39. Kapitel: Vertrauen - der zweite Schritt

Chloe P.O.V

Die letzten Wochen hatte ich ein Gefühl, was ich vorher nicht wirklich gehabt hatte. Seit ich aus dem Koma erwacht bin, habe ich mich irgendwie sehr fehl am Platz gefühlt. Jetzt habe ich etwas gefunden, was meinem Sein wieder etwas Sinn gegeben hatte.

Ich war endlich mal wieder glücklich, konnte lächeln und lachen, ohne dass es gezwungen oder aufgesetzt wirkte. Ich fühlte mich befreiter und hätte bis zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht, dass das hätte möglich sein können, zumindest nicht so schnell.

Und das alles nur dank Louis. Er kommt jeden Tag hier in die Klinik und ist rund um die Uhr bei mir.

Am Anfang war es wirklich nervig, weil ich niemanden um mich haben wollte. Ich wollte mich eigentlich von meinen Mitmenschen distanzieren, sodass es diesen leicht fällt, mich dafür zu hassen und mich zu vergessen.

Doch Louis kam immer und immer wieder und ließ sich davon nicht unterkriegen, dass ich kein einziges Wort mit ihm geredet oder ihn ignoriert habe. Und genau das hat mich so wütend gemacht, dass ich ihn am liebsten angeschrien hätte.

Aber ich musste mir eingestehen, dass ich seine Gesellschaft genoss und das gemeinsame Klavierspiel irgendetwas in mir bewegt hatte. Ich weiß nicht, warum das so war. Vielleicht war es die Erkenntnis, dass mir etwas im Leben fehlt, so wie mir das Klavier Spielen gefehlt hatte.

Ich denke, es ist die Liebe. Die Liebe zum Klavierspiel und zur Musik hat mich wieder aufgerichtet. Das Gefühl, es mit jemandem teilen zu können, es mit Louis teilen zu können, ohne dass irgendjemand etwas sagen musste, war einfach unbeschreiblich.

Dennoch fehlte mir die Liebe von jemandem, jemand ganz bestimmtem. Ich vermisste ihn schon die ganze Zeit, wollte es mir aber wahrscheinlich einfach nicht eingestehen. Auch das Ignorieren hatte es nicht besser gemacht sondern viel schlimmer, wenn ich ehrlich bin.

Ich wollte seine Stimme hören, wie er das Lied singt, was er nur für mich geschrieben hatte. Ich wollte mich wieder in seinen wunderschönen, ozeanblauen Augen verlieren. Ich wollte wieder in seinen Armen liegen und einfach seine Nähe spüren.

Dennoch schoss mir wieder der Gedanke durch den Kopf, was er nicht alles für mich aufgeben müsste, welche Arbeit es für ihn bedeuten würde. Außerdem hatte sich so viel zwischen uns verändert.

Er hat so viel erlebt und ist durch eine schwere Zeit gegangen, was ihn in jeder Hinsicht geprägt hat. Ich habe mich irgendwie selbst verloren und versuche gerade, mich irgendwie wiederzufinden, falls das überhaupt möglich ist. Wir beide haben uns entwickelt und das nicht unbedingt in die gleiche Richtung.

Vielleicht haben wir uns ja schon zu sehr voneinander entfernt. Vielleicht hat er auch gar kein Interesse mehr an mir, sonst würde er mich wahrscheinlich besuchen kommen, oder er hat schon jemand anderen gefunden, jemand besseren als mich.

Ich schüttelte die Gedanken ab, denn negative Gefühle brachten mich einfach nicht weiter und zogen mich runter. Stattdessen lauschte ich den Geräuschen des Meeres, wie die Wellen an den Strand schlugen. Es beruhigte mich ungemein.

In letzter Zeit saß ich nicht mehr so häufig hier oben auf dem Balkon nur noch am Morgen, obwohl es davor eine Angewohnheit von mir war. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch keine Zeit dafür, denn Louis beschäftigte mich wirklich jeden Tag.

Zudem kamen meine Sitzungen bei Dr. Thompson noch hinzu, die nicht mehr so eine Qual waren. Ich ignorierte sie nicht mehr und fing langsam an, mit ihr über meine Gefühle und Gedanken zu reden. Das und die Musikstunden mit Louis taten wir richtig gut, sodass ich meine Selbstmordgedanken zu hundert Prozent bezwingen konnte. Meine Angst- und Panikattacken als auch die Albträume, die mich dank des Unfalls die letzten Monate geprägt hatten, nahmen ab.

