31. Kapitel: No Control!

Niall P.O.V

Komplett geschockt starrte ich Louis an. Hatte ich mich gerade verhört? Was hatte er da gesagt? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so verwirrt war ich gerade.

„Du hast was?", fragte ich wie in Trance, um sicher zu gehen, dass ich ihn richtig verstanden hatte.

Wenn das ein Scherz sein sollte, war es ein äußerst schlechter. Ungläubig sah ich ihn an und versuchte, seinem Blick auch nur etwas zu entnehmen.

„Ich hatte etwas mit Natalie. Noch vor dir.", wiederholte er.

Seiner Stimme konnte ich entnehmen, dass er es mehr als nur bereute und er sich deswegen schlecht fühlte. Seine Augen schrien förmlich danach, dass es ihm Leid tat, nicht schon vorher etwas gesagt zu haben.

Aber ich brauchte erst einmal eine Weile, um richtig zu kapieren, was das bedeutete. Louis hatte schon vor mir Sex mit Natalie gehabt? Während er mit Eleanor zusammen war? Was hatte das aber nun mit mir zu tun?

„Und das bedeutet?", fragte ich langsam und verunsichert.

Will ich das überhaupt wissen? Ich weiß es nicht. Trotzdem wollte ich von Louis eine Erklärung dafür haben. Es war bestimmt noch mehr, was er mir sagen wollte, sonst hätte er nicht mit diesem Thema angefangen.

„Nun ja... Was willst du von mir hören? Ich weiß gar nicht, wie es genau passiert es. Es war eine Woche vor unserem Besuch in dem Club. Ich hatte mich gerade mit El gestritten und brauchte etwas Ablenkung und da war Natalie und dann kam halt eins zum anderen. Als sie dann die nächste Woche etwas mit dir hatte und du so plötzlich verschwunden bist und keine Ahnung hattest, was passiert ist, habe ich sie zur Rede gestellt. Aber sie blockte komplett ab und meinte nur, dass es dir mehr als gut gefallen hat und sie dich irgendwie total mag. Nachdem sie dir dann erzählt hat, dass sie schwanger ist, bin ich wieder zu ihr, um sie zu fragen, ob sie sich hundertprozentig sicher ist. Denn ich könnte ebenfalls der Vater sein, weil ich etwas mit ihr hatte. Aber sie war so versessen darauf, dass es von dir wäre, dass ich nichts machen konnte. Sie hat damit gedroht, es Eleanor zu erzählen, wenn ich dir gegenüber nicht die Klappe halte. Also hab ich damit irgendwie meinen eigenen Arsch gerettet.", erklärte er es mir wehleidig.

Und ich dachte schon wieder, dass ich mich verhört hätte. Das konnte doch nicht sein f*cking Ernst sein, oder? Er hatte über die letzten Monate einfach die Klappe gehalten, während ich wegen ihr durch die Hölle gegangen bin. Chloe wäre wegen ihr fast gestorben. Was dachte er sich nur dabei?

„Das heißt, du hast die ganze Zeit davon gewusst? Du hast die ganze Zeit über nichts gesagt, obwohl du gesehen hast, wie mies es mir wegen dieser Sache ging? Obwohl du wusstest, was ich für Schuldgefühle Chloe gegenüber hatte?", fragte ich ihn ungläubig und wurde immer ein Stück lauter.

Mein anfänglicher Schock wandelte sich mehr und mehr in Wut um.

„Niall, es...", versuchte Louis sich bei mir zu entschuldigen, doch ich schnitt ihm sofort wieder das Wort ab.

Ich wollte es nicht hören. Seine Entschuldigungen konnte er sich erst einmal sonst wohin stecken. Ich wollte davon nichts hören. Dafür saß der Schmerz zu tief.

Ich hatte gedacht, dass ich meinem besten Freund vertrauen könnte. Ich dachte, dass zwischen uns keine Geheimnisse mehr stehen würden, nachdem was wir zusammen durchlebt hatten. Wir kannten uns fast f*ucking zehn Jahre. Er ist wie ein Bruder für mich geworden und zählt schon mit zur Familie. Ich... Ich hätte nie gedacht, dass er mir das antun würde. Nie!

„Nein. Hör auf, verdammte Scheiße. Ich... Ich hatte gedacht, wir könnten uns als Freunde, Brüder, vertrauen. Aber dieses Vertrauen hast du gebrochen. Ich... Louis, ich will dich hier nicht sehen. Geh einfach! Lass mich in Ruhe!", rief ich ihm entgegen.

