Stille
Leider waren nicht alle Tage so angenehm. Bis jetzt war ich überrascht, aber auch erleichtert, gewesen, dass Draco noch kein Wort mit mir gesprochen hatte. Und das, obwohl er ja mein 'Spion' war. Doch ich hatte mich zu früh gefreut.
Ein paar Tagen nach Weihnachten saßen wir wieder einmal zusammen in der großen Halle. Sie wirkte so leer, da ein großer Teil der Schüler über die Ferien nach Hause gefahren war. Lee war auf im Schlafsaal geblieben, da er sich eine Erkältung eingefangen hatte. Gerade, als ich darüber nachdachte, erschienen drei Gestalten in der Tür, die direkt auf uns zusteuerten. Draco konnte ich sofort identifizieren. Die anderen beiden waren etwas korpulenter. Bei ihnen musste es sich wohl um seine Freunde oder zumindest um andere Slytherins handeln. ,,Hallo, Shila", grüßte Draco. Meine Freunde musterten mich überrascht. ,,Oh, hallo, Draco", gab ich zögernd zurück. ,,Wir haben uns schon länger nicht mehr unterhalten", meinte er. ,,Stimmt", sagte ich, ,,Worauf willst du hinaus?" ,,Habe ich dir schon meine Freunde vorgestellt?" Bei dieser Frage betrachtete er die Weasleys abwertend. ,,Nein, das hast du nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß. Und ich hatte auch nicht vor das zu ändern - dachte ich. ,,Also, Shila, das sind Vincent Grabbe und Gregory Goyle", stellte er sie vor, ,,Grabbe, Goyle, das ist Shila Safira Selwyn. Sie ist die Tochter eines guten Freundes meines Vaters" Verlegen lächelte ich. Ich blickte mich unsicher um und erhaschte die irritieren Blicke von Fred und George. Am liebsten wäre ich jetzt im Erdboden versunken. Dabei hatte mir Draco lediglich seine Freude vorgestellt. Eigentlich war das ja nicht schlimmes, aber die Gesichtsausdrücke der Weasleys sprachen Bände. ,,Möchtest du sonst noch etwas sagen?", fragte ich schnell. ,,Ich wollte euch noch zum gewonnenen Quidditchspiel gratulieren" Verblüfft sah ich ihn an. ,,Es war ein schönes Aufwärmspiel für die Slytherins. Jetzt können sie durchstarten" Und schon war ich nicht mehr verwundert. Dieser, wenn auch nicht so gute, Spruch passte wieder zu Malfoy. ,,Sicher. Das passt zu Slytherins. Ihr lasst Gryffindor einfach mal so gewinnen", sagte ich sarkastisch. ,,Wir wollten euch wenigstens ein Erfolgserlebnis gönnen. Mehr als einen Sieg schafft ihr doch sowieso nicht", meinte Draco und zwinkerte mir auffordernd zu. ,,Rede dir das nur weiter ein, Malfoy. Dann verschließ eben deine Augen vor der Wahrheit. Mir ist das mehr als Recht", zischte ich. ,,Wie meinst du das, Selwyn?" ,,Die Wahrheit ist doch, dass ihr keine Chance gegen uns habt. Harry ist ein großartiger Sucher. Mit ihm werden wir dieses Jahr den Quidditchpokal gewinnen", antwortete ich. Alle anderen am Tisch sahen gespannt zwischen Draco und mir hin und her. ,,Also ist Potter eure einzige Hoffnung. Da sehe ich leider Schwarz für euch. Das war Anfängerglück. Er ist doch nur im Team, weil er diesen lächerlichen Ball von diesem Longbottom gefangen hat", spottete Draco. Hinter mir hörte ich Harry mit den Zähnen knirschen. ,,Du meinst den Ball, den du gestohlen hast?" ,,Ich meine den Ball, den ich gefunden habe. Er lag einfach auf dem Rasen" ,,Vielleicht kommst du nicht darauf klar, dass Harry es wegen dir ins Team geschafft hat", mutmaßte ich. Draco sprach nun gefährlich leise: ,,Vielleicht kommst du nicht darauf klar, dass deine Eltern dich nicht lieben. Kein Wunder, wenn man sieht, mit wem du deine Zeit verbringst. Wenn dein Vater davon wüsste..." ,,Halt die Klappe, Malfoy!" Instinktiv griff ich nach meinem Zauberstab. Doch George legte seine Hand auf meine Schulter und flüsterte mir zu: ,,Shila, beruhige dich" ,,Entschuldigt mich", presste ich hervor. Dann lief ich schnell nach draußen.
