38. Kapitel: Therapie

Niall P.O.V

Nach der positiven Reaktion meiner Freunde auf die Therapie an dem einen Wochenende war ich mir nun hundertprozentig sicher, dass es das richtige für mich ist.

Selbst die erste Sitzung verlief anders, als ich erwartet hatte. Der Psychologe war freundlich und locker drauf, sodass ich im ersten Moment sehr überrascht war, dass kein alter, komplett verspannter Mann vor mir saß.

Da konnte ich Charlie nur danken und würde sie wahrscheinlich mit Blumen überschütten müssen, denn sie hatte mir Dr. Ashton empfohlen.

„Er ist einer der besten Psychologen, die ich je getroffen habe. Wenn dir einer helfen kann, dann er.", hatte sie zu mir gemeint und gleich in ihrer Tasche nach seiner Visitenkarte gekramt.

So bin ich also auf ihn gestoßen und er macht seine Arbeit echt gut, sodass ich nun schon fast einen ganzen Monat bei ihm in Behandlung bin und wir in eineinhalb Wochen wieder einen Termin hatten.

Er hatte sich meine Geschichte angehört, ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen. Sein wachsamer Blick ist mir dabei zwar nicht entgangen, aber es war kein nerviges Starren. Konzentriert schrieb er sich jedes Detail auf.

Seine erste Forderung war, dass jeglicher Alkohol ohne Umwege aus meinem Haus verschwand, denn der würde mir fortan nicht mehr weiterhelfen können. Zudem sollte ich versuchen, mich auf anderen Wegen mit meinen Problemen auseinanderzusetzen, zum Beispiel mit jemanden darüber zu reden. In letzter Zeit ist Charlie zu einer wichtigen Bezugsperson für mich geworden. Sie wusste ebenso jedes Detail.

Und wenn ich ehrlich bin, wird es immer leichter darüber zu reden, je öfter ich es jemandem erzähle. Es tat gut, denn dadurch baute ich in gewisser Weise die Spannung und die Last, die auf meinen Schultern lastet, ab. Ich gebe mir nicht mehr so sehr die Schuld an allem, was passiert ist, sondern sehe jetzt, dass viele Personen in diese Sache verwickelt sind.

Ein anderer Weg, das alles zu verarbeiten, ist Musik. Ich saß bestimmt jeden Tag über fünf Stunden am Klavier oder mit der Gitarre auf der Couch, mein Notizblock dabei immer in meiner Nähe, falls etwas brauchbares entstehen sollte, vielleicht für One Direction oder einfach nur so für mich.

Jedenfalls ging es mir besser, als die restlichen Wochen zuvor. Und das war schon ein bedeutender Fortschritt für mich.

Die Tage bis zu meiner nächsten Therapiestunde vergingen wie im Flug. Die meiste Zeit verbrachte ich mit meinen Kindern und Charlie, während wir unterschiedliche Spiele spielten, die größten Meisterwerke malten, aus Papier und Kartons eine große Burg bauten oder im Garten Fangen oder auch Fußball spielten und einfach nur herumtollten. Es waren wunderschöne Tage. Ich fühlte mich etwas befreite und endlich machten die Tage wieder Spaß.

Charlie verbesserte wirklich jede Situation. Dennoch war es nicht dasselbe wie mit Chloe. Ich vermisste sie. Ich vermisste sie wirklich, sodass ich mich schlecht fühlte, sie nicht zu besuchen.

Aber mir war klar, dass ein Besuch bei ihr mich nur wieder runterziehen würde. Dr. Ashton meint ebenfalls, dass es dafür noch zu früh war. In dieser Hinsicht stimme ich mit ihm überein, auch wenn es meiner Seele schmerzt.

Mit einem Seufzen schnappte ich mir meine Brieftasche und klappte sie kurz auf. Sofort fiel mir das Bild von Chloe und mir in den Blick. Das Bild ist in Norwegen auf einem unserer Roadtrips entstanden. Während ihre blonden Haare im Wind wehten und einen Teil ihres Gesichtes verdeckten, konnte man dennoch ihr wunderschönes Lächeln und die strahlenden Augen erkennen.

