(Bild von Eliza Taehyung)
...
„Du hast dich in sie verliebt."
Diesen Satz auszusprechen, das fiel mir schwer. Denn... Ich wollte es nicht glauben. Ich wollte einfach nicht glauben, dass sich mein Bruder in... Diese Schlange verliebte!
All meine Vermutungen... Sie hatten sich bestätigt. Hoseok war in Eliza verliebt, nur deshalb verhielt er sich eben so, wie er es tat. Die Liebe war der Grund für seine ständige Kontaktsuche bezüglich Eliza. Er liebte sie...
Sein gesenkter Kopf bestätigte all dies nur noch ein weiteres Mal.
Hoseok liebte Eliza...
„Ja", hatte er es zugegeben. „Leider... Ja. Ich liebe sie..."
Einen tiefen Atemzug nahm er. Einen, der für weitere Erklärungen sprach.
Auf der einen Seite... Verlangte ich diese Erklärung. Andererseits dachte ich... Wieso wollte er sich verteidigen? Für etwas, wofür er einfach nichts konnte? Die Liebe fiel nun mal dahin, wo sie hinfallen wollte. Als hätte ich mir je ausgesucht, wen mein Herz gehören sollte... Sowas passierte einfach. Unkontrolliert. Ungewünscht. Unerwartet...
Dennoch hielt ich ihn nicht davon ab, weiter zu sprechen.
„Ich habe es wirklich versucht zu verdrängen. Aber... Wenn ich bei ihr bin, fühle ich dieses Gefühl"
Hoseok sah mich nicht an, vermutlich, weil er sich für seine Gefühle schämte.
Brauchte er das? Musste er sich dafür schämen? Für seine Gefühle?
Eigentlich ja nicht...
Er blickte noch immer auf unsere Hände hinab. Mittlerweile hielt er meine Hände in seiner und spielte mit meinem Handrücken. Er tat alles, um nicht hochzusehen, sah dabei aber auch so nachdenklich aus.
„Sie gibt mir das Gefühl, dass ich einfach ich sein darf. Ich muss mich nicht verstellen... Ich darf laut bzw. unerwartet loslachen. Ich darf auch mal über mein Sprach- oder Essverhalten wegsehen. Ich kann mit ihr über alles reden und weiß dabei, sie hört mir zu. Auch sie redet mit mir, ohne dass jemand sie dazu zwing. Sie öffnet sich mir, weil sie das so möchte. Unsere Treffen sind keine gezwungenen... Sie macht mich lockerer, habe ich das Gefühl. Ich liebe es, wenn sie Späße macht, wenn sie lacht, wenn sie mich herausfordert, wenn sie mich in Aktion bringt, wenn sie mich berührt. Ich liebe es einfach, wenn sie bei mir ist. Es fühlt sich richtig an..."
Ich musste hart schlucken.
Jetzt machte er ihr auch noch eine Liebeserklärung, dachte ich...
Wie lange lief denn das schon mit den beiden? Empfand er etwa solch tiefe Gefühle für sie?
Das schockierte mich. Zumindest im ersten Moment... Denn... Wenn ich darüber nachdachte... Wieso erschrak es mich eigentlich? War das nicht etwas, was ich bereits vermutete? Auch, wenn ich nicht verstand, was er Gutes in ihr sah? Er tat es nun mal einfach. Das musste ich als Schwester akzeptieren.
Aber das war nicht einmal das, was den Sinneswandel in mir hervorrief.
Sie machte ihn anscheinend glücklich. Das war es... Mein Bruder sagte, er durfte in ihrer Gegenwart er sein. Das war eigentlich alles, was ich hören musste.
Das schlechte Gewissen überkam mich. Nur... Wieso fühlte ich mich jetzt schlecht?
Ach, ja...
Ich war der Grund, weshalb Hoseok nun eine Entscheidung treffen musste. Eigentlich fiel seine Entscheidung bereits. Er wollte sich von Eliza fernhalten. Für mich...
„Ich habe bemerkt, dass sie dich verändert.", sprach ich und es klang wie ein Flüstern.
Aber Hoseok hatte es gehört, denn er schüttelte sachte den Kopf.
„Nein, Schwesterherz", schlich sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen, welches direkt wieder fiel. „Sie verändert mich nicht. Sie zeigt mir nur, dass ich so sein kann, wie ich es will..."
Gleichzeitig sahen wir auf, sobald er seinen Satz zu Ende sprach. Seine Worte durchbohrten mein Herz. Er durfte sein, wer er sein wollte... Denn zu Hause... Durfte er das nicht sein. Keiner von uns beiden durfte das. Natürlich war es dann sein sehnlichster Wunsch, dies eines Tages zu dürfen. Nun konnte er das bei einer Frau sein, die er so gern mochte. Wie hätte ich ihn da nicht verstehen können?
Ich konnte sehen, dass er hart schluckte. Seine Hände schwitzten.
Ein Gefühl sagte mir, er hatte alles in sich reingefressen- so, wie er es immer tat. Er bekam heute die Chance mit mir zu sprechen. Dabei verlangte er Verständnis für seine Gefühle und ein Glück war ich in der Lage dazu, ihn zu verstehen.
Ich würde es immer, wenn ich ihn dadurch ein wenig glücklicher sehen könnte. So gebrochen, wie er es nämlich war, waren es andere in meinem Umfeld einfach nicht. Hoseok verdiente die Welt. Auch, wenn das bedeutete, dass ich seine Gefühle für Eliza akzeptieren musste. Egal, wie schwer mir das fallen würde.
„Verstehst du mich, Penelope?", fragte er ruhig. „Die Tatsache, dass ich neben ihr nicht den perfekten Jungen spielen muss, um es zu sein?"
