25. Kapitel: Ängste

Chloe P.O.V

Ich wusste nicht so recht, was hier gerade passierte. Ich sollte doch nur meine Zehen bewegen. Aber ich konnte es nicht. Ich spürte dort einfach nichts. Es fühlte sich so an, als ob ich keine Beine mehr besitzen würde. Als ich kapierte, dass ich überhaupt kein Gefühl mehr in meinen Beinen hatte, schossen mir nur so die Tränen in die Augen. Zwar wollte Niall mich irgendwie beruhigen, doch es ging einfach nicht. Ich wollte es einfach nicht.

Und jetzt, wo ich aus diesem beschissenen Untersuchungen, die mich auch nicht wieder zusammenflicken können, raus war, fühlte ich mich einfach nur leer. Während des MRT hatte ich nur geweint. Ich konnte nur weinen.

Aber jetzt, jetzt einen Tag später fühlte ich nichts so wirklich. Ich konnte auch einfach nicht mehr weinen. Stumm lag ich nur in meinem Bett und starrte diese gottverdammte, weiße Decke an. Weiß. Reinheit. Frieden. Hochzeit. Schön wäre es. Alles nur Wunschgedanken.

Reinheit. Wer war heute schon noch so rein, dass er vor der Hochzeit noch kein einziges Mal etwas „Verbotenes" wie Sex gehabt hatte. Ein uneheliches Kind, vielleicht auch mehr. Jesus, im Mittelalter wäre ich vermutlich schon längst auf dem Scheiterhaufen gelandet.

Frieden. Ja, was ist das überhaupt? Wenn man mich fragt, kann ich nur sagen, dass es nirgendwo wirklich Frieden gibt. Die ganze Welt lebt ihm nie endenden Krieg. Und ich finde meinen inneren Frieden auch nicht. Eine Katastrophe nach der anderen schürt nur weiter den Krieg, der in meiner Seele ausgebrochen ist.

Ich habe die letzten acht, neun Monate verpasst, in denen mein Neffe im Bauch meiner Schwester gewachsen ist und ich das nicht miterleben konnte, in denen ich Grace nicht zur Seite stehen konnte und in denen meine Kinder sich entwickelt haben, neue Dinge gelernt haben, selbstständiger geworden sind, ohne dass ich dabei war. Ich habe nicht mit ansehen können, wie sie Laufrad fahren oder auf dem Spielplatz mit Nialls Hilfe über das Klettergerüst klettern. Alles ist mir vorenthalten gewesen. Und der Umstand, dass sie mir zwar erzählt haben, was sie alles gemacht und gelernt haben, machte es nicht besser.

Ich fühle mich so, als hätte ich in meiner Mutterrolle komplett versagt. Ich war nicht da, als meine Kinder mich brauchten und konnte ihnen nicht die notwendige Liebe geben, die sie eigentlich verdienen. Ich war einfach nur nutzlos.

Umso bitterer wurde es dadurch, dass diese komische Natalie auch noch von Niall ein Kind bekommen soll und ich meins verloren habe. Was gibt es schlimmeres, als zu erfahren, dass dein eigen Fleisch und Blut deinetwegen gestorben ist, aber dein Verlobter mit einer anderen ein Kind bekommt. Ich kann ihm ja echt keine Vorwürfe machen, weil ich ja weiß, was da alles abgegangen ist. Aber wie soll ich mich dabei bitte fühlen? Wenn das Kind nachher auch noch genauso aussieht wie Niall, würde ich nicht mal mehr dessen Anblick ertragen, ohne in Tränen auszubrechen. Es schmerzt einfach in meinem Herz, dass ich nicht diejenige bin, die ihn glücklich machen kann. Stattdessen schenkt ihm Natalie das mit Abstand beste Geschenk, was er eigentlich bekommen kann.

Es sind kleine Messer oder Splitter, die sich bei diesem Gedanken in mein Herz bohren. Ich hab ihm verziehen und sagte, dass ich schon damit klar kommen würde, aber wenn ehrlich bin, macht es mich einfach nur fertig. Ich weiß nicht, was ich machen soll oder wie ich mich ihm bei diesem Thema über verhalten soll. Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie ich ihm überhaupt noch gegenübertreten soll, wie ich ihm noch in die Augen sehen soll, ohne ihn anzulügen, dass alles bestens sei.

