Prolog
Niall P.O.V.
Ich wurde aus dem Auto gezogen und gleich waren Sanitäter bei mir und versorgten mich. Mir fehlte nichts. Ich hatte lediglich eine kleine Brandspur auf der Wange, die durch den Airbag entstanden war. Das einzige, was sie nicht heilen konnten, war der Schock, den ich davongetragen habe. Ein paar der Einsatzkräfte machten sich am Auto zu schaffen und mussten die Tür aufschneiden, um an Chloe, meine Verlobte zu kommen. Oh mein Gott, Chloe! Panisch rannte ich zu ihnen, um mich zu vergewissern, dass es ihr gut geht. Ich konnte mich noch genau an die kurze Sekunde erinnern, in der sie mir voller Liebe in die Augen geschaut hat. Als sie es endlich geschafft hatten, meine Freundin aus dem Auto zu holen, rannte ich sofort zu ihr und warf mich auf den Boden. Ich rüttelte leicht an ihrer Schulter, doch sie bewegte sich nicht, und sofort ging mein Finger zu ihrem Handgelenk, um den Puls zu fühlen. Nichts! Einfach nichts!
„Nein! Bitte verlass mich nicht! Bitte! Ich brauche dich doch so sehr, deine Kinder brauchen dich, deine Familie. Was soll ich nur ohne dich machen?", murmelte ich verzweifelt vor mich hin und brach in Tränen aus. Die Sanitäter kamen sofort und wollten Chloe mit sich nehmen, doch ich ließ sie nicht bis mich ein paar Polizisten zur Seite zogen und auf mich einredeten. Ich hörte ihnen einfach nicht zu, ich will doch nur zu meiner Verlobten.
Hilflos stand ich in dem Gedränge von Autos und Menschen, die alle von Blaulicht und Sirenen umgeben waren. Ich sah zur Unfallstelle, wo überall Teile von PKWs verteilt lagen. Polizisten befragten Augenzeugen und schienen etwas mit der Situation überfordert zu sein. Dann fiel mein Blick wieder zum Krankenwagen, wo die Sanitäter versuchten, Chloe mit aller Kraft und Schnelle am Leben zu halten. Und schon wieder kamen mir Tränen. Ich hatte das alles hier nicht gewollt, zumindest nicht diesen Autounfall. Ich wollte nie irgendwelche Leute in Gefahr bringen sondern nur mit meiner kleinen Familie glücklich sein. Doch dieser Traum war so abrupt vorbei, wie der Gedanke, dass Chloe nichts passiert war. Warum jetzt? Hätte nicht alles komplett anders ablaufen können? Hätten wir nicht einfach einen Tag länger bei meinen Eltern bleiben können? Hätte ich nicht einfach schneller reagieren sollen? Ich bin an allem Schuld. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn Chloe nach diesem Unfall nicht mehr ist.
Langsam wie in Zeitlupe spielten sich die letzten Minuten nochmals vor meinen Augen ab. Der LKW raste mit der Frontseite auf unser Auto zu und drehte es somit auf das Dach. Die kurze Sekunde, die mir Chloe in die Augen sah, so liebevoll und ängstlich, wiederholte sich mehrmals. Dann wurde der Airbag zeitgleich mit den Crashs von den anderen Autos mit unserem ausgelöst. Die Beifahrerseite war komplett eingedrückt und ich konnte nur noch einen kurzen Blick auf meine Verlobte erhaschen, die bewusstlos in ihrem Sitz hang. Wenn ich so über alles nachdenke, musste ich feststellen, dass es der schlimmste Tag in meinem bisherigen Leben war. Ich verliere meine große Liebe und das nur, weil alles meine Schuld ist. Alles meine Schuld!
Ich sah dem Krankenwagen hinterher, der mit Blaulicht ins nächste Krankenhaus fuhr, um ihr hoffentlich helfen zu können. Sie darf nicht sterben, nicht jetzt, wo ich sie so sehr brauche. Ein Polizist und einer der Sanitäter, der mit dem Notarzt gekommen war, kamen auf mich zu.
„Mister Horan?"
„Ja", sagte ich kurz, während sich ein riesiger Kloß in meinem Hals bildete.
„In welcher Beziehung stehen sie zu...", der Polizist schaute kurz auf sein Protokoll, „... zu Chloe Oakley?"
„Als ob sie das nicht wissen würden!", meinte ich etwas gleichgültig.
„Jetzt ist keine Zeit für Scherze.", erwiderte er kühl.