Ich blinzelte, bevor sich ein sanftes Lächeln über meine Lippen legte. Ausgeatmet, zog ich meine Hand aus seiner, um sie auf seiner Wange abzulegen.
„Hey. Natürlich verstehe ich das.", sprach ich verständnisvoll und strich über seine Wange, bevor ich meine Hand wieder fallen ließ.
Seine Augen verließen meine dabei nicht.
Hoseok glaubte, ich würde nur das sehen, was er der Welt zeigte. Aber das stimmte nicht. Dafür kannte ich ihn viel zu gut. Dafür hatte ich ihn zu oft weinen sehen...
Er war zwar perfekt, ja. Nur war das dieses Perfekt-sein, wie es die Gesellschaft von uns erwartete. Die Art, wie er sich zeigte... Die war nicht seine wahre Persönlichkeit. Ich konnte sehen, welchen Kampf er führte, wobei er mich den kämpfenden Hoseok nur in den seltensten Situationen sehen ließ. Denn... Er dachte, dass er das nicht dürfte. Hoseok glaubte, er sei dieser Familie etwas schuldig. Nur deshalb benahm er sich wie ein Musterknabe. Das alles wusste ich, ohne je darüber nachgedacht zu haben oder es laut ausgesprochen zu haben. Ich kannte meinen Bruder nämlich. So, wie er mich kannte.
„Ich bin dankbar für das, was ich lernen durfte. Ich werde dir, Mutter und Vater ewig dafür danken, aber... Dieses Leben... Das Leben, welches wir leben...", suchte mein Bruder nach den richtigen Worten.
„Ist ein hartes Leben. Hobi, ich weiß das.", vollendete ich seinen Satz.
Noch nie... Noch nie hatten Hoseok und ich soviel am Stück geredet und noch nie waren wir so ehrlich miteinander. Dabei war egal, wie oft wir gemeinsam weinten oder mit Flecken, sowie Prellungen zu Bett gingen. Wir führten noch nie solch ein intimes Gespräch. Ich wusste nicht einmal weshalb, aber so war es.
Heute konnte vom ersten Mal gesprochen werden. Zum ersten Mal öffneten wir uns einander. Er erzählte mir von seinen Gefühlen und ich ihm indirekt von meinen, wobei ich wusste, ich könnte ihm stets alles erzählen. Er würde mir zuhören.
Ganz egal, mit wie vielen Leuten ich doch zutun hatte... Es gab Themen, die wollte ich einfach nicht mit jedem besprechen. Hoseok war der einzige, bei dem ich es gewollt hätte. Vor allem, wenn es um unsere Familie ging... Den Schmerz, den ich in Bezug auf das Haus, in dem ich lebte, verspürte, den würde nämlich keiner nachvollziehen können. Da waren mein Bruder und ich alleine. Nur zu zweit, da konnten wir die Einsamkeit bekämpfen...
„Ich kann das nicht mehr, Penelope...", sprach er ehrlich zu mir. „Ich kann die Rolle des perfekten Hoseok Davis nicht mehr spielen."
Seine Worte rissen mein Herz in mehrere Teile. Einfach, weil sie schwer wogen. Sie beinhalteten soviel Ehrlichkeit, wobei hinzu kam, dass ich ihn verstand, da wir aus dem selben Haushalt kamen.
Nur leider ließ sich nichts ändern, solang wir den Nachnamen Davis trugen. Es würde sich niemals ändern. Das wussten wir beide, so traurig das auch klang. Wir waren verdammt dazu, dieses Leben zu führen.
Somit konnte ich nichts weiter tun, als meine Arme zu breiten. Als hätten wir uns abgesprochen, legten sich Hoseoks Hände um meinen Oberkörper. Er ging auf meine Einladung ein, weil er eine Umarmung mindestens genauso nötig hatte, wie ich.
Ich musste tief ein- und wieder ausatmen. Genauso wie er...
Den Kinn auf seiner Schulter gestützt, tat er's mir gleich. Ich strich ihm über den Rücken.
„Was machen wir denn jetzt?", fragte ich kleinlaut.
Sein Herz schlug kräftig gegen meine Brust, als er sich meine Worte durch den Kopf gehen ließ. Das Herzklopfen hörte sich nicht gesund an und ich wünschte mir, dass er sich keine Sorgen mehr machen müsste.
Ach... Was ich alles dafür getan hätte, damit mein geliebter Bruder nicht mehr litt.
„Sie werden mich vernichten wollen, indem sie dich vernichten", sagte er.
Ich biss mir auf die Unterlippe, weil mich seine Worte berührten.
Ich wusste schon immer, dass ich Hoseok viel bedeutete... Doch, dass ich sein wunder Punkt war, das hätte ich nicht geglaubt. Ich dachte, er würde sich immer über mich stellen. Das Gegenteil zu hören, wog in meiner Brust schwer.
„Das lasse ich nicht zu, Penelope. Ich lasse nicht zu, dass dein Leben darunter leidet. Ich soll mich von Eliza fern halten? Fein. Es wird nicht einfach, aber es ist möglich. Ich werde das machen. Für dich. Für dich und mich. Für uns beide."
Nun traten mir die Tränen in die Augen. Vorsichtig zog ich mich aus unserer Umarmung, um in seine ehrlichen Augen zu sehen. Er hatte es ernst gemeint.
Hoseok entschied sich für gegen etwas, was er wollte, um mich zu schützen. Ja... Das war es. Mein Bruder stellte mich über ihn.
Mein Körper stand aufgrund der Erkenntnis in Flammen.
