Kapitel 90 - Was lange währt ...

"Du lebst!", sagte ich mir immer wieder leise vor. "Den Sternen sei Dank, du lebst!" Dabei tastete ich mit meinen Fingerspitzen behutsam über Hux' linke Brustseite, auf der Suche nach seinem Herzschlag. 

Da! 

In stetigem Rhythmus klopfte sein Herz einen sanften, ruhigen Takt unter meinen Fingern. Armitage streichelte derweil unermüdlich mit seiner Hand über meinen Hinterkopf, mit der anderen hielt er mich fest umschlungen.

Ich fühlte mich vollständig ausgelaugt, matt und zutiefst erschöpft, denn die ganzen emotionalen Zusammenbrüche innerhalb kürzester Zeit, die Weinkrämpfe und tiefgreifende Verzweiflung forderten nun ihren Tribut. Aber trotz allem fühlte ich auch einen tiefen inneren Frieden in mir aufkeimen. Ich wusste nicht wie es überhaupt möglich war, dass Armitage zu mir zurückkehren konnte, aber es war mir in diesem Moment gleichgültig. Hauptsache war, dass er lebte, mich in seinen Armen hielt und wir dadurch eine zweite Chance geschenkt bekamen.

"Was ist mit dir passiert, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte?" Sorge schwang in seiner Tonlage mit. Zu Recht. "Was hat Pryde dir angetan?"

Ich hob den Kopf, um meinen Partner ansehen zu können. "Kannst du dir das nicht denken?" Meine Stimme war sanft, aber dennoch reichte der Inhalt dieser Aussage aus, damit Hux sich verspannte. 

"Bitte sag es mir!", beharrte er auf seinem Standpunkt.

Nervös biss ich auf meiner Lippe herum, denn ich erweckte diese schmerzhaften Erinnerungen nur ungern wieder zum Leben. Aber ich konnte auch verstehen, warum Armitage genau wissen wollte, was mit mir geschehen war, denn mir erging es ja nicht anders. Auch ich brannte darauf zu erfahren, wie er es von der Steadfast geschafft hatte. Doch zunächst einmal erfüllte ich ihm seinen Wunsch und begann stockend zu berichten. "Nachdem es so aussah, als wärest du in meinen Armen gestorben, haben mich Sturmtruppler von dir weggezerrt, worauf ich vollkommen die Beherrschung verloren und Pryde mehrmals in seine hässliche Visage geschlagen habe." 

Armitages Augen weiteten sich vor Überraschung. "Du hast ... WAS???"

"Ihm ein blaues Auge und eine blutige Nase geschlagen." 

Armitages Mundwinkel zuckten bei meiner Aussage unweigerlich nach oben. "So kenne ich meine Zukünftige!" Seine Hand legte sich in meinen Nacken und zog mich für einen Kuss näher. Aber sobald sich unsere Lippen voneinander lösten und ich wieder in sein Gesicht sehen konnte, hatte Besorgnis die Belustigung abgelöst. Seine Augen fixierten meine bandagierte Wange. "Wie ging es weiter?"

Ich schüttelte den Kopf. "Da du Pryde keine Informationen mehr geben konntest, ich dir aber so nahe stand, dachte er, ich müsste ebenfalls in alles eingeweiht sein. Er wollte wissen, welche Daten du an den Widerstand weitergegeben hast und deswegen ... ließ er mich gefangen nehmen und ... per Folter befragen."

Armitage hatte gebannt meiner Erzählung gelauscht, aber jetzt, sobald er dass hörte, schlangen sich seine Arme fester um mich. "Weiter!" Seine innere Anspannung strahlte förmlich aus jeder Pore. "Was hat er mit dir gemacht? Wie wollte er dich zum Reden bringen?"

"Durch Stromstöße. Mein Herz schlägt deswegen noch immer sehr unregelmäßig."

Armitage fiel jegliche Regung aus dem Gesicht, bevor unverhohlene Wut seine Kieferknochen verkrampfte. "Verdammt! Ich bringe diesen Bastard um! Ria, Süße, es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass alles so schrecklich schief läuft!"

"Du konntest auch nichts dafür, mein Schatz. Aber Pryde kannst du leider nicht mehr persönlich umbringen, das hat der Widerstand mithilfe der Galaxis nämlich schon erledigt. Ich selbst war nicht mehr dabei, habe aber gehört, dass sich unzählige Personen erhoben haben, um an der Seite des Widerstands zu fliegen und die Erste Ordnung ein für alle Mal auszulöschen. Aber ... genug von mir. Sag mir bitte, wie du entkommen konntest."