Ein weiterer Fortschritt, über den ich glücklich war. Dennoch war ich immer noch nicht auf meinem Idealstand.

Seufzend öffnete ich die Augen und rollte zurück in mein Zimmer. Gerade als ich die Tür vom Balkon schloss, öffnete sich meine Zimmertür und ein gut gelaunter Louis kam pfeifend in mein Zimmer. Irritiert sah ich ihn an und runzelte leicht die Stirn.

In den letzten Tagen schien er ziemlich bedrückt gewesen zu sein. Aber als ich nachfragte, gab er mir keine Antwort, sondern wechselte zu einem anderen Thema. Somit war mir klar, dass er nicht darüber reden wollte. Ich hätte aber genauso gut zu ihm sagen können, dass es verdrängen nicht gerade besser machte, so wie er es immer bei mir getan hatte in den letzten Wochen.

„Wie kommt es, dass Mister Tomlinson heute mal in einer überaus guten Laune ist?", fragte ich ihn schmunzelnd.

„Ist es denn jetzt schon verboten, einfach gut gelaunt zu sein?", stellte er mir die Gegenfrage.

Natürlich war es das nicht. Es war mir sogar lieber, wenn Louis mit einem breiten Lächeln durch die Tür kommt, als komplett deprimiert und angespannt. Denn diese Laune zieht sich dann meistens auch durch den ganzen Tag, den er hier ist, und trägt nicht gerade für ein angenehmes Klima bei. Er versuchte zwar, seine schlechte Laune zu unterdrücken und ein Lächeln aufzusetzen, dennoch konnte ich es ihm in fast keiner Sekunde abkaufen.

„Natürlich. Das weißt du doch. Dass du es einfach wagst, hier mit guter Laune aufzutauchen. Das ist echt eine Schande.", lachte ich sarkastisch.

„Na schön, dann muss ich wohl wieder gehen.", gab er gespielt unglücklich und resigniert zurück, „Dann wirst du wohl nicht die Überraschung sehen, die ich geplant habe."

Verwundert sah ich ihn an. Eine Überraschung? Für mich? Wie ich Überraschungen doch eigentlich hasste. Aber irgendwie erweckte diese mein Interesse und meine Neugier.

„Was ist es denn?", fragte ich leise und sah ich schon leicht bettelnd an.

„Wenn ich es dir sagen würde, wäre es doch keine Überraschung mehr, oder?", grinste er frech und zwinkerte mir zu.

Ich rollte ein Stück auf ihn zu und musterte ihn, in der Hoffnung, dass sein Gesicht irgendwas verraten würde. Aber da war nichts, rein gar nichts, was mir einen kleinen Hinweis gab. Also fing ich einfach an, zu raten. Aber jedes Mal verneinte er. Wahrscheinlich war es egal, was ich sagen würde, er würde immer mit „Nein" antworten.

„Ist es Niall?", fragte ich.

Louis' Mundwinkel verzogen sich jetzt von einem Lächeln zu einer ernsten Miene. Erst jetzt bemerkte ich, was ich gefragt hatte und schon fingen meine Augen an, sich mit Tränen zu füllen. Ich senkte für einen kurzen Augenblick den Kopf und schloss die Augen, um mich zu sammeln und nicht zu weinen.

Ich wollte keine Schwäche zeigen, nicht jetzt, nachdem ich die letzten Wochen Stärke bewiesen hatte. Aber der Wunsch und die Sehnsucht, Niall zu sehen, sind über die Monate, die ich ihn ignoriert hatte, besonders gewachsen.

Als ich meinen Kopf wieder hob, sah er mich besorgt und traurig an. Ich hasste diesen Blick. Denn jeder musterte mich mit diesem Mitleid. Ich wollte kein Mitleid, denn das zeigte mir wieder einmal, in welcher Situation ich mich befand und wie sehnlichst ich versuchte, da rauszukommen. Dennoch sagte mir sein Gesichtsausdruck jetzt genau, dass Niall nicht gekommen war.

„Sag nichts. Ich weiß die Antwort schon.", meinte ich und schob gleich noch eine Lüge hinterher, die ich versuchte, mit einem aufgesetzten Lächeln glaubhafter zu machen, „Es ist schon in Ordnung. Jetzt komm! Wir haben einen Termin bei Dr. Thompson."

