4. Die Neuen.
(Bild von V und E Taehyung)
...
Ich stand vor meinem Spind, um meine Sachen einzuräumen und für den nächsten Kurs auszupacken.
Das Wochenende verging früh und war relativ friedlich. Ungewöhnlich, aber es war okay. So sah ich Jimin früher.
„Schwesterherz. Bitte vergesse nicht, dass unser Haus heute mit Gästen gefüllt sein wird. Sei frühzeitig zu Hause."
Das war Hoseok, der ein Spind weiter wohnte. Zufall würde ich behaupten. Das rechte neben mir, das war noch frei. Das wäre für eines der neuen Schüler bestimmt.
„Ich bin vor fünf da.", knallte ich die Spindtür zu.
Mein Bruder wollte gerade über den Lärm meckern, als ich bemerkte, dass der Gang, in dem ich stand, ruhig wurde. Ich schaute zur Eingangstür, die gerade ins Schloss fiel. Zwei Gesichter betraten den Haupteingang unserer Schule. Es waren ein Junge und ein Mädchen.
Ich versuchte sie ein zu ordnen. Die müssten doch wohl an die Schule gehen, so selbstbewusst, wie die beiden hier durch den Flur schlenderten. Aber, nein. Deren Gesichter sagten mir nichts. Zwei Fremde...
Das Mädchen lief mit gehobener Nase. Wie der Junge, der neben ihr herlief. Beide hatten helle Augen, grüne, um genau zu sein.
Sie besaß ein volleres Gesicht, im Vergleich zu ihm, beide ähnelten sich dafür aber, was der Hautton anging. Sie waren gebräunt. Vermutlich war das der Sonne zu verdanken. Vielleicht war es auch genetisch veranlagt, wer wusste das schon.
Beide hatten volles, dunkelbraunes Haar. Die langen Haare des Mädchen lagen ihr offen und fielen ihr glatt die Schultern hinab. Er hatte auch etwas längeres Haar, wobei er ein Stirnband in rot trug.
Seine Lippen fielen etwas schmaler aus, wobei die von ihr rund und voll waren. Sie hatte sie rot geschminkt.
Kleidungstechnisch waren sie schwarz angezogen, als hätten sie sich abgestimmt. Sie trug einen schulterfreien, dünnen Pullover und er ein T-Shirt, dazu beide eine Jeans, in schwarz wohl bemerkt.
Ihre großen, mandelförmigen Augen verrieten, dass sie keine amerikanischen Wurzeln hatten.
Und dann fiel es mir ein. Die Geschwister!
„Wo können wir die Schulsprecherin finden?", fragte das Mädchen laut, wohl wissend, dass jeder ihr zuhörte.
Ihre Stimme würde ich als recht feminin beschreiben. Frech kaute sie auf einem Kaugummi herum, wartete dabei auf eine Antwort.
Ich hob meine Hand.
„Ich... Bin zufällig die Schulsprecherin.", kam es aus mir.
Beide blickten sie zu mir, als sich ein Grinsen um ihre Lippen spielten. Sie kamen auf direktem Wege auf mich zu.
„Mein Name ist E.", stellte sie sich vor, worauf sie sich ihren Zeige-, Mittel- und Ringfinger ans Auge hielt, sodass sie mit ihren Fingern ein E formte.
Verwundert über ihre kleine Show zog ich die Augenbrauen zusammen. Was? E?
„Und mein Name ist V.", sprach schließlich der Junge das erste Mal, der eine recht tiefe Stimme besaß und machte es seiner Schwester gleich.
Er hielt sich sein Zeige- und Mittelfinger so ans Auge, dass sich ein V zeigen ließ.
Was war denn das für ein Auftritt? Vor der ganzen Schülerschaft? Wollten sie witzig sein?
„Okay", gab ich trocken von mir und ging voraus. „Mir nach."
Ich hielt Ausschau nach einem freien Raum, den ich rechtzeitig entdeckte. Direkt rein, schloss ich die Tür hinter mich, nachdem sie zu zweit eintraten. Ich musste von der Menschenmenge weg und das war mir gelungen.
„Ihr seid die Neuen?", fragte ich und hoffte, sie waren es nicht.
