✗ 22. | L E V I

Die Gefühlsschwankungen, die ich zu Anfang an Eveline kritisiert hatte, erfüllten nun mein innerstes mit einer undefinierbaren Zufriedenheit. Sie konnte fordernd, frech und bestimmend sein, nur um im selben Augenblick verlegen und schüchtern zu sein. Doch ihre liebevolle, tolerierende und warmherzige Art blieb bei jedem Gemütszustand erhalten. Egal welche Emotion sie mir offenbarte, mit der Zeit hatte ich alle davon schätzen gelernt. Diese Momente mit ihr, abseits von Bedenken, Komplikationen und des Vertrages, machte mir bewusst, wie sehr ich mich in ihrer Nähe nach Jahrhunderten das erste Mal frei fühlte. Die fehlenden Erinnerungen an meine Vergangenheit waren in Evelines Gegenwart nicht mehr von Bedeutung. Das Hier und Jetzt formte mich. Eveline formte mich. Sie brachte Gefühle und Eigenschaften in mir hervor, die ich nie an mir geglaubt hätte. Dies erfüllte und erschrak mich gleichermaßen.

»S-So ein Blödsinn!«, riss mich Eveline aus meiner Träumerei. »Essen ist keine Banalität! Ich mache uns jetzt etwas!«, schnaubte sie überzeugt und ging zur Küche herüber. Im Grunde wusste ich, dass sie sich nur ablenken wollte und keinesfalls ihren Fantasien nachgeben wollte. Es war nach Jahren wieder das erste Mal, dass ich es mit Überzeugung in Erwägung zog, dass mich eine Frau berührte. Als ich noch körperliche Aufträge erledigt hatte, hatte ich nach den ersten beiden, die meisten Klienten ohne Penetration befriedigt, oder ihnen einen erfüllenden Traum geschenkt. Umso mehr ich gegen die Natur meiner Gattung kämpfte, umso mehr erschien mir der Drang, dass ich berührt werden sollte - und meine Klienten es wollten - unnötig.

Leicht über Evelines Ablenkung amüsiert seufzte ich und ging ihr in der Küche zur Hand. Anders als bei den Malen, an denen ich ihr bei der Essensvorbereitung half, war Eveline dieses Mal nicht nervös oder versuchte Abstand von mir zugewinnen. Im Gegenteil, sie kritisierte sogar mein Schneiden des Gemüses. Es sei zu "Samurai-mäßig" nach ihren Worten. Für mich machte es keinen Unterschied. Etwas musste in Stücke geschnitten werden, was interessierte da der Stil? Meine Verwirrung ihrer Anmerkung gegenüber amüsierte Eveline. Ihr herzliches Lachen und das Strahlen ihrer Augen zu sehen, befreite meine Brust von dem Druck der letzten Jahre und das Abendessen war gefühlt schneller fertig.

»Was ich dich schon immer fragen wollte«, begann Eveline, nachdem wir gegessen hatten. »Außerhalb dieser Zentrale in eurer Welt, gibt es da auch noch ... ich sage mal ... andere Arbeitsstellen? Gibt es in eurer Welt auch Freizeitaktivitäten? Hobbys? Oder müsst ihr nur arbeiten?«

»Selbstverständlich haben wir genauso Freizeit wie ihr«, antwortete ich und nahm ihr den Teller, während sie abspülte zum Abtrocknen ab. »In der Welt der Engel gibt es das jedoch nicht. An sich gibt es in meiner Welt auch andere Arbeitsstellen wie du es bezeichnest, aber die meisten solcher Stellen sind außerhalb der Zentrale noch altmodisch aufgebaut. Späher für andere Welten. Kundschafter, die Informationen zusammentragen und die Einrichtungen der Kriegsgefolgschaften.«

Eveline senkte nachdenklich den Blick. »Ähm ... ich ... wie gestaltest du deine Freizeit, wenn du ..., wenn du nicht bei mir bist und der Arbeit nachgehst?« Ich spürte, dass sie einige Fragen bezüglich des Krieges hatte, es aber absichtlich nicht ansprach.