„Sie ist meine Verlobte und die Mutter meiner Kinder.", gab ich ihm schließlich die Antwort, die er haben wollte, wurde aber auch gleichzeitig an Aine und Jordan erinnert. Wie willst du zwei fast dreijährigen Kindern erklären, dass ihre Mummy nicht so bald wiederkommen würde. Ich würde es nicht übers Herz bringen, ihnen das zu sagen. Sie sollen eigentlich als die glücklichsten Menschen auswachsen und immer Spaß und Freude haben, so wie es sich für Kinder gehört. Stattdessen kennen sie dann nur Trauer und Tod.
„Sie würden nun mit mir ins Krankenhaus fahren, um bei Ihrer Verlobten zu sein. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen, ihr Zustand ist im Moment sehr labil und sie schwebt in Lebensgefahr.", sagte dann der Rettungssanitäter.
„Wir verschieben die Befragung dann auf später.", meinte der Polizist, „Ich werde ihnen nachher genaueres erklären."
Er ging dann zu den anderen Polizisten, die jetzt das meiste unter Kontrolle hatten, aber trotzdem noch am Unfallort verweilten.
„Kommen Sie!", sagte der Sanitäter und ging zum Wagen voraus. Ich folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Auch die Fahrt über bis zum Krankenhaus verlief in völligem Schweigen. Ich habe es bis jetzt noch nicht übers Herz gebracht meiner Familie und auch Chloes Familie, besonders Grace, ihrer Schwester, davon zu berichten. Ich glaube es wäre ziemlich voreilig gewesen, weil man ja noch nicht genau sagen kann, wie ihr Zustand ist. Ich redete mir ständig ein, dass es ihr nicht schlecht ginge, dass sie nie wieder zu mir zurückkommen wird, dass ich ihr nie wieder zeigen kann, wie sehr ich sie doch liebe.
Im Krankenhaus wollte ich so schnell wie möglich zu ihr. Doch man sagte mir, dass die Ärzte gerade die Not-OP durchführen. Mit einem Seufzen setzte ich mich ungeduldig ins Wartezimmer. Ich schaute immer wieder auf die Uhr, doch die Zeit verging so langsam wie nie zuvor. Ich wusste nicht, wie lange die Operation dauern würde und wann ich sie sehen konnte. Und genau das macht das Warten unerträglich und ätzend. Nach einer Weile entschied ich mich endlich, trotz Widerwillen, unsere Familien zu informieren. Zuerst rief ich Chloes Eltern an. Sie waren komplett bestürzt, als ich ihnen mitteilte, was geschehen war. Sie hörten beide einfach nicht auf zu weinen, wobei ich wir schon richtig vorstellen konnte, wie Anja auf dem Boden saß, sich an ihren Mann klammerte und unerbittlich weinte. Jake hingegen blieb etwas ruhiger und sagte gleich, dass sie den nächsten Flieger nehmen würden, um bei ihr sein zu können. Auch ich wünschte mir nichts sehnlicher als das, aber leider würde es bis dahin noch eine Ewigkeit dauern. Meine Eltern erfuhren als nächstes davon. Wie zu erwarten, waren die Reaktionen ähnlich, doch ich bat sie zu Hause zu bleiben, damit Aine und Jordan nichts von dieser Situation bemerkten. Nun kam wahrscheinlich mit der schwerste Anruf, den ich eigentlich gar nicht tätigen möchte. Ich weiß, dass Chloe und Grace eine sehr innige, geschwisterliche Beziehung haben und nie so wirklich ohne die andere leben konnten. Ich wählte ihre Haustelefonnummer, denn bei Grace und Harry stieg auch die Party morgen an Silvester, weshalb ich stark davon ausging, dass sie zu Hause sind.
„Hey Niall! Was gibt's? Seid ihr schon am Flughafen?", ertönte sogleich die Stimme meines Bandkollegen und Freundes Harry.
„Könntest du Grace mit ans Telefon holen?", fragte ich ernst, ohne auf seine Fragen einzugehen.
„Ja klar. Aber was ist los mit dir? Du wirkst so bedrückt.", antwortete Harry. Mich erstaunte es immer wieder, wie mich meine Bandkollegen so leicht durchschauen können. Aber andererseits wundert es mich auch nicht, schließlich kennen wir uns schon so ca. 8 Jahre. Sie sind wie Brüder für mich, die mich fast immer verstehen und mir zur Seite stehen wie auch ich ihnen.
Ich hörte etwas im Hintergrund, wie mein Kumpel seine Freundin rief.
