1. Er...

(Bild von Park Jimin)

...

Ich fühlte mich wie in einem Film...

Wie in Zeitlupe ging er mit zwei seiner Freunde am Sportplatz vorbei, auf diesem Fußball gespielt wurde. Heute war ein verdammt heißer Tag gewesen in New York City. Die Sonne schien hell und spendete viel Wärme, wodurch jeder in Schweiß ausbrach. Ich erkannte, wie die Schweißperlen seiner Stirn hinab rannten und sich ihren Weg an seiner Schläfe entlang bahnten. Ständig strich er sich über seine Haare - heute getränkt in einem dunkelbraun - die derartig voll schienen, wie bei einem Lhasa Apso. Okay. Doofes Beispiel... Aber ich schätzte, dass jeder wusste, wie ich es meinte. Er trug ein weißes T-Shirt, das von Schweißflecken bedeckt war. Einige würden die Flecken nun eklig finden, weil er offensichtlich stark schwitzte, aber ich hingegen empfand es als äußerst sexy. Ich sah dadurch nämlich durch sein Oberteil hindurch... Erkannte seine Rücken- und Bauchmuskeln... Er war zwar ziemlich schlank, schlanker als manche nun glaubten zu denken, aber die Kunst darin war es, auf jeden schlank zu wirken, versteckt aber dennoch mit solchen Muskeln ausgerüstet zu sein. Da seine Beine heute frei waren, denn er trug eine kurze Shorts in schwarz, sah jeder auch seine Beinmuskeln, sobald er ging. Sein Accessoire saß heute bemerkenswert perfekt. Natürlich, denn er war perfekt. Für einen Jungen, da wusste er genau, was er tragen musste, um einfach nur perfekt auszusehen. Eine schwarze Brille ruhte auf seiner Nase, das, obwohl jeder wusste, er trug eigentlich gar keine. Seine Ohren waren wieder von Ohrringen beschmückt und seine Finger von Ringen. Er trug heute auch ein gewöhnliches Armband, sowie Kette, die bei ihm jedoch ungewöhnlich aussahen. Einen Beanie trug er auch, bei diesem Wetter. Alles fürs Aussehen, würde ich mal behaupten... Mit seinem schwarzen Rucksack auf dem Rücken, wusste ich, er war auf dem Wege zum Boxverein, so, wie ich es war. Ich belegte nämlich so ziemlich alles, was er auch belegte. Schulisch und privat bedingt, einfach, weil ich in seiner Nähe sein wollte. Ich wollte, sollte und musste. Innerlich musste ich seufzen. So perfekt...

„Hey, Penelope! Hungrig, oder wieso sabberst du wieder vor dich hin?", rief einer seiner Freunde.

Penelope Davis. So war mein Name. Ich hatte viel über mich zu berichten. Ja, sehr viel. Natürlich würde ich aber einen kurzen Steckbrief daraus machen... Ich kam aus reichem Hause, in einer reichen Gegend. Ich ging zur Schule, in die High School, um genau zu sein und ich hatte genau noch zwei Jahre vor mir. Ich war bekannt als Penelope.

Nein, wirklich? Als Penelope? Weil's ja auch nicht dein Name ist?

Ich musste über mich selbst den Kopf schütteln.

Man nannte mich auch PD... Das P stand für den Anfangsbuchstaben meines Vornamen und das D für meinen Nachnamen. Aber ich hatte viele Spitznamen. Ich wurde ebenfalls Nelo oder Pene genannt. Oder wie er mich gerne nannte... Lope. Bevorzugte ich verständlicherweise am ehesten.

Wie auch immer.

Ich war sehr beliebt, hatte viele Freunde, wenn man es so wollte, mich kannte jeder. Ich war gut in der Schule, galt als sportlich, was sich zeigte, weil ich am Boxtraining teilnahm, zusätzlich spielte ich Volleyball, Federball, Basketball und ich liebte es vor allem zu Cheerleaden. Apropos... Ich war genau deshalb so beliebt. Ich war zum einem nämlich Co-Leaderin. Was war typisch, wenn du Cheerleaderin warst und dann auch noch die Co-Leaderin? Genau... Ich galt gleich als hübsch und berühmt. Das kam mir durchaus zu Gute, das gab ich offen zu. Dadurch war ich nämlich auch Schulsprecherin geworden, war Klassensprecherin und durfte jedes Ding an der Schule organisieren. Auf mich war nun mal verlass. Das College war mir damit so gut wie gesichert.

Genau...