Ich bekam immer diese Albträume und wusste nicht so wirklich, etwas damit anzufangen. Mir war klar, dass Niall das nicht unbemerkt geblieben war, aber ich konnte einfach nicht darüber reden. Diese Träume machten mir Angst und versetzten mich in die Vergangenheit zurück, um mir immer wieder dieses eine schreckliche, einprägende Ereignis in den Kopf zu rufen. Ich bekam die Bilder einfach nicht aus meinem Kopf. Es versetzte mich in so einen Schockzustand, dass ich kein Wort finden würde, um das alles zu beschreiben. Ich konnte es einfach nicht. Ich weiß, dass ich mit jemanden darüber reden sollte, aber mein Kopf sperrt sich da total. Auch wenn ich es wollte, ich konnte es einfach nicht, weil sich alles so real anfühlen würde, wenn ich es erzählen würde.

Niall hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wie miserabel es mir wirklich ging. Und ihm vorzulügen, dass es mir super ging, war einfach nur ein Schutzmechanismus. Ich wollte nicht, dass er sich so viele Sorgen um mich macht. Er hat in den letzten Monaten schon genug durchgemacht. Ich wollte ihm das nun nicht auch noch aufbürden.

Aber seid ihr nicht deswegen verlobt? Wollt ihr nicht deswegen heiraten? Weil ihr immer füreinander da seid, wenn es dem anderen schlecht geht? Weil ihr nur zu zweit ein Ganzes seid und nur so alles schafft?

Selbst die Vorstellung, Niall zu heiraten, ist in den letzten Monaten für mich so gut wie aussichtslos geworden. Ich schaff es nicht, meinen Körper zu kotrollieren und somit wieder auf die Beine zu kommen. Ich müsste mich erst einmal wieder gerade biegen und dann kommen noch so viele andere Sachen dazu, dass wir vorerst wohl nie dazu kommen würden, zu heiraten.

Der Umstand, dass ich das Gefühl habe, seitdem ich aus dem Koma erwacht bin, dass Niall und ich uns immer mehr auseinander leben, macht die Sache nicht gerade besser. Ich kann es nicht wirklich beschreiben, aber irgendwie haben sich die Ereignisse, die sich in letzter Zeit angehäuft haben, zwischen uns gedrängt, zum Beispiel, dass er mir nichts, aber auch gar nichts über meinen Gesundheitszustand sagt, obwohl ich eigentlich das Recht dazu habe. Ich weiß nicht, ob dieser Keil stärker ist als meine Liebe zu ihm. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Glas zerbricht, wenn es Risse hat, ist einfach größer, als die, dass es heil bleibt. Ich weiß nicht, was sich in der Zukunft alles auf mich zukommt.

Und nun bin ich immer noch kein Stück weitergekommen und starre immer noch wie verrückt diese Decke an. Was mach ich hier überhaupt? Darauf warten, dass Niall kommt? Hoffen, dass nicht völlig die Katastrophe ausbricht? Hoffen, dass ich nicht den Rest meines Lebens in einem fucking Rollstuhl sitzen darf?

Ich wusste sofort, als ich meine Zehen nicht gespürt habe, dass ich nur in diese Richtung gehen kann. Da kann mir Niall mit seinen beruhigenden Worten, dass alles gut wird, fern bleiben.

Wenn ich querschnittsgelähmt sein sollte, wozu wäre ich noch zu gebrauchen? Was würde es noch lebenswertes geben? Nichts könnte ich mehr machen. Ich wäre auf ständige Hilfe angewiesen. Mein Leben hätte überhaupt keinen Sinn mehr, weil ich all das aufgeben müsste, was mir wirklich extrem viel bedeutet.

Meinen Job beziehungsweise meine Ausbildung könnte ich wohl schlecht im Rollstuhl ausüben. Meine Kinder müssten ohne mich spielen oder klettern gehen, während ich einfach nur dasitze und nichts mache. Wenn ihnen etwas passieren sollte, könnte ich nicht eingreifen, ihnen helfen. Ich wäre machtlos. Partys, Feste oder Feiern würden für mich nie mehr das sein, was sie wirklich waren. Ich konnte nicht mehr tanzen und konnte mich nicht frei in der Menge bewegen. Ich bräuchte immer Hilfe im Haushalt, kann keine Treppen laufen, müsste immer getragen werden, wenn ich mich irgendwo anders hinsetzen wollen würde.