Sie kamen mir recht unsympathisch. Aber... Leider waren sie die Neuen, den der Junge nickte und reckte das Kinn. Wollte er irgendwie sein Revier markieren?
„Ihr seid zwei Stunden zu früh.", gab ich von mir, worauf er die Achseln zuckte.
„Mit einem gelungenem Auftritt holt man sich die Anerkennung und den Ruhm, meine Hübsche."
Ich verzog die Augenbrauen.
„Ah, ja..."
Was waren denn das bitte für merkwürdige Wesen? Ich war verwirrt. War das Absicht? Wurde ich verarscht? Ich hoffte doch sehr...
„Wie ist denn dein Name?", fragte er zwinkernd und ich blickte zu seiner Schwester, die nur gehässig grinste.
„Penelope. Penelope Davis.", antwortete ich noch immer recht verwirrt.
Sein linker Mundwinkel zuckte. Das erkannte ich vom Blickwinkel.
„P wie Prinzessin."
Okay. Das war jetzt zu viel. Ich meinte... Wir kannten uns nicht.
„Charmeur, ja?", fragte ich, worauf er sein Haar zurückstrich, sie aber im nächsten Moment wieder nach vorne fielen.
„Was meinst du?"
Die Klingel ertönte, was bedeutete, dass die Unterrichtsstunde beginnen würde.
„Ich meine, du und ich werden viel Spaß haben.", ging ich voraus.
Ich hoffte dabei, die kamen hinterher und das taten sie.
V, so stellte er sich vor, den hörte ich folgendes fragen.
„Ist das etwa eine Einladung?"
Was für ein großes Mundwerk. Der kannte mich keine fünf Minuten! Der sollte mal ganz schnell wieder runterkommen.
Zum Glück sah ich Jungkook aber auf dem Gang. So musste ich mich nicht mehr mit ihm auseinander setzen. Vor allem... Nicht alleine!
„Hey, JK!"
Er drehte sich zu mir.
„Ha! Dich habe ich gesucht!", zeigte er mit dem Finger in meine Richtung.
Ich wusste auch, weshalb. Wir beide waren schließlich für die neuen Schüler verantwortlich. Wir hätten uns jetzt getroffen, um uns über den heutigen Plan auszutauschen und wer für die beiden verantwortlich sein könnte, zumindest für die erste Woche. Auch hätten wir über weitere Problematiken gesprochen.
Nun...
Das konnten wir jetzt aber nicht mehr.
„Komm.", formte ich mit dem Mund, machte dabei eine Bewegung mit der Hand, die ihm nochmal signalisierte zu kommen.
Er lief über den Flur und hatte uns erreicht. Die Geschwister hinter mir blieben erst einmal noch still.
„Wir wollten uns doch in unserem Büro treffen, oder nicht?"
Ich zeigte mit meinen Augen hinter mich. Zögernd folgte er meinem Blick.
„Das sind die neuen Schüler, Jungkook."
Auf einmal legte Jungkook sein allbekanntes Lächeln drauf. Sein Gesicht fing an zu strahlen. Er streckte erst dem Mädchen die Hand aus.
„Jeon Jungkook, Schulsprecher."
Sie nahm seine Hand entgegen, bevor sie sich über die Lippen leckte.
„E.", sagte sie knapp, als er losließ.
Sie hielt sich wieder merkwürdig die Finger ans Auge, sodass das E zu sehen war, genauso wie V das V.
„V.", lachte er und schlug einfach bei Jungkook ein.
Jungkook wirkte etwas verwundert, als er zu mir sah. Wie ich eben... Aus seinen Augen konnte ich seine Gefühle herauslesen. Diese beiden vor uns, beide hatten einen an der Klatsche. Brachten sicher auch Probleme mit sich...
„Okay", entzog Jungkook seine Hand.
Er fasste sich schnell wieder, klatschte sich dann in die Hände, bevor er weiter ging.
„Ich würd mal sagen, wir stellen euch dann den 11ten Klassen vor."
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Näh.", sagte V und E sprach weiter. „Wir wollen direkt in unsere Klasse."
Als hätten wir uns abgestimmt, sahen Jungkook und ich uns an.
„O-Kay", stammelte er erst.