Ich meinte... Natürlich liebte mich Hoseok und auch wusste ich, dass er sich immer für die Familie entscheiden würde. Aber... Sein Wohl stand stets über das der anderen bzw. über meins. Ich dachte... Das lag an der Tatsache, dass wir nicht Blutsverwandte waren, wobei das nie für mich galt. Ich würde Hoseok jeden Tag bei stehen, egal worum es ging. Er bewies mir heute, dass er das auch für mich tun würde. Ich bekam endlich die Bestätigung, dass er und ich kein Blut benötigten, um aus reiner Liebe für den anderen einzustecken.
Nur kamen wir jetzt zur Frage... Wollte ich, dass er für mich einsteckte und zurücktrat? Wollte ich das? Sollte Hoseok auf Eliza verzichten, die seine wahre Persönlichkeit entfalten konnte? Wie könnte ich ihn denn je darum bitten auf etwas zu verzichten, das ihn glücklich machte? Etwas, wonach er sich sehnte? Was wäre ich dann bloß für eine Schwester?
Ich atmete aus.
Ich wäre dann nicht nur die schlechteste Schwester dieser Welt, nein. Ich wäre der egoistischste Mensch, der existierte. Und diesen Titel? Den wollte ich einfach nicht tragen.
„Hast du Angst vor ihnen?", fragte ich wie aus dem Kontext gerissen.
Er musste nicht einmal überlegen, da schüttelte Hoseok mit dem Kopf.
„Nein. Ich habe nur Angst um dich."
Innerlich musste ich schmunzeln. Nicht, weil die Situation witzig war, nein. Ich beobachtete nämlich eine Entwicklung. Mein Bruder war furchtlos geworden. Er war nicht mehr der kleine, unschuldige Junge von früher. Er hatte sich verändert. Er wurde stärker und selbstbewusster.
„Okay", ich zuckte die Achseln. „Triff dich weiter mit ihr. Sollen die doch posten, was sie wollen."
Plötzlich fiel mir die Entscheidung nicht mehr so schwer und die Konsequenz wurde mir egal.
Suga war mir egal. V war mir egal. Die Tears waren mir egal.
Mir ging es nur noch um die Gefühle meines Bruders. Mir ging es um meinen Wunsch. Den Wunsch, ihn endlich glücklicher zu sehen.
„Hast du nicht gehört?", weitete er die Augen
„Hast du etwa nicht?", stellte ich ihm eine Gegenfrage. „Mir ist egal, was sie tun."
Hoseok würde jetzt zwar denken, ich hätte den Verstand verloren, weil ich so knallhart klang. Aber ich meinte ernst, was ich da von mir gab. Ich wollte nicht mehr, dass irgendwer die Kontrolle über uns bekam. Er sollte lieben, wen er wollte und mir sollte egal werden, was andere von mir dachten. Punkt.
„Wie kannst du das sagen? Denk doch bitte an dich. Vater. Mutter...", versuchte er mir einzureden.
Bloß konnte meine Meinung nicht mehr geändert werden.
Jetzt mal im Ernst.
Angenommen, die Fotos würden veröffentlicht werden. Wie lange würde man darüber reden? Einen Monat? Und wer sagte, dass meine Eltern sie sehen würden? Vielleicht bliebe es ja nur unter den Jugendlichen.
Aber mein Bruder? Wer garantierte denn, dass er jemals wieder ein Mädchen treffen würde, bei diesem er dieselben Gefühle beschreiben könnte, wie er es bei Eliza tat? Genau. Niemand konnte es garantieren.
Ich wollte und konnte ihm deshalb nicht im Wege stehen. Ich konnte es einfach nicht riskieren.
„Weißt du was, Brüderchen"
Ich erhob mich. Er sah mich weiterhin mit großen Augen an. So, als hätte ich sie nicht mehr alle. Wie ich bereits dachte.
„Tu morgen einfach so, als wäre nichts gewesen. Mach weiter mit Eliza, wie vorher auch. Triff dich mit ihr, rede mit ihr, verbringt Zeit zusammen. Und die beiden Tears? Lass die mal mein Problem sein. Ich mach das schon."
Hoseok blinzelte verdattert.
„P, du drehst gerade durch."
Das meinte er zu glauben. Ich war mir aber sicher, ich tat das Richtige.
„Vertrau mir, Hobi"
Ich war optimistisch. Wie immer.
„Das wird schon gut werden."
***
Ich stand vor meinem Spind, während ich meine Schulsachen umtauschte. Dabei musste ich an gestern denken...
Nach dem Gespräch mit Hoseok ließ mich das Thema mit Suga und V bzw. den Fotos noch nicht ganz los. Auch wenn ich mich für das richtige entschied, wissend, ich werde meine Meinung nicht ändern, hatte ich noch immer Angst. Angst, dass sich die Fotos veröffentlichten.
Insgeheim fragte ich mich... Konnte Suga mir sowas wirklich antun? Meinen Ruf riskieren und Gerüchte über mich herfallen lassen? Würde er meine Familie auf mich hetzen?
Dachte er an all die Dinge und würde diesen Schritt dennoch wagen? Eine Seite in mir, die flüsterte, dass ich ihm vertrauen sollte, denn er würde mir sowas niemals antun. Eine andere Stimme in mir sagte jedoch, er hätte meinem Bruder nicht gedroht, hätte er es nicht so gemeint.
Kurz gesagt... Ich war ihm wohl egal. Eine Sache, die ich offen gesagt erwartete. Nach soviel Zeit, die vergangen war, hinzukommend eine hinterhältige, manipulative Freundin an seiner Seite stand und das Leben als Tear, welches nicht ignoriert werden durfte, war es klar, dass er mir nicht loyal sein konnte.
Die Erkenntnis... Nein. Die Wahrheit! Die machte mich traurig.
Noch trauriger machte mich V, der Suga dabei mit vollstem Körpereinsatz unterstützte und wohl kein schlechtes Gewissen besaß. Das, während ich ihm ja ach so viel bedeutete- Blödsinn!