Ich rollte zur Tür und öffnete sie, während Louis mir folgte. Auch wenn er wusste, dass es eine Lüge gewesen war, ging er nicht darauf ein und ich war ihm wirklich dankbar dafür. Ich weiß nicht, seit wann Louis die Fähigkeit besaß, zu wissen, wann er den Mund halten sollte, denn normalerweise sagte er immer alles, was er dachte.

Als ich gerade in Richtung Dr. Thompsons Büro rollen wollte, packte er mich sanft an der Schulter, sodass ich inne hielt und zu ihm hoch sah.

„Wir haben keinen Termin. Ich sagte doch, dass ich eine Überraschung für dich habe. Natürlich habe ich das vorher alles mit deinen Ärzten abgesprochen und sie haben zugestimmt. Du hast doch morgen sowieso wieder einen Termin bei Dr. Thompson. Das geht also schon in Ordnung.", meinte Louis und schob eine Erklärung gleich hinten dran, bevor ich überhaupt fragen konnte.

Ich war dennoch etwas verwirrt. Ich durfte nie eine meiner Sitzungen verpassen und, dass Louis dafür die Erlaubnis bekommen hatte, überraschte mich dann doch schon.

Louis schob mich in Richtung des Gemeinschaftsraumes. Ich nahm an, dass seine Überraschung irgendwas mit Musik zu tun hatte. Doch da hatte ich mich geschnitten und ihn falsch eingeschätzt, denn Louis steuerte anstatt des Flügels die Tür zur Terrasse an.

Ich hatte immer noch nicht den blassesten Schimmer, warum wir nach draußen wollten. Ich fragte bestimmt zwanzigmal, wo genau wir hinwollten. Aber Louis schwieg die ganze Zeit über. Das machte die Stimmung irgendwie sehr komisch, denn normalerweise war Louis es, der durchgehend redete, wenn wir am Klavier saßen, während ich mich mit meinen Worten eher bedeckt hielt.

Da er ja sowieso nicht mit mir sprach, beobachtete ich die Gärten der Klinik, die ich noch nie wirklich gesehen hatte. Es gab so viel, was mir hier entgangen war, als ich meine gesamte Zeit damit verschwendet habe, oben auf dem Balkon zu sitzen und jeden zu ignorieren, während ich überlegte, wie ich am besten sterben könnte.

Ich musste zugeben, dass die Gärten schon etwas Beruhigendes an sich hatten und wunderschön waren. Es gab mehrere Holzbänke, auf denen man sitzen konnte und in der Mitte war ein imposanter Brunnen.

Dennoch zog es mich mehr zum Meer. Als ich sah, dass Louis auch genau darauf zusteuerte, schlug mein Herz schneller und mein Atem setzte für einen kurzen Moment aus. Wahrscheinlich strahlten meine Augen gerade, als würde man einem Kleinkind ein Eis schenken.

Wie sehr hatte ich mir gewünscht an den Strand zu gehen? Wie sehr? Und nun war ich diesem jetzt so nah. Dennoch würde ich nicht die Möglichkeit haben, den Weg oder den Steg zu verlassen. Das ließ meine Euphorie dann schon etwas sinken. Und mir traten Tränen in die Augen, als ich an all die schönen Momente denken musste, die ich am Strand verbracht hatte.

„Louis, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.", murmelst du leise.

Schon stoppte er und kam zu mir herum, damit ich meinen Kopf nicht komplett verdrehen musste. Als er meine roten Augen sah, erschien kurz Besorgnis in seinem Gesicht. Doch diese war in der nächsten Sekunde verschwunden und durch ein Lächeln ersetzt worden.

„Aber ich weiß es. Jedes Mal, wenn ich dich da oben...", meinte er und zeigte auf einen der Balkons, „... gesehen habe, hast du ganz sehnsüchtig auf den Strand und das Meer gestarrt. Ich will dir nur einen deiner Träume erfüllen."

Mit diesen Worten brachte er mich schon wieder fast zum Weinen. Dass es ihm aufgefallen war und dass er mir damit helfen will, zeigt, wie aufmerksam er doch ist und wie sehr er um mich besorgt ist. Ich denke, ich habe in ihm einen wirklich guten Freund gefunden.