Ich wollte dazu erst gar nichts sagen. Wenn ich es nämlich täte, käme nichts nettes aus meinem Mund.
Wie unhöflich waren die beiden denn bitte? Das war kaum zu glauben.
„Von mir aus. Aber dann bitte mit euren richtig Namen, ja?"
Das liebte ich an Jungkook. Er sagte geradewegs, was Sache war. Er war keiner, der drum herum redete. Das gehörte zum ehrlich sein, eines seiner guten Charaktereigenschaften. Bedachte man natürlich, dass er gerade keineswegs unhöflich klang, er redete sanft, ruhig und bedacht.
V zuckte mit den Achseln.
„Von uns aus."
Ich nickte.
„Dann kommt."
Wir gingen voraus und nahmen die Treppen nach oben. Wir steuerten direkt auf unsere Klasse zu.
An dieser Schule lebten wir nach dem deutschen Schulsystem, nicht nach dem typischen amerikanischen System. Wir hatten feste Klassen, feste Lehrer und Klassenlehrer. Keine Kurse, die wir belegen mussten. Das lag an unserer Gegend. Auch die Grundschule lebte nach diesem Schulschema.
Wir mussten schließlich in viele Kulturen und Systeme integriert werden...
„Bereit?", fragte Jungkook und beide nickten.
„Immer.", antwortete V schließlich.
Jungkook klopfte erst, bevor er die Tür öffnete.
„Guten Tag, Mr. Coala."
Wir betraten nacheinander das Klassenzimmer, in diesem wir gerade Englischunterricht hatten.
„Ach! Das müssen die neuen Schüler sein. Ich überlasse dann Ihnen das Wort, Mister Jeon und Miss Davis."
Wir bedankten uns beide, als ich das Wort übernahm.
„Liebe Klasse, das sind unsere neuen Schüler...", ich fuhr nicht fort, zeigte aber auf E, damit sie sich vorstellte.
„Eliza Taehyung. Ich werde aber gerne E genannt.", streckte sie der Klasse die Zunge entgegen und präsentierte stolz ihr Markenzeichen.
Das E am Auge. Innerlich rollte ich die Augen. Ich wettete, dass die Klasse dasselbe dachte wie ich und zwar... Dass das einfach nur peinlich war.
„Erzähl doch mehr über dich.", grinste Jungkook freundlich.
Sie nickte.
„Von mir aus"
Gerade stellte sie sich hin und verschränkte ihre Hände ineinander, wobei sie ihre Arme vor sich runter hängen ließ. Als stände sie vor einem Vorsprechen.
„Ich bin siebzehn Jahre alt, lebe bereits seit vierzehn Jahren in Amerika und seit zwei Jahren in New York. Zuvor lebte meine Familie in Texas, Houston. Ich liebe das Cheerleading, das Tanzen und das Zeichnen. Einige meiner Zeichnungen wurden sogar in der Kunsthalle aufgehängt. Nun... Wir wechselten die Schule, mein Bruder und ich, weil wir einen Neuanfang in Erwägung ziehen wollten. Deshalb sind wir hier. Ich hoffe, die Zeit an der Black Bird High wird mich belehren."
Sie verbeugte sich und sah anschließend ihren Bruder an. Dieser verschränkte seine Hände auf den Rücken, stand dazu etwas breitbeiniger. Er grinste.
„Ich heiße V Teahyung", sein Markenzeichen nicht vergessen.
Kurz überlegte ich. Also hieß er tatsächlich V? Oder was? Wieso sah ich eigentlich nicht in seine verdammte Schulakte?
„Ich bin achtzehn Jahre alt. Ursprünglich kommen wir aus Daegu, Südkorea."
„Wuhu!", hörte man einen aus der Klasse rufen.
Beide mussten breit grinsen, als sie das hörten.