Sie waren beide bei mir unten durch. Ich hatte es satt. Suga, sowie V, beide würden noch sehen, was es bedeutete, wenn sie mich wütend machten.
„Hallo, meine Schöne...", hörte ich eine tiefe Stimme neben mir sprechen.
Die Stimme, die zu dem Mann gehörte, dessen Spind direkt neben meinem ruhte und der, wegen dem ich mir bis eben noch den Kopf zerbrach. Unter anderem zumindest... Es war V.
Innerlich rollte ich die Augen. Natürlich lief ich dem heute noch über den Weg. Wir besuchten schlussendlich die selbe Schule. Wie es mich ankotzte!
Doch ich ignorierte ihn einfach. Wie geplant eben.
Daher schlug ich bloß die Spindtür zu, bevor ich meine Bücher umfasste und so tat, als hätte ich ihn nicht gehört.
Das ließ ihn auf der Stelle die Augenbrauen zusammenziehen.
„Was? Kriege ich keinen Gruß zurück?"
Ignorant nahm ich mein Handy hervor, um so zutun, als hätte ich eine Nachricht erhalten, die meine Aufmerksamkeit mehr verdiente. Das ließ V auflachen.
„Sind wir etwa witzig?"
Während ich durch die Flure schlenderte, mit dem Handy in der Hand, dackelte er mir natürlich hinterher. Er konnte ja auch nie locker lassen...
„Alter", meldete er sich wieder zu Wort. „Wieso ignorierst du mich? Oder bin ich unsichtbar und weiß das nicht?", befummelte er sich, dabei wollte er witzig sein.
Mir war aber so gar nicht nach lachen. Also tat ich es auch nicht, selbst wenn er verspielt kicherte. Klar kicherte er. Das alles war für ihn ja auch bloß ein Witz.
Mal im Ernst. Hatte ich da nicht recht?
„Penelope?"
Auf einmal sah ich nur noch ein Gesicht, welches vor meinem Handybildschirm auftauchte. Ich wich erschrocken zurück, weil ich das wirklich nicht kommen sah, bevor ich einfach mein Handy einsteckte und wieder so tat, als wäre nichts gewesen.
Spätestens jetzt wusste unser Hübschling, dass ich tatsächlich ein Problem mit ihm hatte.
„Hallo", kam es ungläubig von ihm. „Sind wir jetzt wieder so zickig, wie in den ersten zwei Tagen, wo wir uns gerade erst kennengelernt haben, oder wie?", fragte er und ich ignorierte ihn weiterhin.
Lange machte er mein Spiel aber nicht mehr mit. Das bewies er, indem er sein Tempo beschleunigte, um mich einzuholen und schließlich vor mir stehen zu bleiben. So, dass ich es leider auch tun musste. Ich musste stehen bleiben.
Augenrollend, verschränkte ich die Arme vor der Brust.
„Man, Penelope. Hör auf mich zu ignorieren. Ich mag das nicht."
Ich zuckte als Antwort bloß die Achseln, worauf ich einfach an ihm vorbei ging.
So ernst hatte ich es mit dem Ignorieren gemeint. Genau genau...
„Bitte, was?!", hörte ich ihn überrascht fragen, blieb für ihn aber nicht wieder stehen.
Ich wusste gar nicht, wie ich es beschreiben sollte... Ich sehnte mich nicht einmal danach, stehen zu bleiben, um das mit ihm zu klären. V wirkte plötzlich so abstoßend auf mich.
Mir war klar, dass er zwar nicht viel getan hatte, außer auf Suga's Seite zu stehen. Aus irgendeinem Grund machte mich aber genau das so traurig. Außerdem... Sprach das nicht schon für sich? Für V und wie er in Bezug auf mich seine Meinungen bildete?
Er hatte mich einfach enttäuscht. Enttäuscht, weil ich das von ihm nicht erwartete.
„Penelope, jetzt mach mich nicht wütend", lief er mittlerweile wieder neben mir her.
Oh. Ich wurde den ja immer noch nicht los. Was fürn Mist. Leider war er ein Naturtalent darin, so nervig und anhänglich zu sein...
„So, das reicht.", wurde ich auf einmal am Handgelenk gepackt und umher gewirbelt.
In der ersten Sekunde überraschte mich seine Berührung, doch dann... Ich erinnerte mich dann daran, dass er mit Suga befreundet war und dadurch konnte ich das ganz gut handhaben.
Tonlos wollte ich mich wieder entreißen, so, wie ich es früher gerne tat, wenn Suga mich packte... Aber V hielt mich zu fest im Griff. Aus diesem Grunde versuchte ich mich loszureißen- hoffnungslos.
Das machte mich schon wieder so wütend. Vor allem, weil er mich dabei nur dumm anzustarren meinte!
„Lass los!", knurrte ich.
Erst dann ließ er ganz plötzlich ab.
Besser für ihn! Sonst hätte ich ihm vermutlich noch eine rein gehauen.
„Ah, sieh an. Es kann sprechen?"
Ich schnaubte auf.
„V, verzieh dich. Ich habe gerade echt keine Lust darauf, mich jetzt irgendwie mit dir auseinanderzusetzen."
Total geladen, da blickte ich zu ihm auf, während er nur unschuldig die Arme aufwarf.
„Warum? Was habe ich denn getan?"
Ich öffnete den Mund, um zu reden, beließ es aber dann doch dabei. Erschöpft winkte ich einfach nur ab, bevor ich wieder kehrt machte.
Doch V... Er wäre nicht V, wenn er nicht hinterher gekommen wäre, oder?
„Alter. P. Wenn du jetzt nicht stehen bleibst und mit mir redest, schwöre ich dir, ich trage dich vor aller Augen aus der Schule, werfe dich in mein Auto und lasse dich erst wieder raus, wenn du mit mir geredet hast!", atmete er schwer aus, als er noch immer neben mir herlief. „Die Entscheidung liegt ganz bei dir."