„Und ich danke dir dafür. Aber einfach nur hier zu sitzen, auf dem Steg, und auf das Wasser zu starren, ist nicht anders, als oben auf dem Balkon zu sitzen. Es verändert rein gar nichts.", gab ich zurück und wischte mir über die Augen.

Er unterbrach unseren Augenkontakt und sah zum Wasser hinüber. Für mehrere Minuten starrte er nur auf die Wellen, als würde er über das nachdenken, was ich gerade gesagt hatte. Manchmal wünsche ich mir, in seinen Kopf sehen zu können, um zu wissen, was bei ihm vorgeht. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau.

„Vertraust du mir?", fragte er und sah mir durchdringlich in die Augen. Die Ernsthaftigkeit, die in seiner Stimme lag, ließ mich kurz schlucken.

Wieder einmal fiel mir auf, dass wir uns in den letzten zwei Monaten wirklich nah gekommen sind, dass er zu einer sehr wichtigen Person in meinem jetzigen Leben geworden ist. Aber nie hatte es jemand von uns ausgesprochen.

Diese Frage war die erste Bemerkung, die sich auf unsere Beziehung bezog. Ich wusste nicht warum, aber plötzlich bildete sich ein großer Frosch in meinem Hals, der es mir verhinderte, irgendeine Antwort zu geben. Also nickte ich nur auf seine Frage. Ich hatte keine Ahnung, warum er das fragte und was dann passieren würde.

Er kam sehr nah zu mir und legte dir eine Hand auf den Rücken und schob die andere unter meine Kniekehlen. Auf einmal hob er mich hoch und ich konnte mir ein kurzes Quietschen nicht verkneifen, bei dem Louis anfing zu lachen.

Ich fühlte mich leicht wie eine Braut, nur mit dem falschen Bräutigam. Aber darüber konnte ich mir in Moment keine Gedanken machen, weil ich viel zu sehr darauf konzentriert war, herauszufinden, was zur Hölle Louis geplant hatte.

„Was hast du vor?", quietschte ich immer noch und hatte meine Hände um seinen Hals geschlungen, um mich wenigstens etwas festzuhalten.

„Wonach sieht es denn aus?", gab er grinsend zurück und steuerte direkt auf das Meer zu.

Wenn er mich jetzt fallen lassen würde, würde ich ihm das nie verzeihen. Etwas panisch sah ich nach unten. Ich hatte zwar keine Panik vor dem Wasser, aber wenn man querschnittsgelähmt ist und sich nicht bewegen kann und dann ins Wasser fällt, wäre das schon echt blöd.

Louis, der natürlich meinen panischen Blick bemerkt hatte, strich mir mit seinen Fingern leicht über den Rücken. Und wieder fragte er: „Vertraust du mir?"

Ich wusste nicht, ob ich mir zu hundert Prozent sicher war, dennoch nickte ich zaghaft. Was kann auch schon schlimmes passieren? Er würde mich nie fallen lassen.

„Dann schließ die Augen.", gab er leise zurück.

Blind vertraute ich ihm und schloss die Augen. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was er vorhatte. Doch dann ließ er meine Beine los und hielt mich nur an der Taille fest. An meinen Füßen konnte ich das Wasser und den Sand spüren.

Augenblicklich traten mir Tränen in die Augen. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, unten am Strand zu stehen und das Wasser zu spüren? Und jetzt? Jetzt war ich einfach hier in Louis' Armen, weil ich nicht allein stehen konnte.

Übermäßige Freude durchströmte mich, was mich erst so richtig schluchzen ließ. Es war lächerlich, deswegen zu weinen. Für die meisten Menschen war es das normalste auf der Welt, an den Strand zu gehen. Wie oft hatte ich mit meiner Schwester in den Sommerferien am Strand eine Sandburg gebaut? Es war nichts Besonderes. Doch für mich war es das gerade. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in der nächsten Zeit einmal dazu kommen werde. Und gerade das machte mich glücklich. Diese winzig kleine Geste von Louis, mich hierherzubringen, durchströmte mich gerade mit Glückseligkeit, Freude und Energie. Es war das Beste, was ich die letzten Monate gefühlt hatte. Dieses Gefühl war größer, als alles, was ich beim Klavier spielen gefühlt hatte. Nie hätte ich gedacht, dass mich diese Situation so sehr bewegt und berührt.