Armitage nickte nachdenklich. "Ich habe die Flotte der vereinten Galaxis gesehen, die aus dem Hyperraum gesprungen ist um anzugreifen. Aber ich greife vor." Armitage räusperte sich. "Mein Bewusstsein habe ich in einer der Exekutionskammern wiedererlangt, als starke Beben und Erschütterungen durch die Stedfast liefen. Man hat mich dort abgeladen, um meine Leiche mithilfe zersetzender Gase zu entsorgen. Die Kampfhandlungen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen, was ich aber noch nicht wusste. Stattdessen war ich vollauf damit beschäftigt, meine Sinne soweit zusammenzukratzen, damit ich aufstehen konnte. Der Schmerz in meiner Brust war unbeschreiblich."

Mitgefühl überkam mich, darum verflocht ich meine Finger mit Armitages, während ich seiner Erklärung lauschte.

"Irgendwann hatte ich es endlich geschafft aufzustehen. Es war ein Kampf, Ria. Mein Sichtfeld flackerte und trübte sich immer wieder ein. Mir war klar, dass ich in diesem Zustand nicht weit kommen würde. Selbst mein Datenpad war weg. Aber dann entdeckte ich draußen vor der Tür einen patrouillierenden Sturmtruppler und dann kam mir eine Idee. Ich eilte so schnell es mir möglich war zu dem kleinen eingelassenen Sichtfenster und machte den Truppler durch Klopfen auf mich aufmerksam. Er machte kehrt, öffnete die Tür und trat zu mir ein. Und meine Rechnung ging auf." Armitage zuckte mit den Schultern. 

"Welche Rechnung?", fragte ich angespannt.

"Ich hatte darauf spekuliert, dass Pryde keinen Soldaten abstellen würde, um eine Leiche zu bewachen. Demnach hoffte ich, dass dieser Sturmtruppler nicht auf der Brücke anwesend war und von den neuesten Entwicklungen somit auch noch nichts wusste."

"Und? War es so?"

"Mhm. Es war mir ein leichtes, ihn davon zu überzeugen, dass die Gefangenen mich niedergeschossen hatten. Hilfsbereit wie der Mann war, befolgte er meine Befehle nur allzu bereitwillig und brachte mir aus einem nahe gelegenen Notfallkoffer eine Stim-Spritze. Sobald sie wirkte, drängte das Mittel meine Schmerzen effektiv in den Hintergrund, sodass ich wieder klar denken und weiterplanen konnte. Natürlich galt mein erster Gedanke dir, deswegen fragte ich den Truppler aus, ob aktuell noch andere Gefangene auf dieser Ebene festgehalten werden. Ohne dich wäre ich niemals von diesem Schiff geflohen!"

"Ich weiß." Aber trotz dieser Zusicherung, traten mir Tränen in die Augen. Die Last des schlechten Gewissens drückte mich hinab. "Hux, glaub mir, wenn ich auch nur geahnt hätte, dass du noch am Leben bist ...", ein Schluchzer unterbrach mich. "Ich hätte Bellava und Kimura bedrängt, dich ebenfalls zu retten!" 

"Das ist mir bewusst, Ria." Armitage drückte meinen Kopf sanft auf seine Schulter. So konnte ich mich an ihn schmiegen und gleichzeitig seinen Ausführungen zuhören. "Der Sturmtruppler erklärte mir, dass die drei Gefangenen vom Widerstand die einzigen waren, die hier festgehalten wurden, sie nun aber entkommen sind. Als ich ihn über die aktuelle Situation ausfragte, weil ein neuerliches Beben das Schiff erschütterte, brachte er mich auch diesbezüglich auf den neusten Stand. Er sagte mir, dass die Steadfast in Kampfhandlungen mit der aufständischen Widerstandsflotte verstrickt ist. Weil der Mann seinen Zweck an Nützlichkeit somit erfüllt hatte, schickte ich ihn mit einem Blasterschuss in die Bewusstlosigkeit, erleichterte ihn um seine Rüstung und eilte mit meiner Tarnung in den nächstgelegenen Hagar. Mein nächstes Problem war nämlich, wie ich von diesem Schiff herunterkommen sollte, wenn draußen ein dermaßen heftiges Gefecht tobte. Wenn ich mit einem herkömmlichen Shuttle losgeflogen wäre, hätte seine Signatur mich verraten und irgendjemand aus der galaktischen Flotte hätte mich postwendend vom Himmel geschossen. Dieser Weg blieb mir also versperrt. Aber dann ist mir etwas eingefallen."

"Was denn?", fragte ich angespannt. 