Ich musste auflachen. Ironisch natürlich...
Entscheidung? Er wollte mir gerade sagen, dass er mir eine Wahl ließ?
Typen und ihre Gehirne... Moment mal. Gehirne? Welche Gehirne?!
„Dann schreie ich.", sagte ich bloß.
„Mir doch egal", fing er an zu grinsen. „Schrei so laut, wie du willst..."
Was gab es da denn jetzt zu grinsen?! Boa, wie sauer er mich machte! Dachte er, nur weil er ein Tear war, durfte er sich alles erlauben? Er konnte mich mal!
Ich stieß aufgebracht die Luft aus meiner Nase, schwieg aber weiterhin.
Er wollte mir drohen? Sollte er! Er sollte sich trauen. Seine Worte waren doch sowieso nicht ernst gemeint.
Das dachte ich zumindest...
„Wie du willst. Ich hatte dich gewarnt.", schnaubte er.
Mit angespannter Miene lief ich weiter durch die Gänge, bevor sich unerwartet zwei kräftige Arme um mein Körper schlangen. Ich atmete erschrocken auf.
Ach du Schreck! Er hatte es ernst gemeint! V wollte-
Ich schrie auf, als ich im nächsten Moment über seine Schulter geworfen wurde. Meine Schulsachen fielen auf der Stelle zu Boden, weil ich sie natürlich nicht mehr halten konnte. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen, sah ich meinen Sachen hinterher.
Aber ihm war das eiskalt egal. V trug mich gerade auf seiner Schulter und hielt hier sein Wort, während ich entsetzt feststellen musste, dass mich das gerade allen ernstes überforderte.
„V!", wackelte ich mit den Beinen, in der Hoffnung, er würde mich dann loslassen.
Doch sein Griff war fest und ignorieren tat er meine Bewegungen auch.
„Hallo! Unsere Sachen!", versuchte ich es weiterhin, da ging er bereits voraus.
Er bog um die Ecke. Um die Ecke, die nach draußen führte.
„Keiner wird uns unsere Schulsachen klauen, Penelope. Keine Sorge."
Meine Kinnlade kippte.
Ihm war ja gerade wirklich alles scheißegal. Dabei hatte er kein Recht zu dem hier! Mich hier über seine Schulter zu werfen, dazu besaß er einfach nicht das Recht.
„Lass mich los!", rief ich, dabei spürte ich die Blicke der anderen auf uns. „V! Lass mich gefälligst los, habe ich gesagt!"
Ich ballte meine Hand zu einer Faust, als ich begann ihm weh zutun, indem ich auf seinen Rücken einschlug. Nur tat er auf desinteressiert. Meine Schläge schienen nicht fest genug zu sein, damit er von mir abließ.
Ich verfluchte das männliche Geschlecht gerade, wie ich es noch nie tat.
V hielt sich an sein Wort und blieb stur. Er trug mich nicht nur bis zu seinem Wagen, nein. Er ließ mich auch fallen, nur damit er mich im nächsten Moment in sein Auto drängte.
„Du Arschloch!", schrie ich, da hatte er mich einfach weiter in den Wagen gedrückt.
Daraufhin stieg er mit ein. Noch bevor ich nach dem Türgriff des Autos greifen konnte, sperrte er bereits jeglichen Zugang nach draußen.
Ich knurrte, bevor ich mit wütendem Gesicht zu ihm sah. Wütend war untertrieben! Ich wollte ihm am liebsten die Augen auskratzen!
„Rede", verschränkte er bockig die Arme vor der Brust. „Na los."
So bekam er also immer seinen Willen, ja? Indem er andere zu etwas drängte? Er konnte mich mal. Wenn ich nicht mit ihm reden wollte, wollte ich mit ihm nicht reden. Punkt.
Wie er es tat, verschränkte ich die Arme ineinander.
Ich suchte den Blick in seinen Augen, worauf wir uns beide einen Blickduell lieferten. V's Augen schienen verlangend und sein Blick intensiv.
Er wollte wirklich wissen, wieso ich so wütend auf ihn war. Als könnte er es sich nicht denken.
Naja. Typen waren für ihre Klugheit bezüglich Frauen auch nicht wirklich bekannt.
„Penelope, rede.", wiederholte er sich ernst.
Mein Kinn gereckt, leckte ich mir über die Lippen.
Was? Wollte er es wirklich wissen? Vielleicht sollte ich ihm tatsächlich mal sagen, warum ich so angepisst war. Einfach, damit er genau wusste, mit wen er sich hier anlegte.
Aber ich machte es ihm dabei niemals einfach. Ich meinte... Seit wann war ich denn bitte einfach gewesen?
„Willst du mir nicht was sagen, V?", fragte ich also das erste mal vernünftig, in einem ruhigen Ton, seit wir heute die ersten Worte wechselten.
Er verengte die Augen, als ich das fragte. Die Falten auf seiner Stirn sagten mir, dass er nicht direkt wusste, worüber ich sprach. Für einen Moment fragte ich mich, ob das wirklich so sein könnte. Doch dann dachte ich an meinen Bruder und daran, dass er das Lügen nicht nötig hatte.
„Nein?", hob ich eine Augenbraue.
Er schüttelte den Kopf.
„Ach?", ich lehnte mich zurück, wobei ich einen Finger an mein Kinn legte. „Dann helfe ich dir doch besser mal auf die Sprünge."
Er gestikulierte.
„Gerne."
Meine Arme verschränkte ich wieder ineinander.
„Okay. Ein Schlagwort", ich nickte. „Mein Bruder."
