4. Kapitel: Daddy Horan
Niall P.O.V.
Total verdattert stand ich hier nun auf dem Flur der Intensivstation und hatten keinen blassen Schimmer, was hier vor sich ging. Niemand beachtete mich wirklich, weil jeder beschäftigt und hektisch durch den Gang oder durch die Zimmer lief. Allein schon nur der mitleidige Blick von Schwester Jana zeigte mir, dass es etwas mit meinen Verlobten zu tun haben muss. Aber was genau das war, wusste ich einfach nicht. Hoffentlich ging es ihr gut! Ach Quatsch! Warum rede ich mir das ein? Sonst würde Jana nicht sagen „Es tut mir so leid.". Wenn sie damit meint, dass Chloe tot ist, würde ich zerbrechen. Ich kann nicht ohne sie leben. Nein, das darf es einfach nicht sein!
Da ich nicht wusste, wo ich hinsollte, lief ich zum Wartezimmer. Als ich dort ankam, lief eine Frau mit blonden Haaren nervös im Zimmer auf und ab. Vielleicht wartet sie ja auch auf etwas. Es störte sie nicht, dass ich ins Zimmer gekommen bin. Ich glaube, sie hat es noch nicht mal wirklich bemerkt, da sie wahrscheinlich über etwas grübelte. Da ich sie nicht zu kennen schien, setzte ich mich auf einen der Stühle und knetete meine Hände, ein Zeichen, dass ich unsicher und angespannt war. Ich sah mir die Frau nochmal näher an und dann erkannte ich sie.
„Natalie?"
Etwas ungläubig starrte ich sie an. Was macht sie denn bitte hier? Ich wüsste nicht, dass sie hier ein Familienmitglied oder einen Freund hätte, der auf dieser Station läge. Oder dachte sie, sie könnte nochmal mit mir reden und weil ich nicht zu hause war, ist sie dann hierher gekommen. Wenn sie mit mir über vergangene Nacht reden möchte, kann sie gleich wieder gehen. Ich möchte sie nämlich so schnell wie möglich vergessen, weil das alles ein riesen Fehler gewesen ist.
„Hi, Niall.", meinte sie und drehte sich zu mir um. In ihrem Gesicht erkannte ich den Schock, doch ob sie so überrascht war, dass ich hier war, glaubte ich nicht. Als sie näher kam, konnte ich sehen, wie ihre Hände zitterten. Sie war auch ganz wackelig auf den Beinen, wie mir auffiel. Man konnte sie nicht mit der Natalie vergleichen, die ich gestern im Club kennengelernt hatte. Sie sah allgemein nicht so aus, wie gestern Abend. Kein Wunder, dass ich sie nicht so schnell erkannt habe. Sie war nicht ganz so stark geschminkt. Ihre Haare waren zu einem hohen Zopf gebunden und sie hatte eine einfach Jeans, ein Shirt, eine Lederjacke und schwarze High Heels an.
„Was machst du hier?", fragte ich sie, weil ihr plötzliches Erscheinen und ihr Verhalten mich doch etwas stutzig machten.
„Ich... äh... ich...", stotterte sie sich irgendwas verlegen zusammen.
„Ja? Und ich hätte gerne die Wahrheit."
„Na schön. Mich hat interessiert, wer deine Verlobte Chloe Oakley ist. Und dann wollte ich sie mal besuchen gehen. Ich hab sie mir komplett anders vorgestellt. Zumindest habe ich ein bisschen mit ihr geredet und dann hat auf einmal ein Gerät angefangen, wie wild zu piepen und dann kamen schon die Schwestern und Ärzte und haben mich hierher geschickt.", sagte sie dann und mied den Blickkontakt zu mir.
„Du hast was? Warum interessierst du dich für meine Freundin?"
Ungläubig schaute ich sie an. Was habe ich nur getan?
„Ich wollte wissen, wen du so sehr liebst, dass du nichts von mir willst. Klar hatte ich schon häufig gehört, dass ihr eine glückliche Beziehung führt, trotzdem finde ich, dass du dich falsch entschieden hast.", antwortete sie und klimperte dann mit ihren Augen.
„Was richtig oder falsch für mich ist, entscheide ich selbst. Ich liebe Chloe und unsere Familie, da werde ich sicher nichts mit einer anderen anfangen...", fing ich an und wurde etwas sauer.