"In einem der Hangars wartete ein etwas älteres, beschlagnahmtes Lazarettschiff auf seine Verbrennung. Ich hoffte, dass dieses Schiff noch nicht der Zerstörung übergeben worden war, denn das war meine Fahrkarte aus dieser Zwickmühle. Seine Identifikationssignatur würde es nicht als Schiff der Ersten Ordnung verraten und gleichzeitig dachte ich mir, wird das Schiff in der gigantischen Flotte der Galaxis nicht weiter auffallen. Und so war es auch. Sobald ich den Hangar verlassen hatte, meldete der Bordcomputer die Anvisierung mehrerer waffenfähiger Systeme. Aber keiner eröffnete das Feuer auf mich. Um meine Tarnung weiterhin aufrecht zu erhalten schaltete ich auf Autopilot, entledigte mich schnell der Sturmtruppler-Rüstung und der Schussweste, weil diese inzwischen ziemlich schmerzhaft auf meine Wunde drückte, und mischte mich unter die anderen Schiffe. Und dann ... sah ich die Vernichtung der vereinten Sith-Flotte und der Ordnung. Sie explodierten, vergingen in tosenden Feuerbällen, oder brachen auseinander." 


Ich schluckte schwer bei dem Gedanken daran, wie knapp Hux einem endgültigen Tod gerade noch einmal entkommen war. 

"Als der Kampf vorbei war und ich auf die schwellenden Überreste einer einstmals stolzen und mächtigen Flotte herabblickte, erkannte ich einen Sternenjäger wieder, dessen Pilot uns schon seit Jahren Probleme gemacht hatte, Poe Dameron. Weil ich nicht wusste, wie ich dich auf Ajan Kloss finden sollte, habe ich mich an sein Heck gehängt und bin der Widerstandsflotte durch den Hyperraum bis hierher gefolgt. Bei der Landung habe ich bewusst Abstand gehalten, damit mich niemand bemerkt. So konnte ich beobachten, wo die Schiffe landen. Mein eigenes Lazarettschiff habe ich etwas abseits versteckt, damit nicht sofort irgendjemand darüber stolpert. Inzwischen war mein Verlangen danach, dich wiederzusehen so groß geworden, dass ich losgelaufen bin, sobald ich die Triebwerke abgeschaltet hatte. Die vage Richtung zum Lager hatte ich noch im Kopf. Und kaum, dass ich mich im Schatten der Bäume gehalten habe um mir die Lage genauer anzusehen, kommst du aus einem Gebäude gelaufen." Armitage schloss seine Erklärung mit einem Lächeln.

Vieles ergab jetzt einen Sinn. Hux hatte mit seiner Schilderung der Ereignisse etliche Fragen beantwortet, aber noch nicht alle. Hilflos schüttelte ich den Kopf, weil eine meines Erachtens nach drängende Frage noch immer nicht beantwortet worden war. "Aber ... Armitage, wie konntest du den Schuss überleben? Ich stand direkt daneben! Pryde hat dir mit einem Blastergewehr mitten in die Brust geschossen und das aus kurzer Distanz! Die Wucht des Treffers war so enorm, dass sie dich zurückgeschleudert hat." Ungebetene Tränen traten in meine Augen, weil meine Worte diese schrecklichen Bilder wieder real werden ließen.

"Ich weiß, Süße und ich spüre die Folgen auch noch sehr deutlich." Armitage knöpfte seine Uniform ein Stück auf. 

Sobald ich einen Blick auf seine Brust werfen konnte, japste ich entsetzt auf. Inmitten seines Brustbeins prangte die Schussverletzung. "Oh, Hux!" Mit bebenden Fingern berührte ich seine Haut knapp neben der Wunde. "Du hast die Verletzung ja noch nicht einmal versorgt!"

Mein Partner überging meinen entsetzten Ausruf. "Ich hatte Glück im Unglück. Erinnerst du dich an unser Treffen am Abend zuvor? Als ich erfahren habe, dass du und Dorey zum Widerstand gehören? Nun, zu so einem Treffen geht man nicht unvorbereitet, immerhin bestand die reelle Chance, dass mir eine Falle gestellt wird. Deswegen habe ich eine durchschusssichere Weste unter meiner Uniform getragen. Und nur, weil sich die Ereignisse ab dann überschlagen haben ..."

"Hattest du keine Chance mehr, die Weste abzulegen", führte ich seinen Satz zu Ende. "Beim Schwarzen Loch, Armitage!"

"Nur ein Zufall rettete mein Leben", bestätigte er. "Dass und die Tatsache, dass die Weste einen Großteil des Schadens abgefangen hat."