Ich fokussierte sein Gesicht und beobachtete jeden Muskel in seinem Gesicht. Ich wollte wissen, ob er eine Reaktion zeigte, an der ich erkennen würde, dass ich ihn auf frische Tat ertappte.
Doch nichts. V zog nur die Augenbrauen zusammen. Hätte ich mir eigentlich denken können.
„Dein Bruder? Hoseok?", harkte er nach.
„Wer denn sonst?", neigte ich den Kopf.
Er öffnete fragend die Hand.
Wollte er irgendwie die Zeit hinaus zögern oder was genau war seine Mission?
„Ich weiß nicht, was du jetzt von mir hören willst?"
Wow.
Das wars? Das war alles, was er dazu zu sagen hatte?
Wie wütend mich das schon wieder machte. Hinzu kam, dass mein Geduldsfaden allmählich riss, für die ich nie bekannt war.
„Wenn du damit jetzt nicht rausrückst, schlage ich deine Fensterscheibe ein.", drohte ich ihm ganz klar.
V sollte wissen, dass ich das ernst meinte. Ich meinte es sogar todernst. Ich wollte Antworten, ansonsten müsste er mit seinem Auto zur Werkstatt. Soviel stand fest.
„Du sagst mir, dass ich dir irgendwas von deinem Bruder sagen soll. Kannst du präziser werden? Wovon sprichst du denn?"
„Gestern Nacht, Idiot.", knirschte ich mit den Zähnen.
Da öffneten sich seine Augen leicht. Nun lehnte er sich zurück. Ich sah, dass er hart schluckte und sich einmal durchs Haar fuhr.
Endlich erkannte ich mal eine Reaktion von seiner Seite aus. Eine, die mir eindeutig bestätigte, dass er das ganze Spiel bis eben nur spielte, weil er hoffte, ich wusste nicht, wovon er sprach.
Pech gehabt, würde ich mal behaupten. Ich wusste alles.
„Gestern Nacht also...", er spitzte seine Lippen. „Ich habe nichts getan, wenn du das wissen willst."
Ironisch beeindruckt nickte ich und musste meine Lippen demnach formen.
„Mehr sagst du dazu nicht?", fragte ich, dabei gab ich zu, dass mich seine Antwort schon enttäuschte.
Bedeutete ich den Jungs wirklich so wenig? Lag ihnen nichts an mir oder an Hoseok? Was war denn nur in sie gefahren?
„Ja, was denn?!", schoss es aus ihm, als er den Arm aufwarf. „Meine Fresse, okay. Suga und er haben sich ein bisschen angezickt, wie immer halt. Ich unterstützte Suga dabei. Das hat aber nichts mit dir oder Hoseok zutun. Das ist eben das Gesetz eines Tears."
Nicht. Das. Jetzt kam er mir mit dem Tear Ding? Mit Ausreden, die ich nicht hören wollte?
Die Beziehung früher, die ich zu Suga hatte, härtere mich dem gegenüber ab. Zwar war er damals kein Tear gewesen, aber seine Freunde und er waren auch eine Gruppe. Ich konnte solch billige Aussagen also wirklich nicht mehr hören.
Ich hatte es satt! Wieso musste man ständig nach dummen Rechtfertigungen suchen? Wieso konnte man mir gegenüber nicht einfach ehrlich sein? Weshalb konnte man nicht einfach sagen, was wirklich vorgefallen war? Konnten keine Entschuldigungen gesprochen werden? War das zu viel verlangt?
„Und die verfluchten Fotos, V? Rede doch Klartext mit mir.", fauchte ich, weil ich wirklich keine Lust mehr hatte.
Da war mir auch egal, dass V sich unsicher aufsetzte und vermutlich ein schlechtes Gewissen bekam.
„Damit habe ich nichts zutun.", sprach er ruhig.
Ach. War das so? Wieder nickte ich ironisch beeindruckt.
„Aber du weißt, wovon ich spreche?"
Er biss sich auf die Unterlippe, bevor er nickte. Dabei fuhr er sich fast schon gestresst übers Bein.
„Okay", ich legte eine kurze Pause ein. „Und wann wolltest du mir sowas erzählen? Hm? Du weißt schon. Suga hat da Fotos von meinem, ich betone, meinem Körper auf seinem Smartphone. Du weißt auch... Das ich einiges verlieren könnte, wenn sie die Welt sieht?"
V strich sich über sein dichtes Haare. Sein Augen fokussierten dabei meine.
Er ließ sich Zeit bei der Antwort, was für eine erdrückende Stille zwischen uns beiden sorgte. Ich wettete hierbei, dass er die Ruhe unangenehmer fand als ich. Das erzählten mir seine gestressten Augen.
Er leckte sich über die Lippen, als er auch endlich mal beschloss etwas zu sagen.
„Ich habe damit wirklich nichts zutun, Penelope. Das ist eine Sache, die du mit ihm klären musst."
Nur war das leider eine Antwort, die mir einfach nicht gefiel.
Ich musste auflachen. Ungläubig natürlich. Anschließend sah ich aus dem Fenster.
Ich spürte, wie ein Gefühl durch meine Adern schoss, das mir sagte, ich könnte jede Sekunde explodieren. Ich war so geladen! Meine Atmung ging schnell und mein Herz pochte, wobei mein Körper vor Wut bebte.
Bevor ich also den Verstand verlor, entschied ich mich für das Klügere.
„Lass mich raus."
Als hätte V diese Aussage von mir erwartet. Er seufzte, als er sich leicht vorbeugte.
„Man, P-"
Ich unterbrach ihn, noch bevor er mehr sagen konnte. Seine Stimme wollte und konnte ich einfach nicht mehr hören. Ich hielt es für besser, er würde schweigen.
„Lass. Mich. Raus."
Ich war grob. Meine Stimme klang kalt und mein Blick funkelte streng.
