✗ 1. | e v e l i n e
Ich fixierte meinen Blick auf die Sahnetorte, auf der zwei Kerzen meinen trostlosen Geburtstag verspotteten. Sämtliche meiner Freunde hatten entweder den Bund der Ehe geschlossen oder befanden sich in einer Beziehung. Ich selbst war nun Dreißig und hatte nichts Vergleichbares. Keine Liebschaft. Kein Rendezvous. Nicht mal Freundschaft-Plus. Mit einem Seufzer erhob ich mich und griff nach einer Weinflasche im Schrank. Wenn schon Selbstmitleid, dann so richtig! Während ich den Alkohol einschenkte, fielen mir die Worte meiner Arbeitskollegen ein.
„Du wirst einsam sterben, Eveline, wenn du so weitermachst."
„Vielleicht ist es an der Zeit, deine Erwartungen runterzuschrauben!"
„Mach den ersten Schritt, Eveline!"
Ich biss mir auf die Unterlippe. Die konnten sich ihre Ratschläge sonst wohin stecken! „Meine Ansprüche reduzieren?", murmelte ich und leerte mein Glas. „Was soll das bedeuten? Entschuldigung, dass ich auf Intelligenz bestehe." Verärgert wandte ich meinen Blick auf das Sofa, auf dem das Geschenk meiner besten Freundin lag. Trotz ihrer Rolle als Geschäftsführerin hatte sie sich die Zeit genommen, kurz vorbeizuschauen. Ihr Präsent zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Beim Betrachten der Größe des Pakets dachte ich an Parfüm oder luxuriöse Hautpflegeartikel. Neugierig entfernte ich die Geschenkverpackung und öffnete die Schachtel. Überrascht weiteten sich meine Augen. Ich hätte lieber Socken bekommen. Warum hatte sie mir einen Vibrator geschenkt? Dachte sie, ich hätte das wirklich nötig? Der rosafarbene Stab flog auf mein Sofa, bevor ich zum Esstisch ging und mir ein weiteres Glas einschenkte. Wenn überhaupt, wollte ich meine Begierde mit einem echten Mann befriedigen und nicht mit einem Silikonobjekt! Dieses Präsent erinnerte mich nur daran, wie einsam ich war. Frustration ließ Tränen in meine Augen aufsteigen und ich trank hastig einen Schluck, in der Hoffnung, dass ich die gefühlsbetonte Phase hinter mir lassen und schlafen würde. Niedergeschlagen betrachtete ich die Kerzen und entschied, sie anzuzünden. Als Kind hatte ich meinen Wunsch den Kerzen zugeraunt und darauf gehofft, dass er wahr werden würde. Mittlerweile kannte ich die Realität. Was hatte ich zu verlieren? Schmunzelnd holte ich Luft. „Ich wünsche mir einen zuverlässigen, klugen Mann mit Persönlichkeit, an meine Seite", hauchte ich leise und blies die Kerzen aus. Ruhe breitete sich im Zimmer aus und ich genehmigte mir mein viertes Glas. Also gut, ich könnte das Präsent doch testen. Schließlich hatte ich schon den peinlichsten Moment hinter mir. Ein dezentes Zischen erregte meine Neugier. Verwirrt blickte ich mich um und sprang auf, plötzlich lag ein Brief auf dem Esstisch. Ich rieb meine Augen. War ich bereits so betrunken, dass ich mir Dinge einbildete? Misstrauisch betrachtete ich den Briefumschlag, auf dem mein Name stand. Ich blinzelte. War dies ein Traum? Es musste einer sein! Dinge tauchten nicht einfach aus dem Nichts auf. Ich streifte zärtlich den Umschlag und schlürfte an meinem Wein. „Nun ja", murmelte ich und zuckte mit den Schultern. Traum oder nicht, mein Name stand darauf. Leicht angeheitert öffnete ich den Brief und las den Zettel.