Vehement schüttelte ich den Kopf. "Das war kein Zufall. Die Macht hat uns genau an diesen Punkt geführt. Sie hat mich immer und immer wieder zögern lassen, ehe ich dir meine wahre Identität offenbart habe. Unzählige Male habe ich einen Rückzieher gemacht und du weißt selbst, dass ich zahllose Chancen hatte, dir alles zu erklären. Nein, es hat genau so kommen müssen. Die Verkettung von Ereignissen hat exakt so ablaufen müssen, denn sonst ... denn sonst ...", ich konnte nicht weitersprechen. 

"Scht. Es ist vorbei." Hux umfasste meine Wangen mit beiden Händen und streichelte zärtlich über meine Haut. "Wir haben eine zweite Chance bekommen, zusammen einen Neuanfang zu machen. Wir können unsere Zukunft so gestalten, wie wir es uns wünschen. Und als erstes werde ich dich heiraten, sobald wir uns von unseren Verletzungen erholt haben und auf Naboo angekommen sind!" 

Rührung schnürte meine Kehle eng zusammen, aber ich schaffte es dennoch, die folgenden Worte auszusprechen. "Dann gibt es endlich eine Misses Hux, ganz so, wie du es dir gewünscht hast."

"Nein." Armitage schüttelte entschieden den Kopf. "Der Mann, der den Namen Hux getragen hat und ein General der Ersten Ordnung war, ist auf der Steadfast gestorben. Außerdem ist mir bewusst geworden, dass der Name Hux vorbelastet ist und wahrscheinlich auch unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns lenken würde. Und darum habe ich beschlossen, dass wir bei der Heirat deinen Namen annehmen."

"Armitage Deveron." Ich probierte sofort aus, welche Empfindungen sich bei mir einstellten, wenn ich von Armitage nicht mehr als "meinem Huxi" dachte. Ich würde diese Marotte wahrscheinlich nicht so schnell ablegen können, dennoch rollte mir der Klang seiner neuen Identität fließend über die Zunge. "Klingt gut."

Mein Partner schmunzelte. "Bekomme ich deinen Segen?"

"Den hast du doch schon längst." Ich beugte mich zu ihn vor, um noch einen Kuss zu bekommen. 

Nachdem wir noch eine Weile kuschelnd am Seeufer gelegen hatten, machte sich die Kälte langsam aber unerbittlich bemerkbar. Die Nächte auf Ajan Kloss wurden um diese Jahreszeit noch empfindlich kalt.
Fröstelnd drückte ich mich enger an Hux, der mir noch ein paarmal über den Rücken rieb, dann aber die Sinnlosigkeit seines Tuns erkannte. "Wir sollten irgendwo hingehen, wo es geschützter ist. Und wärmer."

"Meine Hütte. Sie liegt an Rande der Lichtung, aber wir können ungesehen durch die Hintertür hineinschlüpfen." Ich erhob mich unwillig von seiner Wärme ausstrahlenden Seite, damit wir gemeinsam aufstehen konnten. Helfend hielt ich ihm meine Hand entgegen, die Armitage zwar ergriff, sich sich nicht allzu fest daran hochzog. Vermutlich um mich zu schonen. Kaum das er stand, kuschelte ich mich wieder unter seinen Arm, damit wir eng umschlungen den Rückweg antreten konnten. Eine Zeitlang schwiegen wir beide, nur das Brechen von morschen Ästen unter unseren Füßen begleitete den Weg. 

"Wie sieht unser weiteres Vorgehen aus?", fragte Hux unvermittelt in die Stille hinein. "Ich meine ... du hast Freunde hier. Und Familie. Willst du das alles wirklich endgültig hinter dir lassen?"

In der schummrigen Düsternis unter dem beinahe undurchdringlichen Blätterdach nahm ich nur als vage Bewegung aus dem Augenwinkel heraus wahr, wie Armitage den Kopf zu mir drehte. Ich nahm mir einige Sekunden, um über diese Frage nachzudenken, ehe ich meine Antwort in Worte fasste. "Dir zuliebe würde ich gehen, ja. Die Anführerin des Widerstands mag zwar tot sein, aber ich schätze, sie hat dennoch sehr deutliche Anweisungen hinterlassen. Und die Konsequenzen, die sie dir angedroht hat, möchte ich dir auf keinen Fall zumuten. Es ist, wie du selbst gesagt hast: Armitage Hux, ein General der Ersten Ordnung, ist auf der Steadfast gestorben. Jetzt beginnt ein völlig neuer Lebensabschnitt und so eine Vergangenheit würde uns automatisch immer wieder einholen und belasten, ob wir es nun wollen oder nicht." 