Keiner musste sich umdrehen, um nachzusehen, wer das gerufen hatte. Es konnte nur Suga gewesen sein. Kein anderer. Kurz war ich verwirrt. Suga ging doch gar nicht in meine Klasse. Doch dann fiel es mir wieder ein. Es gab eine Abmachung zwischen Suga und dem Schulleiter. Er durfte versuchen sich in der Klasse zu beweisen, erst dann dürfte er wieder fest dazu gehören. Eigentlich war er nämlich in der Parallelklasse. Der Grund dafür, wieso er damals die Klasse wechseln musste, war Hoseok, der meine Klasse ebenfalls besuchte. Das war eines der vielen Bestrafungen. Da er aber zurzeit nicht auffällig wurde, war ja alles in Ordnung.
„Ich spiele Baseball, hoffe von daher, ihr werdet mich in eurer Mannschaft willkommen heißen. Ich boxe, tanze, fechte und zeichne ebenfalls gerne. Wie meine Schwester erwähnte, haben wir die Schule gewechselt, um unsere Vergangenheit an der alten Schule zu vergraben und einen Neustart zu wagen. Wir freuen uns von nun an BBHer genannt werden zu dürfen."
Auch er verbeugte sich.
Interessant. Dass sie viele Hobbys bzw. Interessen hatten, war klar. Wir alle hatten ein breitgefächertes Interesse. Ich ging davon, dass sie aus reichem Hause kamen, denn sonst könnten sie sich die Gegend nicht leisten und schon gar nicht die Schule. Somit waren sie begabt. Das war eine Schlussfolgerung.
„Bitte.", zeigte V auf einen Schüler, der sich meldete.
Ich blickte durch das Klassenzimmer.
„Du gehörst zu den Tears?", war es wieder Suga, den ich nun auch sehen konnte.
Er zeigte dabei auf sein kleines Tattoo unterm Auge, um es eher zu verdeutlichen. Wie bitte? Wieso fragte er das?
Automatisch musste ich V ins Gesicht gesehen. Ich musste schlucken. In der Tat. Die Träne unter seinem linken Auge war zu sehen. Wieso war mir das nicht vorher aufgefallen?
„Richtig.", nickte V und sofort machte er damit seinen Standpunkt klar, ohne mehr dazu gesagt zu haben.
Von nun an wusste jeder, er und seine Schwester waren Tabu. Keiner würde sich mit ihnen anlegen.
Mir fiel das Gespräch mit Suga ein, dass wir am Freitag führten. Kannte er V etwa nicht? Oder wieso erwähnte er ihn nicht? Ich fand dies verwunderlich. Sie müssten sich nämlich kennen, wenn sie in einer Gang waren. Aber wieso fragte er dann nach V's Mitgliedschaft. Die Frage beschäftigte mich nun...
„Okay", fing Jungkook an, als keiner mehr etwas sagte. „Dann dürft ihr euch gerne setzen."
Ich setzte mich auf meinen Platz und konnte sehen, wie Eliza auf mich zu kam. Ich musste die Augenbrauen zusammenziehen. Der Platz neben mir war frei...
„Hey, Sitznachbarin.", grinste sie, bevor sie sich setzte und irgendwie war mir mulmig dabei.
Noch hatte ich ihr nichts abgewinnen können. Sie war merkwürdig.
„Hi.", nuschelte ich bloß.
Ihr fieses Grinsen wurde größer und ich hoffte innig... Ihre Boshaftigkeit hing nicht mit mir zusammen...
...
Da ich gleich zum Cheerleading musste, nahm ich mir meine Kleidung dazu aus meinem Spind. Der Spind neben mir war nicht mehr leer. Es gehörte V. Den sah ich bisher jedoch noch nicht.
Jihyo bekam die Aufgabe, E über unser Schulgelände zu führen und Suga bekam die Aufgabe, V herum zu führen.
Meine Sporttasche hervorgekramt, guckte ich nochmal rein, um sicher zu sein, dass mein Outfit drinnen war. Das war der Fall.
Unsere Outfits waren hellblau, weiß. Bei den Cheerleadern handelte es sich um bauchfreie Pullover, auf denen in der Mitte der Name unsere Schule abgebildet war, das, in weißer Schrift. Untenherum trugen wir weiße Röcke. Unsere Schuhe wiederum waren hellblau. Bei unserem Pompoms waren beide Farben zu sehen. Hellblau und weiß.
Demnach konnte man sich auch denken, wie die Jungs aussehen. Ungefähr genauso, nur dass sie Hoodies und Hosen trugen.