Die Erinnerungen an diesen kleinen Urlaub erwärmten mein Herz und zerrissen es in mehrere Teile zur gleichen Zeit. Sie ist mein kleiner, blonde Rauscheengel, zumindest hoffte ich, dass es immer noch so war. Dass sie sich so verändert und von mir zurückgezogen hatte, tat gerade jetzt weh, wenn ich mir das Bild ansah, wo es doch noch anders gewesen ist.

Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Louis wird ihr schon helfen können, hoffentlich. Auch wenn ich es nicht zugeben würde, aber vielleicht ich war ihm echt dankbar für das, was er für Chloe machte.

Dann klappte ich die Brieftasche wieder zu und stopfte sie in die Tasche meiner Hose. Ich stattete Charlie, Aine und Jordan noch einen kleinen Besuch im Garten ab, um mich für die paar Stunden zu verabschieden, die ich nun bei Dr. Ashton sein würde.

„Oh Niall, da ist noch ein Brief für dich auf dem Küchentisch. Da steht drauf, dass er sehr vertraulich ist.", informierte mich Charlie mit einem Lächeln.

Natürlich ist mir der Brief aufgefallen und ich wusste auch, was es damit auf sich hatte. Noch ein Problem, was gelöst werden muss. Das kann ich nicht so zur Seite schieben.

Also quälte ich mich dazu, in die Küche zu gehen und den blöden Brief zu falten und in meine Tasche zu stecken. Ich würde mit Dr. Ashton drüber reden.

Im Vergleich zu sonst kam ich recht schnell durch den Verkehr von Los Angeles und war dadurch überpünktlich bei Dr. Ashtons Praxis. Ich musste noch nicht mal warten, sodass mich die Schwester sofort in sein Zimmer schickte. Dr. Ashton stand vor einem seiner Schränke und verstaute gerade ein paar Aktenordner.

Allein schon nur sein Outfit unterschied ihn von so vielen Psychologen. Während die meisten, die ich kannte, sehr formell gekleidet waren, machte sich Dr. Aston nicht viel draus. Mit lässigen Jeans und ein Hemd, das so aussah, als hätte er in Harrys Kleiderschrank gewühlt, stand er nun vor mir und begrüßte mich mit einem Lächeln: „Hey, Niall. War der Verkehr nicht die Hölle heute?"

„Nicht wirklich.", gab ich schmunzelnd zurück und ließ mich auf die Couch fallen.

Das liebte ich hier auch. Es wirkte alles sehr heimisch und nicht so gehoben und unpersönlich. Das kuschelige Sofa, mit den vielen Kissen, dazu der passende Sessel, in dem Dr. Ashton saß, der kleine, runde Holztisch, die gebogene Stehlampe und zig Töpfe mit Pflanzen ließen es zu einer richtigen Oase werden, in der ich mich schon beim letzten Mal willkommen gefühlt habe. Kein Schreibtisch oder sonst etwas, was nach Büro aussah, abgesehen von den Schränken an der einen Wand.

„Wie geht es dir, Niall?", fragte er mich und fuhr sich einmal über den fast kahl rasierten Kopf.

Im Vergleich zu seinen nicht vorhandenen Haaren auf dem Kopf hatte er einen stolzen Bart. Wenn man das Gesamtpaket betrachtete, erschien Dr. Ashton mehr als ein Hippie anstelle eines Psychologen.

Als ich das erste Mal auf ihn traf, hat es mich regelrecht aus meinen Socken gehauen. Aber er nahm es mit Humor, dass ich ihn etwas geschockt und überrumpelt angesehen hatte.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Das passiert mir jedes Mal.", lachte er nur.

Somit war dann die angespannte Stimmung, die ich zwischen einem Psychologen und mir erwartet hatte, komplett weg.