Auf meine Erklärung hin drückte Armitage mich fester an sich, aber ich war noch nicht fertig. 

"Aber wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich gerne zu einigen ausgewählten Personen den Kontakt halten."

"Natürlich, Ria. Dafür musst du mich nicht um Erlaubnis bitten." 

Hux konnte es in der Dunkelheit zwar nicht sehen, aber ich lehnte meinen Kopf mit einem Lächeln an seine Schulter. Seitdem wir uns kannten, hatte er sich definitiv weiterentwickelt. Er sah nicht mehr in allem und jedem einen Rivalen und zwischenmenschliche Interaktionen fielen ihm auch zunehmend leichter. 

"Wann möchtest du von hier aufbrechen?", fragte er kurz darauf.

Je länger wir hier blieben, desto höher wurde die Gefahr, dass jemand Hux' Anwesenheit bemerkte. Ich schätzte das damit verbundene Risiko kurz im Kopf ein. "Morgen früh. Lass uns die heutige Nacht erst einmal hier bleiben und wenigstens halbwegs wieder zu Kräften kommen. Deine Wunde muss außerdem noch richtig versorgt werden und wir beide brauchen dringend Schlaf. Ich ...", mein Fuß verhakte sich in einer unsichtbaren Wurzel und ließ mich straucheln. Nur Armitages geistesgegenwärtiger Reaktion war es zu verdanken, dass ich mich nicht der Länge nach auf dem Boden wiederfand. "Danke."

Ein amüsiertes Schnauben erklang. "Mein kleines Trampeltierchen, Ria." 

Ich revanchierte mich für diesen Kommentar, indem ich meinen Ellbogen in seiner Seite parkte. "Zu meiner Verteidigung, es ist stockdunkel hier!" Gleichzeitig überkam mich ein wohliges Gefühl. Wieder mit Armitage vereint zu sein, schenkte mir Frieden. Es fühlte sich so natürlich an, an seiner Seite zu sein, unsere Zeit gemeinsam zu verbringen und so unbeschwert wie jetzt herumalbern zu können. 

 Armitage lachte amüsiert auf. "Wir sind gleich da. Dort vorne schimmern schon die Lichter durch das Buschwerk." 

Den Rest des Weges legten wir schweigend - und in meinem Fall noch einmal unelegant stolpernd - zurück. Am Rande der Lichtung angekommen, umrundeten wir diese und hielten uns dabei verborgen im Schatten und der Dunkelheit des dichten Waldes. Mein Blick streifte die ums Feuer versammelten Personen. Poe war noch immer auf und unterhielt seine Zuhörer. An seiner Seite saß Tara, die schlafende Ila im Arm. Scheinbar hatte das Baby seiner Mutter keine Erholung gegönnt, denn Tara sah man die Erschöpfung deutlich an. Aber dennoch wirkte sie glücklich auf mich, als sie sich an Poes Seite schmiegte. 

Armitage war meiner Blickrichtung mit seinen Augen gefolgt. "Ist das ... das ist doch Tara, oder?"

"Ja. Sie hat in den Reihen des Widerstands ein neues Zuhause gefunden. Komm. Lass uns weitergehen." Ich dirigierte Armitage weiter, direkt zu meiner Hütte und öffnete das knarrende Türblatt. 

War es vorher schon schummrig, so umfing uns nun absolute Dunkelheit, weil die Läden bereits geschlossen waren. "Warte hier." Ich ließ Hux' Hand los und tastete mich vorsichtig voran, die Hände auf Hüfthöhe vor mir ausgestreckt. Mein Ziel war der Tisch, der irgendwo in der Raummitte stand, weil auf ihm eine Sensorlampe stand. Natürlich, wie könnte es auch anders sein, stieß ich mit der mir eigenen Tollpatschigkeit mit der Hüfte unsanft an ein Hindernis. Polternd und klirrend landete etwas metallisches auf dem Boden. "So ein verfluchter Mist!" Ich war in der Dunkelheit zu weit nach rechts abgedriftet, was zur Folge hatte, dass ich ungebremst mit dem Sidebord kollidiert war und die darauf abgelegten Sachen heruntergefegt hatte. 

Dass Armitage auch noch anfing unterdrückt zu lachen, seine Amüsierung aber gleichzeitig als Huster zu tarnen versuchte, machte die Sache nicht gerade besser. 