Es war eiskalt. Kein Wunder, immerhin war ja Winter. Trotzdem verstand ich nicht, was mit mir los war. Ich zitterte am ganzen Körper. Das kam sicherlich nicht nur von der Kälte. Draco Malfoy machte mich einfach rasend und gerade wünschte ich mir nichts mehr, als dass Fleur hier wäre. Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen. Obwohl ich Angelina, Alicia, Katie und die anderen sehr mochte, blieb sie weiterhin meine beste Freundin.
Ich ließ mich am Ufer des Sees nieder und begann zu weinen. Die Auseinandersetzung mit Draco, die Trennung von Oliver, meine Sehnsucht nach Fleur und meiner Familie - all dies entlud sich in diesem Moment. Nach einer Weile saß ich nur nach da und starrte, in Gedanken versunken, auf die gefrorene Oberfläche des Sees. Nicht weit von mir entfernt liefen ein paar Mädchen darauf Schlittschuh. Eine Gruppe von Jungen stand am Ufer und warf sie mit Schneebällen ab. Ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Ich dachte an die Schneeballschlach, die ich letztes Jahr zusammen mit den Weasleys im Fuchsbau veranstaltet hatte.
Doch irgendwann verließen die Mädchen das Eis und auch die Jungen verschwanden. Schlagartig wurde es Ruhig. Diese Ruhe fand ich auf irgendeine Art fasziniert. Sie stellt keine Frage, kann uns aber auf jede Frage eine Antwort geben. Trotzdem wird sie nur von Wenigen gezielt wahrgenommen. Mein Gedankengang wurde jedoch jäh durch lautes Gelächter unterbrochen - welch Ironie. Langsam drehte ich mich um, hielt aber in der Bewegung inne. An einen Baum gelehnt stand George. Sofort, ohne dass ich es wollte, klappte meine Kinnlade herunter. ,,Mund zu, sonst kommen Fliegen rein" Er grinste mich an. ,,W...w...a..s...?", stammelte ich überrascht. ,,Du sollst deinen Mund schließen", erklärte er etwas langsamer als zuvor. ,,Wie lange stehst du schon da?" ,,Nur ein bis zwei Minuten" Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare: ,,Also schon eine ganze Weile" ,,So könnte man es natürlich auch sagen", erwiderte er. ,,Und warum hast du dich nicht bemerkbar gemacht?" ,,Ich wollte dich nicht stören. Du bist vorhin weggerannt und wolltest sicherlich alleine sein. Außerdem sah es aus, als würdest du nachdenken" Ich nickte und stand, mit Hilfe von George, der mir seine Hand entgegenstreckte, auf. ,,Worüber hast du denn nachgedacht?" ,,Stille", antwortete ich knapp. Verwirrt zog George seine Augenbrauen nach oben. Es sah so komisch aus, sodass ich augenblicklich in schallendes Gelächter ausbrach. ,,Lachst du mich gerade etwa aus?", fragte er und baute sich vor mir auf. ,,Nein, nein, das tue ich ganz bestimmt nicht", prustete ich. ,,Na dann will ich dir das mal glauben" Er kam einen Schritt auf mich zu. ,,Wie großzügig", grinste ich. ,,Du lachst sowieso zu wenig, Shila" ,,Findest du?", fragte ich und sah in seine Augen. ,,Ja. Ein Mädchen, wie du, sollte nicht unglücklich sein"
,,Hey, wollt ihr mitmachen?", rief Fred. Georges Kopf schnellte herum und für einen Moment meinte ich einen Anflug von Wut in seinem Gesicht zu sehen. Vielleicht irrte ich mich ja auch, denn, als er sich wieder mir zuwandt, lächelte er: ,,Und, was sagst du?" Ich nickte lachend: ,,Wir sollten sie nicht länger warten lassen" ,,Stimmt, sonst bereuen wir es vielleicht noch", stimmte er mir zu. ,,Wer zuerst da ist", lachte ich und rannte los. ,,Hey, das ist nicht fair" ,,Doch", rief ich ihm zu.
Die Schneeballschlacht mit Harry, Katie und den Weasleys war unglaublich lustig, aber auch anstrengend. Fred und George hatten Schneebälle verzaubert und ließen sie nun auf Quirrells Hinterkopf zufliegen. Dieser hielt seine Hände schützend dazwischen, beschimpfte sie und drohte ihnen Nachsitzen an. Die Zwillinge dachten jedoch nicht im Traum daran aufzuhören. Ron hingegen würdigte mich anfangs keines Blickes, doch nachdem ich ihm die Situation mit Draco erklärt hatte, redete er wieder mit mir. Dabei hatte ich die Situation selbst nicht so ganz verstanden.
Die letzten Tage der Ferien gingen entspannt zu Ende. Bald würde ich wieder mein Wissen unter Beweis stellen können - ohne zu wissen, wie wichtig es sein würde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top