Und so traten mir noch mehr Tränen in die Augen und ich begann zu schluchzen. Louis drückte mich fester an sich, während ich mich schluchzend an sein T-Shirt krallte. Beruhigend strich er mir in leichten Kreisen über meinen Rücken und ließ alles über sich ergehen.

„Danke.", brachte ich es nur leise unter meinem Schluchzen hervor.

„Bitte gern geschehen.", schmunzelte er leicht und strich mir die Tränen von den Wangen.

Leicht erwiderte ich sein Lächeln und beruhigte mich wieder. Kurz schniefte ich nochmal und konzentrierte mich auf meine Atmung.

„Sorry, dass ich dein Shirt vollgeweint habe.", murmelte ich und sah auf den klar erkennbaren Fleck an der Schulter seines T-Shirts.

„Solange du es nicht voll schnodderst , steht dir mein Shirt jederzeit zur Verfügung.", grinste er.

„Ach du bist blöd.", gab ich lachend zurück und schlug ihm kurz gegen den Arm.

„Und dennoch bin ich hier. Das muss ja etwas bedeuten.", erwiderte er, wobei sich sein Grinsen mehr zu einem ernsteren Lächeln verzog.

Ja, er war noch hier. Auch wenn er mich am Anfang zu Tode genervt hatte und ich beinahe an die Decke gegangen wäre, konnte ich ihn einfach nicht wegschicken. Die Musik hat uns miteinander verbunden und so ist Louis zu einer wichtigen Stütze in diesem Teil meines Lebens geworden. Gerade jetzt brauchte ich einen guten Freund, der mich unterstützte und mir auf die Beine half.

Ich rechnete es ihm hoch an, dass er noch nicht die Energie und Hoffnung verloren hatte, mir zu helfen, obwohl wir vorher noch nicht einmal viel Kontakt gehabt hatten. Umso besonderer fand ich unsere Freundschaft nun. Und ich muss sagen, dass ich ihm bedingungslos vertraute.

Die Kraft in meinen Armen ließ langsam nach, weil ich es einfach nicht gewöhnt war, mich so lange an jemanden festzuhalten, ohne selbst auf meinen Beinen zu stehen.

Anstatt also auf seine Worte zu antworten, meinte ich nur: „Louis? Können wir bitte zurückgehen? Ich kann mich einfach nicht mehr halten."

Ich wusste nicht, wie lange wir hier im Wasser gestanden hatten. Für mich hat es sich wie eine Ewigkeit angefühlt. Bestimmt waren es aber nur fünf Minuten gewesen. Dennoch hatte ich sie sehr genossen und war Louis unendlich dankbar, dass er das für mich möglich gemacht hatte.

„Klar, natürlich.", antwortete er und trug mich wieder im Brautstyle zurück zum Steg, wo mein Rollstuhl stand.

Schweigend traten wir wieder den Weg zurück zur Klinik an. Ein letztes Mal sah ich mich über meine Schulter zum Meer um. Mit einem weinenden und einem lachenden Augen stellte ich mich jetzt wieder meinem Alltag.

Ich rollte von der Terrasse in den Gemeinschaftsraum und direkt auf den Flügel zu, um mein emotionales Erlebnis von geradeeben in Musik zu verwandeln. Aber Louis klappte den Deckel über die Tasten und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Musikinstrument. Fragend sah ich ihn an.

„Vertraust du mir auch noch ein zweites Mal?", fragte er ernst, ohne etwas zu erklären.

„Ja, natürlich.", antwortete ich, ohne zu zögern, „Worum geht es denn?"

Louis schwieg und schob mich einfach aus dem Gemeinschaftsraum. Ich fragte immer wieder, wo es hingehen sollte, aber er hielt dicht. Er steuerte einen der Gänge an, die ich nicht kannte, weil ich mich für jegliche, weitere Behandlungen geweigert hatte.

Ich hatte nun schon ungefähr eine Ahnung, in welche Richtung das gehen würde. Und es war notwendig, wenn ich ein normales Leben führen möchte. Ich wusste, dass es der richtige Schritt ist.

In dem Raum angekommen, der sich als einer für Physio- oder Ergotherapie herausstellte, warteten bereits Dr. Luppe und eine Physiotherapeutin auf mich.