V wusste in der Sekunde, dass er keine Chance mehr gegen mich hatte. Dabei war egal, wie lange er mich bettelnd ansah. Ich erweichte nicht.
Er seufzte erneut, als er das Auto schließlich entsperrte.
Ohne weiteres stieg ich aus. Ich wollte weg von ihm. Weg von seinem Auto. Weg von der Schule. Am besten, sofort.
Ich sprintete regelrecht vom Schulgelände. Meine Gedanken brachen dabei nur so auf mich ein.
Eigentlich erfuhr ich im Gespräch mit V nichts, was ich nicht schon wusste. Mich machte es nur wütend, dass er wirklich versucht hatte, sich da irgendwie auszureden, nachdem er mich zwingend konfrontierte. Er gestand nichts, erklärte Null und tat auf unschuldig.
Ich hasste es.
Die Jungs verstanden ja nicht, was hierbei für mich auf dem Spiel stand. Meine Eltern würden mich töten, wenn sie wüssten, von welchen Fotos gesprochen wurde. Die Vorstellungen, sie würden irgendwo landen, wo sie nicht landen sollten, dann wäre der Tod ja noch harmlos gewesen.
Aber das verstand ja keiner. Hauptsache, sie bekamen ihren dummen Willen.
Stampfend, bog ich in den nächstbesten Park. Einfach, weil ich etwas beruhigendes sehen musste, damit ich runterkam. Denn runterkommen? Das würde ich. Das würde ich immer. Auch, wenn dad dauern könnte.
In den Park gebogen, ging ich schmollend den Sandweg entlang, wobei ich die Arme vor der Brust kreuzte. Zielstrebig wollte ich auf den Spielplatz, der hier in der Nähe war, weil dieser mich an schöne Zeiten erinnerte.
Nur kam ich nicht dazu. Zwei laute Personen erlangen meine Aufmerksamkeit dafür viel zu früh. Mit geweiteten Augen sprang ich beiseite und versteckte mich hinter einem Baustamm. Mit einem unruhigen Herzen lugte ich hervor. Neugierig sah ich rüber und erkannte die beiden Personen.
Es waren...
Suga und Eliza.
„Hier!", schrie sie. „Du kannst den Scheiß zurück haben!"
Sie griff nach der Kette, die um ihren Hals gebunden war. Wütend bewarf sie Suga damit, der zusammenzuckte, die Kette jedoch auffing. Entsetzt sah er zu ihr. Es war nicht zu übersehen, dass auch er verärgert wirkte.
„Scheiß?! So nennst du das?", rief er aufgebracht.
Ich musste hart schlucken, als ich die Augen verengte, um zu erkennen, was er da in der Hand hielt.
Es war die Kette seiner Mutter...
Auf der Stelle überkam mich das schlechte Gewissen. Wie konnte sie ihm die Kette seiner Mutter ins Gesicht werfen, wenn sie für Suga die Welt bedeutete?
Ich schluckte.
Eigentlich ging mich das gar nichts an. Ich sollte nicht einmal lauschen!
Aber... Meine blöde Neugier... Sie hielt mich hier.
„Ja, Suga. Scheiß! Scheiß wie Scheiße. So, wie alles nun mal Scheiße ist. Die Kette! Die Situation hier! Du! Das mit uns! Das alles ist sowas von Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße!"
Eliza schrie sich die Seele aus dem Leib. Sie wirkte so sauer. Ihre Wangen verfärbten sich rot, sodass sie perfekt zu ihren Lippenstift und ihrem Kleid passten.
Ich blinzelte. Wartend darauf, was Suga sagte, während er sie stumm ansah. Er sah die süß wirkende Eliza an, die da hübsch und unschuldig stand- zumindest könnten sie andere so wahrnehmen.
In Wirklichkeit war sie unberechenbar, gefährlich und dreist. Das hatte sie mir gegenüber oft bewiesen. Besaß sie überhaupt Taktgefühl? Wie konnte sie Suga gegenüber so gemein sein?
Wer wusste schon, was da eigentlich zuvor lief, Penelope. Das weißt du doch gar nicht. Du solltest hier weg.
Das waren meine Gedanken, die zu mir sprachen. Also, meine Vernunft. Doch die Teufelin in mir? Sie wollte bleiben. Bleiben und lauschen.
„Okay...", hörte ich Suga auf einmal sprechen, der auf seine Hand hinab blickte.
Er sah sich die Kette an, die Gold schimmerte.
Ein erneutes Mal zog sich mein Herz zusammen. Suga war nämlich ruhiger geworden, wobei ich glaubte, dass Eliza ihn verletzte. Ihre Tat und ihre Worte... Sie schienen ihn richtig getroffen zu haben.
„Ich verstehe...", sprach er mit gesenktem Kopf.
Was verstand er, fragte ich mich.
Als wäre nichts gewesen, steckte er sich die Kette in die Hosentasche, doch sah nicht wieder zu Eliza. Zu Eliza, die sich die Haare aus dem Gesicht strich.
„Du bist der beste Freund meines Bruders", fing sie plötzlich auch an ruhiger zu werden. „Und... Wir sind beide Teil der Tears. Ich werde dir immer den Rücken freihalten, weil wir eine Familie sind, aber", sie atmete aus. „Wir sollten das endlich lassen, Suga. Lass uns aufgeben. Es ist anstrengend, wenn wir weiterhin zwanghaft versuchen, etwas kaputtes aufrecht erhalten zu wollen..."
Ich musste hart schlucken.
Eliza... Beendete gerade die Beziehung mit Suga? Hatte Suga deshalb gesagt, dass er verstand? Wusste er, dass sie das tun würde?
