3. Kapitel: Alice im Wunderland
Chloe P.O.V.
Alles um mich herum ist so dunkel. Eine unendliche Leere, die ich nicht erklären kann. Nicht einen Funken gibt es hier. Alles ist so kalt, schwarz und leblos. Es fühlt sich so unvertraut und fremd an. Es macht mir Angst, weil ich nicht weiß, was hier eigentlich los ist. Ich weiß nicht wirklich, wo ich bin, was für einen Tag wir gerade haben oder wie spät es ist. Doch manchmal gibt es diese Momente, in denen ich es klar vor mir sehen kann, was los ist, und dann ist da wieder dieses Nichts. Ich fühle einfach nichts, keinen Schmerz, keine Berührungen, rein gar nichts so wie vorher. Es ist so, als wäre ich in meinen eigenen Gedanken gefangen und dann auch wieder nicht. Es wechselt immer wieder und ich weiß nicht, wie ich es kontrollieren kann oder ob ich es überhaupt unter Kontrolle bringen kann. Mal fühle ich was und dann mal wieder nicht. Ich bin irgendwie verwirrt, so durcheinander, als hätte man mich in ein tiefes, schwarzes Loch geschubst, in dem ich unendlich lange falle. Wenn ich dann doch irgendwann das Ende dieses Loches erreichen sollte, fühle ich mich wie Alice im Wunderland, die ebenfalls in den Kaninchenbau fällt und dann in einem ihrer Träume landet und sich ihr Leben verändert. So ungefähr fühle ich mich gerade, nur, dass ich das Ende dieses Kaninchenbaues noch nicht erreicht habe.
Manchmal, wenn ich mich dann so fühle, als sei ich bei Bewusstsein, höre ich verschiedene Personen reden. Einige Stimmen tauchen immer wieder auf. Mal erkenne ich, zu welchen Personen sie gehören und dann wieder nicht. Aus Gesprächen kann ich oft entnehmen, wo ich bin und was gerade für ein Tag ist. Und immer wieder erscheint es mir so, als würde ich im Krankenhaus liegen. Und ich weiß auch noch genau, was der eigentliche Grund dafür war, doch ich versuche ihn stets zu verdrängen, weil ich mich dann in einem meiner schlimmsten Albträume befinde. Ich weiß nicht was schlimmer ist, alles nochmal zu erleben oder nur daran zurückerinnert werden. Seit dem Autounfall hat sich wirklich alles verändert. Ich vermisse meine Freunde, meine Familie, meine Schwester, meine Kinder und meinen Niall. Ich weiß, dass er jeden Tag bei mir ist. Er redet immer mit mir über seinen Tag. Meistens ist es das gleiche, wie ich feststellen musste, doch das war mir recht egal. Seine Stimme zu hören machte mich glücklich, auch wenn er nicht wirklich glücklich war. Trotzdem war er bei mir, kommt mich besuchen, sodass ich weiß, dass er mich nicht vergessen hat, dass er mich immer noch liebt. Er sagt zwar nie wirklich, wie traurig er ist, aber ich kenne ihn mittlerweile so gut, dass ich weiß, dass er es versucht zu verstecken, indem er mir von total banalen Sachen erzählt. Auch wenn er vermutlich nicht weiß, dass ich ihn hören kann, würde ich ihm zu gern auf einige Dinge antworten und ihm durch eine kleine Bewegung zeigen, dass ich ihn verstehen kann. Seine Umarmungen vermisse ich so sehr, dass ich am liebsten aufstehen könnte und ihm um den Hals fallen möchte. Ich würde ihm gerne in die Augen sehen und ihm sagen, dass ich ihn über alles liebe.
Wenn er nicht da ist, kommt wieder diese Leere über mich und ich denke häufig über das Leben nach, was ich hätte besser machen können. Manchmal kommen bestimmte Erinnerungen hoch, die eigentlich mit das beste waren, was mir passiert ist. Ein Teil davon ist zum Beispiel all das, was ich mit meiner Schwester erlebt habe. Wir haben so viel zusammen durchgemacht, uns gegenseitig in den Haaren gehabt und wieder versöhnt. Wir haben uns gegenseitig aufgebaut und waren immer füreinander da. Sie hat mich zu allem ermutigt, was mir Angst und Sorgen bereitete. Dank ihr hab ich Entscheidungen getroffen, die ich sonst nie getroffen hätte und es jetzt vermutlich bereuen würde, wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich danke ihr für alles, auch wenn ich ihr das nie zurückgeben kann. Ich hab sie einfach so unendlich lieb. Ich hab Angst, dass ich sie verliere. Eigentlich habe ich Angst, dass ich alle verlieren werde.
Ich stelle mir häufig die Frage, was Fans wirklich denken. Niall versucht, mir zwar immer nur das Beste zu erzählen und mir alles Schlechte zu ersparen. Manchmal frage ich mich, warum er das macht. Er versucht mich stets zu beschützen, obwohl er das eigentlich gar nicht braucht. Ich möchte doch auch nur die Wahrheit wissen. Also was denken die Fans nun wirklich von mir. Einige werden bestimmt froh darüber sein, dass sie mich los sind und nun endlich ihren Niall für sich haben. Andere haben wahrscheinlich Mitleid und das ist das letzte, was Niall möchte, das weiß ich. Mir würde es wahrscheinlich nicht anders gehen.
