✗ 21. | E V E L I N E
Nachdem ich und Levi von der herbstlichen Kälte wieder zurück im Ferienhaus meiner Eltern waren, zündete ich den kleinen Kamin an und machte mir Gedanken um das Abendessen. Nach Tagen der Schwere in meiner Brust fühlte ich mich leicht und ruhig. Levis Nähe ließ alle trüben Gedanken verschwinden. Dass ich zum ersten Mal ein Lächeln auf seinem Gesicht gesehen hatte, ließ die Hoffnung in mir aufkommen, dass ihm unsere gemeinsame Zeit ebenfalls guttat. Dieser Ausdruck in seinen Augen, er war fern von Erfüllung, reiner Arbeit. Er wirkte entspannter und ausgeglichen - zwar auf seine Art - aber ihm umgab eine andere Atmosphäre. Uns umgab eine andere Atmosphäre. Tief in meinem Inneren wünschte ich mir, dass jeder Tag so sein könnte. Mit ihm zusammen.
Ich sah von den Tassen auf - in denen ich Tee vorbereitete - nachdem mir dieser Gedanke gekommen war und schaute unauffällig zu Levi herüber. Ich hatte einen unterbewussten Wunsch geäußert. Für einen kurzen Augenblick hielt ich, wartend auf seine Reaktion, die Luft an. Aber es kam keine Reaktion. Zögernd nahm ich die Tassen und ging zum Sofa herüber. Im Augenwinkel schaute ich zu Levi, als ich mich setzte und ihm die Tasse reichte. Mit nachdenklicher Miene schaute er auf die Oberfläche des Tees.
»Er riecht jedenfalls schon angenehmer als beim ersten Mal«, merkte er amüsiert an und nahm einen zaghaften Schluck. »Lässt sich aushalten.«
Ich senkte leicht niedergeschlagen den Kopf. »Du bist wirklich hart. Ich habe ihn mit Liebe aufgegossen«, verteidigte ich. »Schmeckt man das etwa nicht?«
Levi starrte weiter in die Tasse, ehe sein Kopf sich langsam zu mir drehte. »Eveline«, begann er mit ernster Stimme. Mein Puls beschleunigte sich unruhig. Die Gelassenheit von vor wenigen Momenten war aus Levis Augen verschwunden. »Ich weiß, dass es dir bewusst ist, dass du vor wenigen Minuten einen Wunsch geäußert hast. Doch ... dieses Mal kann ich ihn nicht erfüllen.«
Ich schluckte nervös. Langsam begann die Schwere in meiner Brust zurückzukehren. »I-Ich wünsche ... mir nur dieses Wochenende ... mit dir ... zusammen. Das kannst du doch erfüllen«, entgegnete ich und versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass ich es wusste. Dass ich wusste, dass es unmöglich war, dass wir zusammen sein konnten.
Levi atmete hörbar aus. »Ja. Das ist möglich. Jedoch ... sollte ich dich darüber aufklären, dass es Wünsche gibt, die unsere gemeinsame Zeit sofort beenden würden«, murmelte er mit belegter Stimme und stellte seine Tasse ab.
»Ist das wirklich nötig?«, fragte ich mit gespielter Leichtigkeit in der Stimme. »Ich möchte einfach nur das Wochenende genießen. Dieser ... dieser unbewusste Wunsch vergiss ihn! Er war nie da! Ich wünsche mir nur das Wochenende zusammen mit dir!« Die Leichtigkeit wich Stück für Stück bei jedem Wort aus meiner Stimme.
»Ich will aber nicht, dass du durch deine Gefühle auf Gedanken kommst, Eveline. Ich ...« Er stoppte seinen Satz und massierte sich die Schläfe. »Warum musste es nur so weit kommen?«
Mein Herz setzte kurz aus. Ungläubig weiteten sich meine Augen. »Ich ... verstehe nicht ganz«, nuschelte ich und schluckte aufgeregt. »Diese Momente ... ich ... ich habe doch gespürt, dass es dir auch guttut.« Abermals schluckte ich. In meinem Hals begann sich ein Kloß zu bilden.