„Mir ging es schon einmal schlechter.", beantwortete ich seine vorangegangene Frage, wobei er sich sofort etwas in sein Notizbuch notierte.

„Hattest du Rückfälle?", kam gleich die nächste Frage, aber sehr ruhig ohne jeglichen Vorwurf in der Stimmung.

„Nein, kein Alkohol. Stattdessen habe ich angefangen, einen neuen Song auszuarbeiten.", meinte ich ehrlich, sodass Dr. Ashton mir ein zufriedenes Lächeln schenkte.

„Was ist denn vorgefallen, dass es dir nicht so gut geht?", wollte er wissen.

„Ich genieße die Zeit mit meinen Kindern wirklich. Und dass Charlie da ist und meine Kinder dadurch glücklich sind, freut mich wirklich. Die gedrückte Stimmung ist weg und sie lachen wieder. Aber dennoch ist es nicht das gleiche.", seufzte ich und rieb mir über die Augen, weil ich auf einmal erschöpft und müde war.

Vielleicht liegt es daran, dass es mich schon die ganze Zeit zu schaffen macht und meine Träume und mein Schlaf nicht gerade ruhig verlaufen, weil ich an nichts anderes denken kann.

„Inwiefern?", hackte Dr. Ashton interessiert nach.

Normalerweise würde ich sagen, dass alles gut ist und man sich keine Sorgen um mich machen muss, weil ich niemanden belasten möchte oder einfach nicht drüber sprechen möchte. Ich hätte wahrscheinlich dieses Problem weiter in mich hineingefressen und zur Flasche gegriffen. Aber so ging es nicht weiter.

Ich hatte schon seit einem Monat meine Sorgen nicht mehr in Alkohol ertrunken. Und durch Dr. Aston und dass ich mir bei ihm alles von der Seele reden konnte, ohne dafür verurteilt zu werden, half mir wirklich. Es gab sonst nur eine Person, bei der ich das konnte. Aber sie ignorierte mich ja komplett.

„Es fühlt sich nicht wie zu Hause an, jedenfalls nicht für mich. Es fehlt etwas, sie fehlt. Ich vermisse sie so sehr und würde mir einfach wünschen, sie sehen zu können oder dass sie nur ein Wort sagen würde, damit ich weiß, dass ich für sie nicht gestorben bin.", beantwortete ich die Frage und wurde zum Ende hin immer leiser.

Es zog mir das Herz zusammen, es auszusprechen, denn ich wusste, dass es die Realität ist und nicht irgendeine Einbildung von mir. Ich unterdrückte das Gefühl der aufsteigenden Tränen in meinen Augen. Einmal tief ein- und ausatmen, Niall. Dann vergeht das schon wieder.

Nachdem ich mich gefangen hatte, sah ich zu dem Psychologen, der mich aus seinen warmen braunen Augen musterte.

„Ich kann dieses Gefühl verstehen. Jemand, den man so unendlich liebt, nicht um sich zu haben, tut weh. Und es wird nie das gleiche ohne diese Person sein. Ich weiß nicht, wie es um Chloe steht oder was das Problem ist, aber ich kann nur sagen, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, mit dieser Sache fertig zu werden. In ihrem Fall ist das Trauma sehr schlimm, sodass es mich nicht wundern würde, wenn es Monate oder sogar Jahre dauern würde, bis sie den Vorfall verarbeitet hat. Aber auch wenn sie wieder da wäre, wäre es nicht das Gleiche. Über die letzten Wochen und Monate hat sie sich entwickelt, ob zum Guten oder Schlechten kann ich sagen, aber du, Niall, du hast dich auch verändert.", meinte er.

Und ich wusste, dass er Recht hat und ich nichts daran ändern kann. So läuft es nun einmal. Mein Wunsch, sie dennoch zu sehen, blieb bestehen.