Einsamer, frustrierter Sterblicher, deine Verzweiflung ist vorüber. Du wurdest erhört und als würdig erachtet. Deine Wünsche sollen erfüllt werden, sprich nur folgende Worte und dein Leid nimmt ein Ende: Ich möchte mein Leben bereichern.
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, das konnte doch nur ein Scherz sein! Warum hatte ich es verdient, weiterhin veräppelt zu werden? Ich zerknüllte das Papier wütend und warf es zu der Silikongurke auf das Sofa. „Was soll der Unsinn? Sehe ich so verzweifelt aus?", knurrte ich. „Ich möchte mein Leben bereichern, das wird immer lächerlicher!" Voller Zorn leerte ich mein Glas und knallte es auf den Tisch. „Ab morgen werdet ihr schon sehen!", rief ich betrunken. „Ich werde einen attraktiven Mann aufreißen, dass euch die Augen rausfallen!" In diesem Moment war mir alles egal. Ich griff nach der Weinflasche und wollte gerade einen Schluck nehmen, als ich bemerkte, wie aus dem Augenwinkel dünner Nebel von meinem Sofa aufstieg. Bevor ich reagieren konnte, wurde es plötzlich hell. Erschrocken schloss ich die Augen und trat zurück. Ein Moment der Ruhe verging, bis ich langsam meine Augen öffnete. Fassungslos entglitt mir die Flasche aus der Hand und ich starrte in die Augen eines Mannes, der auf meinem Sofa saß. Völlig überfordert wich ich ein paar Schritte zurück.
„Was zum Teufel?", stieß ich hervor und prallte mit dem Rücken gegen den Esstisch. „Wie bist du in meine Wohnung gekommen?"
Der Unbekannte betrachtete unbeeindruckt den Raum und bemerkte neben dem Sofa die Silikongurke. „Was ist das denn für ein Mist?", murmelte er verärgert und erhob sich.
Nervös schluckte ich und versuchte, klar zu denken. „Wer sind Sie?", fragte ich zittrig. „Verschwinden Sie, sonst rufe ich die Polizei!"
Erst jetzt schien der Mann mich wahrzunehmen. Er musterte mich ausdruckslos. „Du musst Eveline sein", bemerkte er und strich sich durch sein glattes, kurzes schwarzes Haar. „Ist es normal, dass so etwas bei dir offen herumliegt?" Er deutete auf das Geschenk.
„Raus hier!", sagte ich lauter und suchte in meinen Hosentaschen nach meinem Handy.
„Beruhige dich!", seufzte der Unbekannte genervt. „Ich bin nicht hier, um dir zu schaden. Es sei denn, du möchtest das."
Überfordert blinzelte ich. „Wovon redest du? Wie bist du hier reingekommen?"
„Dein Wunsch hat mich hergebracht. Also, was wünschst du dir? Dann können wir das schnell hinter uns bringen."
„Was? Mein Wunsch?"
Der Unbekannte atmete scharf ein. „Mein Name ist Levi und ich bin dein Vertragspartner."
Mein Körper rührte sich nicht vom Fleck. Fassungslos starrte ich ihn an. „Vertragspartner?" Ich traute mich kaum zu atmen. Überfordert suchte ich mein Handy, während ich den fremden Mann im Auge behielt. Entweder litt ich unter starkem Alkoholeinfluss und halluzinierte, oder ein Verrückter hatte unbemerkt Zutritt zu meiner Wohnung erlangt.
„Dein Handy liegt da drüben", bemerkte der Mann namens Levi und wies auf das Sideboard. Ungeschickt machte ich einen großen Schritt und streckte die Hand aus. Doch bevor ich mein Handy ergreifen konnte, verschwand es plötzlich in der Luft. Ich blinzelte schockiert und sah mich hektisch um.
„Kann ich dir jetzt endlich alles erklären? Ich habe dir gesagt, dass ich nicht die Absicht habe, dir weh zu tun", sagte Levi und hielt mein Handy in seiner rechten Hand. Wie war es nur dorthin gekommen? Überfordert wich ich einen Schritt zurück und trat in die Weinpfütze, die sich auf dem Boden ausgebreitet hatte, und stolperte. Unkontrolliert landete ich auf dem Boden.