„Aber das sah gestern noch recht anders aus.", quatschte sie dazwischen und versuchte, ihre eigentliche Nervosität und ihre Schuldgefühle zu überspielen.
„Das war ein Fehler. Aber wenn du jetzt Schuld daran bist, dass ich sie verliere, könnte ich es mir selbst nicht verzeihen, weil ich gestern so dumm war.", meinte ich und wandte mich von ihr ab.
„Für dich vielleicht. Für mich nicht. Aber es war ein Fehler herzukommen und dein Leben zu versauen. Das wollte ich nicht."
Wieso nur glaube ich ihr das nicht? Auf mich hat es den Anschein gemacht, als wollte sie mein Leben gerade komplett durcheinander bringen. Und der beste Weg, um das umzusetzen, war, meine Schwachstelle zu kennen. Natalie weiß sie. Chloe. Ich würde alles für sie tun, damit es ihr gut geht, weil ich sie so sehr liebe. Ich möchte sie nicht verlieren. Und durch diese dämliche Sache würde ich das wahrscheinlich. Das weiß Natalie genauso gut wie ich und deswegen würde sie alles dafür tun, damit es nach ihrer Nase läuft. Weil ich nicht möchte, dass meine Freundin etwas davon erfährt, wenn sie wieder ganz bei Sinnen ist, muss ich dann wohl oder übel nach Natalies Nase tanzen und somit bin ich von ihr abhängig. Es sei denn, sie ist doch ein herzensguter und verständnisvoller Mensch und sieht ein, dass es nichts bringt, diesen Scheiß durchzuziehen.
Die Tür des Wartezimmer öffnete sich und ein mir unbekannte Krankenschwester trat in den Raum. Völlig ausdruckslos kam sie auf mich zu und ignorierte Natalie, die etwas weiter von mir entfernt stand.
„Mister Horan, Dr. Carter erwartet sie in seinem Büro. Ach und Miss Auckland, Sie werden ebenfalls gebeten, mit ins Büro des Doktors zu kommen.", sagte sie kühl und ging wieder aus Zimmer.
Langsam setzte ich mich in Bewegung und folgte der Schwester und Natalie, die vor mir auf ihren hohen Schuhen durch den Gang wackelte. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Je näher wir dem Büro des Oberarztes der Station kamen, desto nervöser wurde ich. Mein Herzschlag beschleunigte sich ins Unermessliche. Ich wusste einfach nicht, was ich noch machen sollte.
„Da sind Sie ja. Bitten setzen Sie sich.", forderte der Arzt uns auf, nachdem er die Krankenschwester weggeschickt hatte.
„Ich bin Dr. Carter.", stellte er sich Natalie vor, „Wir kennen uns ja bereits, Niall."
Ja und zwar schon lange genug, dass wir uns mit dem Vornamen anreden. Ich war halt jeden Tag hier und sprach regelmäßig mit ihm über den Zustand meiner Freundin.
„Erstmal bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie einer Schwester so schnell wie möglich Bescheid gesagt haben, weil es sonst zu spät gewesen wäre.", bedankte er sich bei Natalie, die jetzt zumindest schon etwas ruhiger geworden ist, nachdem sie das gehört hatte.
„Trotzdem gibt es nicht gerade gute Nachrichten. Das ist dir, Niall, bestimmt bewusst."
Und wie mir das bewusst ist, sonst würde ich nicht so angespannt sein und nichts sagen. Ich muss mich beherrschen, dass Natalie nicht schon längst meine Hand in ihrem Gesicht hat.
„Durch diesen Vorfall hat der Gesundheitszustand von deiner Verlobten einen Satz zurück gemacht. Wir wissen leider immer noch nicht, wie es zu diesem kurzen Herzstillstand kommen konnte. Wahrscheinlich ist jedoch, dass es nicht grundlos dazu kam, weil sie schon in einer relativ guten Verfassung war.", informierte er mich. Oh... ich glaube, ich weiß, wer das ganze hier ausgelöst hat.
„Und wie geht es ihr jetzt?", fragte ich ihn. Wollte ich das überhaupt wissen?