Schlicht und einfach, ich würde eine zusätzliche Last darstellen, vor allem für Niall. Ständig müsste er sich um mich kümmern. Das kann ich einfach nicht von ihm verlangen. Auch wenn er jetzt sagen würde, dass das alles nicht so schlimm für ihn wäre und er das macht, weil er mich liebt, würde er mir irgendwann Vorwürfe machen oder würde daran kaputt gehen. Ich möchte das ihm und meiner Familie nicht antun.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich plötzlich die Tür öffnete. Insgeheim hoffte ich, dass es Niall sein würde, damit ich nicht so allein war, oder jemand anderes, zum Beispiel meine Schwester. Stattdessen kam Schwester Jana in den Raum und brachte mir mein Abendbrot.

Warum sollte Niall auch noch so spät kommen. Ich glaube, dass er erwähnt hatte, dass er zusammen mit meiner Schwester und den Jungs auf der Modenshow von Maisie war. Die kleine Modedesignerin war echt niedlich und ich verstand mich ganz gut mit ihr. Da hatte Grace wirklich eine Freundin fürs Leben gefunden, so wie ich meine Freundinnen Emily und Sarah hatte.

Leider hatten sie nicht die Zeit, mich besuchen zu kommen. Emily ist mit ihrem Orchester auf Tour durch die komplette Welt, wobei Luke und Alisa sie stets begleiteten. Sarah hatte in letzter Zeit so viel im Kindergarten zu tun, weil zwei ihrer Kolleginnen gekündigt hatten und noch keine neuen Erzieher eingestellt wurden, weshalb sie Überstunden machte und eigentlich nur am Arbeiten war.

Jana lächelte mich herzlich wie immer an und stellte das Tablett auf den Beistelltisch an meinem Bett.

„Sie sehen etwas traurig aus. Stimmt etwas nicht? Fehlt es ihnen an irgendwas?", fragte sie mich fürsorglich.

Ich sehe traurig aus? Wenn ich mich nur so fühlen würde, würde alles in bester Ordnung sein, denn auch das geht vorüber. Ich konnte einfach nicht genau sagen, was ich gerade fühlte. Es kam irgendwie alle nicht so guten Emotionen auf einmal zusammen.

„Nein, nein. Alles ist bestens. Ich brauche nichts weiter, danke.", erwiderte ich und erzwang mir ein kleines Lächeln, was vermutlich nicht mal ansatzweise echt wirkte.

„Na schön. Wenn Sie irgendwas brauchen sollten, rufen Sie mich einfach. Sie sehen mir so blass aus. Sie sollten dringend etwas essen.", meinte sie, als sie schon auf dem Weg zur Tür war.

„Natürlich.", gab ich lächelnd zurück, auch wenn das nur ausgesetzt war.

Ich hatte einfach keinen Hunger. Ich würde nicht einen Bissen hinunter bekommen, ohne es danach wieder hervor zu würgen. Mir ist nur jeglicher Appetit vergangen, obwohl das Krankenhausessen hier ganz akzeptabel ist. Und da ist es mir egal, ob ich blass war oder schlecht aussah oder sonst irgendwas. Blass war ich schon immer. Da wird das auch jetzt nicht auffallen.

Meine Schwester hätte mir dafür vermutlich eine Standpauke gehalten genau wie meine Mum, weil ich doch schon immer diese gesundheitlichen Probleme mit meinem Kreislauf hatte.

Normalerweise bin ich auch diejenige, die sonst sehr auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von anderen als auch von mir selbst achtet. Doch heute zu diesem Zeitpunkt war mir das egal. Es kümmerte mich nicht, dass ich etwas essen und trinken muss, damit ich im schlimmsten Fall nicht zusammenbreche. Ich war einfach nur erschöpft und müde und hatte keinerlei Kraft irgendwas zu essen. Ich wollte eigentlich nur noch schlafen. Und kaum hatte ich diesen Gedankengang, da fielen mir auch schon die Augen zu und das Tor zu meiner Traumwelt stand mir offen.

Ein wunderschöner Sommertag war heute. Meines Erachtens der überhaupt schönste, den es dieses Jahr gegeben hatte. Die Sonne schien hoch oben am wolkenlosen Himmel, die Vögel zwitschern, das Gras und die Bäume so grün, die Blumen blühen. Was gab es schon schöneres.