Kämen wir nun zu meinem Aussehen, weil ich glaubte, dass dies eher an Interesse weckte. Ich war recht klein, ungefähr 1,59 cm groß. Ich meinte natürlich... 1,59 cm klein. Seit drei Jahren in Folge. Ich besaß langes Haar, glatt, braun, eher im dunkleren Bereich. Vor kurzem färbte ich meine Haare rotstichig, nur eine Info am Rande. Demnächst mag ich sie wieder bräunlich färben und blonde Strähnchen zog ich auch in Erwähnung, aber das tut jetzt nichts zur Sache.

Nun.

Welche Augenfarbe hatte ich? Ich würde meinen... Sie waren grün. Eine Mischung aus... Grün und braun. Beides. Sie waren etwas größer, weshalb sie jeder bewunderte. Ich hatte eine kleine Nase. Eine Stupsnase. Meiner Meinung nach, hatte ich einen recht großen Mund, mit etwas zu dünnen Lippen und das, mit großen, dafür aber weißen und geraden Zähnen. Wenn ich lächelte, stach mir auf der linken Seite meiner Wange ein Grübchen hervor. Negativ: Auf genau der Wangenseite besaß ich einen Muttermal. Dieser war so groß wie ein Pickel.
Aber, nein! Es war kein Pickel, für jeden, der zweimal drauf starrte.

Ich musste seufzen. Ja... Ich schweifte gerne ab.

Dafür, dass ich genug Sport machte und jeder empfand, ich war relativ schlank, beschrieb ich mich als kurvig. Eindeutig. Ich hatte einiges mehr drauf, als die anderen Mädchen aus meinem Team. Manche mochten es, andere wiederum nicht. Und ich? Mir war es egal. Ich liebte essen. Liebte aber auch den Sport... Mir war das Ganze also relativ gleichgültig. Hauptsache war, ich passte in meine Kleidung und das war der Fall. Zudem sprachen mich genug Typen an, von daher ging ich davon aus, ich sah gut aus. Wieder eine Info am Rande: Ich war ziemlich selbstbewusst. Etwas zu selbstbewusst, manchmal...

„Wieso so interessiert, Hyunjin?", streckte ich die Zunge aus, nachdem dieser mich auf mein Starren aufmerksam machte.

Hwang Hyunjin. Er war eines seiner besten Freunde. Von ihm... Von Jimin. Er spielte in der Baseballmannschaft der Black Bird High- der Name unserer Schule. Ich beschrieb ihn mal als arrogant, gutaussehend, groß, muskulös, beliebt, machohaft, etwas dumm und... Zynisch. Er konnte es zumindest sein, was viele nicht immer sehen kommen konnten. Das war aber nichts schlimmes, denn Hyunjin hatte seinen eigenen Charme, mit dem er all sein boshaftes Verhalten entschuldigte. Einen Charme, dem alle Mädchen verfielen. Auch ich... Er und ich hatten da zu jungen Zeiten auch mal ein Ding am laufen. Gar nichts dramatisches. Eher süß... Ich bereute es nicht.

„Komm doch rüber und ich erkläre dir mal, wieso ich so interessiert bin, Sweetheart."

Sweetheart. Ja. Manchmal könnte man glauben, Hyunjin war über uns nicht hinweg. Aber das stimmte nicht. Er redete so mit jedem weiblichen Wesen, was Brüste und einen Arsch besaß. Er war eben... Ein großer Macho.

„Ich eile zu dir rüber, Babe.", zwinkerte ich und wechselte die Straßenseite.

Klar ging ich auf seine Witze ein. Zum einen, weil ich mit jedem spaßte und mich mein Humor ausmachte. Zum anderen, weil ich zu ihm wollte. Zu Park Jimin.

„Kannst du mich auch Babe nennen, PD?", fragte der Nächste, als ich bei ihnen ankam.

Und das. Das war nicht eines seiner besten Freunde, sondern... Das... Das war sein bester Freund. Jungkook. Jeon Jungkook. Wir nannten ihn alle Jk oder, wenn wir lustig sein wollten, Jeon Cena. Wir gaben ihm den Spitznamen, weil er seit Jahren am Krampfsport teilnahm. Damit war also das Boxen gemeint, das Ringen und eben alles, was unter die Kategorie fiel. Jungkook trat auch schon gegen Profikämpfer an. Jungkook war schon etwas kräftiger. Seine Arme und Schultern, sowie der Rücken, alles war viel besser betont, als im Vergleich zu Hyunjin und Jimin. Er war aber nicht nur sehr sportlich... Jungkook war das Gesicht der Schule. So würde ich ihn zumindest beschreiben... Jungkook und Hyunjin, wenn ich es mir recht überlegte, aber vor allem Jungkook, ja. Neben mir hielt er die Ansprachen. Wir machten viel gemeinsam...