„Ich bin der Ansicht, dass es vielleicht langsam an der Zeit wird, sie zu besuchen. Vorher würde ich das aber gern mit den zuständigen Ärzten in der Rehaklinik besprechen. Ich gebe dir dann Bescheid."

Dass er dieser Meinung war, bedeutete mir wirklich viel. Vielleicht hatte er aber auch nur Mitleid mit mir, mich so leiden zu sehen. Oder aber ich war wirklich nun so weit, sie zu besuchen, ohne zusammenzubrechen. Ich konnte das gar nicht so wirklich einschätzen.

„Ach ja, da wäre noch etwas, was ich gern mit Ihnen besprechen möchte.", sagte ich, als mir wieder der Brief in meiner Tasche einfiel.

Zögernd legte ich ihn auf den kleinen Holztisch. Fragend sah mich Dr. Ashton an, weil er keine Ahnung hatte, was sich in dem Brief befand. Ich wusste halbwegs was drin war, aber so wirklich auch nicht.

Also setzte ich zu einer kurzen Erklärung an: „Es ist das Ergebnis des Vaterschaftstestes, den ich vor einem Monat gemacht habe. Ich glaube, Louis sollte sein Ergebnis auch bekommen haben. Aber ich wollte den Brief noch nicht öffnen. Wahrscheinlich weil ich zu viel Angst vor dem Ergebnis habe."

„Ich würde sagen, dass du den Brief vielleicht mit Louis aufmachen solltest.", schlug er vor, wobei ich schmerzhaft das Gesicht verzog.

Nach allem, was Louis getan hatte, konnte ich ihm immer noch nicht vertrauen. So tief saß die Enttäuschung. Ich konnte ihm nicht wirklich in die Augen sehen.

„Generell bin ich der Ansicht, dass ihr euch aussprechen solltet. Das steht schon viel zu lang zwischen euch. Vielleicht ist das Öffnen des Briefes mit ihm, eine Möglichkeit sich zu vertragen. Was in der Vergangenheit passiert ist, kann man nicht wieder rückgängig machen. Das weißt du, Niall, eigentlich am besten. Laut deinen Erzählungen scheint Louis es wirklich zu bereuen. Denkst du, du handelst besser, wenn du ihn nun ausschließt? Damit bist du ihm auch kein besserer Freund, oder?"

Nachdenklich sah ich ihn an und verinnerlichte gerade das, was er gesagt hatte. Er hatte absolut Recht. Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Tischplatte gehauen. War ich wirklich so blöd? Ich hatte ihm unterstellt, dass er sich nicht wie einer meiner besten Freunde verhalten hatte. Aber ich machte es ja selbst nicht. Statt ihm zu verzeihen, für einander da zu sein und eine Lösung für das Problem zu finden, hatte ich ihm den Rücken zugewandt und mein eigenes Ding gemacht. Oh verdammt. Wie konnte ich nur so blöd sein? Ich war nicht besser als Louis.

Ich musste das regeln und zwar sofort. Schnell stand ich vom Sofa auf und schnappte mir den Brief.

„Vielen, vielen Dank, Dr. Ashton.", verabschiedete ich mich eilig und stürmte aus dem Zimmer.

Ich konnte noch gerade so hören, wie er mir hinterherrief, dass wir unseren nächsten Termin per E-Mail festlegen würden. Damit hatte ich überhaupt kein Problem.

Im Auto rief ich Louis an, der mich sehr verwirrt begrüßte.

„Bist du zu Hause?", fragte ich ihn hastig, ohne auf seine Begrüßung einzugehen.

„Ähm... ja.", antwortete er langsam und in einem sehr komischen, distanzierten Ton, weil er wahrscheinlich nicht wusste, was ich von ihm wollte oder ihn wieder anbrüllen würde.

„Okay gut. Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir. Ich muss etwas mit dir besprechen.".

Ich wartete gar nicht auf seine Zustimmung, sondern legte einfach auf und startete das Auto.

Als ich vor Louis' Strandhaus parkte, war ich ungefähr zehn Minuten zu spät, dem Verkehr sei es dank.