Levi seufzte genervt. „Verdammt, du bist anstrengend!"
„Was bist du?", fuhr ich ihn an und rappelte mich wieder auf. „Gib mir mein Handy!"
„Sei still und hör mir zu!", zischte er verärgert. „Ich bin kein Einbrecher! Ich bin dein zugewiesener Vertragspartner."
„Wovon sprichst du bitte? Was für ein Vertrag?", keuchte ich aufgeregt. Zum ersten Mal betrachtete ich Levi genau. Der Ausdruck in seinen schmalen, blau-grauen Augen raubte mir kurz die Fähigkeit zu sprechen. Sein Blick durchdrang mich und vermittelte mir nicht das Gefühl, dass er mir nichts antun wollte. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ich noch nie solch wundervolle Augen erblickt hatte. Generell strahlte er eine gewisse Anziehungskraft aus, und obwohl er eher schlank war, schien sein Körper gut in Form zu sein. Wie hypnotisiert starrte ich ihn an, und meine Angst schien wie verflogen. Dabei spielte der Alkohol sicherlich eine bedeutende Rolle. Warum verspürte ich in diesem Moment den Drang, zu prüfen, ob er wirklich durchtrainiert war, anstatt mir eine Waffe zu besorgen oder mein Handy zurückzuholen? Schließlich befand sich ein verdammt Fremder in meinem Wohnzimmer!
„Dein Wunsch hat mich zu dir geführt. Du hast dir aus Verzweiflung etwas gewünscht, oder? Bist du allein oder hat jemand anderes diesen Wunsch geäußert?", erkundigte sich Levi und warf einen kurzen Blick auf die Silikongurke, die auf dem Sofa lag. „Oder wolltest du damit deine Verzweiflung lindern?", setzte er mit einem gewissen Unterton fort.
„Was? Nein!", schrie ich. „Es ist schon traurig genug, dass ich an meinem Geburtstag allein bin!"
Levi hob eine Augenbraue und schaute mich bedeutungsvoll an. „Das ist wirklich stressig", murmelte er und räusperte sich. „Egal, ich bin hier, um deine Wünsche zu erfüllen. Allerdings glaube ich, dass du in deinem derzeitigen Zustand nicht verstehen könntest, aus welcher Dimension ich stamme."
„Ach wirklich?", erwiderte ich hysterisch. „Auch im nüchternen Zustand würde ich es nicht begreifen!" Ich strich mir durchs Haar und lief unruhig im Raum umher. „Ich möchte einfach nur glücklich sein", murmelte ich vor mich hin. „Ich wollte zwar einen Mann treffen, aber nicht so! Das muss alles ein Traum sein!" Aufgeregt atmete ich durch. „Ja, genau. Es ist nur ein Traum!", versuchte ich mir einzureden und sah zu Levi. „Also, du erfüllst meine Wünsche, nicht wahr? So etwas passiert doch nie ohne Gegenleistung. Möchtest du vielleicht meine Jungfräulichkeit? Da muss ich dich enttäuschen. Möchtest du meine Seele? Willst du wirklich die verkorkste Seele einer verzweifelten 30-Jährigen?" Levi zeigte keine Regung. „Bist du ein Dämon? Engel schließen keine Verträge, oder?", fuhr ich fort und trat vorsichtig näher. „Obwohl, es ist sowieso nur ein Traum. Da ist es egal, was du bist."
„Zunächst einmal, ich will deine Seele nicht, und ich bezweifle, dass du Jungfrau bist - aus offensichtlichen Gründen", sagte er und blickte auf das Geschenk. „Nenne mich, wie du möchtest. Wenn es dir hilft, es besser zu verstehen, bin ich ein Dämon", meinte er mit einem Schulterzucken und reichte mir mein Handy. „Hier ist der Vertrag. Bestätige ihn, und ich werde deine Wünsche erfüllen, Eveline."