Ohne noch irgendwas zu sagen, ging Louis einfach. Wahrscheinlich hatte er keine andere Reaktion von mir erwartet. Bevor er die Tür zuziehen wollte, drehte er sich nochmal kurz zu mir um. Das Blitzen seiner Augen verriet mir, dass es ihm mehr als Leid tat. Doch ich wollte davon nichts mehr sehen oder hören, weshalb ich mich eiskalt abwandte.

Warum hatte er das gemacht? Warum hat er mir nichts erzählt? Ich habe mich so gut wie jeden Tag mit Natalie rumschlagen müssen. Ich dachte, sie würde mit meinem Kind schwanger sein. Die Möglichkeit bestand zwar trotzdem, ist aber in den letzten Minuten auf die Hälfte geschrumpft. Sie hatte mich eiskalt angelogen und Louis hatte sie auch noch gedeckt, um seinen scheiß Arsch zu retten.

Ich... Ich weiß einfach nicht, was ich von all dem halten soll. Was um Himmels Willen hatten sie sich dabei gedacht? Wie hatte sich Louis das nur mitansehen können, wie ich darunter gelitten habe, Chloe betrogen zu haben. Mit Natalie. Und ich hatte es Chloe gebeichtet.

Wenn ich mich nur an den Tag im Krankenhaus erinnerte, wo Robin geboren wurde und sie um unser Kind so sehr geweint hat. Ich wusste genau, dass es sie fertig machte, dass Natalie ein Kind von mir bekommt und sie unseres verloren hatte. Ihr Anblick zerbrach mir fast das Herz, sodass ich beschlossen hätte, die ganze Sache mit Natalie ein für alle Mal zu beenden.

Doch dann fragte ich mich, was aus dem Kind werden würde, dass seinen Vater nie kennenlernte. Ich hatte all das, was ich die letzten Monate mit Natalie unternommen hatte, nur gemacht, damit es dem Kind gut geht. Und nun? Nun war es das noch nicht einmal wert, wo ich möglicherweise nicht der Vater sein könnte.

Ich raufte mir die Haare und schwankte wieder zu Louis' Verrat hinüber. Mein bester Freund, der mir eiskalt ins Gesicht log, ohne mit der Wimper zu zucken. Der mir Hoffnung machte, dass alles schon wieder gut werden würde und ich mir aus der Sache mit Natalie nichts machen sollte. So ein beschissener Verräter. Dass er die ganze Zeit über damit leben konnte... Wahrscheinlich war es ganz leicht für ihn.

Wütend lief ich im Wohnzimmer auf und ab. Ich konnte mich einfach nicht beruhigen und kam immer noch nicht drauf klar, was hier gerade passiert war.

Irgendwie freute ich mich und irgendwie schäumte ich nur so vor Wut, obwohl die Freude eher begrenzt war, wie ich zugeben musste. Das einzig Gute an der Sache war, dass ich möglicherweise nicht der Vater von Natalies Kind war.

Und ich hatte ihr alles in den Arsch gesteckt, obwohl sie noch nicht mal einen Beweis dafür hatte, dass sie schwanger von mir war. Die Zeit hat übereingestimmt, aber sonst. Ich hatte mich lediglich auf sie verlassen, dass sie mir die Wahrheit sagt und ich ihr in dem vertrauen könnte.

Aber anscheinend hatte sie mich wiedermal getäuscht. So viel zum Thema: Lass uns einfach gute Freunde sein. Wie konnte ich nur so dumm sein und ihr all das abkaufen.

Was wollte sie? Mein Leben zerstören? Chloe und mich durch die Scheiße auseinanderbringen? Sie komplett ins Unglück stürzen? Die ganze Welt wissen lassen, was für ein Arsch ich doch war? Ich... Ich musste die Wahrheit von ihr hören. Jedes einzelne Wort.

Viel zu energisch nahm ich mein IPhone vom Couchtisch, wobei die Vase, die drauf stand, umfiel, sodass das ganze Wasser auf den Teppich lief und die Vase mit den Blumen auf den Boden fiel. Fluchend stellte ich die Vase wieder auf den Tisch. Wahrscheinlich zu fest, sodass das Klirren durch das ganze Haus zu hören war.

Gleichzeitig wählte ich Natalies Nummer und lief unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Nun geh schon ran! Sonst bist du nimmst du den Anruf auch immer schnell entgegen, wenn ich dich anrufe. Also mach schon!