Ich wurde traurig. Das, obwohl ich eigentlich wütend auf ihn sein müsste und das, obwohl ich Eliza nichts abgewinnen konnte. Ich wurde dennoch traurig. Noch trauriger wurde ich aber erst, als beide stumm auf den Boden starrten, bevor Eliza einfach beschloss zu gehen.
War das etwa ihr Ernst? Mir war klar, dass sie schon recht impulsiv war, genauso wie Suga. Deshalb fragte ich mich, ob ihre Trennung ernst gemeint sein konnte. Schlussendlich musstest du als Suga's Freundin täglich mit einer Auseinandersetzung rechnen. Das war ein unausgesprochenes Gesetz.
Ich wusste daher nicht, wie ich die Situation einschätzen sollte.
Doch das war auch nicht nötig. Denn... Ich schrak auf, weil Suga zu brüllen begann, wodurch mir meine Frage ganz schnell beantwortet werden konnte.
Wütend holte er aus und schlug auf einen Baumstamm neben ihm ein. Einmal, zweimal, fünfmal, zehnmal. Sein Knurren war bis hier hin zu hören. Dabei... Erkannte ich sein Gesicht. Er hatte es wutgebrannt, aber auch verletzt verzogen. Wie immer also, wenn er einen emotionalen Ausbruch hatte.
Unkontrolliert trat ich hinter dem Baum hervor. Ich konnte ihn nun besser sehen. Ich konnte sehen, wie er vom Baumstamm wich, der seine Knöchel blutig machte. Seine Hand zitterte leicht, als er sich beide auf die Augen drückte. Sein Rücken an den Baum gelehnt, rutschte er diesen hinab. Ich konnte hören, wie er schwer atmete. Sein Oberkörper ging auf und ab.
Intuitiv schritt ich vor. Meine Beine fingen an mich zu tragen. Wie von selbst ging ich auf Suga zu. Ich konnte es nicht anders. Ich konnte ihm nicht einfach nur zu sehen.
Mein ganzer Körper stand nämlich in Flammen. Das würde er immer, wenn Suga litt.
Ich stellte mich vor ihm. Ohne nachzusehen, wusste ich, dass Suga weinte. Er weinte, weil er seine Gefühle nicht im Griff hatte. Sie überfluteten ihn gerade, wie sie es immer taten. Er glich einem pubertierendem Jungen, der seine Gefühle einfach nicht unter Kontrolle hatte und das war in Ordnung. Wie könnte ich nicht behaupten, dass es okay war? Er durfte weinen. Auch, wenn er sich dafür schämte. Dafür hatte ich ihn einfach viel zu oft schon in diesem Zustand erlebt.
Aus diesem Grunde wusste ich auch, was zutun war. Ich fühlte mich keineswegs überfordert.
Ich beugte mich zu ihm runter. Vorsichtig hob ich die Hand, um sie auf seiner Schulter abzulegen. Da schreckte Suga auf. Er blickte für einen Moment auf, um zu sehen, wer ich war, bevor er viel zu schnell wieder den Kopf sank. Seine verweinten Augen blieben mir nicht erspart.
„Geh.", schniefte er, als er beiseite sah.
Seine Hände nahm er von seinem Gesicht und seinen Kiefer spannte er an.
Vor wem wollte er stark sein? Vor mir? Er sollte es sein lassen. Darüber waren wir längst hinweg. Er musste mir nichts vorspielen, um der stärkste unter den Starken zu sein.
„Ich werde aber nicht gehen. Das weißt du.", sagte ich leise, aber klar.
Eigentlich sollte ich hier nicht hocken. Ich hätte nicht versuchen sollen, ihn zu trösten. Er hatte es nicht verdient. Nicht, nachdem er für soviel Unruhe sorgte. Nur besaß ich eben ein viel zu großes Herz. Vor allem, wenn es um Suga ging...
„Lope, verpiss dich."
Das sagte er, während er noch immer beiseite sah.
Seine Worte gingen mir nicht nah. Sie verletzten mich nicht. Ich wars gewohnt, dass er sowas sagte, wenn er am verwundbarsten war.
Somit musste ich schmunzeln. Egal, wie sehr er sich veränderte... Im Endeffekt blieb er derselbe.
Ich fasste mit meiner anderen Hand nach seinem Gesicht, um ihn zu mir sehen zu lassen. Da er nur die Augen schloss und mit sich machen ließ, wusste ich, Suga brauchte mich. Wie könnte ich ihm da nicht beistehen?
Ohne weiteres nahm ich ihn in den Arm. Erst regte er sich nicht. Doch nach einigen Momenten, da vergrub er das Gesicht in meiner Halsbeuge. Seine Arme fanden meinen Körper und endlich erwiderte er die Umarmung. Er nahm meinen emotionalen Beistand an.
Eine Sache, die er vor Jahren nur über seine Leiche getan hätte.
Suga zeigte mir seine wunden Seiten. Seiten, die ich niemals gegen ihn verwenden würde...
———
Heeeeellu, meine lieben Lollys.
NA! Wie findet ihr das Ende des Kapitels? Suga und Penelope, ein altes Duo, das manchmal zusammen findet... Meinungen zu den beiden? Ich meine... Sollte Penelope nicht wütend auf ihn sein? Weshalb muss sie sich ihm direkt hingeben?
Und...
Fandet ihr das Gespräch zwischen Hobi und Lope zu beginn eigentlich auch süß? 🥺
Wie empfandet ihr ihre Reaktion bezüglich V? Zu übertrieben oder nicht so? I mean... Im Endeffekt hat V ja wirklich nichts getan. But... Vielleicht ist das sein Fehler, who knows...
Und... Suga Richtung Ende, der sich nun von Eliza trennte bzw. Eliza von ihm? Wie finden wir das?
Irgendwelche Erwartungen? Irgendwie war das Kapitel länger... So mein Gefühl 🤷♀️
Stay Tuned, N xX 🤍
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