Ich mochte unseren Look. Schließlich machte es uns und die Schule aus...
„Hey.", wurden meine Gedankengänge unterbrochen.
Ich schlug meinen Spind zu, umschlang meinen Beutel mit meinen Armen und lehnte mich gegen meinen eigenen Spind.
Nach nur einem halben Tag, konnte ich diese Stimme bereits zuordnen. Es war die von V. Er hatte die tiefste Stimme in meinem Umfeld.
„Sag mal", sah ich ihm in seine grünen Augen. „Heißt du wirklich V? Deine Akte scheint nicht vollständig zu sein."
Er musste grinsen, als er sich die Hände in seine Hosentaschen stopfte.
„Ich musste etwas Geld raushauen, um meinen Vornamen geheim zu halten. Wieso das Interesse?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ist nur merkwürdig."
Wieso er seinen Vornamen geheim hielt, war mir schleierhaft. Darüber hinweg sehen tat ich trotzdem.
„Ich hörte, das Baseballteam hat heute ein Training?", wechselte er das Thema.
„Ja.", stimmte ich ihm zu.
Er lehnte sich mit seiner linken Schultern an den Spind, um sich etwas zu mir runter zu beugen.
„Ich hörte, du führst mich hin."
Ich musste schmunzeln.
So, so.
Er wollte also mit mir flirten, ja? Wie schade, dass ich nicht wollte, dass er mit mir flirtete.
„Wieso gehst du damit nicht zu Jungkook und lässt dich von ihm führen, hm."
Das war eher eine Aufforderung als eine Bitte.
Doch er? Ich glaubte, ihn einschätzen zu können. Er war Hyunjin sehr ähnlich. Er war ganz klar jemand, der gern flirtete.
Aber für sowas hatte ich nun wirklich keine Zeit und auch keinen Nerv. Zudem war ich auf ernsteres aus.
„Ich mag dich ganz einfach lieber.", sagte er selbstbewusst.
Für mich war das zu viel des Guten. Er war ja bestimmt ganz nett und sowas, nur mochte ich dieses Arschloch-Gehabe nicht. Ich hatte bei Jimin genug davon und damals hatte ich von Suga genug.
Ich hatte keine Lust darauf, weshalb ich mich einfach vom Spind abstützte, den Kopf schüttelte und voraus ging.
Plötzlich aber wurde mein Handgelenk umgriffen, was mich erschrocken hatte. Noch mehr erschrak ich, als ich zurückgezogen wurde.
Es war V, der mich an sich ran drückte. Er musste schmunzeln. Ich begriff schnell, dass er meine Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen wollte.
„Willst du mal ein kleines Geheimnis hören?", raunte er. „Ich mag Herausforderungen wie dich.", biss er sich auf die Unterlippe und ich schubste ihn von mir.
„Gott, jetzt werd mal nicht aufdringlich.", fauchte ich, warf mein Haar zurück und ging an ihm vorbei.
Er dackelte bloß hinterher.
Okay. Jetzt fing er an zu nerven. Ich kannte V gerade mal... Einige Stunden. Was meinte er von sich zu glauben?
Ich war ganz ehrlich. Würde man V mit Jimin ersetzen, hätte ich das jetzt genossen. Seine Nähe und die Tatsache, dass er nach meiner Aufmerksamkeit schrie. Mich berührte... Ja. Mit ihm wäre es deutlich schöner.
„Ich denke, da du dem Cheerleader-Team zugehörst, wirst du mich automatisch hinführen.", lief er mittlerweile neben mich her.
Seine Beine waren auch viel länger im Vergleich zu meinen, somit machte er automatisch größere Schritte. Nerven tat er mich dabei immer noch.
„Ich hoffe, das Team nimmt dich nicht auf.", sagte ich achselzuckend.
Ich erkannte vom Blickwinkel, dass er grinsen musste.
„Natürlich tun sie das. Ich bin ein guter Spieler."
Ich erwiderte darauf nichts, sondern schaute geradeaus zum Sportplatz, auf dem bereits einige Mädels standen. Auch die Jungs stellten sich auf.