„Mensch Harry! Ich war gerade froh, dass Sydney endlich eingeschlafen ist. Also musst du immer so rumschreien.", beschwerte sich Grace gleich, was mich leicht lächeln ließ. Doch das verschwand wieder in Kürze, wenn ich nur daran dachte, was ich ihnen gleich erzählen muss.
„Niall hat angerufen und meinte, ich soll dich ans Telefon holen.", versuchte Harold sein Handeln zu rechtfertigen.
„Was ist denn los, Niall?", fragte sie mich nun.
„Auf der Autobahn gab es vorhin einen Unfall und..."
„Und ihr werdet euren Flieger verpassen und etwas später kommen. Ich versteh schon.", redete sie mir dazwischen.
„Nun ja... nicht ganz."
Mein Hals wurde nun etwas trocken und versuchte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, hinunter zu schlucken.
„Was heißt „nicht ganz".", fragte Harry.
„Wir werden wohl gar nicht kommen."
Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein kurzes Schnaufen und da niemand etwas erwiderte, sprach ich einfach weiter: „Wir waren mit in den Unfall verwickelt und nun sitze ich hier im Krankenhaus und warte auf weitere Informationen."
„Was? Wie? Ich verstehe nicht? Du sitzt im Krankenhaus? Was ist mit meiner Schwester?", fragte Grace etwas aufgebracht und überrumpelt zugleich.
„Sie wird gerade notoperiert.", antwortete ich kurz, „Und das ist alles meine Schuld."
„Sie wird was?"
„Babe, bitte beruhige dich.", hörte ich Harry sagen.
In den nächsten Minuten erzählte ich ihnen, was genau geschehen war. Grace brachte kein Wort mehr heraus und schien mit der Situation überhaupt nicht umgehen zu können.
„Mister Horan?"
„Ja.", antwortete ich auf sah vom Fußboden zu der Krankenschwester auf.
„Sie erhalten später alle Informationen zum Zustand von Chloe Oakley vom Arzt. Wir sind immer noch mit der OP beschäftigt. Es gab einige Komplikationen, weswegen es länger dauern wird, als geplant war. Aber bitte machen sie sich keine Sorgen. Wir haben alles unter Kontrolle.", informierte sie mich. Es war zwar nicht wirklich viel Information und auch nicht unbedingt eine gute Nachricht, aber ich war froh darüber, dass ich jetzt wenigstens etwas wusste, auch wenn es mich nicht sonderlich beruhigte. Ich nickte ihr einfach nur dankbar zu.
„Bitte was? Es gab Komplikationen.", hörte ich Grace' aufgebrachte Stimme durch mein Smartphone. Ich hörte, wie Harry immer und immer wieder auf seine Freundin einredete, dass sie sich beruhigen sollte.
„Grace, ich habe doch auch keine weiteren Informationen bekommen. Es wäre schön, wenn du einen klaren Kopf bewahren würdest. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, denn mir geht es genauso, aber es bringt dir jetzt gar nichts, dich so fertig zu machen.", meinte ich.
„Du hast ja Recht.", gab sie klein bei, „Wir machen uns gleich auf den Weg. Ich muss unbedingt bei meiner Schwester sein."
Wir verabschiedeten uns voneinander und nun hieß es für mich warten, warten und warten.
Nach fast 22 Stunden, in denen Grace und Harry als auch Anja und Jack eingetroffen waren, kam eine der Krankenschwestern wieder zu uns. Die Schwester meiner Verlobten lief die ganze Zeit auf und ab. Sie war komplett nervös und nicht wirklich bei Sinnen. Ich hätte am Telefon nicht gedacht, dass das bei ihr so drastisch ist. Aber klar, wenn die eigene kleine Schwester in Lebensgefahr schwebt, würde ich wahrscheinlich auch am Boden zerstört sein und hoffen.
„Wir sind nun mit der Operation fertig und..."
„Dürfen wir zu ihr?", fragte Grace voller Zuversicht.
Ohne auf ihre Frage einzugehen, sprach die Krankenschwester weiter: „Und der Arzt bittet sie in sein Büro zu kommen. Aber nur Familienangehörige und Mister Horan."
Sie ging den Gang entlang und Chloes Eltern folgten ihr.
„Sorry Harry! Aber ich hoffe, dass es nicht so lange dauern wird.", meinte seine Freundin und gab ihm einen schnell einen Kuss, bis wir der Schwester zum Büro hinterhereilten.
„Setzt Euch doch!", forderte uns der Arzt mit einer Handbewegung auf. Alle schwiegen und sahen den Arzt gespannt an. Dieser warf einen Blick auf die Akte, ehe er dann wieder zu uns aufsah.