Normalerweise würde ich jetzt mit meiner Familie ein Picknick machen gehen, wie wir es schon lange nicht mehr gemacht hatten, weil ich aller Hand voll zu tun hatte und Niall ebenfalls.

Dennoch kam ein anderes Ereignis dieser Idee dazwischen. Ein Ereignis, was für mich besonders werden sollte, was für alle besonders werden sollte. Ein Ereignis nur für Niall und mich. Schon seit Monaten haben wir auf diesen einen Tag hingearbeitet und alles geplant, damit es der perfekte Tag für uns beide wird.

Nun saß ich bei Emily im Haus und eine ganze Menge an Leuten schwirrte hier herum. Meine Mum war hier, meine Schwester, Nialls Mum, Nialls Schwägerin Denise, Emily, Sarah und Eleanor. Und das waren noch die wenigen.

Während Grace gerade dabei war, meine Locken zu bändigen, aus denen sie dann eine wunderschöne Hochsteckfrisur zauberte, war Eleanor dabei meiner zuckersüßen Tochter die Haare zu einem Kranz zu flechten und Denise versuchte Theo, Jordan und Sydney zu bändigen und alle drei so zu kleiden, wie es nun mal vorgesehen war. Emily zog ihrer Tochter Alise gerade das wunderschöne Kleid an, während Sarah meine Nägel lackierte. Meine Mum ging mir schon den ganzen Tag auf die Nerven und war so nervös, dass sie gar nicht still sitzen konnte und mir immer etwas zu essen oder zu trinken bringen wollte.

Und dann wollte die Frau auch noch Kaffee trinken und den kleinen Schokoladenkuchen, zumindest das Stück, was noch übrig geblieben ist, essen. Deswegen stellte ich für sie gleich das Verbot auf, weder den Kaffee zu trinken noch den Kuchen zu essen, damit sie mir nicht noch flippiger wurde. Ich war Maura mehr als nur dankbar, dass sie meine Mum beschäftigte.

Nachdem meine Haare als auch mein Make-Up fertig waren, hieß es für mich, dass ich nun das Kleid anziehen würde. Mein Traumkleid.

„Oh mein Gott. Mein Baby hat heute ihren großen Tag.", weinte meine Mum.

„Du siehst hinreißend aus.", kam es von den anderen und alle schnieften leicht. Als ich das sah, fing auch ich fast an zu weinen.

„Hört ja auf! Ihr zerstört mein Kunstwerk.", kam es von Sarah, die für mein Make-Up zuständig gewesen war.

Nun scheuchte sie alle vor die Tür, weil sie schon eher fahren würde als ich. Und nun hatte ich genug Zeit, mir über alles Mögliche Gedanken zu machen. Ich würde heute Niall heiraten. Ab heute würde ich endlich seine Mrs. Horan sein.

Als ich nun kurz vor meinem Auftritt stand, war ich sehr nervös. Dann setzte die Musik ein, sodass ich mir überhaupt keine Gedanken oder Zweifel machen konnte und schritt den Gang entlang. Mein Blick starr nach vorn gerichtet, wo Niall stand und mich anlächelte.

Doch dann sah ich Natalie an seiner Seite. Sie war echt bildschön in ihrem eleganten Brautkleid. Niall stand lächelnd neben ihr, eine Hand um ihre Taille gelegt und gab ihr gerade einen Kuss auf die Stirn. Sie hielt ein Baby auf dem Arm, das seelenruhig an ihre Brust gelehnt schlief. Das Sonnenlicht fiel auf das frischvermählte Ehepaar, sodass ich nur zu gut die Eheringe aufblitzen sehen konnte. Alle jubelten ihnen zu sogar meine Familie und ich, ich stand einfach nur hilflos in dem Gang.

Mir war einfach nach Heulen zumute. Tausend kleine Splitter bohrten sich in mein Herz und hinterließen genau an der Stelle rote Flecken auf dem weißen Brautkleid. Mehr und mehr Blut sickerte durch mein Kleid hindurch. Doch das störte mich gar nicht. Der Schmerz, der sich in mir ausbreitete, war viel schlimmer. Als ich die beiden dort oben zusammen stehen sah, als Familie mit dem kleinen Kind und so glücklich, ist bei mir wirklich alles kaputt gegangen und Tränen rannen mir nur so aus den Augen. Nialls verliebte Blicke, die nur Natalie galten, obwohl sie doch eigentlich für mich gedacht waren, brachten meine Welt zum Kippen. Das sollte also wahre Liebe sein.