Ich bog keine Minute später nach rechts, um in die Sporthalle, die direkt neben dem Sportplatz stand, zu betreten, um mich in diesem umziehen zu können. Aber das Schicksal meinte es heute nicht wirklich gut mit mir. V nämlich aus den Augen verloren, war es E, der ich über den Weg lief.
Ich nahm den einzigen Spind, der noch frei war. Der neben ihr. Ich warf meine Sporttasche auf die Bank hinter mich und öffnete die Spindtür. Ohne einen Gedanken über sie und ihren Bruder zu verschwenden, da ich es wirklich nicht nötig hatte, zog ich mein T-Shirt, wie auch meine Dreiviertelshorts aus, um direkt darauf in mein Cheerleaderkleidung zu hüpfen. Meine Pompoms nahm ich ebenfalls aus meiner Sporttasche, die ich gleich darauf in den Spind warf. Meine Schuhe hatte ich davor rausgenommen.
Ich schloss meine Spindtür ab, setzte mich auf die Bank und versuchte meine Schuhe überzuziehen. Währenddessen zog sich E erst ihr Oberteil an, dass sie vermutlich von Jihyo bekommen hatte. Sie drehte sich zu mir und lächelte, sobald sie es sich über den Kopf zog.
Automatisch fuhr mein Blick an ihr hinab, auf ihren Bauch, da mir etwas schwarzes ins Auge stach. Es war ein Tattoo... Eine Träne... Als hätte es mich wie ein Schlag getroffen, verharrte ich in meiner Position. Das kam jetzt aber unerwartet. War sie etwa ein Tear? Wie ihr Bruder?
Ich war schockiert.
„Du bist... auch ein Tear?", zeigte ich auf ihren Bauch.
Die Frage wollte ich ihr nicht stellen. Sie rutschte mir einfach über die Lippen.
„Natürlich", sie winkte mich zu sich.
Etwas verunsichert und leicht perplex, erhob ich mich. Sie... War ein Tear. Wie schrecklich...
„Ich erzähl dir mal ein kleines Geheimnis", sie kicherte.
Gott, war sie verrückt. Was käme denn jetzt?
Dass sie zu den Tears gehörte, das hatte ich noch nicht einmal verarbeiten können.
Wieso sah ich das eigentlich nicht kommen? E und V waren Geschwister. Meist war das der Fall, dass jüngere Geschwister zu ihren älteren aufsahen und... Das würde ihre Mitgliedschaft bei den Tears erklären.
„Ich bin Suga's Freundin."
Gleich darauf wich sie zurück, bevor sie sich ihre Hände auf dem Mund legte. Sie tat so, als wäre sie schüchtern geworden und kicherte vor sich hin.
Ich war erschrocken. Erschrocken von allem gerade.
„Okay.", schaffte ich es nur zu sagen und lächelte dabei etwas gezwungen.
Sie war Suga's Freundin? Die, die er Freitag noch erwähnte? Wow... Wie klein die Welt doch war.
„Weißt du", winkte sie ab. „Wir haben eine Menge durchgemacht"
Ich schluckte hart, um das Ganze erstmal zu verdauen, bevor ich richtig zu denken begann.
Ganz bestimmt hatten die das. Wieso erzählte sie mir das überhaupt? Wollte sie mir damit irgendwas sagen? Wir kannten uns doch gar nicht.
„Du weißt schon. Bei den Tears ist es immer ganz schön anstrengend. Aber auf dem Internat war es nicht besser."
Ich machte die Augen groß.
Okay, ich erfuhr im Moment mehr als ich wollte... Ich konnte mich gar nicht richtig von der einen Informationen beruhigen, da folgte bereits die Nächste.
Sie war mit Suga auf dem Internat?
„Du? Auf dem Internat mit Suga zusammen?"
Sie nickte und kämmte sich mit den Fingern das Haar.
„Mhm. Und mein Bruder auch."
„V?", machte ich wieder große Augen.
„Jap."
Mit meinem Mund formte ich ein kleines O. Ich wollte gar nicht, dass sie sah, wie sehr mich das erschrak, aber das tat es. Zum einen, weil ich das nicht erwartete. Zum anderen, weil Suga rein gar nichts davon berichtete. Null. Nichts. Er tat ja so, als würde er gar nicht wissen, wer auf unsere Schule wechseln würde. Wieso denn? Wieso machte er das? Wieso erzählte sie mir überhaupt soviel?