„Nun. Ich glaube, Ihnen allen ist klar, dass es nicht unbedingt erfreuliche Nachrichten gibt. Aber fangen wir erst einmal mit dem Positiven an: Die Operation ist ganz gut verlaufen.", fing er schließlich an.
Alle atmeten erleichtert auf, doch das ist wahrscheinlich das einzig Gute, was er zu berichten hatte.
„Miss Oakley hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma davongetragen. Zudem sind Brandverletzungen im Gesicht dazugekommen. Der linke Lungenflügel ist angerissen und die Rippen geprellt. Der Fuß, mit inbegriffen das Sprunggelenk ist zweifach gebrochen. Das rechte Knie verdreht, dass es zum Reißen des Innen- und Außenbandes kam. Und zu meinem Bedauern, ist die Wirbelsäule gebrochen."
„Das heißt, meine Schwester ist gelähmt?", fragte Grace den Arzt und Anja schniefte schon. Auch Grace traten die Tränen in die Augen.
„Sie hat großes Glück gehabt. Der Halswirbel ist durch die Geschwindigkeit und den Aufprall gebrochen. Dabei wurde aber das Rückenmark nicht verletzt.", meinte er und zeigte uns die Röntgenbilder.
„Dafür ist aber ein weiterer Knochenbruch im Rücken entstanden. Wir vermuten, dass er durch das Überschalgen des Autos zustande gekommen ist. Die Wirbel haben sich verschoben. Dadurch wurde das Rückenmark angerissen. Deswegen mussten wir auch so schnell es ging operieren. Ich kann Ihnen aber noch nicht genau sagen, welche Folgen sie trotz der OP davontragen wird. Im schlimmsten Fall, was wir nicht hoffen wollen, kann es sein, dass sie querschnittsgelähmt ist. Dass keine Schäden bleiben, ist sehr unrealistisch.", fuhr er fort und zeigte immer wieder Bilder. Mit der Zeit ist meine Hoffnung so verflogen, dass sich ein riesen Kloß in meinem Hals gebildet hatte. Diese ganzen Verletzungen setzten mir zu und die Aussicht, dass Chloe nie komplett gesund wird und definitiv Schäden davontragen wird, ließen mich in mich selbst zusammenfallen. Anja hört überhaupt nicht mehr auf zu schluchzen und Jack schaut die ganze Zeit nur auf den Boden. Ich kann den dreien einfach nicht in die Augen sehen. Ich bin daran schuld, dass ihre Tochter wahrscheinlich im Rollstuhl sitzen wird und nie wieder laufen kann.
„Eine Frage, Herr Doktor.", sagte Grace. Man sah ihr an, dass sie kämpfte nicht komplett in Tränen auszubrechen. Ihre Stimme war kratzig und leise und man konnte in ihr nicht den kleinsten Schimmer von Freude, die sie normalerweise immer ausstrahlte, erkennen.
„Was hat die Operation so schwer gemacht? Die Schwester meinte, dass es Komplikationen gab.", fragte sie.
„Nun ja. Ihre Schwester hat immer wieder das Bewusstsein verloren, was es für uns ziemlich schwer gemacht hat. Ihr Herz hat immer kurze Aussetzer gemacht. Sie während der OP am Leben zu halten, hat all unsere Kräfte gekostet. Und zudem mussten wir feststellen, dass Miss Oakley schwanger war.", antwortete er. Ich sah ihn entsetzt an. Das kann nicht sein? Mein Mund wurde trocken und Tränen kamen mir in die Augen.
„In welchem Monat war sie?", fragte ich leise. Auch die anderen schienen besonders jetzt hinzuhören.
„Im ersten. Sie hat es leider verloren."
Jetzt schossen mir erstrecht die Tränen aus den Augen und rollten mir über das Gesicht. Sie hatte davon gewusst und nichts gesagt. Sie wusste es! Ich schluchzte. Sie hat nicht die Möglichkeit bekommen, es mir zu sagen. Alles meine Schuld! Ich bin daran schuld, dass sie verletzt ist und... Ich habe es getötet, ich allein. Wie kann ich ihr nur jemals wieder in die Augen sehen?
Das war der Prolog des neuen Teils. Ich hoffe, ihr seid gespannt wie es weitergeht. Und wie Niall ohne seine Verlobte auskommt und was mit Chloe passiert.
Eure Ideen würden mich interessieren. Ich bin für alles offen.
Wie ich bereits gesagt hatte, wird es etwas abwechslungsreicher. Stellt euch schon mal darauf ein, dass es häufige Perspektivwechsel geben könnte.
Schöne Woche noch :D
Chloe :)
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