Es öffnete sich die Tür und jemand kam herein. Von den Schritten her hörte ich, dass es nur meine Schwester sein konnte. Etwas enttäuscht war ich schon, dass es nicht Niall war. Trotzdem freute ich mich, dass meine Schwester mich besuchen kommt. Ich merkte, wie sie sich auf einen Stuhl, der vermutlich neben meinem Bett stand, niederließ. Eine Weile konnte ich nur ihr Atmen hören.
„Ich dachte, ich komme mal vorbei. Sydney geht es ganz gut soweit, auch wenn er jetzt mal wieder krank ist. Ich sehe jetzt genau deine Reaktion vor mir. Du würdest wahrscheinlich sagen: Schon wieder! Und die Augen verdrehen, wie man dich halt kennt..."
Oh ja, wahrscheinlich hätte ich das im ersten Moment gemacht und dann trotzdem gefragt, was mein Neffe hat und wie es ihm geht. Zugern würde ich meinen Neffen auf dem Schoß halten. Seinem süßen Lächeln kann man einfach nicht widerstehen und er sieht Harry einfach zu ähnlich, sodass ich immer ein riesiges Grinsen im Gesicht habe.
„Aber soweit geht es ihm gut. Mum ruft jeden Tag an, um sich zu erkundigen, wie es dir geht und was der Arzt sagt. Es grenzt echt an ein Wunder, dass sie so oft anruft. Das macht sie sonst nie so häufig."
Wahrscheinlich nicht. Du hast recht, sie ruft nie so oft an. Sie muss sich also ganz schön um mich sorgen.
„Und Magritte möchte dich nächste Woche auch noch besuchen kommen. Du bist also in letzter Zeit ganz schön gefragt."
Sie lachte kurz. Aber ich wusste, dass sie irgendwas bedrückte. Ich würde jetzt gern eine Hand auf die Schulter legen und mir ihre Sorgen und Probleme mit einer riesen Schüssel Eis anhören. Nur das konnte ich nicht, denn ich fühle meinen Körper nicht.
„Weißt du noch, als wir uns zu hause im Garten in unserem Baumhaus versprochen haben, dass wir immer füreinander da sind und uns alles erzählen können..."
Wie könnte ich das je vergessen? Wir waren gerade mal fünf oder sechs Jahre alt, als wir uns immer im Baumhaus vor Mum versteckt haben.
„... Auf jeden Fall läuft es bei mir auch gerade nicht so gut. Harry war gestern feiern gewesen und kam total betrunken nach hause. Ich wusste nicht, wo er war, weshalb ich ihn heute Morgen zur Rede gestellt habe. Die ganze Situation ist dann etwas eskaliert und endete wie so oft in einem Streit. Wir streiten uns eigentlich ziemlich viel und meistens geht es dabei immer um Kleinigkeiten. Ich habe einfach das Gefühl, als würden wir uns auseinanderleben."
Das Gefühl kenne ich gut. Manchmal ging es Niall und mir nicht anders. Ich würde jetzt gern sagen, dass das nichts zu bedeuten hat. Aber ich glaube du solltest einfach mal mit ihm reden. Ihr solltet euch ein bisschen Zeit für euch nehmen und versuchen die Probleme friedlich zu lösen.
„Und dann ist da noch so etwas. Das ist eigentlich auf eine gewissen Art und Weise positiv. Du wirst nämlich nochmal Tante. Du bist die erste, der ich das hier erzähle. Und wahrscheinlich fragst du dich jetzt, warum ich es noch nicht Harry gesagt habe und in welchem Monat ich bin. Ich glaube, der Monat ist erstmal egal. Aber ich habe Angst, es Harry zu sagen, weil es ja nicht gerade gut zwischen uns läuft. Ich musste es einfach jemanden erzählen. Und du hast schon immer ein offenes Ohr für mich gehabt."
Ich werde nochmal Tante? Oh mein Gott! Ich freu mich so. Hoffentlich wird es diesmal ein Mädchen, meine Nichte. Und das mit Harry ist so eine Sache. Klar verstehe ich, dass das mit den Streits nicht einfach ist, aber er muss es erfahren. Er hat das Recht darauf zu erfahren, dass er wieder Vater wird. Ich glaube nur, dass ich dir da nicht weiterhelfen kann.
Plötzlich ging die Tür auf. Ich hoffte, dass es Niall sein würde, der bis jetzt noch nicht hier. Ich wusste auch nicht genau, wann er immer kam. Stattdessen hörte ich das Klappern von High Heels auf dem Boden. Meine Schwester konnte es nicht sein, denn sie war vorhin schon da gewesen. Also wer könnte es sonst noch sein?
„Das ist also die berühmte Chloe Oakley. Hmm... Irgendwie hab ich mich dich anders vorgestellt.", sagte eine hohe, weibliche Stimme, die ich einfach nicht zuordnen kann.