Mich überkam ein Unwohlsein.
Wollte er mir eins auswischen? Wollte sie ihren Freund markieren? Ich war über ihn hinweg! Hatte überhaupt gar kein Interesse mehr an Suga. Er war einfach nur jemand, den ich kannte und natürlich viel zu verdanken hatte. Er war ein Freund der Familie. Mehr nicht, wirklich! Und die Sache mit Hoseok? Meine Fresse. Die Sache war lange her. Hoseok selbst dachte vermutlich nicht mal mehr daran.
„Weißt du?", fing sie wieder an, weshalb ich hellhörig wurde. „Er hat viel von dir geredet. Am Anfang zumindest. Deshalb habe ich das Gefühl dich schon so richtig zu kennen", sie lachte laut und ich zwang mich mit ihr zu lachen, obwohl mir nicht danach war.
Mochte ich den Fakt, dass sie mich kannte? Mehr als mir lieb war? Ich wusste nicht ganz recht. Irgendwie ja nicht... Ich gab es nämlich zu. Sie machte mir Angst.
„Ich dachte immer: Wie besonders muss dieses Mädchen gewesen sein, wenn er permanent nur von ihr spricht?"
Sprach er tatsächlich soviel von mir? Ich hoffte, dass es nicht nur schlechtes war...
Sie schüttelte den Kopf.
Wen interessierte es denn jetzt, ob er nur schlechtes erzählte? Fakt war, er sprach von mir. Anscheinend sehr viel. Anscheinend ja so viel, dass Eliza eifersüchtig wurde...
„Aber sieh dich an. Du bist nur Durchschnitt", zuckte sie mit den Achseln und ließ endlich von ihren Haaren ab. „Tjah, kann ja nicht jeder so besonders sein."
Ich hob überrascht sie Augenbrauen, bevor ich meine Arme ineinander verschränkte.
Hörte ich da etwa richtig? Die Tatsache, dass es mich mehr störte, dass sie total viel von sich hielt, sollte mir sorgen machen. Sie erzählte mir schließlich, dass sie ein Tear war. Dass ihr Bruder und sie mit Suga auf dem Internat waren. Dass er mich offensichtlich belog. Dass sie und Suga zusammen waren. Aber, nein. Ihre arrogante Art nervte mich viel mehr als das alles.
„So wie du, meinst du?", fragte ich spottend.
So besonders war sie nicht.
Sie war hübsch, ja. Mehr war dabei aber auch nicht. Gut, so intensiv kannte ich sie dann doch nicht, aber der erste Eindruck zählte, oder? Sie benahm sich wie das letzte Stück Dreck. An ihr war ein scheiß besonders. Jedes Mädchen aus reichem Hause benahm sich, wie sie jetzt.
„Aber klar.", warf sie ihr Haar zurück und grinste, bevor sie ihre Spindtür zu schlug.
Daraufhin ging sie.
Sehr selbstbewusst. Etwas zu sehr, wenn man mich fragte. Ohne, dass sie es durfte. Ich hatte wohl ein weiteres Mädchen auf der Liste, die ich nicht leiden konnte. Ganz klar...
„Natürlich.", hatte ich noch geschnuschelt, als ich hinterher ging.
Noch bevor wir raus waren, sah ich, wie Eliza Jihyo umarmte. Da fielen mir Namjoon's Worte wieder ein. Die beiden kannten sich ja... Woher, fragte ich mich. Auf einem Internat war Jihyo nie und eine Träne auf dem Bauch hatte sie auch nicht.
Apropos.
Das hatte ich total vergessen zu erwähnen. Die Jungen aus der Gruppe der Tears, sie hatten eine Träne unter ihrem linken Auge, während die Mädchen dieses auf dem Bauch tätowiert bekamen.
Wieso auch immer.
Jihyo war kein Tear. Vielleicht kannten sich ihre Familien...
Wieso interessierte es mich überhaupt so sehr?
Das Training lief relativ ruhig ab. Die Mädels ließen mich in Frieden und die Jungs trainierten etwas entfernter.