Ich erinnerte mich an das eine Mal... Da hatte er versucht mich zu küssen, während wir arbeiteten. Aber gut, da waren wir beide sturzbetrunken. Also... War es okay, zumal ich den Kuss erwiderte. Aber! Es blieb nur bei einem Kuss. Mehr war da nicht! Nicht mehr und auch nicht weniger. Nicht, dass er nicht schön genug war, denn das war er! Nur... Jungkook war einfach... Eine andere Art Typ. Bei ihm würde es nie nur beim Sex bleiben. Dafür... Wie erklärte ich das nun? Er... Respektierte einen dafür viel zu sehr. Wenn er dich also wollte, dann für immer. Das war seine goldene Regel. Somit schlossen wir... Er war sehr moralisch! Total nett. Schlau. Mutig. Ehrlich. Vorbildlich.

Ich mochte ihn, ja. Sehr gerne sogar.

„Du willst von mir Babe genannt werden?", hob ich eine Augenbraue. „Dabei... Nennst du mich nur PD?"

„Wie soll ich dich denn sonst nennen, hm? Was magst du hören?", strich Jungkook sich seine hellbraunen Haare von der Stirn, die durch die Hitze verklebt waren.

Anschließend machte er einen Arm um mich. Ich musste grinsen. Hyunjin und Jimin liefen neben uns her.

„Seit wann sucht man sich den Spitznamen selbst aus?", zog ich Jungkook auf.

Hyunjin musste lachen.

„Ist aber wirklich so. Versuch mal ein bisschen so kreativ zu sein, wie ich es bin!"

„Ja, komm", ließ Jungkook von meiner Schulter ab. „Weil du ja nicht jedes Mädchen Sweetheart nennst, oder?"

Die Ironie aus Jungkook's Stimme bitte beachtend!

„Hey", schmollte Hyunjin. „Bei Penelope setze ich doch eine ganz andere Betonung!"

„Ah, ja. Es ist die Betonung! Dass ich nicht gleich selbst drauf kam!", sprach Jungkook weiterhin ironisch und ich musste lachen.

Anders als er. Als Jimin... Er hielt sich eher hintergründig auf. Wie so oft...

Jimin, der kleine Bad Boy.

Ich hasste seinen Ruf. Ich hasste es, dass er als Bad Boy galt. Wieso nannte man ihn überhaupt so? Etwa nur, weil er etwas introvertierter war? Ich musste innerlich aufseufzen. Konnte er nicht so offen sein, wie wir alle? Mehr lachen? Reden? Wir waren doch alle recht jung. Wir lebten das Leben im Hier und Jetzt. Aber er? Er nicht. Er nie...

„Ihr seid zu laut.", sagte er nur.

Das sagte er immer. Es war ja nicht so, dass er nicht spaßen konnte oder lachte. Er tat es schon. Aber nun mal verhältnismäßig weniger als wir...

„Ach, halt die Klappe.", schubste ihn Hyunjin leicht und Jimin's Blick war dennoch starr nach vorne gerichtet.

Als wäre eben nichts passiert...

Was war nur geschehen? Was war mit ihm anders? Ich grübelte. Das Ganze führte auf das eine zurück... Auf sein Auslandsjahr. Ich erinnerte mich noch genau daran. Es war vor drei Jahren... Jimin und ich hatten draußen gespielt, als seine Mutter kam. Sie sagte ihm, er müsste anfangen zu packen, weil es nach dem Wochenende losginge. Es war Wirklichkeit geworden. Jimin war plötzlich weg. Er war wie... Verschwunden. Er war unsichtbar geworden. Das, für ein ganzes Jahr! Er war ein Jahrgang einfach nicht mehr da... Mein bester Freund war plötzlich weg. Und dann... Dann war er vor zwei Jahren auf einmal wieder zurück. Der Park Jimin von vor einem Jahr, der existierte nicht mehr. Er war ein anderer geworden. Jemand... Der größer wurde. Muskulöser... Jemand, der einen anderen Kleidungsstil annahm. Er ging anders, sprach anders, machte alles anders. Wir hatten uns... verfremdet. Er war nicht mehr Park Jimin, mein bester Freund und ich war nicht mehr Lope, seine beste Freundin. Wir waren... Fremde geworden. Fremde... Wie aus dem Nichts.

„Wir sehen uns dann beim Training!", trällerte Jungkook auf einmal, was mich aus meinen Gedanken riss.

Es war der Punkt gekommen, an dem er abbiegen musste, um zu sich nach Hause zu kommen. Direkt fing ich an zu lächeln und winkte, genauso wie er.

Training... Nun. Ihr wärt überrascht, wenn ihr wüsstet, was uns im Training manchmal erwarten konnte...

...