Niemand scherte sich um mich und ehe ich mich versah, saß ich wie ein Krüppel in einem Rollstuhl, während das Blut mein Kleid immer mehr tränkte. Ich wollte aufstehen, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, weshalb ich auf einmal dort saß. Doch als ich mich hochhieven wollte, um normal wie jeder andere auch zu stehen, fiel ich einfach nur hin. Ich hatte kein Gefühl in meinen Beinen. Da war einfach nichts.

Jetzt schenkten mir alle Hochzeitsgäste inklusive das Brautpaar viel Aufmerksamkeit. Sie lachten mich höhnisch aus und fanden es lustig, dass ich einfach nur da lag und mich nicht bewegen konnte.

Nialls Blick war der schlimmste von allen. Er schien so, als würde er mich noch nicht mal kennen, und amüsierte sich prächtig. Sonst hatte er zwar auch gelacht, wenn mir etwas passiert ist, aber er war gleichzeitig immer um mich besorgt gewesen und wäre mir sofort zur Hilfe geeilt.

Doch jetzt, jetzt war all die Zuneigung und Liebe verschwunden. Diese galt nur noch Natalie. Natalie. Natalie. Natalie.

Keuchend schnappte ich nach Luft und schlug meine Augen auf. Mein Herz pumpte nur so, dass ich das Gefühl hatte, dass es mir gleich aus meiner Brust springen würde. Panisch suchte ich mit meinen Augen den Raum ab und atmete erleichtert auf, als ich feststellte, dass ich im Krankenzimmer lag und niemand weiter hier war.

Meine Wangen waren nass, vermutlich weil ich geweint habe. Mein Nachthemd und mein Lacken waren total durchgeschwitzt. Ich setzte mich ein Stück auf und fasste mir an meine Brust, um sicherzugehen, dass dort kein Blut war, was meine Kleidung tränkte. Etwas beruhigt schloss ich meine Augen und legte mich wieder hin.

„Nur ein Traum... nur ein Traum.", murmelte ich immer und immer wieder zu mir selbst.

Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich meine Atmung und meinen Herzschlag wieder vollkommen unter Kontrolle hatte.

Was sich mein Unterbewusstsein dabei gedacht hatte, wusste ich echt nicht. Warum zur Hölle träumte ich so einen Scheiß? Um mir meine Ängste immer und immer wieder vor die Augen zu führen. Was denn sonst?

Ängste. Machen gerade sie dich nicht schwach und verletzbar? Sind es nicht gerade sie, die dich zweifeln lassen und dich Anstrengung zur Überwindung kosten? Können sie nicht dich selbst und dein Leben zerstören, wenn du es zulässt?

Und dann soll mir mal einer kommen, der behauptet, dass das alles Schicksal wäre. Dabei bestimmen wir doch über unser Schicksal und nicht umgekehrt. Wir können Veränderungen bewirken und unser Leben bestimmen, wenn wir unsere Zweifel und Ängste versuchen zu überwinden. Aber was, wenn diese so groß sind, dass du sie nicht überwinden kannst?

Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich immer mehr Ängste und Zweifel bei mir anhäufen. Sie nehmen mich ein und bestimmen über meine Handlungen, weil ich es einfach zulasse. Aber wie kann ich das denn ändern? Wie?

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es schon recht spät. Und es war ein Wunder, dass ich so lange schlafen gelassen wurde. Normalerweise gab es um acht Uhr Frühstück und man wurde von den Schwestern geweckt, um etwas zu essen. Doch ich hatte bis um zehn Uhr geschlafen und niemand hatte mich aus meinem Schlaf gerissen.

Ich musste jedoch schmunzeln, als ich auf den Beistelltisch sah, auf dem ein Tablett mit frischen, belegten Brötchen, einer Schale mit Obstsalat und einem Glas Apfelsaft stand. Nebenbei lag ein Zettel, den ich mir sorgfältig durchlas.