„Ach, Niall. Wie schön, dass du dich bei mir meldest, auch wenn du mich aus dem Schlaf geklingelst hast.", begrüßte sie mich mit einer etwas schläfrigen Stimme.

Dennoch konnte ich erkennen, dass sie sich überaus freute, dass ich angerufen hatte, was ich jetzt gerade nicht sagen konnte.

„Weißt du, wie egal mir das ist? Warum meintest du, mich anzulügen? Du hast gesagt, dass ich der einzige bin, mit dem du damals geschlafen hast. Du hast mir eiskalt ins Gesicht gelogen und mich fast um meine Beziehung mit Chloe gebracht. Wegen dir hab ich sie fast verloren. Für immer.", sagte ich ihr wütend die Meinung und musste versuchen, mich unter Kontrolle zu haben, bevor ich noch den Glastisch umgestoßen hätte.

„Niall, ich weiß nicht, wovon du redest. Ich dachte, ...", tat sie mal wieder so scheinheilig.

Und genau das ging mir so gegen den Strich. Sie wusste hundertprozentig, wovon ich redete. Statt mir einfach ganz normal zu antworten, muss ich ihr die Wahrheit erst aus der Nase ziehen, was mich nur noch mehr reizte.

„Hör auf damit! Ich weiß genau, dass du weißt, wovon ich hier spreche. Also sag mir verdammt nochmal die Wahrheit.", unterbrach ich sie.

Innerlich kochte ich schon wieder vor Wut, weshalb ich mit den Zähnen knirschte, die Hände zu Fäusten ballte und so angespannt wart wie noch nie zuvor.

Auf einmal stöhnte sie auf, als wüsste sie, was ich nun von ihr wollte. Ich konnte mir schon bildlich vorstellen, wie sie sich verpeilt die Hand gegen die Stirn schlägt.

„Lass mich raten! Louis war bei dir und meinte, dir alles erzählen zu müssen, was er wahrscheinlich auch hat. Niall, ich... Was willst du von mir hören? Ja, ich habe damals gelogen, weil es mir mehr als peinlich war, dass ich mit Louis im Bett gelandet bin. Wir hatten beide einen schlechten Tag und suchten Ablenkung. Es hätte nie so weit kommen dürfen. Aber das mit uns... Ich weiß auch nicht. Das hat sich irgendwie richtig angefühlt, zumindest für mich. Ich wusste zwar, wer du bist, aber es hat mich die Bohne interessiert. Du warst von Anfang an nett zu mir. Du warst sympathisch und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir miteinander verbunden waren. Aber dann hab ich in deinen Augen gesehen, dass es da eine andere gibt, sodass ich schrecklich eifersüchtig wurde. Und ich habe es auch kapiert, dass Chloe dir alles bedeutet, weswegen ich ja wenigstens mit dir befreundet sein wollte. Und das Kind, meine Tochter... Sie könnte immer noch deine sein.", erklärte sie mir dann alles.

Trotzdem war ich sauer auf sie und konnte das Ganze nicht verstehen, konnte sie nicht verstehen. Ich hatte mich nicht mit ihr verbunden gefühlt, wie sie meinte. So fühlte ich mich nur mit einem Menschen verbunden. Mit Chloe.

Aber auch da schien Geschichte zu sein, denn sie nahm mich ja nicht einmal mehr wahr. All die Ereignisse der letzten Monate hatten dazu beigetragen. Die mit Natalie besonders.

„Es ist mir scheiß egal, wie verbunden du dich zu mir gefühlt hast. Du hast einfach mein komplettes Leben zerstört und reitest auch noch weiter darauf herum. Jede noch so kleine Sekunde hast du mich nur ausgenutzt. Du bist das letzte. Und dass ich dir vertraut habe, war der größte Fehler meines Lebens.", warf ich ihr vor und legte einfach auf.

Sie hatte es verdient. Und ich machte keine Scherze, was das anging. Ich hatte wirklich gedacht, dass ich ihr vertrauen konnte.

Als ich die Selbstzweifel wegen Chloes Krankenhausaufenthalt hatte, war sie für mich da gewesen und hat mir immer einen guten Rat gegeben.

Die Nachmittage, die ich mit ihr verbringen musste, um zum Beispiel das Kinderzimmer zu streichen, die Möbel aufzubauen oder es fertig einzurichten, hatten echt Spaß gemacht, als wäre ich mit einer guten Freundin zusammen gewesen.

Aber das war anscheinend alles nur vorgeheuchelt. Und das zu wissen, tat weh.

Alles staute sich irgendwie in mir zusammen und ich wusste nicht wohin damit.