Mir entschlüpfte ein unwilliges Murren, als ich meinen Weg in Richtung Zimmermitte korrigierte. Schließlich fanden meine tastenden Fingerspitzen die Lampe, worauf ein sanfter Schein den Raum erhellte. Dann sah ich zu Armitage. Die Strapazen der letzten Tage hatten deutlich sichtbare Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Er sah blass, abgespannt und schmerzerfüllt aus. "Darf ich deine Wunde versorgen?" 

Hux näherte sich lächelnd. "Sicher. Wir wissen doch beide, dass an dir eine hervorragende Krankenschwester verloren gegangen ist." Ganz dicht vor mir blieb er stehen. Sah mit einem Ausdruck aufrichtiger, bedingungsloser Liebe auf mich herab. 

Ich erwiderte seinen Blick und schmiegte mich in seine Arme, als diese sich nach mir ausstreckten. Es zog mich zu ihm hin. Alles in mir verlangte danach, die Wärme seines Körpers zu spüren, seinem Herzschlag und den Atemzügen zu lauschen und zu fühlen, wie das Herz in seiner Brust schlug. Denn all das waren Zeichen dafür, dass ich wirklich wach war und nicht gefangen in einem Traum, den mein Unterbewusstsein erschaffen hatte, damit ich mit dem Schmerz besser zurechtkam. All diese Details zeigten mir, dass Armitage wirklich lebte. 

"Was denkst du gerade?", fragte er sanft.

"Dass ich so unendlich dankbar dafür bin, dass du noch lebst. Für einen Moment hatte ich Angst davor, dass das alles nur ein Traum war. Das ich jeden Moment aufwachen und feststellen werde, mir all diese wundervollen Dinge nur eingebildet zu haben." Ich schüttelte energisch den Kopf, um diese belastenden Gedanken zu vertreiben, stellte mich stattdessen auf Zehenspitzen und umfasste Hux' Nacken, um ihn für einen Kuss näher zu mir zu ziehen. Sobald sich unsere Lippen berührten, gab es für mich kein Halten mehr. Ich öffnete meinen Mund und ließ seine Zunge ein, wollte ihn und seine Lebendigkeit spüren, mit all meinen Sinnen. 

Armitage erwiderte meine Leidenschaftlichkeit nur allzu gerne und ebenso hemmungslos, bis zu dem Punkt, an dem er sich eine Spur zu fest an mich drückte. Vor Schmerz zischend ließ er sofort von mir ab, eine Hand legte sich dabei schützend über die unbehandelte Schusswunde.

Erschrocken sog ich ebenfalls die Luft ein. "Oh, Armitage! Es tut mir leid!" Ich beobachtete ihn aufmerksam. Seine vorgekrümmte Haltung und die zu einer Linie zusammengepressten Lippen. "Komm mit. Es wäre besser, wenn du dich hinlegst." Sanft umfasste ich seinen Ellbogen und führte ihn in einen angrenzenden Raum, der mein Schlafzimmer beherbergte. 

Seufzend streckte sich Armitage auf der weichen Decke aus. 

Ich aktivierte die Lampe auf dem kleinen Nachttisch, ließ mich auf der Bettkante nieder, öffnete seine Uniform und begutachtete die Verletzung. Schlagartig überkam mich Verzweiflung. 

Eigentlich müsste ein Arzt zumindest mal einen Blick auf die Wunde werfen. Besser wäre es natürlich, wenn diese Schusswunde von vorneherein von jemand Professionellem versorgt werden würde. Mir fehlt eindeutig das nötige Know-How dafür und ein einfacher Bacta-Verband wird hier nicht ausreichen. Verdammt! Was mache ich denn jetzt?

Seufzend sank ich ein Stück in mir zusammen. "Armitage ich ... ich habe keine Ahnung, wie ich dir bei dieser Verletzung helfen soll." Meine Finger suchten ganz automatisch nach seinen, um sie zu drücken. "Wir brauchen einen Arzt. Du musst richtig behandelt werden."

"Nein, Ria. Wenn du jetzt einen Arzt holst, dann kommen wir hier nicht wieder weg. Dann werden sie mich gefangen nehmen."

Ich unterbrach den Blickkontakt zu Hux, um mir in einer Geste der Verzweiflung durch die Haare zu fahren. Mir war klar, dass er recht hatte. "Aber ..."

"Kein Aber!" Armitage unterband meinen Einwand, indem er mir einen Finger auf die Lippen legte. "Hast du ein Erste-Hilfe-Set griffbereit?"

"Ja", antwortete ich vorsichtig. 

"Gut. Hol es her."