Ich blinzelte verwirrt und griff nach meinem Handy. „Ich dachte, so ein Vertrag wäre auf Pergament geschrieben und ich müsste mit meinem Blut unterschreiben", bemerkte ich und war dem Wein dankbar, dass ich nicht ausrastete. Schließlich war es nur ein Traum.
„Ziemlich altmodische Vorstellung. Wir passen uns den Zeiten an", erklärte Levi mit einem Gesichtsausdruck, als ob er nicht verstanden hätte, was ich gesagt hatte.
„Das ist ja langweilig."
„Willst du nun, dass ich dir deine Wünsche erfülle oder nicht? Andernfalls verschwende ich hier nur meine Zeit, Eveline", murrte Levi genervt und griff nach meiner Hand. Für einen Traum fühlte sie sich erstaunlich real an. Seine schlanken Finger führten meine Hand zum Bildschirm. „Bestätige das Zeug einfach!"
„Halt, halt, halt!", rief ich aus und zog meine Hand zurück. „Jeder weiß, dass man einen Vertrag erst durchlesen sollte! Ich bestätige hier nicht einfach irgendwas. Vielleicht steht drin, dass du mich nach der Bestätigung umbringst oder mein Blut trinkst!"
Levi verdrehte die Augen. „Ich werde dir nichts antun!"
„Kannst du mich zur Millionärin machen?"
„Nein."
„Und wie wäre es mit einem Schloss oder einer Villa? Kann ich Grundbesitzerin werden?"
„Nein."
„Was soll das denn? Was kannst du mir dann erfüllen?", fragte ich verwirrt.
„Die Realität ist kein Ponyhof. Geld aus dem Nichts erschaffen ist nicht möglich. Ebenso wenig ein Schloss oder Ähnliches", erklärte Levi nüchtern.
Ich starrte ihn fassungslos an. „Aber du tauchst aus dem Nichts auf. Ah ja. Klar. Klingt logisch."
„Außerdem kann ich nur Wünsche erfüllen, die mit deinem eigentlichen Wunsch zusammenhängen."
„Ich wollte glücklich sein und einen Mann kennenlernen", sagte ich und sah ihn bedeutungsvoll an.
Levi runzelte nachdenklich die Stirn. „Das erklärt, warum ich deine Verzweiflung so stark spüre."
„Willst du mich verarschen?", murmelte ich und tippte mit dem Zeigefinger auf seine Brust. „Ich kann dich auch ohne Vertrag kennenlernen!"
„Hör mal, ich mache hier bloß meinen Job. Denkst du, nur in deiner Welt muss man für seinen Lebensunterhalt arbeiten?"
„Es ist also dein Job, meinen Wünschen nachzukommen?", fragte ich skeptisch. "Es ist schwer zu glauben, dass du ein angestellter Dämon sein sollst."
„Ebenso schwer zu glauben, dass jemand seinen Geburtstag allein mit einem Sexspielzeug verbringt?"
Betroffen verzog ich die Mundwinkel. „Ja, verstanden. Aber ich habe noch eine Frage." Levi verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. „Was bringt dir das? Wenn du nicht meine Seele willst. Deine sogenannte Arbeit muss einen Grund haben."
„Sicher. Der ist ganz einfach. Es geht um Energie. Energie, die für unsere Dimension nützlich ist. Man könnte es mit eurer Elektrizität vergleichen."
Ich senkte den Blick zurück auf das Handydisplay. „Und die bekommst du, wenn du meine Wünsche erfüllst?" Levi nickte. „Wenn du meinen eigentlichen Wunsch erfüllst, ist deine Arbeit getan?" Wieder nickte er genervt. „Dann wärst du aber ewig bei mir", sagte ich amüsiert. „Denn ich glaube nicht, dass du es schaffst, mir einen Mann zu besorgen und mich glücklich zu machen. Weißt du, wie viele Dates ich schon hatte? Jeder in meiner Umgebung denkt, dass ich beziehungsunfähig bin!"