Chloe ignorierte mich und ihre eigenen Kinder, sogar ihre Familie.

Louis, der eigentlich einer meiner besten Freunde und sogar wie ein Bruder für mich war, hatte mich verraten und mir über all die Monate eiskalt ins Gesicht gelogen.

Und Natalie hatte mich schamlos ausgenutzt, auch wenn sie behauptete, dass ich ihr irgendwas bedeuten würde, was es nur noch schlimmer machte.

Ich konnte das alles einfach nicht mehr.

Als ich mich nun hier so im Haus umsah, wurde mir auf einmal ganz übel. Die Wände schienen näher zu kommen und es schnürte mir die Brust zu. Es war, als ob sich eine Faust um mein Herz schließen würde und zu fest zusammendrückte. Das gleiche geschah auch bei meiner Lunge. Ich konnte für den Moment einfach nicht mehr atmen. All das hier war so bedrückend.

Ich hatte dieses Haus in der Hoffnung gekauft, dass es ein neues zu Hause für meine Familie und mich werden würde. Aber irgendwie fühlte es sich nicht so an. Es fehlte etwas. Chloe fehlte. Sie machte es erst zu einem richtigen zu Hause. Ohne sie fühlte sich hier alles falsch an, nicht heimisch, gar nichts.

Wenn sie am Morgen neben mir lag und wie ein Engel schlief, während ihre blonden Locken ihr wunderschönes Gesicht einrahmten.

Und wenn sie dann die Augen öffnete und sie in meine sah und ich darin ihr Strahlen, ihre Liebe sah.

Wenn sie am Morgen in meinen Hemden oder Shirts lachend in der Küche stand und Pancakes machte.

Wenn sie sich aufregte, dass ich mal wieder meine Socken und Hosen in eine Ecke geschmissen hatte.

Wenn sie freudestrahlend mit unseren Kindern am Tisch saß und mit ihnen zusammen spielte oder ein Bild malte.

Wenn sie ratlos vor dem Kleiderschrank stand und keine Ahnung hatte, was sie anziehen sollte, und ich ihr immer wieder versicherte, dass es egal wäre, weil sie in allem wunderschön aussehen würde.

Wenn sie am Abend mit dem Weinglas in der Hand auf der Couch vor dem Kamin saß und mit mir kuschelte und mich stets um den Verstand brachte.

Wenn ich mit meiner Gitarre auf der Terrasse saß und sie sich immer angeschlichen hatte, um den Melodien zu lauschen.

Wenn sie dann immer ihre Arme von hinten um meinen Hals geschlungen hatte und ihren Kopf auf meiner Schulter ablegte und einfach nur glücklich lächelte.

Oder wenn sie ihre Hände federleicht über die Tasten des Flügels gleiten ließ und den ganzen Raum mit Magie füllte.

Mein Blick ging zu genau diesen Flügel. Ich hatte ihn extra von Dublin nach L.A. bringen lassen, damit sie ihn hier hatte. Und nun schien es irgendwie das einzige zu sein, was mir von ihr, außer den Bildern, die an der Wand hingen, übriggeblieben war.

Ich ging zu dem schwarzen Instrument rüber und ließ meine Finger über das glatte Holz wandern. Es fühlte sich vertraut an, weil auch ich ab und zu daran spielte.

Ich klappte den Deckel hoch, als mir auch schon ein paar Blätter entgegenflatterten.

Verdammt, Chloe. Wie oft hatte ich ihr schon gesagt, dass sie ihre Notenblätter in die Mappe packen sollte. Wahrscheinlich hatte sie es mal wieder vergessen und den Deckel einfach zugeklappt.

Ich bückte mich, um die Notenblätter aufzusammeln. Als ich sah, welche alten Noten sie wieder hervorgekramt hatte, blieb mir kurz das Herz stehen. Es war genau das Stück, was sie damals bei Emily gespielt hatte.

Und plötzlich war da wieder die Erinnerung daran. Jemand hatte angefangen, einfach so Klavier zu spielen, und es klang zu schön. Als ich dann Chloe am Klavier gesehen hatte, hatte sie mich noch mehr fasziniert als sowieso schon. Sie sah so glücklich aus.

Jetzt ist sie anscheinend genau das Gegenteil davon. Und genau deswegen tat die Erinnerung so weh. Sie bohrte sich in mich hinein und hinterließ tiefe Schnitte, die einmal Narben hinterlassen könnte.