Das Boxtraining. Das hatte Jungkook gemeint. Er hatte das Training gemeint, in dem nur Jungs anwesend waren und ich das einzige Mädchen war.

Weshalb ich hier war, obwohl ich die Sportart nicht beherrschte? War das nicht ganz offensichtlich? Ich würde alles tun, um in seiner Nähe zu sein. Um bei Park Jimin zu sein...

„Jimin heute mit Penelope", sagte unser Trainer, während er an uns vorbei ging. „Und das, langsam."

Er mahnte uns. Nein, er mahnte Jimin. Jimin in seinem Tanktop und seiner Jogginghose... Jimin in diesen Boxhandschuhen... Jimin...

„Ich fang an, Lope.", sagte er, als er sich vor mich stellte.

Ich nickte einfach bloß, denn ich liebte es. Ich liebte seine bestimmende Art. Die Art, wie er vor mir stand. So nah...

Was? Ihr fragt euch, wieso ich ihn so derartig attraktiv fand und mich irgendwie Hals über Kopf in ihn verknallte?

Ganz einfach.

Jimin war... Anders. Im Vergleich zu all den anderen Jungs, da war er einfach anders. Zum einen raubte er mir mit seinem Aussehen den Atem und... Zum anderen mochte ich seine Art und Weise. Ich mochte die Tatsache, dass es ihn herzlich wenig interessierte, was andere über ihn dachten. Nicht jeder konnte darüber hinweg sehen, wie er es tat. Ich konnte es nicht... Ich und ganz viele andere auch nicht... Ich mochte es, dass Jimin direkt war. Er konnte dir direkt sagen, ob er Lust auf dich hatte oder nicht. Er war ehrlich. Außerdem machte ihn interessant, dass er nicht sofort anbiss. Dass er sich nicht auf mich einließ, nicht, wie es jeder andere Typ tat oder tun würde. Er blieb auf Abstand. Das lag vermutlich daran, dass wir einst beste Freunde waren. Vielleicht... Vielleicht auch nicht. Egal woran es lag. Ich vermisste ihn. Und wie ich ihn vermisste. Ich vermisste ihn so sehr, dass-

Meine Gedankengänge hielten inne, als ich einen stechenden Schmerz fühlte. Ein Schmerz, der sich auf der Stelle in meinem Gesicht breit machte. Ein Schmerz, der so unerwartet kam, sodass ich mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Mein lautes Ächzen nicht außen vorgelassen. Verflucht! Ich stöhnte, als ich mir ins Gesicht griff. Mein Kiefer schmerzte höllisch! Verdammt. Der Schmerz und das Pochen erreichten auch meine linke Wange. Meine Nase war ebenfalls betroffen. Unwillkürlich stiegen mir die Tränen in die Augen. Nicht, weil ich weinen wollte, nein. Weil meine verdammte Nase getroffen wurde, deshalb. Deshalb die Tränen...

„Verflucht!", fauchte ich und blickte hoch.

Jimin sah auf mich hinab, als er seine Arme hoch warf. Ja... Der Schlag kam von ihm.

„Sag mal. Passt du überhaupt auf?!", rief er und meine Kinnlade fiel.

Sie fiel, bis ich bemerkte, dass es schmerzte, weshalb ich mein Kiefer wieder aufeinander biss. Blödes... Boxtraining!

„Scheiße", fluchte er leise, als er seine Boxhandschuhe abwarf.

Er hielt mir seine Hand hin, die ich natürlich dankend annahm. Sofort zog er mich auf die Beine. Keine Sekunde später landete seine Hand in meinem Gesicht. Er fasste nach meinem Kinn und musterte die Stelle, die er mit seinem Schlag traf. Mein Herz machte von selbst einen Sprung. Seine Berührung löste ein Glücksgefühl in mir aus. Eines, dass mich den Schmerz fast schon vergessen ließ.

„Tut's weh?", sah er mir in die Augen.

Gott... Am liebsten wäre ich dahin geschmolzen. Aber, nein. Penelope! Reiß dich zusammen.

„Nein... Alles okay.", sagte ich ehrlich, denn jetzt war wirklich alles wieder in Ordnung.

Eine einzige Berührung seinerseits genügte dafür. Er nickte, bevor er abließ.

„Ich habe kein Bock mehr mit dir zu trainieren.", sagte er jedoch plötzlich, was alles in Handumdrehen veränderte.

Mein ganzes Gefühlsleben auf den Kopf stellte.

Was?!

Er wollte nicht mehr mit mir trainieren? Er hatte keinen Bock mehr?

Wie konnte er das sagen? Mein Herz zog sich zusammen. Er sollte nicht so mit mir sprechen... Er sollte mich anders behandeln. Besser als die anderen... Wieso tat er das nicht?