Miss, Sie haben den Schlaf wohl dringend gebraucht, weshalb ich Sie habe schlafen lassen. Aber die Bedingung dafür ist, dass Sie wenigstens ihr Frühstück essen. Ich weiß, dass Sie gestern nichts gegessen haben.
Schwester Jana

Ich schüttelte kurz schmunzelnd meinen Kopf und machte mich dann daran mein Frühstück zu verputzen.
Dabei ging mir die letzte Nacht nicht mehr aus meinem Kopf. Ich erinnerte mich noch genau an diesen verrückten Traum, an jedes einzelne Detail.

Allein der Gedanke daran bereitete mir eine Gänsehaut und ließ meine Augen sofort wieder mit Tränen füllen. Ich weiß nicht, wie lang ich heute früh zum Einschlafen gebraucht habe. Immer, wenn ich meine Augen geschlossen habe, habe ich dieses Bild wieder vor meinen Augen gehabt. Wie ein Anker hatte dieser Traum sich in meinem Kopf verankert, sodass es Stunden dauerte, bis ich endlich wieder eingeschlafen war. Keine Ahnung, wie ich es geschafft hatte, bis jetzt durchzuschlafen.

Um mich etwas abzulenken und nicht mehr daran zu denken, schaltete ich den Fernseher ein, der in meinem Zimmer hing. Mir war es auch völlig egal, was gerade lief. Hauptsache die labberten dort irgendwas.

Nebenbei aß ich gerade meinen Obstsalat und wollte mir gerade die nächste Erdbeere in den Mund schieben, als ich vor Schreck die Gabel fallen ließ und nun sehr interessiert und ernst auf den Bildschirm vor mir starrte.

„Spekulationen nun endlich bestätigt! Niall Horan (25) und Modefotografin Natalie Auckland (25) ein Paar?

Nachdem gestern ganz schön viel Trubel um die vier Boyband-Mitglieder herrschte, weil sie alle zusammen eine Modenshow von Maisie Williams (25), einer jungen, talentierten Nachwuchsdesignerin besuchten, die nebenbei auch noch mit Grace Oakley (23), die ebenfalls gestern Abend anwesend war, befreundet ist. Dass Co-Designerin Sophia Smith (25) auf die Gruppe und somit auch auf ihren Ex-Freund Liam Payne (26) stieß, war dann nur vorherzusehen. Weiteres zu Liam Payne und Sophia Smith finden sie in einem Artikel auf unserer Internetseite.

Modefotografin Natalie Auckland war ebenfalls auf der Modenshow und sah sich die beeindruckenden Designs an. Aber war sie nur deswegen da?

Anscheinend nicht. Nachdem in letzter Zeit immer mehr Spekulationen über sie und Niall seit dem einen Vorfall in der Bar Ende Januar erscheinen, weil er zum Beispiel häufig ihr Fotostudio aufsuchte, zeigten sich die beiden jetzt sehr innig auf der öffentlichen Modenshow, wie einige Bilder beweisen.

Zudem ist Natalie auch noch schwanger und das, obwohl sie eigentlich noch single ist. Irgendwas ist an dieser Sache doch faul? Laut Insidern, soll die junge Beauty bereits im achten Monat schwanger sein. Wenn man zurückrechnet, könnte das genau auf den Vorfall mit Niall in der Bar im Januar fallen.

Wird Niall Horan nochmal Vater, obwohl er noch mit seiner Verlobten und Langzeitfreundin Chloe Oakley (22), die aufgrund eines tragischen Unfalls im Krankenhaus liegt, zusammen ist? Betrügt er Chloe etwa mit Natalie?

Auf den Aufnahmen ist klar zu erkennen, wie er freudestrahlend den Babybauch der 25-jährigen streichelt und sie anschließend in eine innige Umarmung zieht. Ob es ein kleines Küsschen gab, ist aufgrund der schlechten Qualität der Bilder schwer zu sagen.

So wie es aussieht, ist zwischen den beiden Turteltauben mehr als nur Freundschaft. Bisher hat sich noch keiner der beiden dazu geäußert. Auf direkte Fragen an diesem Abend von Fans als auch von Reporten gab der One Direction Hottie keine Antworten. Ebenso beantwortete er keine Fragen zu seiner Verlobten Chloe, wenn man sie nach diesen Vorfällen überhaupt noch so nennen kann. Wir halten sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden und..."

Energisch und leicht wütend schaltete ich nun den Fernseher aus. Dass Natalie da sein würde, hatte er mir eiskalt verschwiegen. Aber vielleicht wusste er es auch selbst nicht. Ich glaube, ich kann ihm noch nicht mal wirklich böse sein. Wenn es wirklich sein Kind ist, kann ich es verstehen, wenn er sichergehen will, dass es Natalie und dem Baby gut geht.