Mir wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, wie sehr ich sie doch vermisste, wie sehr ich ihr Lächeln und ihr Lachen vermisste. Wie sehr ich die glückliche Chloe vermisste, in die ich mich damals verliebte.

Sie hat sich so verändert, seit sie wieder aus dem Koma erwacht ist. Am Anfang hatte ich geglaubt, dass sie immer noch diejenige ist, die sie davor auch schon war. Doch alles hatte sich verändert.
So viele Dinge hatten sie verändert. Das Trauma vom Unfall.
Mein Vertrauensbruch.
Natalie.
Der Verlust unseres ungeborenen Kindes.
Das fehlende Dabeisein, wenn es um die Entwicklung unserer Kinder ging.

Sie war nicht mehr sie selbst und ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich das ändern sollte. Wie sollte ich ihr helfen, wenn sie sich von niemandem helfen lässt. In letzter Zeit denke ich oft, dass sie sich vollkommen verloren hat. Ihr Persönlichkeit, die sie so auszeichnete. Einfach weg.

Die Sehnsucht nach Chloe brachte mich direkt zur Reha-Klinik, obwohl ich ganz genau wusste, dass mir der Besuch nicht so gut tun wird.

Danach wäre ich einfach nur deprimiert, weil sie mich mal wieder komplett ignorieren wird wie die letzten Male auch schon. Egal, was man sagte oder machte, sie warf mir keinen einzigen Blick zu.

Ihr strahlendes Lächeln, wenn ich nach Hause kam und sie begrüßte, war wie weggeblasen. Nicht eine Regung konnte man in ihrem Gesicht erkennen. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll und wie ich nach diesem Besuch reagieren werde.

Ich nickte Ms. Lookhard hinter der Rezeption kurz zu, ehe ich den Weg zu Chloes Zimmer einschlug.

Ich war ihn mit Sicherheit schon hundertmal gegangen und bin immer mit der gleichen Hoffnung den Weg hin und mit dem gleichen deprimierenden Ergebnis wieder zurück.

Warum also sollte es heute anders sein? Nichts hatte sich geändert. Ich könnte also genauso gut auch wieder gehen, weil es nichts brachte. Aber ich hatte mir geschworen, sie niemals aufzugeben, auch wenn die jetzige Situation ausweglos zu sein schien.

Vor der Tür atmete ich einmal kurz ein und aus und öffnete dann diese. Wie zu erwarten, saß sie nicht im Zimmer sondern wieder draußen auf dem Balkon.

Unzählige Male stand ich neben ihr am Geländer und starrte auf das Meer. Ich dachte, dass ihr der Anblick irgendwann überdrüssig werden würde. Aber ich stellte jedes Mal fest, dass es das einzige war, was ihr hier irgendwie Ruhe verschaffte.

Wahrscheinlich wünschte sie sich, unten am Strand entlang laufen zu können. Der Sand zwischen den Zehen. Das Wasser, was die Füße umspielte. Und doch würde es nie wieder dazukommen. War es die Sehnsucht nach Normalität, weshalb sie jeden Tag hier saß? Vermutlich zählt es mit zu den Gründen.

Ich verstand nur nicht, warum sie sich nicht einfach helfen ließ. Mit professioneller Hilfe könnte sie sich an die neue Situation gewöhnen. Sie helfen ihr doch, sich so an das neue Leben anzupassen, ihr so gut es geht zu helfen, damit sie wieder allein durchs Leben kommt. Und doch wehrt sie sich jeden Tag dagegen. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen.

Wie auch sonst immer ignorierte sie mich, als ich auf den Balkon trat und mir einen Stuhl nahm, um mich neben sie zu setzen. Sie starrte gerade aus, obwohl sie ganz genau wusste, dass ich sie musterte.

Ihre Augen waren rot und verquollen, als hätte sie gerade erst geweint. Alles andere an ihr wirkte grau. Da war kein Glanz in ihren Augen. Ihre sonst so vollen Lippen waren zu einem schmalen Strich gepresst. Und die sonst rosigen Wangen waren grau. Das Haar hing ihr in Strähnen über die Schultern, die ziemlich knochig aussahen. Allgemein schien sie dünner geworden zu sein, sodass man fast nur noch ihre Knochen sehen konnte.

Es widerte mich an, dass sie nicht mehr die weibliche Figur hatte wie sonst und stattdessen aussah wie eine dieser Magermodels. Schönheit war in meinen Augen etwas anderes.

Ihre Hände zitterten in ihrem Schoß, als wäre sie so schwach wie eine hundert Jahre alte Frau.