»Ob du es glaubst oder nicht, auch ich habe gewisse Leidenschaften, die bei euch Menschen als fanatisch bezeichnet werden. So wie ihr euch für unsere Welt interessiert, interessiere ich mich für eure. Den Nutzen, den ihr aus bestimmten Blättern für Tee benutzt, ist in keinster Weise mit unseren Tränken zu vergleichen«, erklärte ich. Eveline schaute mich mit großen Augen an. »Was?«

»Du hast wirklich eine gewisse Leidenschaft für Teesorten«, kicherte sie. »Das ist irgendwie süß, zudem bist du der geborene Hausmann, obwohl du eigentlich Kräfte besitzt, die uns Menschen wie Ameisen erscheinen lässt. Doch du beschäftigst dich mit alltäglichen Dingen, anstatt mit deiner Überlegenheit anzugeben. Das ... das gefällt mir so an dir, Levi.«

»So etwas ist süß? Das verstehe ich nicht ganz. Ich versuche lediglich meine Freizeit mit den aufkommenden Gedanken, die dadurch entstehen zu kompensieren. So macht ihr das doch auch, oder etwa nicht?«

Eveline lächelte. »Ähm ... ja schon, oder man versucht kreativen Gedanken eine Form zu geben. Früher habe ich gerne aus Ton Figuren gemacht.« Sie begann berührt zu kichern. »Na ja gut. Es war mehr schlecht als recht. Aber es hat dennoch Spaß gemacht. Mein Vater hingegen war begabt. Viele seiner Arbeiten befinden sich noch in der Werkstatt. Wenn ..., wenn du möchtest, könnte ich sie dir morgen zeigen. Ich ... also ... ich versuche auch etwas für dich zu formen. A-Aber es ist noch nicht fertig!«

Ich hob überrascht eine Braue. »Etwas für mich? Warum?«, fragte ich und trocknete den Topf ab.

Eveline trocknete derweil ihre Hände. »Na um ... um dir eine Freude zu machen. Es ... vielleicht gefällt es dir auch nicht ... aber bitte schau es dir wenigstens an. In Ordnung?«

»Eine Freude? Ist das so eine Art Wiedergutmachung, weil ich -«

»Nein, nein, nein«, unterbrach mich Eveline. »Schenkt man sich in deiner Welt nichts?«

»Zu früheren Zeiten nur einen schnellen Tod.«

»Und jetzt? Also zum Geburtstag oder so? Personen, die einem wichtig sind, beschenkt man doch gerne. Also, das ist mein Empfinden.«

»Geburtstage? Nein. Zudem gab es niemanden der mir etwas hätte schenken wollen oder konnte. Ich bin mehr oder weniger bei meinem Onkel aufgewachsen. In unserer Welt spielt der Geburtstag keine Rolle wie vielleicht in eurer Welt. Schließlich bin ich weitaus älter als man es mir mit eurer Vorstellung ansehen mag.«

»Was? Das ist ... traurig, wenn niemand einem eine Freude machen möchte. Wann hast du Geburtstag? Dann wird das, was ich für dich mache, das erste Geschenk sein!«

»Schon gut, wenn man etwas nie kennengelernt hat, kann man es auch nicht vermissen, Eveline. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht«, entgegnete ich und trocknete mir die Hände ab. Es überraschte mich mehr, dass sie die Tatsache meines richtigen Alters gar nicht zu interessieren schien.

»Ich würde mich freuen, wenn du es dennoch annehmen würdest«, meinte Eveline und trat näher zu mir heran. »Es ist ... auch gleichzeitig ein Andenken für unsere Zeit ..., wenn unser«, sie schluckte aufgeregt, »Vertrag endet ... damit du mich nicht vergisst ...«, fuhr sie kaum hörbar fort.

Meine Brust zog sich bei ihren Worten zusammen. »Eveline ... ich«, langsam hob ich meine Rechte und strich ihr zaghaft über die Wange, »könnte dich niemals vergessen.« Im Gegensatz zu ihr. Am Ende war ich nicht einmal mehr eine Erinnerung für sie. Obwohl ich in der Pflicht war, Eveline darüber aufzuklären, konnte ich es nicht! Ich wollte ihr die kommenden Momente nicht zerstören. Die Gewissheit, dass ihr nicht einmal Erinnerungen bleiben würden, würde sie mehr zerreißen als die Tatsache, dass unsere gemeinsame Zeit ein Ende haben würde. Ich wusste nicht was richtig oder falsch war.