Warum musste auch unbedingt auf eine der Hauptstraßen ein großer Unfall passiert sein, nur weil Heidi Klum mal wieder der Ansicht war, mit ihren Girls direkt auf den Straßen von L.A. ein Shooting veranstalten zu müssen. Also musste ich einen Umweg fahren, der natürlich etwas länger gedauert hat, weil selbst die angrenzenden Straßen vollkommen überfüllt waren.

Ich wollte gerade an der Tür klopfen, als Louis die Tür öffnete und mich mit einem Nicken ins Haus bat. Mit schnellen Schritten ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa.

Nervös spielte ich mit meinen Fingern und sah auf den Boden. Ich war nie wirklich nervös, vor allem nicht, wenn ich mit einem meiner besten Freunde sprach. Aber die Umstände jetzt waren andere.

Louis setzte sich mir gegenüber in den Sessel. Ein klares Zeichen für Anstand. Vielleicht war es auch erst einmal besser so. Wir hatten viel zu klären.

„Was willst du hier, Niall? Ich dachte, ich sollte dir nicht mehr unter die Augen kommen.", fragte Louis mich.

Und japp, das tat weh. Von jetzt auf gleich war ich wieder mega wütend, aber nicht auf Louis, sondern auf mich selbst. Dass ich so blind gewesen war und es einfach so zu ihm gesagt hatte, ohne darüber nachzudenken, war echt ziemlich dumm gewesen und ich bereute es zutiefst. Louis hatte es natürlich ernst genommen und sich jetzt von mir distanziert.

Ich holte kurz tief Luft und sah Louis an, ehe ich zu sprechen begann: „Ich bin hergekommen, um mich bei dir zu entschuldigen. Ich habe überreagiert. Du hast zwar mein Vertrauen missbraucht, aber du hattest schließlich auch deine Gründe. Du wolltest Eleanor nicht verlieren und... Ich kann es verstehen. Statt darüber zu stehen und für dich da zu sein als Freund, habe ich dich zurückgestoßen. Ich war als Freund nicht besser. Dann habe ich einfach schwarzgesehen, als du Chloe helfen wolltest, obwohl du mir ja nur helfen wolltest und es gut gemeint hast. Ich glaube, ich war vielleicht etwas eifersüchtig, dass du so nah an sie rankommst und ich nicht. Ich wollte doch für sie da sein, dabei habe ich sie nur enttäuscht und im Stich gelassen. Du nicht und das tat weh. Aber ich bin dir so dankbar, dass du es wenigstens versucht hast. Obwohl ich so scheiße zu dir war, bist du noch immer einer meiner besten Freunde. Und ich will dich nicht verlieren, Tommo."

Alles, was ich gerade gesagt hatte, stimmte und ich fühlte mich etwas befreiter. Louis konnte nichts für meine Situation und ich hatte so gut wie jeden Frust an ihm ausgelassen. Es war nicht fair gewesen, ich war nicht fair gewesen, sondern ein richtiges Arschloch.

Erst passierte rein gar nichts. Louis sah mich einfach nur an, sodass ich schon fast meine ganze Hoffnung verloren hätte, dass er mir verzeihen würde und wir wieder die alten Freunde sein würden.

Doch dann stand er vom Sessel auf und kam zu mir rüber. Er schloss mich in seine Arme und ich genoss die Umarmung voll, bis er der Meinung war, mich einfach so zu schlagen. Nachdem ein „Au!" meinen Mund verlassen hatte, rieb ich mir leicht über den Oberarm.

„Was sollte das denn?", fragte ich.

„Das war nur so, damit du nicht zu einem gefühlsduseligen Kerl wirst. Das kann sich ja kein Mensch mitansehen.", grinste Louis mich an, „So weich warst du doch vorher auch nicht."

„Du meinst, weil jeder von uns so ein harter Kerl ist, was? Ganz besonders du.", höhnte ich und lachte.