„Es wird wirklich nicht einfach", murmelte Levi und musterte mich. „Aber die Energie, die bei der Erfüllung eines schwierigen Wunsches entsteht, ist enorm. Und ich habe nicht vor, diesen Job ewig zu machen."
„Das klingt, als wäre mein Wunsch für dich ein Ticket für eine Beförderung oder so", nuschelte ich.
„Meine persönlichen Absichten spielen hier keine Rolle. Dein Wunsch ist schwierig, aber nicht unmöglich. Würdest du dann endlich den Vertrag bestätigen?"
Ich überflog die Zeilen auf dem Display und scrollte nach unten. „Und du kannst mir jeden Wunsch erfüllen, solange es keine Materialisierung aus dem Nichts ist?", fragte ich nach.
„Wie bereits erwähnt, sind gewisse Anliegen jenseits meiner Fähigkeiten", sagte er.
„Ach, ich bin mir sicher, dass mein erster Wunsch etwas ist, was du durchaus bewerkstelligen kannst." Ich tippte auf meinem Display auf Bestätigen und blinzelte enttäuscht - meine Hoffnung auf Lichtblitze aus meinem Handy hatte sich nicht erfüllt.
Levi seufzte frustriert. „Ich hatte noch nie einen so anstrengenden Kunden wie dich. Was ist also dein erster Wunsch?"
Ich grinste und antwortete: „Ich möchte, dass du für eine Weile mein Freund bist."
Levi runzelte die Stirn, schien nicht recht zu wissen, was er von dieser Bitte halten sollte. „Du weißt schon, dass das nicht wirklich funktionieren kann, oder? Wenn du glücklich sein willst, solltest du keine Lügen dafür benötigen. Außerdem ist meine Vertragszeit mit dir begrenzt - es gibt ein Zeitlimit für die Erfüllung deiner Wünsche", versuchte er mir zu erklären.
„Kannst du dir vorstellen, wie nervig es ist, ständig auf Partys gefragt zu werden, wann ich endlich jemanden mitbringe?", beschwerte ich mich. „Ich habe das echt satt, verstehst du?"
„Kein Problem, ich kann dir sicherlich dabei helfen, den richtigen Partner zu finden. Lass mich einfach wissen, welche Vorlieben du hast, und ich werde die Liste potenzieller Partner für dich durchgehen", bot er an.
Verblüfft fragte ich: „Liste? Hast du eine Art Datenbank mit allen Menschen der Welt oder so?" Ich musste lachen.
„Naja, wenn du das so nennen möchtest. Ich könnte tatsächlich auf eine solche Datenbank in unserer Zentrale zugreifen", erwiderte er, als sei das völlig normal.
„Dann möchte ich jemanden treffen, der genauso aussieht wie du", forderte ich ihn prompt heraus.
Er seufzte erneut. „Wirklich?"
„Oder du stellst dich zur Verfügung. Ich sehe hier kein Hindernis, außer dass du deine Aufgabe nicht erfüllen willst", stellte ich klar. „Scheinbar kannst du nur große Worte schwingen. Wirklich schade."
„Verdammt noch mal!", brummte Levi und tippte mit seinem Zeigefinger in die Luft.
„Was tust du da?", fragte ich.
„Ich durchsuche die Liste", antwortete er.
Ich runzelte die Stirn, denn es sah für mich so aus, als ob er auf einen imaginären Bildschirm tippen würde. „Machst du Witze? Ich sehe nichts!"
Levi seufzte genervt und schnippte mit den Fingern. Nach und nach erschien ein transparentes, blaues Bedienfeld im Raum, sodass ich mich wie in einer Spielsimulation fühlte.
„Er soll also so aussehen wie ich, ja?", fragte er skeptisch und scrollte durch verschiedene Bildverzeichnisse. „Und wie steht es mit Persönlichkeit, Vorlieben und Fähigkeiten?"