Es gefiel mir nicht, wie gepresst Armitages Stimme inzwischen klang. Ganz anders, als noch vor wenigen Minuten, was vermutlich auch der Grund war, warum ich seine Anweisung ohne zu protestieren lediglich mit einem "Ist gut", befolgte. Schnell war ich zurück durch den anderen Raum gehuscht, hin in mein winziges Bad und hatte das Set, nachdem mein Partner verlangte, aus einem Wandschrank geholt. In meiner Eile wieder zu Hux zurückzukommen, stolperte ich beinahe noch einmal über meine Füße. 

"Es geht dir schlechter, oder?", fragte ich, sobald ich über die Türschwelle trat. Eine Antwort von Armitage war gar nicht notwendig, denn selbst im schwachen Schein der Lampe sah ich, wie der Schweiß auf seiner Stirn glänzte. Zweifellos hatte die Stim-Injektion vor kurzem ihre Wirkung verloren, wodurch mein Partner die Schmerzen ungelindert ertragen musste. Aus eigener Erfahrung wusste ich, wie sich ein solcher Einbruch infolge des Wirknachlasses anfühlte, denn der Schmerz kehrte gefühlt mit doppelter Intensität zurück. Ich legte das Erste-Hilfe-Set auf dem Nachttisch ab, ignorierte Hux' ausgestreckte Hand völlig und eilte stattdessen zurück in mein Bad, um ein Tuch mit kühlem Wasser zu benetzen. 

Kaum das ich an seine Seite zurückgekehrt war, legte ich das Tuch auf seiner Stirn ab, um ihm wenigstens ein klein wenig Linderung zu verschaffen. Dann drehte ich die Leistung der Lampe auf Maximum und öffnete seine Uniformjacke weiter. 

Armitage ließ mich dabei keine Sekunde aus den Augen, aber sein Blick wirkte dabei seltsam unfokussiert. Es hatte fast den Anschein, als stünde er neben sich, was bei der Schwere dieser Verletzung allerdings nicht weiter verwunderlich war. "Ria ... was ich sagen wollte ..."

"Scht. Ich kümmere mich zuerst um dich. Alles weitere besprechen wir danach." Meine Finger zitterten, als ich mir Untersuchungshandschuhe überzog und die Verpackung einer sterilen Kompresse öffnete. Auf diese träufelte ich ein Notfall-Stim-Gel, das seine sofortige schmerzstillende Wirkung mit Wundkontakt entfalten würde. Aber vorher musste ich die Wunde säubern und das würde Armitage extreme Schmerzen verursachen. "Halt dich an mir fest. Das wird gleich weh tun", warnte ich ihn vor und rutschte gleichzeitig näher an Hux heran. Dadurch fiel es ihm leichter, meiner Anweisung zu folgen und meine Taille mit beiden Armen zu umfassen. "Bereit?"

Armitage nickte, doch sobald das Desinfektionsmittel mit der Wunde in Kontakt kam, bäumte er sich neben mir auf. Ein unterdrückter Schrei drang zwischen seinen krampfhaft zusammengepressten Lippen hervor. 

"Es ist gleich vorbei", versprach ich ihm eindringlich, drückte mit den Unterarmen aber gleichzeitig seinen Oberkörper zurück auf die Matratze. Als ich den Eindruck gewonnen hatte, jeden Winkel der Wunde auch wirklich gründlich desinfiziert zu haben um einer Infektion vorzubeugen, setzte ich die Kompresse mit dem Notfall-Stim-Gel ein. 

Man konnte umgehend dabei zusehen, wie das Mittel seine Wirkung entfaltete und die Anspannung aus Armitages Körper wich. Wie sein Rücken zurück auf die Matratze sackte. 

"Tut mir leid." Meine Hand streichelte über seine Wange, wobei ich eine Träne wegwischte, die sich aus Armitages Augenwinkel gestohlen hatte. Als Reaktion bekam ich nur ein erschöpftes Nicken, mehr nicht. Um die Behandlung abzuschließen, träufelte ich flüssiges Bacta-Gel in die Schussverletzung und verschloss die Wunde dann mit einer sterilen Kompresse, wobei ich penibel darauf achtete, die Klebeflächen an den Rändern akribisch anzudrücken, damit ja kein Schmutz in die frisch versorgte Verletzung gelangen konnte. 

"Danke, Ria", gab Armitage matt zurück, Erschöpfung sprach aus jeder einzelnen Silbe. Er sah unter halb geschlossenen Lidern zu mir hoch, mühsam darum ringend, die Augen noch ein klein wenig länger offen zu halten. 