Ach wirklich? Wahrscheinlich sehe ich auch nicht mehr so aus wie vorher. Aber wer ist sie? Und warum war sie hier?
„Ich hätte gedacht, dass Niall mehr Geschmack hat."
Hä? Woher kennt sie Niall bitte persönlich? Was ist nun schon wieder los? Diese Frau tut ja gerade so, als würde sie ihn ja schon lange kenne. Warum kenne ich sie dann nicht?
„Doch so wie aussieht, mag er dich wirklich, liebt er dich wirklich. Und irgendwie kann ich das auch nachvollziehen und du bist wahrscheinlich die glücklichste Person der Welt. Wenn ich jetzt lügen würde, würde ich sagen, dass ich überhaupt nicht neidisch auf dich bin. Und doch ist dein Leben gerade nicht so perfekt, wie du dir das vorgestellt hast."
Warum sollte er mich nicht wirklich lieben? Aber ja wahrscheinlich bin ich der glücklichste Mensch der Welt, auch wenn ich nicht gerade sehr überzeugt davon bin. Sie hat ja keine Ahnung, wie es mir wirklich geht. Niemand weiß das und ich kann es niemandem erzählen. Es ist grauenvoll so alleine zu sein und dann auch wieder nicht. Manchmal frage ich mich, ob ich aus diesem Albtraum hier überhaupt erwache.
„Ich weiß, dass es auch bei ihm nicht so super läuft. Ich hoffe, dass ich ihm wenigstens etwas aufmuntern konnte, was nicht gerade leicht war. Weißt du, wir haben uns zwar erst gestern in einem Club kennengelernt und doch kommt es mir so vor, als würde ich ihn schon ganz gut kennen, auch wenn es nur ein paar Stunden waren."
Das weiß ich auch! Aufmuntern? Wie bitte? Könnte sie das bitte näher erklären? Denn ich glaube nicht, dass sie Niall schon so gut kennt, wie sie sagt, dass sie ihn aufmuntern kann, wenn es noch nicht mal wirklich seine Freunde schaffen, wie es aussieht.
„Um ehrlich zu sein, hat er sich mit gestern Abend selbst einen Gefallen getan. Ich würde sagen, wir hatten schon unseren Spaß, auch wenn er es nicht zugeben will. Was denkst du wohl, warum er noch nicht hier ist? Er möchte nicht, dass du etwas davon erfährst. Vielleicht bereut es er schon, aber ich habe heute Mittag von ihm einen Nachricht bekommen, dass er sich auf jeden Fall nochmal mit mir treffen möchte und wir das von gestern Nacht wiederholen könnten. Und ich muss zugeben, dass ich mich schon sehr darauf freue, ihn wieder in meinen Armen zu halten. Ich glaube, du weißt selbst, dass er die besten Umarmungen gibt und wie gut sie tun. Ich hoffe, du bist nicht ganz zu enttäuscht, aber ich dachte mir, dass du die Wahrheit verdienst."
Nein! So was würde er nie machen. Ich... ich glaube nicht, dass er dazu fähig ist. Das kann nicht sein! Das kann nicht die Wahrheit sein. Sie lügt. Sie muss lügen.
Alle Geräusche im Hintergrund verschwammen und das war dann wieder die Zeit, in der es nichts gibt. Ich war wieder in dem endloslangen Kaninchenbau gefangen und fiel weiter und weiter. Es nahm einfach kein Ende. Die Kälte und die Dunkelheit umfing mich wieder. Es kam mir vor, als wäre es kälter als je zuvor. Wahrscheinlich bilden sich bereits Eiszapfen an meiner Nase und an meinen Wimpern, weil ich ununterbrochen weine. Ich habe Angst, allein zu sein. Ich habe Angst vor dem Fall. Ich hab Angst vor dem, was sich am Ende befindet. Ich weiß nicht, wann ich unten ankomme. Ich möchte endlich das Ziel erreichen und mich nicht weiter quälen, wenn ich den Menschen, den ich am meisten liebe, gerade verloren habe. Und nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich den Boden des Kaninchenbaus und fand den Schlüssel für eine der Türen. In die kleinste passte er und als ich durch die Tür sah, erblickte ich ein Paradies, ein Wunderland.
Ich bin so froh, dass ich dieses Kapitel endlich fertig bekommen habe. Es war die größte Herausforderung, die ich bis jetzt hatte. Ich hoffe, dass ihr Chloes Gedanken und Gefühle nachvollziehen könnt, weil es schon etwas verwirrend sein kann.
Wie fandet ihr es überhaupt, dass dieses Kapitel aus Chloes Sicht ist?
Vielleicht habt ihr ja Ideen, wie können Grace und Harry ihre Probleme lösen.
Und wie überrascht seid ihr von Grace Nachricht, dass Chloe nochmal Tante wird?
Was mich noch interessieren würde, ist, was ihr denkt, was hinter ,,Alice im Wunderland" steckt und welche Bedeutung das in diesem Kapitel hat.
Schöne Ferien ♡
Chloe :)
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