Fasziniert beobachtete ich das Display. „Ähm... suche erst einmal nach dem Aussehen", antwortete ich überfordert. Gebannt verfolgte ich Levi, wie er die Liste durchforstete. Ich schluckte aufgeregt. Seine Haare sahen so weich aus. Ich verspürte das Bedürfnis, durch sie hin durchzustreichen und ihn zu berühren. Offenbar hatte der Alkohol mich in eine Phase gebracht, in der meine Hemmungen hinsichtlich sexueller Dinge gesenkt waren.
„Anstatt mich so anzustarren, könntest du besser den verschütteten Wein aufwischen, findest du nicht?", bemerkte Levi emotionslos.
Ich blinzelte. „Ähm... ja... natürlich... ist richtig", nuschelte ich verträumt und riss mich von seiner Anziehungskraft los. Während ich das Malheur beseitigte und mir den verbliebenen Wein - der nicht verschüttet worden war - in das Glas goss, fiel mir auf, dass Levis Gesichtsausdruck zunehmend ernster wurde.
„Ist alles in Ordnung? Findest du niemanden?", fragte ich schmunzelnd.
„Halt die Klappe!", zischte er. „Sag mir, welche Charaktermerkmale dir wichtig sind!"
„Später", flüsterte ich amüsiert, „ich möchte dich kennenlernen. Nun, es sieht so aus, als ob du keine andere Wahl hast." Selbstbewusst trank ich aus meinem Glas.
„Tcch!" Levi schob den Bildschirm beiseite und er verschwand. Er atmete scharf ein und drehte seinen Kopf zu mir. „Ich soll mich also vor deinen Freunden und Kollegen als dein Partner präsentieren?"
Ich nickte begeistert. „Genau! Das ist doch nicht schwer. Dann halten sie endlich ihre Münder und lassen mich in Ruhe."
Er seufzte und sah genervt zur Seite. „Gut. Und was ist dein zweiter Wunsch? Ich erinnere dich daran, dass er dir helfen soll, deinem Hauptwunsch näher zu kommen, oder?"
Ich winkte ab. „Ja Ja. Lass mir doch meinen Spaß. Das Leben ist schon schwer genug", nuschelte ich betrunken und ging auf ihn zu. „Weißt du, für einen Dämon siehst du ziemlich menschlich aus."
„Würdest du es bevorzugen, wenn ich Hörner, Klauen und Fledermausflügel hätte? Ihr Menschen habt seltsame Vorstellungen."
„Deiner Ausstrahlung würde es sicherlich nicht schaden", kicherte ich und ließ meinen Blick von seinen Füßen bis zu seinem Kopf wandern. „Weißt du", murmelte ich gedankenverloren, „ich wünsche mir wieder einen Mann, der mich berührt."
Levi verengte seine Augen. „Drück dich deutlicher aus!"
Verlegen senkte ich den Blick und biss mir auf die Unterlippe. „Ähm... genau genommen wünsche ich mir, dass du mich berührst."
„Bitte?"
„Das kannst du doch! Das liegt in deiner Macht."
„Das Problem ist weniger die Machbarkeit, Eveline. Es geht eher um den Wunsch an sich. Ich verstehe nicht, wie dieser Wunsch dir bei deinem Bestreben, glücklich zu werden, helfen soll."
Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Das würde mich sehr glücklich machen, glaub mir."
Levi betrachtete mich eine Zeit lang ausdruckslos, bevor er seine Hand hob. Überwältigt schloss ich die Augen und mein Puls raste. Dann fühlte ich, wie er meinen Kopf sanft tätschelte. Verwirrt öffnete ich die Augen.
„Was ... war das?"
„Ich habe dich berührt", antwortete er emotionslos und zog seine Hand zurück.
„Du ... machst Witze, oder?" Ungläubig starrte ich ihn an. „So meinte ich das nicht!"
Levi neigte den Kopf zur Seite. „Dann drücke dich nicht so seltsam aus."