Louis grinste mich verschmitzt an und zuckte nur mit den Schultern. Und genau in diesem Moment war wieder alles wie vorher. Wir spaßten miteinander und zogen uns gegenseitig auf, ohne dass es jemand dem anderen krumm nahm.

„Aber da ist noch etwas, Louis.", meinte ich und holte den Brief hervor und wedelte damit vor seiner Nase herum.

„Mir war klar, dass du deswegen kommen würdest. Ich hab meinen auch noch nicht geöffnet.", entgegnete mein Freund und verließ das Wohnzimmer, um wahrscheinlich seinen eigenen Brief zu holen.

Dass Louis genauso viel Schiss davor hatte, den Brief zu öffnen wie ich, beruhigte mich dann etwas. Schließlich war ich nicht der einzige. Trotzdem konnte ich über uns nur den Kopf schütteln. Was waren wir für Weicheier geworden? Vor einigen Jahren hätte ich darüber wahrscheinlich noch gelacht, aber jetzt... jetzt war es die Realität und ernst. An diesen blöden Briefen hängt unsere Zukunft ab.

Nun saßen Louis und ich auf dem Sofa. Die Briefe lagen vor uns auf dem Couchtisch und starrten uns an. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir hier nun schon saßen, aber weder Louis noch ich zeigten die Initiative, den eigenen Brief zu öffnen.

Ich konnte das nicht länger und langte seufzend nach dem Brief. Louis sah mich nun mit großen Augen an.

„Wir können hier nicht ewig sitzen. Und ich will endlich Gewissheit haben.", meinte ich.

„Na schön. Du hast ja Recht.", erwiderte Louis und griff sich ebenfalls seinen Brief, „Zusammen, okay?"

Ich öffnete den Brief und zog die zwei Seiten heraus. Auf dem ersten Blatt stand nur der ganze formelle Kram, wer den Auftrag gestellt hatte und so weiter und so fort. Dann kamen wir zum zweiten Blatt, auf dem eine Tabelle mit DNA-Merkmalen von Natalies Kind als auch mir aufgelistet waren.

„Lese deins zuerst vor.", bat Louis mich.

Ich holte tief Luft, bevor ich die nächsten Sätze vorlas: „Herr Niall Horan besitzt in allen untersuchten DNA-Merkmalen die für den Vater des Kindes Alana Auckland zu fordernden Erbmerkmale nicht. Die biostatische Auswertung ergab dabei, dass die Vaterschaft zu 100% ausgeschlossen werden kann."

Erleichtert atmete ich auf. Ich war nicht der Vater. Ich war verdammt nochmal nicht der Vater. Am liebsten hätte ich Luftsprünge gemacht, doch ich unterließ es, Louis' Haus verwüsten zu wollen. Somit hatte ich nichts mehr mit Natalie am Hut und konnte sie komplett aus meinem Leben ausschließen. Doch erst einmal interessierte mich Louis' Ergebnis.

„Und bei dir?", fragte ich ihn leicht unsicher.

„... dass die Vaterschaft zu 100% ausgeschlossen werden kann.", las er dann auch vor.

Und dann kam es einfach über uns beide und wir fielen uns freudekreischend in die Arme und sprangen im in Kreisen durch das Wohnzimmer.

Keiner von uns war der Vater, was nun die Frage bei mir aufwarf, wer es denn sonst war. Mit wie vielen Kerlen hatte sie denn bitte geschlafen? Das war einfach nur lächerlich. Aber es interessierte mich jetzt auch nicht mehr sonderlich. Ich war nicht der Vater, Louis auch nicht, also war das Thema Natalie nun endlich abgeschlossen und konnte auf den Müllberg. Sie ging mich jetzt einen Scheiß an.

„Endlich bin ich die Alte los und kann mich voll und ganz auf Chloe konzentrieren.", sagte ich und mir fiel ein riesen Stein vom Herzen.