Wir überlegten uns eine Choreografie für den Wettbewerb, der bald anstand. Die Jungs hatten ebenso ein Spiel, dass anstand. Nächste Woche oder so... Den Termin hatte ich jetzt nicht wirklich im Kopf.
Jedenfalls ging es schneller zu Ende, als ich dachte.
Ich hatte wie so oft keine Lust mich umziehen. Hatte keiner. Es war sowieso total heiß, also war es okay, in Cheerleaderkleidung herum zu laufen.
Ich ging zu Fuß nach Hause, also dauerte es länger, bis ich ankam. Ich hätte auch Namjoon fragen können, ob er mich fuhr, oder hätte ich bei V einsteigen können, der es mir angeboten hatte. Aber ich hatte Lust zu gehen.
Ich wollte mich nämlich ablenken.
Irgendwie war ich nicht so gut drauf. Das alles nervte mich. Eliza, nein, ich meine... Sie nannte man ja E...
Ich rollte die Augen.
Und V, aber auch Suga! Sie nervten mich.
Ich seufzte und warf meinen Kopf in den Nacken.
Wieso machte ich mir überhaupt Gedanken?
Ihr müsst wissen, ich war ein Profi darin, Gedanken zu verdrängen und die Dinge positiv anzugehen. Ich hasste negatives Denken. Also ließ ich es. Ich würde das nämlich alles schon hinkriegen. Wie immer.
Dass ich Jimin heute kaum sah, weil ich dazu nicht kam, das würde auch schon wieder werden. Ebenso, dass wir heute verdammt nochmal Besuch erwarteten. All dies, das würde schon wieder werden. Positives Denken, das sorgte automatisch für positive Energie und positive Gefühle. Man fühlte sich ganz einfach plötzlich besser, weil man es sich selbst einredete und auch daran glaubte.
Fröhlich über meine eigene Psychologie, schlenderte ich durch die Gegend. Ich kam in meiner Straße an, hatte aber den blöden Nachbarshund vergessen. Wie hieß der nach gleich? Yeontan?
Der fing an wie ein wilder zu bellen, als er mich erblickte. Wie ein verrücktes, besessenes Wesen sprang er an den Zaun. Zum Glück gab es den Zaun... Gäbe es den nicht, wusste ich, er wäre auf mich zu gerannt und hätte mich in tausend Teile zerfetzt.
In kleinen schritten tapste ich am Vorhof des Hauses vorbei, um dann meinen Vorhof zu erreichen.
„Blöder Köter.", zischte ich.
Wieso hasste der mich denn? Ich musste schmollen.
Ich sah, wie sich die Tür des Hauses öffnete. Der Halter des Hundes wollte sicherlich nachsehen, warum sein Hund so laut war.
Meine Kinnlade kippte, als ich sah, wer den Vorhof betrat, um seinen Hund zu erreichen.
„Oh, hey.", grinste er mich an.
Er kam auf den Zaun zu, worauf Yeontan direkt verstummte.
V? V?! Das war... V? Er... Er war mein Nachbar?
Ich schloss den Mund, bevor ich hart schluckte.
Ich schaute zu, wie er sich zu seinem Hund beugte, der auf seinen Arm sprang. Er war friedlich geworden, als hätte er niemals zuvor gebellt...
Das konnte nicht wahr sein... Der Hund... Lebte über ein Jahr hier. Hasste mich bereits... So lange. Ich hatte V oder E noch nie auf dem Grundstück gesehen, aber offensichtlich... Waren wir Nachbarn. Offensichtlich... Waren sie die Besitzer von Yeontan.
„Ist was, meine Hübsche?", hob V interessiert eine Augenbraue.
Ich schüttelte hektisch den Kopf, bevor ich einfach kehrt machte.
Ich musste hier weg.
Weg von ihm.
Von ihm und seinem Hund.
Ich musste weg und die Information verarbeiten, dass... Dass es V und E waren, die neben mir wohnten...
———
Ohhhhkay. V und Eliza. Und Suga...
Wie sind eure Eindrücke? Teilt sie mir gerne mit!
Was meint ihr? Ist das Drama nicht schon vorprogrammiert? 😂 Was sagt ihr?
Stay Tuned, N xX.
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