worauf ich an der Haustür inne hielt, um schließlich zu klingeln. Ich richtete mich auf, dabei strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Bereit, mich mit Jimin zu unterhalten...

Aufmerksam den Blick gehoben, hörte ich, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Ehrlicherweise erwartete ich Mrs Park, aber zu meiner Überraschung öffnete Jimin die Tür.

Mein Gesicht erhellte direkt bei seiner Ehescheidung, wobei... Das Gesicht von Jimin eher neutral wirkte. Oder sollte ich sagen... Er schien ziemlich schlecht gelaunt zu sein? Damit fiel mein Lächeln. Erst recht, als er die Augenbrauen zusammenzog.

„Penelope?"

„Hey Jimin...", begrüßte ich ihn leise. „Hast du kurz Zeit?"

Ich spürte, wie sich eine gewisse Aufregung in mir breit machte.

Weshalb war das so? Hatte ich etwa Angst, dass Jimin mich abstoßen würde?

Aber hier ging es nicht um mich... Es ging um Jungkook...

„Klar.", sagte er und schwenkte die Tür weiter auf.

Er stellte sich in den Türrahmen, worauf er seine Arme ineinander verschränkte. Seine Schulter lehnte er an den Rahmen. Sein Blick traf dabei auf meinen.

Ein plötzlicher Schauer fuhr mir den Rücken hinab, als ich die Kälte in seinen Augen sah, die ich früher nie verstand...

Schluckend, zeigte ich in sein Haus und wandte den Blick ab.

„Ehm... Darf ich rein?", fragte ich zögerlich.

„Was willst du denn?", kam es direkt aus ihm, was in mir eine erneute Welle Unsicherheit auslöste.

Doch diese versuchte ich zu überspielen... Ich zuckte somit die Achseln.

„Es geht um Jungkook..."

Wieder zu ihm aufgesehen, erkannte ich nun, wie er es mir gleich tat und die Achseln zuckte.

„Ja, dann können wir das auch vor der Haustür klären.", sagte er gleichgültig.

Seine Achtlosigkeit brachte mich dazu einen Schritt zurück zu gehen. Wenn ich ehrlich war, dann schnitt mir seine kühle Wortwahl und die Tonlage direkt ins Herz.

Was war denn los mit ihm? Seit wann durfte ich nicht mehr zu ihm nach Hause? Seit wann... War Jungkook so belanglos gewesen, dass wir darüber nicht vernünftig reden konnten? War er so unwichtig, dass wir das Gespräch an der Türschwelle führen mussten, sodass das Gefühl vermittelt wurde, wir müssten es hetzen?

Bedenklich das Kinn gehoben, nickte ich bloß.

„Wie du möchtest...", fuhr ich mit einem beklemmendem Gefühl in der Brust fort; von der Erleichterung, die ich nach dem Besuch bei den Hwangs hatte, war nichts mehr zu fühlen. „Wollen Ehm... Wollen du, Hyunjin und ich Jungkook keinen Besuch abstatten? Um ihn zu trösten..."

Jimin sah mich zwar achtsam an, gab mir jedoch ein Gefühl der Desinteresse. Dass er stark ausatmete, was fast so klang, als würde ich ihn nerven, machte nichts besser...

„Bin mir sicher, er will alleine sein.", kam es knapp von ihm, weshalb ich nun die Augenbrauen zusammenzog.

Was war mit ihm denn auf einmal los?

So... So hatte er eine ganze Weile nicht mehr mit mir geredet; auf solch einer abfälligen Art. Als wäre ich irgendwer... Als wäre Jungkook irgendjemand...

„Nein", schüttelte ich den Kopf, dabei merkte ich, wie meine Stimme fester wurde, weil ich das Gefühl hatte, ich müsste Jungkook verteidigen. „Ich habe mit ihm geredet. Er klang so, als wolle er uns um sich haben. Jungkook ist ein Mensch, der Gesellschaft mag und in so einer Zeit sollten wir ihm beistehen."

Das versuchte ich Jimin zumindest zu erklären. Aber Jimin hatte wohl seine eigenen Schlüsse gezogen, an denen er stur festhielt... 

„Ich weiß nicht, Penelope. Ich glaube nicht, dass ich irgendwie helfen kann.", stieß er die Luft aus.

„Deine Anwesenheit reicht doch vollkommen aus.", kam es aus mir.

Ich hörte selber, wie ungläubig ich klang, weil ich mit Jimins Reaktion absolut nicht gerechnet hatte. Seine Reaktion hatte mich so sehr überrascht, dass es mich fast schon erschrak.

Tatsächlich machte er mich deshalb sogar wütend...

„Ich halte mich lieber zurück.", wandte er den Blick ab.

„Es geht hierbei nicht um dich, Jimin. Es geht um Jungkook, der seine Mutter verloren hat.", gab ich nun etwas zickiger von mir.

Er verhielt sich gerade unmöglich! Bedachte er nicht, dass es um Jungkook ging...? Hierbei ging es nicht um ihn oder um mich- nein. Hierbei ging es nur um Jungkook... 

„Ja", stieß er sich vom Türrahmen und lockerte seine Arme, sodass er nun gerade stand. „Und ich versuche dir gerade zu sagen, dass ich seine Mutter mit meiner Gesellschaft nicht zurückholen kann."

Sobald er das sagte, weiteten sich meine Augen und meine Kinnlade fiel. Ich schloss den Mund jedoch direkt wieder, bevor ich einen weiteren Schritt von ihm wich.

Ich glaubte gerade nicht, was ich hörte oder sah.

Was hatte er gesagt...? Auf solch eine respektlose und taktlose Art...?

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Hörst du mir irgendwie nicht zu?", fragte ich entsetzt.

Die Antwort war... Nein. Jimin hörte mir nicht zu. Das erkannte ich an seiner ungeduldigen Hand, die bereits nach der Tür griff, weil er sie so schnell wie möglich wieder schließen wollte.

Ich spürte, wie mich Jimins Verhalten verletzte, doch noch vielmehr machte er mich wütend.

Wie konnte er nur so rücksichtslos sein?

„Jimin!", versuchte ich es noch einmal, aber dieser rollte bloß die Augen.

„Ich kann nicht helfen, Penelope", seufzte er. „Wenn du mich also entschuldigst... Man sieht sich dann."

Daraufhin ging er zurück. Er würdigte mich keines Blickes mehr, sondern warf nur noch die Tür zu.

Das brachte mich dazu zusammen zu zucken.

Er war reingegangen... Einfach so...

Mich ließ er hier draußen alleine stehen...

Mit genauem Wissen, worum es mir hierbei ging...

Jimin war das jedoch egal.

Und das? Das brachte meinen Herzschlag zum rasen. Denn zur Hölle verdammt! Er hatte mich so wütend gemacht!

So wütend, dass es mir nun endgültig reichte.

Jimin könnte mich jetzt von meiner schlimmsten Seite erleben...


———

Hi 🌚..

Nun denn... Wie war das Kapitel für euch? 🤡
Es hat mit Gang Stories angefangen, wobei das ganz sicher nicht dabei bleibt, wie es gerade ist... Anschließend bin ich zu Hyunjin rüber, mit dem ausgiebig gesprochen wurde, worauf es anschließend zu Jimin rüber ging...

Wie war das Gespräch mit Jimin? Wenn man das, was Penelope und er hatten, ein Gespräch nennen durfte... Wie wirkte es auf euch? Hm...?

Bin gespannt!

Was wird im nächsten Kapitel wohl passieren, wenn Penelope indirekt androht...?

Stay tuned!

In love, N ❤️

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