„Sagen wir es mal so: Ihr Zustand ist stabil. Sollte so etwas häufiger passieren und ihr Zustand sich nicht auf das Level verbessern, dass man die Medikamente heruntersetzen kann, sodass sie aus dem Koma erwacht, kann ich dir nicht versprechen, dass sie es schafft. Du musst wissen, je länger ein Patient im Koma liegt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass er wieder erwacht. Wir versuchen alles, um den Komazustand so kurz wie möglich zu halten, aber wenn die Gesundheit des Patienten noch nicht so weit ist, können wir das Risiko nicht eingehen.", antwortete er.
„Kann ich sie heute noch besuchen?"
„Es tut mir leid, aber ich kann das Risiko einfach nicht eingehen.", meinte er. Ich kann es schon verstehen, trotzdem hätte ich sie lieber gesehen und besucht.
„Dann geh ich wohl besser."
Auf dem Weg nach Hause wurde ich von Magritte angerufen.
„Sag mal, wo bist du denn? Hatten wir nicht gesagt, dass ich sie gegen 17 Uhr zu dir bringe?", fragte sie.
„Oh sorry. Das hatte ich voll vergessen. Ich bin so schnell wie möglich da."
Oh Shit! Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich meine eigenen Kinder vergessen hatte. Ich parkte schnell das Auto und eilte zu meiner Wohnung. Dort wartete bereits Magritte mit Aine und Jordan auf mich. Ich schloss die Tür auf und bat sie hereinzukommen.
„Daddy!", rief Aine fröhlich und kam dann auf mich zu gerannt. Mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen schloss ich sie in meine Arme. Ihre kleinen Hände um meinem Hals zu fühlen, macht mich so glücklich. Ich bin so froh, dass ich meine Kinder habe, die mir immer meinen Tag verbesserten. Auch Jordan klammerte sich fest an mich und ich wäre beinahe umgefallen. Beide lachten nur und Aine meinte: „Nicht umfallen. Wir brauchen dich noch."
Zumindest sollte es das heißen. Sie können noch keine perfekten Sätze bilden, aber ich verstehe sie, ich werde sie immer verstehen.
„Na dann werde ich hier wohl nicht weiter gebraucht.", sagte Magritte und zwinkerte mir kurz zu. Ich verabschiedete mich noch von ihr und bedankte mich nochmals.
„Ach, keine Ursache. Ich habe die beiden ja gern bei mir.", meinte sie dann, ehe sie ging.
„So ihr beiden. Was gibt es denn heute zu essen?", fragte ich an meine beiden Kleinen gewandt.
„Grießbrei! Bitte Daddy.", riefen sie gleichzeitig und lachten. Dann sahen sie mich mit ihrem Hundeblick an. Und verdammt ich muss zugeben, dass sie das echt gut können.
„Na schön. Ich mach euch euren Grießbrei und währenddessen könnt ihr ja noch etwas spielen. Aber bitte lasst die Wohnung ganz.", meinte ich dann und stellte mich an den Herd.
„Daddy! Jordan ärgert mich."
„Das stimmt nicht."
„Wenn ihr euch nicht einigen könnt, dann gibt es heute eben keinen Grießbrei.", sagte ich dann und sah zu den beiden hinüber, wie sie auf dem Teppich saßen.
„Na gut. Entschuldige!"
„Mir tut es auch leid."
Ich schmunzelte, weil die beiden einfach nur goldig zusammen sind.
„So, Essen ist fertig.", rief ich den beiden zu.
Schon kamen sie zu mir herüber gelaufen und streckten mir ihre kleinen Ärmchen entgegen, damit ich ihnen auf den Kinderstuhl helfen kann. Mit viel Spaß und Freunde aßen Aine und Jordan ihren Grießbrei auf, denn ich musste wie gewöhnlich mit ihnen das Flugzeug spielen. Auch wenn die Ladung dabei nicht immer da blieb, wo sie sollte.
Ich schaute kurz auf die Uhr und bemerkte, dass es für die beiden schon Zeit für das Bett war.
„So ihr beiden, jetzt werden wir uns noch waschen gehen und dann geht es für euch ab ins Bett.", meinte ich zu ihnen und hob jeden einzeln aus den Stühlen.
„Ihhh waschen.", rief Jordan und rannte quer durch die ganze Wohnung. Und da Aine sich den Spaß nicht entgehen lassen wollte, lief sie ebenfalls lachend und schreiend umher. Ich lief ihnen hinterher, um sie einzufangen. Eine ganze Weile ging das so und ich tat so, als würde ich sie nicht bekommen, doch dann schnappte ich mir Aine, die mich ganz verdattert ansah, und Jordan, der auch wie so ein Auto guckte.