Ich bin eher wütend auf mich selbst und auf die Presse, weil sie die Wahrheit immer und immer wieder so dreht, wie sie sie haben wollen. Klar ist das mehr zwischen Niall und Natalie. Das sieht doch jeder. Ich schnaubte verächtlich.

Wer Niall wirklich kennt, wüsste, dass er mich nicht einfach so sitzen lassen würde, weil er mich liebt. Zumindest weiß ich das, glaube ich das, hoffe ich das. Ach diese scheiß Zweifel. Immer positiv denken, Chloe. Er hat gesagt, dass er nur dich liebt und keine andere. Und doch kamen mir die Bilder meines Traums vor meine Augen geschossen. Nein, nein, so durfte es auf keinen Fall kommen.

Nur eine halbe Stunde später kam Niall in mein Zimmer gewackelt und strahlte über beide Ohren. Ich gab mir einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe er sich auf dem Stuhl neben meinem Bett fallen ließ und nach meiner Hand griff. Ich lächelte ihn nur an und strich mit meiner anderen Hand durch seine Haare. Wie ich das die letzten Monate vermisst hatte.

„Wie war gestern die Modenshow?", erkundigte ich mich.

„Sie war der hammer. Du hättest dabei sein müssen. Nur Liam stand an diesem Tag komplett unter Schock, weil er Sophia an diesem Tag zum zweiten Mal getroffen hatte. Hätte er gewusst, dass sie die Co-Designerin gewesen ist, wäre er nie mitgekommen. Aber ansonsten war es richtig cool.", erzählte er.

Dass Liam die Spucke weggeblieben ist, konnte ich mir vorstellen. Wahrscheinlich würde ich genauso reagieren, wenn ich Moritz irgendwann zufällig treffen würde, während meine Freunde um mich herumstehen.

„Na dann. Ich hab gehört, dass die Fotos ganz toll geworden sind.", gab ich zurück. Eigentlich sollte es nicht so hart und kalt klingen, das war nicht geplant.

Verwirrt sah Niall mich nun mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Ich weiß es, um ehrlich zu sein, nicht. Aber Baby, ist alles okay?"

„Was sollte denn nicht okay sein? Und die Bilder sind fantastisch. Schließlich hat Natalie sie doch gemacht, oder? Und die Schlagzeilen von diesem Abend haben mir heute Morgen den Tag versüßt.", antwortete ich.

Nialls Gesicht wurde sofort ernst. In seinen Augen konnte ich die Sorge erkennen, obwohl es dafür doch überhaupt keinen Grund gab.

„Chloe..."

„Nein, Niall. Sag nichts. Es sind Schlagzeilen, die nicht wirklich der Wahrheit entsprechen und das weiß ich. Dennoch verstehe ich schon, warum du das alles machst. Und ich akzeptiere es, weil ich dich liebe. Du brauchst dich also nicht zu entschuldigen. Ich liebe dich, egal was kommt und das kann auch so ein blöder Artikel nicht kaputt machen."

„Ich liebe dich auch. Mehr als du dir vorstellen kannst.", murmelte er und beugte sich zu mir rüber, um seine Lippen sanft auf meine zu legen.

Vorsichtig erwiderte ich den Kuss, doch bevor es leidenschaftlich werden konnte, wurden wir von Dr. Carter unterbrochen, der gerade in mein Zimmer kam.

„Oh, entschuldigt die Störung. Aber ich habe die Ergebnisse, eigentlich schon seit gestern. Ich wollte es Ihnen nur zusammen sagen. Und das kann jetzt etwas länger dauern", meinte er und nahm sich einen Stuhl, den er schräg vor mein Bett stellte, sodass Niall als auch ich in sehen konnten.

Niall, der bis vor ein paar Sekunden noch glücklich gelächelt hatte, war nun mehr als ernst und angespannt und sah mich ein paar Mal mit sorgevollen Blicken an. Ich hingegen sah nur zu Dr. Carter, der auf sein Klemmbrett starrte. Schon wieder dachte ich an den Traum, wo ich auf einmal in dem Rollstuhl saß.