„Warum?", zog ich die Augenbrauen zusammen und versuchte den Herzschmerz zu überspielen, den ich dabei verspürte.

Aber er antwortete mir nicht mehr. So entwickelte sich unser „Gespräch"- wenn man es so nenne durfte, meistens. Auf einmal schwieg er. Ich hasste es. Ja. Auch wenn es Park Jimin war. Mich nervte das Verhalten seinerseits. Er hatte sich nicht einmal für den Schlag eben entschuldigt und nun? Nun war er auch noch so dreist mir gegenüber? Unmöglich.

Chimmy. Ich rede mit dir.", zischte ich.

ChimChim oder Chimmy. Das waren meine Spitznamen für ihn. Spitznamen, die nur ich ihm gab, weil wir sowas immer machten. Damals... Als wir noch die besten Freunde waren...

„Jimin.", nuschelte er, doch ich verstand es.

Nun war ich nicht mehr wirklich beleidigt über die Tatsache, dass er sich nicht für den Schlag entschuldigte. Ich war beleidigt, weil er es tatsächlich wagte. Er wagte es... Mich korrigieren zu wollen?

„Wie bitte?", neigte ich den Kopf.

Jimin räusperte sich, bevor er sich aufrecht stellte.

„Für dich immer noch Jimin. Nicht Chimmy oder ChimChim. Sondern, Jimin. Jimin und nur Jimin."

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Meine Augenbrauen schossen dabei in die Höhe. Das konnte er doch nicht ernst meinen, oder?

„Achso", nickte ich. „Und ich heiße neuerdings nicht mehr Penelope, oder wieso nennst du mich Lope?"

Er warf mir einen Seitenblick zu, worauf er sich nun zu mir drehte. Sein Blick war intensiv, bevor er die Augenbrauen zusammenzog. Hätte er jetzt was nettes gesagt, wäre all das eben vergessen... Aber er konnte nichts nettes sagen. Nicht mehr...

„Ich nenn dich jedes Mal Lope. Schon immer."

Ich zuckte die Achseln.

„Genau so wie ich dich schon immer Chimmy oder ChimChim nannte."

Er schüttelte auf der Stelle den Kopf.

„Lass das!"

Er klang mittlerweile strenger und ich wurde bockiger. Wie so oft, wenn wir beide uns anzickten. Und es war jedes Mal aufgrund von Kleinigkeiten.

„Nö. Werde ich nicht", blieb ich stur. „Wieso sollte ich, wenn du's nicht auch lassen kannst?"

Ich war sehr stur und impulsiv, nebenbei mal erwähnt. Ach ja. Und er war es ebenso...

„Man. Weil ich das nicht will. Sag mal, verstehst du mich schlecht? Zuviel angefeuert worden heut?"

Wie von selbst, da rutschte meine Hand aus. Sie war abgerutscht und traf sein Gesicht. Seine linke Kieferpartie, um genau zu sein... Ich war eigentlich niemand, der andere schlug. Das geschah gerade nur, weil ich bei Jimin erstens sehr empfindlich reagierte und zweitens, weil er es immer weiter aufschaukelte. Hätte er sich vorher entschuldigt, wäre das nie passiert. Aber es war passiert und ja, es erschrak mich, dass ich tatsächlich nach seinem hübschen Gesicht ausholte. Deshalb schlug ich mir die Hände auf den Mund, als er aufstöhnte. Vor Schmerz...

„Oh mein Gott! Es tut mir leid.", wollte ich intuitiv nach seinem Gesicht fassen, aber er schubste mich.

Ich hasste es. Ich hasste es so sehr, dass mich Menschen abstießen, wenn ich helfen wollte. Ich wettete, dass er dies wusste. Er müsste mich schließlich am besten kennen...

„Deine Entschuldigung, Lope! Die kannst du dir-"

Jimin wurde von unserem Trainer unterbrochen, der lautstark in unsere Richtung brüllte. Ich war vor Schreck sogar aufgezuckt.

„Penelope, Jimin! Raus. Aber sofort!"

Jimin atmete in dem Moment schwer aus. Er mochte es nicht, wenn er von seinen Lieblingsaktivitäten ausgeschlossen wurde. Er widersprach jedoch nicht. Wütend warf er seine Boxhandschuhe ab. Ich tat es ihm eingeschnappt gleich, worauf ich nach meiner Sporttasche griff und verschwand. Jimin tats mir genau gleich. Dabei war er mehr als laut. Klar. Denn jeder musste wissen, dass er wütend war.