„Jetzt aber wirklich."
Nach etlichem Umherjammern lagen beide gewaschen und umgezogen in ihren Betten und sahen mich nun mit ihren großen Augen an.
„Daddy?"
Aine setzte sich im Bett auf und griff mit ihren kleinen Fingern nach meiner Hand. Ihr zuckersüßes Lächeln erinnerte mich wieder an Chloe. Ich hatte ihr schon immer gesagt, dass unsere Kinder ihr bezauberndes Lächeln haben werden und getäuscht habe ich mich da ja wohl nicht.
„Ja?"
„Kannst du uns ein Lied vorspielen?", fragte sie mich und auch Jordan war davon begeistert, dass er sogar in die Hände klatschte.
„Welches denn?", fragte ich und nahm meine Gitarre, die bei ihnen im Zimmer stand. Denn fast jeden Abend spielte ich ihnen ein Lied vor.
„Das, was Mummy immer so gerne hört.", sagte sie leise.
Ich stockte kurz. Ich hatte das Lied schon lange nicht mehr gespielt, obwohl es so schön ist. Oh ja, sie liebt dieses Lied und ich muss immer daran denken, wie wir zusammen auf dem Sofa vor dem Kamin gesessen hatten und ich es für sie gesungen hatte. Eigentlich wollte ich dieses Lied erst dann wieder spielen, wenn sie wieder bei mir ist. Doch ich kann den Wunsch meiner kleinen süßen Aine nicht ausschlagen. Also spielte ich das Lied. Alle Emotionen und Momente, die ich mich Chloe verbracht hatte, kamen in mir hoch. Ich wusste nicht warum, aber Tränen rollten mir über die Wangen. Und auch das merkte ich erst, als das Lied zu Ende war und Jordan fragte: „Warum weinst du Daddy?"
„Nicht weinen Daddy.", flüsterte Aine dann.
Schnell wischte ich mir die Tränen weg.
„Es ist nichts. Mir geht es gut.", meinte ich nur, stand auf und gab jeden noch ein Küsschen auf die Stirn, „Schlaft gut."
Mit der Gitarre in der Hand verließ ich das Zimmer der beiden und ging nach unten in den Wohnbereich. Ich lehnte das geliebte Instrument erst einmal gegen die Couch, denn ich musst noch die Küche aufräumen. Ich stellte die Teller, Gläser, den Topf und das Besteck in den Geschirrspüler und wischte den Tisch als auch die Arbeitsplatte gründlich ab. Dann nahm ich mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank und ging zum Sofa zurück. Ich machte es mir gemütlich und griff nach meiner Gitarre. Ich weiß nicht, wie es auf einmal kam, aber ich hatte da diese eine Melodie immer und immer wieder im Kopf. Sie musste nur noch ausgearbeitet werden und brauchte einen perfekten Songtext. Ich hatte vor, den Text über Chloe und mich zu schreiben, auch wenn es ziemlich kitschig rüberkommt. Aber das war mir egal, er sollte nur für sie sein. Und so machte ich mich daran, einfach meinen Erinnerungen und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Leider erwies es sich als nicht besonders leicht, die richtigen Worte für meine Gedanken zu finden. Aber im Endeffekt entstand daraus zumindest schon mal die erste Strophe. Als ich gerade den Refrain in Angriff nehmen wollte, klingelte es an meiner Haustür. Ich sah kurz auf die Uhr. Es warkurz vor 10. Wer möchte denn so spät noch etwas von mir?
Ein neues Kapitel... endlich habe ich es fertig. Ich hoffe, ihr freut euch, dass ich den Cliffhanger, eigentlich zwei Cliffhanger 🤔, aufgelöst habe.
Und trotzdem ist schon wieder ein neuer da... weil ich euch sooooo lieb habe 😙
Wer könnte es sein, der so spät noch bei Niall klingelt?
Glaubt ihr das, was Natalie erzählt hat?
Und wie findet ihr Niall in seiner Vater-Rolle?
Genießt eure restlichen Ferien. Denn ich muss nächste Woche wieder zur Schule 😕
Chloe :)
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