Levi schloss angespannt die Augen und lehnte sich schwer atmend zurück. »Ich will nur, dass du nicht auf den Gedanken kommst, dir zu wünschen, selbst ein Dämon zu werden, um mich eventuell in meine Welt begleiten zu können. Solche Wünsche beenden sofort unseren Vertrag. Unsere gemeinsame Zeit und ... ich will sie mit dir verbringen so lange wie möglich.« Seine Stimme wurde leiser und er massierte sich die Augenlider. »Ich sagte dir, dass du für mich nicht nur ein reiner Auftrag bist, Eveline. Bitte verstehe das nicht falsch. Es ist meine Schuld, ich hätte von Anfang an die wichtigsten Dinge mit dir besprechen müssen, bevor ...«
Ich blinzelte die Tränen aus meinen Augenwinkeln und legte zögerlich meine Hand auf seine. »Es spielt keine Rolle. Das Einzige, was zählt, ist, dass du dich gut fühlst. Egal, ob ich mir nun dieses Wochenende gewünscht habe oder nicht. Ich möchte mit dir schöne Erinnerungen schaffen an die ... an die wir uns später mit einem Lächeln zurückerinnern können«, meinte ich mit zittriger Stimme.
Levi schluckte merklich. »Erinnern ...«, flüsterte er ungewohnt ehrfürchtig. Seine Miene wirkte nachdenklich, fast quälend, nach Worten suchend. Dieser Anblick zerriss mir das Herz.
»L-Lassen wir das Gerede von Wünschen, vom Vertrag und genießen einfach die Zeit!«, schlug ich bebend vor. »Es tut mir nicht gut und dir auch ... nicht. Ich möchte wieder dein Lächeln sehen! Ich möchte wieder diese Ruhe in deinen Augen sehen!« Vorsichtig rückte ich näher zu ihm heran und strich mit meinen Daumen beruhigend über seinen Handrücken. »All das, was wir jetzt tun, ist, weil wir es wollen und nicht, weil es in irgendeinen Vertrag steht. Wir haben einen eigenen Willen. Mein eigentlicher Wunsch ist mir schon längst egal geworden. Diese Zeit, mit dir, erfüllt alles.« Mit einem warmherzigen Lächeln schaute ich Levi an. Dieser starrte in die Luft. Offenbar schaute er auf das blaue Display, was für mich jedoch dieses Mal nicht sichtbar war. »Levi?«
Mit einer kurzen Handbewegung schob er in der Luft das unsichtbare Display zur Seite und atmete angespannt ein. »Du hast recht«, kam es mit belegter Stimme über seine Lippen. »Lass uns die restliche Zeit genießen. Ohne Wünsche. Ohne für diesen Moment an den Vertrag zu denken.« Seine andere Hand legte sich auf meine.
Mein Puls beschleunigte sich. Doch nicht vor Aufregung, sondern vor Freude, dass langsam diese Wärme in Levis Augen wie vorhin im Wald zurückkehrte. Auch wenn sich ein Schleier von etwas drin spiegelte, das ich nicht benennen konnte. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf zaghaft an seine Schulter, bis mir einfiel, dass ich noch gar nichts für das Abendessen vorbereitet hatte. Irritiert wich Levi etwas zurück, als ich mich ruckartig nach vorne beugte. »Ach Mist! Ich wollte doch das Abendessen ma -« Mein Satz wurde von der Berührung von Levis Finger auf meinen Lippen unterbrochen.
»Mach dir darüber keine Gedanken, Eveline«, hauchte er mit beherrschender Stimme.
»A-Aber du hast doch bestimmt Hunger«, stammelte ich entschuldigend, als er seinen Finger wegnahm und ein Kribbeln auf meinen Lippen zurückließ.
Levi zuckte mit den Schultern. »Noch nicht wirklich. Dafür hat man noch genug Zeit, oder nicht?«
Ich schluckte aufgeregt, bei dem Unterton, der in seinem Satz mitschwang. Augenblicklich begann mein Körper darauf zu reagieren und eine wohltuende Wärme stieg langsam in mir auf. Überfordert presste ich die Lippen zusammen.
»Tue das, was du jetzt möchtest, und nicht, was du denkst, tun zu müssen, Eveline. Setz dich nicht mit Dingen unter Druck die banal sind.«
Unsicher schaute ich zu Levi, konnte seinem Blickkontakt aber nicht standhalten und ließ meinen Blick zur Seite schweifen. Ich wollte Zeit mit ihm verbringen! Über Gott und die Welt mit ihm reden! Seine Nähe spüren und ihn berühren! Etwas, dass er bisher nie zugelassen hatte.
»Das hat dich wohl mehr belastet, wie ich angenommen hatte«, kommentierte er amüsiert meinen unbewussten Wunsch. »Ich gebe dir dieses Wochenende alle Freiheiten, Eveline. Zumal ich dich keinesfalls aufhalten würde.« Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Züge. »Tue das, was du möchtest, meine Liebe.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top