Auch wenn sich der Ausflug an den Strand als ein ausgeklügelter Plan herausgestellt hatte, um mich endlich mal zu anderen Therapiesitzungen zu bekommen, war ich Louis kein bisschen böse. Ich war ihm sogar mehr als dankbar. Wenn er nicht gewesen wäre, würde ich wahrscheinlich jetzt noch oben auf dem Balkon sitzen und jeden ignorieren oder ich hätte mir schon längst das Leben genommen.

Und der Ausflug zum Strand hat mir gezeigt, wie lebendig ich mich fühlen kann, auch wenn ich nicht mehr in der Lage bin, auf meinen eigenen Beinen zu stehen und einen Schritt zu machen. Diese Energie möchte ich nochmal fühlen, sodass es nun endlich ein Anstoß war, die Therapien zu machen, um mit meiner jetzigen Situation auch im normalen Leben klarzukommen.

Von daher lächelte ich die beiden Ärzte an und begrüßte sie freundlich. Dr. Luppe sah mich amüsiert an.

„Was haben Sie nur mit ihr gemacht, Mr. Tomlinson?", grinste er, „Sie ist ja überhaupt nicht wiederzuerkennen."

Bevor Louis auch nur die Chance hatte, etwas zu erwidern, kam ich ihm zuvor: „SIE sitzt genau vor ihnen."

„Entschuldigung. So war das auch nicht gemeint.", schmunzelte der Leiter der Klinik, „Wie dem auch sei. Wir sollten wohl zum eigentlichen Part übergehen. Das ist Pauline, deine Physiotherapeutin für die nächsten Monate."

Ich musterte sie kritisch von Kopf bis Fuß. Sie war noch recht jung und hatte braun-rote Haare und wirkte durch ihr süßes Lächeln recht sympathisch. Mit ihr würde ich auf jeden Fall klar kommen, das wusste ich jetzt schon, auch wenn sie es mir nicht so leicht machen wird, wie ihre nächste Aussage mir bewies: „Die nächsten Wochen werden kein Spaziergang sein."

Das war mir durchaus bewusst. Aber es war mir egal, wie schwer es werden wird. Ich wollte wieder zu meinem alten Ich zurückfinden, na ja zumindest fast. Die ganze Mühe wird sich schon wieder auszahlen, wenn ich meine Kinder wieder in meine Arme schließen, ich bei keiner Familie und Niall sein kann.

Schon am nächsten Tag startete meine erste Therapiestunde und so anstrengend war es noch nie gewesen. Es wurde die Wochen über zwar zunehmend einfacher, aber es war nie so einfach wie vor dem Unfall. Ich brauchte für die meisten Dinge einfach doppelt oder dreifach so lang, was am Anfang recht deprimierend war.

Dennoch stellte ich mich allem. Ich hatte Kreislauf- und Muskelwahrnehmungstrainings, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch die Chance auf eine Heilung ergeben wird. In anderen Stunden musste ich Übungen zu einfachen Aktivitäten des täglichen Lebens machen, um wieder selbstständiger zu werden. Die psychischen Therapiestunden mit Dr. Thompson wurden nicht weniger. Wir redeten darüber, wie ich mit allem klar kam und wie sich meine Angstattacken entwickelten.

Und bei allem war Louis dabei und wich mir nicht von der Seite. Ich war ihm unendlich dankbar dafür, denn ohne ihn, hätte ich nie die Möglichkeit gehabt, in ein normales Leben zurückzukehren.

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Hey Leute, hier kommt ein neues Kapitel. Ich hoffe, ihr freut euch darüber.

Wir sind kurz vor dem Ziel. Es werden nur noch zwei Kapitel und der Epilog kommen und dann sind wir durch. Auf der einen Seite finde ich es wirklich schade, dass es dann schon zu Ende ist, aber andererseits bin ich auch froh. Dann kann mich endlich meinen anderen geplanten Projekten widmen.

Was haltet ihr von dem Kapitel?

Chloe scheint Niall wirklich schrecklich zu vermissen, oder? Denkt ihr, dass Niall sie dennoch besuchen wird?

Was haltet ihr von der Freundschaft zwischen Chloe und Louis?

Letztendlich hat sie ja dazu geführt, dass sie sich nun dafür entschieden hat, die Reha endlich ernst zu nehmen. Fortschritte. Daran kann man arbeiten, oder?

Schöne restliche Woche :D

Chloe :)

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