Das folgende Problem war... Uns brachte der Rauswurf nichts. Weshalb? Jimin und ich waren Nachbarn. Das bedeutete, wir hatten denselben Heimweg. Da ich aber wütend war, freute ich mich nicht darüber. Ganz im Gegenteil. Ich wollte alleine sein, um die Wut loslassen zu können. Ich konnte nämlich nie lange auf ihn sauer sein. Wer könnte das... Nur bekam ich die Zeit nicht. Ich konnte mich nicht beruhigen. Und bevor Jimin daran dachte mich wieder zusammen zu scheißen, würde ich es zuerst tun!

„Verfolgst du mich oder was?", giftete ich aufgebracht, weil er mir gefühlt am Hintern klebte.

Er regte mich derbe auf. Immer wenn ich glaubte, okay, heute würde es anders werden, behandelte er mich wie Dreck. Deshalb mochte ich es zum Teil nicht so gerne mit ihm zu reden oder war in seiner Gegenwart nicht immer die Selbstbewussteste. Genau aus dem Grund! Weil es meist nach hinten losging.

„Vergessen, dass wir Nachbarn sind, Lope?", fragte er, doch schüttelte dann den Kopf. „Ich meine... Sweatheart?"

Er stand nun dicht neben mir. Auf seine Körpernähe konnte ich mich jedoch nicht konzentrieren. Dafür hing ich zu sehr an dem, was er sagte. Wie ein Blitz schoss mir das Wort Sweatheart durch den Kopf. Nicht, weil ich es süß fand, dass Jimin mich so nannte. Nein. Er äffte Hyunjin nach...

Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen. Wieso tat er das?

„Eifersüchtig?", fragte ich amüsiert.

Zu ihm gesehen, sah ich, dass er auflachen musste.

„Was? Worauf denn?", kniff er die Augen zusammen.

„Na, dass mich Hyunjin Sweatheart nennt?", kniff ich die Augen ebenfalls zusammen.

Jetzt musste er lachen. Es war seine echte Lache. Sein Lachen war eigentlich ganz süß und ich liebte es wie nichts andere auf dieser Welt. Aber jetzt gerade? Jetzt gerade nervte es mich nur.

Lachte er mich etwa aus? Er konnte mich mal.
Also beschleunigte ich mein Tempo.

„Oh!", rief er ironisch. „Hat dich mein Lachen etwa verunsichert? Die Penelope Davis verunsichert?!"

Ich musste die Arme ineinander verschränken. Wieso provozierte er mich denn jetzt so? Das klang nämlich, als hätte er total was gegen mich. Dabei wollte ich nicht, dass er etwas gegen mich hatte. Jimin und ich... Wir sollten lachen. Wir sollten uns verstehen. Wir sollten miteinander reibungslos harmonieren. Taten wir nur leider nicht.

„Sag mal, willst du mir irgendwas sagen?", kam es genervt aus mir.

Im nächsten Moment stand er plötzlich wieder neben mir, was mein Tempo automatisch verlangsamte. Seine Nähe kam unerwartet und dieses Mal... Konnte ich mich auf seine Nähe konzentrieren. Ich mochte es.

„Nö", zuckte er die Achseln. „Aber da ist dieser böse Nachbarshund, Yeontan. Wenn ich mich recht erinnere, mag der dich nicht so gerne, mich aber schon und bevor der dich beißt, begleite ich dich lieber bis zur Haustür. Als Entschuldigung."

Er sah wieder vor sich, während ich ihn von der Seite anstarrte. Wie bitte? Jetzt wollte er sich wieder entschuldigen? Mein Herz erwärmte sich.

Ich ahnte, weshalb er sich entschuldigen wollte. Jimin war kein Mädchenschläger. Er schlug eigentlich nie irgendwen. Das könnte er niemals. Ich wusste, er hatte ein schlechtes Gewissen.

Ich war ehrlich. Das kam mir gelegen. Der Nachbarshund mochte mich nämlich wirklich nicht. Dass Jimin sich das merkte... Ich musste erfreut seufzen. Da war sie wieder. Meine Freude. Die Wut löste sich auf, als wäre sie nie da gewesen...

„Du entschuldigst dich?", musste ich wirklich nachfragen.

Mein Blick nie von ihm genommen. Er nickte.

„Ich schlage keine Mädchen."

Ich musste schmunzeln. Hatte ich es doch geahnt...

Er hatte sich gar nicht verändert. Der Jimin von vor drei Jahren... Der steckte noch in ihm. Irgendwo da, hinter seiner Maske, die er jeden Tag aufsetzte.

„Ich schlage Jungs zwar schon, wenn sie es verdienen, aber... Dein Gesicht ist blau. Also bin ich jetzt lieber wieder nett."

Er musste auch schmunzeln, was mir nicht entgangen blieb.