Der Anblick, wie ich sie immer vorfand, schmerzte, sodass ich schnell den Blick wieder abwandte. Ich dachte schon, es wäre im Krankenhaus schlimm gewesen, als sie da so lag wie eine Leiche.

Aber jetzt wurde eine weitere Grenze überschritten, die nie hätte überschritten werden sollen.

Genau jetzt wurde mir klar, dass ich in den letzten Monaten alles falsch gemacht hatte, was ich hätte versauen können. Nichts hatte sich auch nur ansatzweise gelohnt und ausgezahlt. Wieder nichts würde es daran ändern, dass Chloe nicht mehr Chloe war.

Ihre Persönlichkeit mit ihrer inneren Schönheit war weg. Sie ist zu einem Menschen geworden, den ich nicht kannte. Diese Person, die hier im Rollstuhl sitzt, kenne ich nicht.

Wie konnte ich auch nur hoffen, dass alles wieder so werden würde, wie es davor gewesen ist?

Die Chloe, die sich gefreut und glücklich war, mich zu sehen, als sie wieder ihre Augen aufgeschlagen hatte, ist tot.

Frustriert kam ich wieder zu Hause an. Ich war mehr wütend auf mich als auf alles andere. Ich fuhr mir einmal durch die Haare und über das Gesicht, ehe so gut wie alle bewegbaren Gestände den Weg auf den Boden fanden.

Ich schmiss die Stühle mit voller Wucht um, trat gegen den beschissenen Tisch, sodass die Obstschale ins Wanken geriet und Äpfel herunter fielen. Dafür landete die Vase auf dem Laminat und zersprang in tausend Teile.

Das perfekte Symbol für mich gerade. Ich war innerlich einfach zerstört. Alles hatte mich zerstört.

Wie kann ich nur ohne sie leben? Sie gab mir alles, was ich je gebraucht habe. Sie war mein Stern am Himmel, der eine, der für immer da sein sollte. Doch nur ist der Stern herabgefallen. Für den einen Augenblick kann man ihre Schönheit in Form einer Sternschnuppe bestaunen, bevor sie ihr Licht verliert, sich verliert. Und verdammte scheiße... das passiert auch gerade mit mir.

Immer noch viel zu aufbrausend griff ich nach einer Whiskeyflasche und öffnete sie. Die Tränen auf meinen Wangen ignorierte ich dabei. Ich wusste nicht, ob sie aus Wut oder Traurigkeit heraus entstanden sind. Schluck für Schluck leerte sich die Flasche, bis sie nun vollends leer war.

Wütend darüber, dass der Alkohol dieses Mal seine Wirkung verfehlte, schmiss ich die Flasche auf den Fliesenboden, wo sie ebenfalls zersprang.

Wenn eine Flasche nicht ausreicht, musste eben eine zweite her. Mit dieser ließ ich mich total benebelt auf den Boden sinken, wobei mir die Wand eine sichere Stütze war.

Der Alkohol ist in letzter Zeit vielleicht mit zu meinen guten Freunden geworden. Bis jetzt hatte er mich nie im Stich gelassen. Auch wenn ich den Jungs versprochen hatte, nicht wieder zu trinken oder es zur Gewohnheit werden zu lassen, ging es einfach nicht anders.

Ich weiß mir nicht anders zu helfen. Es betäubt den Schmerz, den ich täglich in meiner Brust spüre so gut, dass ich nicht genug davon kriegen kann. Auch wenn es danach vermutlich alles schlimmer macht und nur kurzlebig ist, ist es für diesen Moment perfekt.

Aber ich merkte schon, wie ich immer und immer mehr brauchte, um meinen Schmerz und Kummer und die Sorgen darin zu ertränken. Und so war die nächste Flasche schon zur Hälfte leer, als alles andere vor meinen Augen verschwamm.

Bis ich irgendwann nur noch schwarzsah.

Ich hatte vollends die Kontrolle verloren.

So Freunde der Sonne, das war ein neues Kapitel, was hoffentlich seinen Zweck erfüllt.

Alles geht irgendwie den Bach runter und das Happy End rückt immer weiter weg.

Ist es eine nachvollziehbare Reaktion von Niall auf Louis' Beichte?

Was haltet ihr nun von Natalie?

Für Niall ist seine Chloe, die er so liebt tot. Denkt ihr wirklich?

Niall und der Alkohol. Ich glaube, es ist klar, wie es dazu kam und warum er das macht. Also doch eine alltägliche Gewohnheit?

Schönes Wochenende :D

Chloe :)

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