„Nun...", fing er ernst an, „Ich hatte dir, Niall, ja schon vor Monaten gesagt, dass es recht unwahrscheinlich ist, wenn Sie Miss Oakley..."

„Bitte, Sie können mich ruhig Chloe nennen. Dann fühle ich mich einfach wohler.", unterbrach ich den Arzt kurz.

Er nickte: „Aber selbstverständlich. Ich sagte bereits, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Chloe einfach ohne irgendwelche rückbleibenden Schäden weiter den normalen Alltag leben kann. Alle anderen Verletzungen sind gut verheilt, sodass du nur wieder einer Reha zum Muskelaufbau brauchst. Allerdings sind durch einen Bruch deiner Wirbelsäule einige Stellen des Rückenmarkes verletzt. Davon sind aber nicht alle Nervenbahnen betroffen. Ich glaube, dir ist klar, auf was ich hinaus möchte..."

Ich erahnte es und Niall ebenfalls, weshalb er nach meiner Hand griff und die ganze Zeit zu mir flüsterte, dass alles gut wird. Doch ich konnte einfach nur den Kopf schütteln.

„... Wir Ärzte sprechen in ihrem Fall von einer inkompletten Querschnittlähmung des Grades C. Das heißt, dass deine Restmotorik unterhalb deiner Verletzungshöhe erhalten geblieben ist. Dabei haben aber wichtige Kennmuskel unterhalb dieser Höhe einen Muskelkraftgrad von weniger als 3. Das heißt, dass die Gebrauchsmotorik stark eingeschränkt ist, sodass auch die Unterstützungen durch Gehhilfen kaum von Nutzen sein werden und die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder laufen können so gut gegen null laufen. Dafür sind die sensiblen Funktionen erhalten geblieben, sodass sie alles an Schmerz bis hin zu Berührungen spüren können.", erklärte er dann alles ganz genau, damit auch Niall, der dem medizinischen Fach jetzt nicht so kundig war wie ich selbst, genauso gut folgen konnte.

„Nein! Sie müssen sich irren. Mit der Reha und ganz viel Physiotherapie kann ich wieder meine Muskeln aufbauen, sodass ich normal weiterlaufen kann. Sie lügen. Ich kann nicht im Rollstuhl sitzen. Ich kann es einfach nicht.", weinte ich.

Die Tränen liefen mir so über die Wangen und ich schluchzte wie eine Verrückte. Meine Welt ist soeben endgültig zusammengebrochen und eine meiner schlimmsten Ängste ist wahr geworden. Ich blendete alles um mich herum aus. Dass Niall versuchte, beruhigend auf mich einzureden, nahm ich nur nebenbei war.

„Es tut mir leid. Aber ich kann nichts weiter für dich machen.", meinte Dr. Carter.

„Das kann alles nicht wahr sein. Sie müssen lügen. Ich glaube Ihnen kein Wort. Ich werde wieder laufen können. Ich werde mit meinen Kindern spielen und ihnen nachlaufen können. Ich werde in einem wunderschönen Kleid den Weg zum Altar auf Niall zulaufen werden. Ich werde die Welt auf meinen eigenen Beinen zusammen mit Niall erkunden können. Ich... Ich werde laufen können. Ich möchte einen anderen Arzt. Sie lügen doch nur. Ich glaube Ihnen nicht, Sie Lügner. Lassen Sie mich in Ruhe und gehen Sie endlich. Ich hasse Sie.", schluchzte ich verzweifelt.

Yeah ich hab es geschafft, das Kapitel heute fertigzustellen. Es war eigentlich geplant, dass es erst morgen kommt. Also hoffe ich, dass ich euch eine kleine Freude machen konnte.

So die nächste Frage abgearbeitet. Die um Chloe ist nun auch gelöst, zumindest über ihren Zustand. Also wenn ihr dachtet, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen wird, kann ich nur sagen, das wird es definitiv nicht.

Glaubt ihr, dass Chloes Ängste und Albträume zunehmen werden? Wird sie daran kaputt gehen?

Eine ihrer schlimmsten Ängste ist wahr geworden. Durch die Querschnittlähmung wird sie wohl oder übel im Rollstuhl sitzen. Sorry, wenn ihr mich dafür jetzt hasst, aber es konnte nach dem Unfall nicht alles gut sein. Dann wäre es ziemlich unrealistisch.

Ich freue mich über eure Gedanken und Ideen :D

Chloe :)

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