Das mochte ich an unserer Beziehung. Bis eben hätten wir uns die Haare rausreißen können. Im nächsten Moment aber... Waren wir wieder ganz cool drauf. Fast wie früher...

„Hast du dir dein Gesicht mal angesehen? Mir kann das egal sein, aber du? Du bist das Gesicht der Schule."

Mein Gesicht? Mein Gesicht?! War es etwa blau geworden?

„Was sagst du? Mein Gesicht?!"

Ich musste mir ins Gesicht fassen und stellte fest... Der Bereich um meiner Nase und meine Nase selbst, schmerzte! Nein, nein! Waren die Stellen etwa blau geworden? Meine Mutter würde mich köpfen!

„Ja..", spürte ich, wie er mich ansah. „Deine Nase... deine Oberlippe.. Autsch, das muss fest gewesen sein.", blieb er stehen und zog mich am Handgelenk, damit ich auch stehen blieb.

Sofort musste ich die Augen aufreißen, weil er mich an sich ran zog. Er nahm meine Hand vom Gesicht und für einen Moment, da konnte ich meine Mutter vergessen. Denn... Ich sah nur ihn. Park Jimin und seine Augen, die mein Gesicht musterten. Er atmete sachte aus. Auf einmal hob er die Hand, um nach meinem Gesicht zu fassen. Seine Finger berührten meine Wange. Mein Herz machte einen Sprung. Ich bekam eine Gänsehaut. Oh Gott... Mir war warm geworden.

„Es tut mir wirklich leid...", flüsterte er plötzlich.

Ich musste hart schlucken. Er entfernte seine Hand, wodurch ich erleichtert aufatmen konnte. Nun konnte ich auch wieder klar denken. Ich konnte die Reue in seinem Gesicht erkennen. Nur brauchte er sich nicht schlecht fühlen. Es war alles in Ordnung. Mit ihm an meiner Seite... Würde es mir immer gut gehen.

„Schon okay...", lächelte ich, doch es fiel im selben Moment, als ich wieder an meine Mutter dachte.

Sie durfte die blauen Flecken nicht sehen. Niemand dürfte sie sehen. Niemand aus meiner Familie. Jimin erkannte meinen Gesichtsausdruck und legte den Kopf schief.

„Meine Mutter...", sagte ich nur.

Er kannte meine Mutter. Ich musste dazu also nicht viel mehr sagen.

Meine Mutter war eine... Perfekte Frau. Die perfekte Frau. Wenn ich einen Fleck oder einen Kratzer hatte, würde ihr das nicht gefallen... Was passierte, wenn ihr etwas nicht gefiel? Es gäbe dann Verbote. Verbote, ein hartes Training oder noch mehr Flecken. Ja... Ich wurde zu Hause geschlagen, wenn es sein musste. Konsequenz und Disziplin. Das waren ihre Lieblingswörter. Durch Verletzungen würde ich lernen, was Disziplin bedeutete und was Konsequenzen bedeuteten, wenn ich nicht diszipliniert genug war. Ja... Das waren ihre Worte.

Natürlich wusste das so keiner! Auch Jimin nicht. Ich wollte nämlich nicht, dass es jemand wusste. Aber Jimin wusste ganz genau, dass sie streng war und ich Angst vor ihr hatte. Ich meinte, dass das genügte. Mehr musste keiner wissen.

„Kriegst du etwa Ärger?", fragte er und ich nickte hektisch.

Da fing er an sachte die Lippen zu spitzen. Das tat er immer, wenn er überlegte.

„Ich weiß nicht genau", zog er die Luft ein. „Ob ich das wirklich zu meinem Problem machen will..."

War das jetzt sein ernst? Bis eben noch total süß und jetzt wieder das Arschloch sein? Nein. Nicht mit mir.
Ich schlug ihm somit gegen die Brust.

„Halt die Klappe, oder aber, ich komme zu dir nach Hause und erzähle deinen Eltern, dass du mich gehauen hast. Ich glaube, das hast du weniger lieb."

Ich hob herausfordernd eine Augenbraue. Jimin setzte einen kritischen Blick auf, bevor er vorsichtig nickte.

„Richtig..."

Siegessicher gelächelt, gestikulierte ich schließlich. Er musste mir nämlich noch immer helfen.

„Also???", war ich ungeduldig geworden.

Er gestikulierte ebenfalls und wir beide gingen erstmal weiter. Mein Haus war bereits zu sehen... Jimin wohnte direkt links von mir, wobei die Besitzer des bösen Nachbarshund rechts von mir wohnten.

Ich sah zu Jimin. In dem Moment schnalzte er mit Zunge.

„Ich schlage vor, du kletterst hinauf."

Er erwiderte meinen Blick.