Angespannt biss ich mir auf die Unterlippe und legte mein Gesicht im Schatten, als Eveline zögerlich ihre Hände auf meine Brust legte und ihren Kopf an meine Schulter lehnte. »Die gemeinsame Zeit mit dir, werde ich auch niemals vergessen. Mein Herz wird sich immer daran erinnern, wie wichtig du mir geworden bist, Levi«, hauchte sie. Eine erdrückende Stille legte sich über uns. Die Atmosphäre um uns herum war genauso wankelmütig wie unsere Beziehung zueinander. In der einen Sekunde knisterte sie, in der anderen war sie so zerbrechlich wie ein Kartenhaus.

Zögerlich hob Eveline ihren Kopf und bedachte mich mit einem aufrichtigen Blick, während sie mir eine Haarsträhne zur Seite schob. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. «Ich hätte nicht davon anfangen soll -« Eveline unterbrach ihre Worte, als ich ihr Gesicht vorsichtig in meine Hände nahm. Lange Zeit schauten wir uns schweigend an. Die Spannung zwischen uns baute sich auf einer anderen Art und Weise auf. Aus meinem Körper wich schlagartig jede Anspannung und alle Gedanken lösten sich auf. Ich atmete hörbar aus und presste meine Lippen auf Evelines. Ein überraschtes Keuchen entfloh ihr und sie schlang ihre Arme um meine Schultern.

Evelines Körper presste sich dichter an meinen heran und ich spürte ihre weichen Brüste an meinem Oberkörper. Ein aufgeheiztes Brummen entfloh meiner Kehle und der Kuss baute sich weiter leidenschaftlich auf, während unsere Schritte hektisch Richtung Esstisch stockten. Schwer atmend lösten sich unsere Lippen. Mit erregtem Glanz in den Augen biss sich Eveline auf die Unterlippe und nahm etwas Abstand von mir. Vorsichtig strichen ihre Hände über den gespannten Stoff an meiner Brust. Fragend blinzelte sie mich durch ihre langen Wimpern hindurch an und begann mit bebenden Händen einen Knopf meines Hemdes zu lösen. Jedoch stockte ihre Bewegung, als ich sie erneut in einen leidenschaftlichen Kuss zog und ihre begonnene Handlung hektisch zu Ende führte. Hastig zog ich das Hemd von meinen Schultern. Augenblicklich fanden Evelines Hände ihren Weg zu meinen Unterarmen, um mich des Stoffes gänzlich zu entledigen.

Als würde sie ein seltenes Naturphänomen beobachten, musterte Eveline meinen freien Oberkörper. Eine verlegene Röte legte sich auf ihre Wangen und der Glanz in ihren Augen wurde intensiver. Verlangend strichen ihre Hände von meinen Seiten hinauf zu meiner festen Brust. Zaghaft zeichnete ihre Fingerkuppe die weißen Linien nach, die ich vom Krieg davongetragen hatte. Ich atmete angespannt aus. Noch nie hatte ich es zugelassen, dass jemand meine Narben sah, geschweige denn sie berührte. Doch Evelines Berührung war vorsichtig, fast so als würde ihr Mitgefühl über den Hautkontakt meinen Körper durchströmen. Zögerlich schmiegte sie sich an mich und legte ihre Lippen auf meinen Hals. Ein elektrisierendes Kribbeln erfüllte mein Innerstes, als Eveline begann, mit ihrer Zunge hinauf zu meinem Ohr zufahren. Ihr erregter, heißer Atem ließ meinen Schritt unweigerlich pochen und der Stoff meiner Jeans spannte sich einengend.

Um Fassung ringend verzog ich die Mundwinkel und umfasste Evelines Schultern. Langsam schob ich sie etwas von mir weg und schluckte schwer. Wir spielten in diesen Moment mit dem Feuer. Eveline spielte mit dem Feuer. Bislang war es mir nie schwergefallen den Trieb meiner Gene zu kontrollieren, oder zu unterdrücken, aber jetzt war jede Berührung von Eveline ein Funke, der das Öl entfachen konnte. Unsicher musterte Eveline meine Mimik und wollte zum Sprechen ansetzen, aber ihre Worte wurden von einem erneuten Kuss meinerseits erstickt. Ihr Körper bebte auf, als meine Hände den Weg unter ihren Pullover fanden. Sinnlich tasteten sich meine Finger von ihrem Bauch, hinauf zu ihren Brüsten. Bevor Eveline reagieren konnte, zog ich das Oberteil gekonnte über ihren Kopf hinweg und warf es achtlos auf den Dielenboden.

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