„Was?" Ich griff an meine Schläfe. „Jeder hätte verstanden, was ich meinte!" Levi blickte mich weiterhin an, als wüsste er nicht, worauf ich hinauswollte. „Bist du dir deiner Wirkung auf Frauen nicht bewusst?", seufzte ich.
„Es scheint mir irrelevant."
„Verdammt! Du verkörperst einen feuchten Traum!" Meine Stimme überschlug sich. „Ich würde wetten, unter deinen Klamotten steckt ein Adonis-Körper! Wie soll man da nicht schwach werden, bitte?"
„Soll das 'schwach' bedeuten, dass du erregt bist?"
„Was ist los mit dir?", fluchte ich und griff wieder an meinen Kopf. „Oder tust du nur so ahnungslos, um mir nicht sagen zu müssen, dass du mich unattraktiv findest?"
„Äußerlichkeiten spielen für mich keine Rolle. Ich definiere Anziehungskraft, wie ihr es nennt, anhand der Aura", erklärte er.
„Und meine Aura ist hässlich?"
„Sag es direkt, Eveline!", verlangte Levi ungeduldig. „Du musst klar ausdrücken, was du willst. Ich habe keine Lust, zwischen den Zeilen zu lesen."
Ich presste meine Lippen zusammen und zupfte nervös an meinem Pullover. „Nun, ich ... ich möchte begehrenswert sein." Beschämt schloss ich die Augen. „Verdammt, ich will nicht mehr alles selbst machen! Ich möchte, dass ein Mann mich berührt!"
„Du bist wirklich betrunken, oder?"
„Ich habe noch eine Frage."
Levi massierte seine Schläfe. „Frag."
„Du bist als Vertragspartner immer ehrlich, oder?"
„Sicher. Was nützt es, wenn ich Heuchelei betreibe oder dir schmeichele?"
„Also ... es würde sich komisch anfühlen, dich zu meinem Wunsch zu zwingen, wenn du mich nicht berühren willst, weil ich unattraktiv bin", stammelte ich überfordert. „Ich möchte dich nicht nötigen."
„Deine Moral ist lobenswert und du bist die erste Klientin, die darüber nachdenkt, Eveline. Wenn es dich beruhigt, ich empfinde keinen Ekel vor dir oder finde dich abstoßend."
Ich ließ meine Schultern sinken. „So formuliert klingt es noch seltsamer."
„Deine Stimmungsschwankungen sind anstrengend. Ich hoffe, das ändert sich, wenn du wieder nüchtern bist", murmelte Levi und fuhr sich genervt durchs Haar. „Was ist jetzt? Möchtest du, dass ich dich berühre?"
„Würdest du das wirklich tun?", fragte ich überfordert.
„Ja. Es sei denn, du nimmst deinen Wunsch zurück."
„Ähm ... also ..." Ich stoppte den Satz, als Levi seine Hand hob und sie auf meine Wange legte. Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag.
„Alkohol hin oder her, deine schüchterne Art kommt durch, sobald es ernst wird", belächelte Levi und kam mit seinem Gesicht meinem näher. „Du sagtest doch, du willst begehrt werden." Sein Atem streifte meine Haut. Reflexartig suchte ich Halt und krallte meine Finger in sein Hemd. Ich spürte, wie sein Daumen meine Unterlippe nachzeichnete. Mein gesamter Körper war angespannt. Ein Stromstoß fuhr durch mich, als sich seine Lippen auf meine legten. Mir entfuhr ein Keuchen. Meine Gedanken waren durcheinander und ich erlebte eine Reizüberflutung, als sich unsere Zungen berührten. Wie ferngesteuert presste ich mich dichter an Levi und spürte, wie sich das Kribbeln in meinen Körper immer weiter intensivierte und sich an meiner Mitte sammelte. Mit schwerem Atem meinerseits löste Levi den Zungenkuss und den Salvia Faden, der sich zwischen unseren Lippen gespannt hatte. Ich war überfordert mit dem, was passierte. In meinem Kopf drehte sich alles und ich wankte in Levis Arme. Schleichende Dunkelheit umschloss mein Bewusstsein.
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