Was schlug er da vor? Ich musste ironisch abwinken.

„Weil ich gaaaanz bestimmt an das dritte Stock rankomme.", nickte ich.

Er stieß genervt die Luft aus, dabei rollte er die Augen.

„Bist du nicht Cheeleader oder so?"

„Ja, Jimin. Ich bin Cheerleader oder so.", schüttelte ich ungläubig den Kopf.

„Ja... dann musst du das doch können oder nicht?"

Ich schlug mir selbst auf die Stirn. War ich eigentlich die Einzige, die denken konnte?

„Du weißt, dass ich Anstoß benötige... Und jemanden, der checkt, ob meine Familie unseren Hof betritt.", half ich ihm auf die Sprünge.

Er stieß Luft aus.

„Wieso mache ich das gleich nochmal?"

Genervt stemmte ich die Hände an den Hüften. Er warf nur seine Arme hinauf.

„Fein!"

Endlich gab er sich geschlagen. Innerlich war ich ihm mehr als dankbar dafür...

Gemeinsam machten wir uns an die Ecke meines Hauses, dass ich erreichen musste, um an mein Zimmerfenster kommen zu können. Gerade dann, als wir die Ecke erreichten, fiel es mir ein.

Es war verschlossen. Ich hatte es verschlossen, noch bevor ich zur Schule gegangen war!

Okay. Jetzt war es offiziell. Ich hasste mich gerade selbst. Als hätte Jimin es mir aus meinem Gesicht ablesen können, beleidigte er mich regelrecht mit seinem Blick. Ich verzog entschuldigend die Lippen.

„Das ist doch unmöglich!", keifte er.

„Weißt du...", versuchte ich es irgendwie zu retten, aber er winkte ab.

„Jetzt halt bloß die Klappe!"

Irgendwie genoss ich es in seiner Nähe, trotz der Umstände. Wir waren uns selten so nah... Zudem sprachen wir selten soviel am Stück. Ich hatte ihn vermisst. Die Zeit mit ihm...

„Das Zimmer nebenan", deutete Jimin auf das Fenster. „Das Fenster ist auf."

Ich blickte auf. Nach oben gesehen, erkannte ich es. Das Gästezimmer. Das, direkt neben meinem Zimmer.

Das war eine gute Idee! Von dort aus... Würde mich niemand erwischen. Die Wahrscheinlichkeit war wirklich gering. Der Weg zu meinem Zimmer, der dauerte nämlich keine halbe Minute. Wenn mich jemand erwischte, dann war ich wirklich ein Pechvogel.

„Gut!", musste ich lächeln.

„Gut. Jetzt steig endlich auf meinen Rücken.", befahl er.

Was? Sein Rücken? Mein Kopf schoss in seine Richtung.

„Auf deinen Rücken?", schluckte ich.

Um Gotteswillen. Ich werde ihn anfassen dürfen? Er wird mich tragen müssen? Mein Herz schlug schneller. Lass es bitte echt sein und nicht bloß ein Traum!

„Hörst du schlecht?", fragte er nicht sonderlich freundlich, aber das war mir sowas von egal.

Ohne Widerworte sprang ich ihm auf den Rücken. Als wäre ich ein Fliegengewicht hüpfte er. Wenn wir uns davor abgesprochen hätten, dann wäre es einfacher gewesen, da war ich mir sicher. Mein Hirn konnte sich nämlich nur auf seinen... Sexy Rücken konzentrieren.

Aber ich war schließlich nicht blöd und wusste, was Jimin von mir wollte. Also sprang ich ebenfalls- Soweit, wie möglich war, und griff nach dem Fensterbrett, sodass ich da nun hing. Ohne große Probleme, weil ich zum Glück Sport trieb, hievte ich mich hinauf.

Jimin sah zu mir hoch, während ich das Fenster öffnete und aufschwang. Getan, fühlte ich mich gleich besser. Ich blickte zu Jimin runter, um ihm dann siegessicher meinen Daumen zu zeigen. Er tats mir gleich.

Ohne weiteres, da machte er dann kehrt und verließ mich. Er verließ mein Grundstück. Einfach so. Ohne sich nochmal zurück zu drehen... Anders wie ich, die ihm hinterher sah, bis er durch seine Haustür ging und nicht mehr zu sehen war. Bevor ich dann durch das Fenster kletterte, atmete ich erleichtert aus. Wissend, ich würde heute wieder einen wunderschönen Traum haben. Einen Traum von ihm. Von Park Jimin...

———

Ersten Eindrücke?
Spärlich für den Anfang... Aber das wird noch! Wir kennen ja nicht einmal die halbe Besetzung...
Mal sehen, was uns erwartet!

Stay Tuned, N xX

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