Eine weitere Last wurde mir dadurch von den Schultern genommen und ich fühlte mich leichter als zuvor. Trotzdem würde ich weiter zu Dr. Ashton gehen und mit ihm über alles reden, um eine andere Meinung und einen anderen Blickwinkel auf meine Situation zu bekommen.

Jetzt konnte ich mich um Chloe sorgen und für sie da sein, wo sich meine anderen Probleme so gut wie in Luft aufgelöst hatten.

„Wie geht es ihr?", fragte ich dann.

Ich hoffte auf eine Verbesserung. Es musste ihr einfach gut gehen. Bitte lass Louis irgendwas bei ihr bewirkt haben. Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal aushalte, sie in einem schlechten Zustand zu sehen, wo sie aussieht wie eine Leiche und keinerlei Persönlichkeit zeigt.

„Ich mache Fortschritte. Langsam. Anstelle auf dem Balkon zu sitzen und auf das Meer zu starren, sitzen wir zusammen am Klavier. Spielen zusammen, komponieren zusammen. Ich begleite sie zu ihren Sitzungen mit der Psychologin und bin rund um die Uhr bei ihr. Sie isst wieder mehr, sodass ihre Wangen nicht mehr eingefallen und aschfahl aussehen. Ich erreiche etwa bei ihr, Niall. Nur durch Musik. Das ist unfassbar.", antwortete Louis und strahlte auf einmal über das ganze Gesicht.

„Ja, Klavier spielen hatte sie schon immer beruhigt.", meinte ich leise, als mich hunderttausend Erinnerungen durchfluteten, wie sie Klavier spielte.

In einem meiner Hemden saß sie auf dem Klavierhocker, wobei ihre blonden Haare in leichten Locken über ihre Schultern fielen. Wenn sie ein neues Stück übte, die Noten falsch las und spielte und sich dann darüber fluchte, war sie immer so niedlich. Meistens merkte sie gar nicht, dass ich im Raum stand und ihr lauschte. Erst wenn ich meine Arme um ihre Taille schlang, zuckte sie kurz zusammen, weil sie mich nicht erwartete. Lächelnd zog sie mich dann immer in einen Kuss und meinte, dass ich mich beim nächsten Mal bemerkbar machen sollte. Ich antwortete meistens, dass ich das doch gemacht hätte, wofür ich einen kurzen wütenden Blick von ihr bekam. Sie konnte mir aber nie lange böse sein, sodass sie dann wieder lächelte, als ich sie an mich zog.

„Es geht ihr wirklich besser, Niall. Ich glaube, dass sie mir vertraut und das ist etwas Gutes.", Louis' Stimmer holte mich wieder zurück in die Gegenwart, sodass ich zu ihm sah.

„Denkst du, es wäre dann eine gute Idee, sie zu besuchen?", wollte ich von ihm wissen, denn Louis war derjenige, der über Chloes Zustand am besten informiert war. Schon irgendwie traurig, dass ich es nicht war, obwohl ich am nächsten gestanden hatte.

„Ich weiß nicht, ob sie schon so weit ist. Aber wenn du kommen und sie sehen möchtest, kannst du das gern machen. Die Frage ist nur: Bist du so weit?", erwiderte Louis.

Ja, das war die Frage aller Fragen. War ich wirklich schon so weit, sie wiederzusehen?

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Hey Leute, hier ist das neue Kapitel.
Ich hoffe, euch hat es Spaß gemacht.

Ja, Niall zieht es mit der Therapie durch und es scheint ihm dabei wirklich ernst zu sein, oder?

Was haltet ihr von Dr. Ashton?

Louis und Niall wieder vereint. Und keiner von ihnen ist der Vater. Was haltet ihr davon und was denkt ihr nun über Natalie?

Und die letzte Hürde von Niall wird wohl Chloe sein. Ob er diese auch noch überwinden kann und sie wieder zusammen finden? Was meint ihr?

Schon einmal im voraus: Schönes Wochenende :D

Chloe :)

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