Und auch ich fühlte mich schlagartig unsagbar müde. Wir beide hatten innerhalb der letzten Stunden sehr viel durchmachen müssen. "Schlaf, Armitage." Ich streichelte noch einmal zärtlich über seine Wange. "Kämpf nicht mehr dagegen an. Schlaf. Ruh dich aus." Gleichzeitig kratzte ich meine letzten Kraftreserven zusammen und stemmte mich von der Bettkante in eine stehende Position. "Ich muss die Türen noch verriegeln." 

Armitage ergriff meine Hand, sodass ich nicht weggehen konnte. "Lass die Tür. Jeder hier weiß, was du durchgemacht hast. Sie werden dich sicher in Ruhe lassen, wenn du dich hierher zurückziehst. Komm her zu mir." Einladend streckte er seinen Arm zur Seite. "Du musst ebenso dringend schlafen wie ich. Und dabei möchte ich dich in meinem Arm halten und deine Gegenwart die ganze Nacht über an meiner Seite wissen. Falls ich kurz aufwache, will ich deinen gleichmäßigen Atem hören und deinen Körper mit seiner Wärme neben mir spüren."

Obwohl mein Instinkt mir sagte, dass ich die Türen besser abschließen sollte, ließ ich mich von den Worten meines Partners einhüllen. Mein Körper flehte darum, endlich Ruhe zu bekommen, weswegen ich seinem und Armitages Drängen letztendlich nachgab. Müde sackte ich auf der weichen Matratze zusammen. Ganz automatisch fand ich meine Position, ganz dicht an der Seite von Hux eingekuschelt. Wie von selbst schlang sich sein Arm um meine Taille. Mit dem Kopf auf seiner Schulter abgelegt, sah ich zu ihm hoch. 

"Ich bin so unendlich froh, wieder mit dir vereint zu sein", bekannte Hux mit vor Müdigkeit belegter Stimme. Dabei streichelte seine Hand über mein Haar, bevor er sich vorbeugte und mir einen zärtlichen Kuss gab. 

Ich gab mich ganz diesem Austausch an Zärtlichkeiten hin. Genoss jede Bewegung unserer Lippen aufeinander. Bis die Vernunft doch siegte und ich mich von ihm löste, um die Lampe auf dem Nachttisch auszuschalten. Dunkelheit umfing uns, schwer und samtig. Ich merkte, wie mein Körper jegliche Anspannung fallen ließ und in den Ruhemodus wechselte. 

Armitage erging es ähnlich. Er hauchte mir noch einen letzten Kuss auf die Stirn, doch dass nahm ich nur noch am Rande wahr. Dann glitt ich zum ersten Mal seit das alles passiert war in einen tiefen, traumlosen Schlaf. 


Armitage regte sich an meiner Seite. Verschlafen blinzelnd spähte ich durch den Raum. Helles Licht flutete an den Rändern der Verdunkelung vorbei und war der einzige Hinweis, dass wir vermutlich bis in den halben Tag hinein geschlafen hatten. Diese Tatsache akzeptierend, stemmte ich mich in eine sitzende Position auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

So viel zum Thema, dass wir frühzeitig von hier losfliegen wollten. 

Dann drehte ich mich zu Hux um. Er lag noch immer tief und fest schlafend an meiner Seite. Einen Moment lang reichte es mir völlig, ihn zu beobachten. Dabei zuzusehen, wie sich seine Brust ganz sachte hob und senkte. Liebe durchflutete mich, gepaart mit Dankbarkeit. 

Wir haben wirklich eine zweite Chance geschenkt bekommen. 

Aus einem spontanen Impuls heraus entschied ich mich dazu, ihn nicht zu wecken sondern stand stattdessen leise auf, um ins Badezimmer zu tappen. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut, denn die Strapazen der Folter, der Flucht und der anschließend miterlebten Geburt von Tara klebten gefühlt überall an mir, dementsprechend sehnte ich mich nach einer heißen Dusche. Schnell entledigte ich mich meiner Kleidung und seufzte vor Wohlbehagen laut auf, als das warme Wasser über meinen Körper floss und die Spuren von mir abwusch. Nur an den Stellen, an denen meine Haut durch die Elektroden verbrannt war schmerzte das Wasser, als es das Bacta-Gel abspülte. Trotzdem genoss ich die wohltuende Dusche. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit stellte ich das rieselnde Nass aus und stieg tropfend aus der Kabine. Suchend sah ich mich um, musste aber feststellen, dass ich vergessen hatte, mir saubere Wechselkleidung mitzubringen. Mit dem Ziel, Armitage anschließend zu wecken, schlang ich ein Badehandtuch um meinen Körper und tapste wieder nach draußen. 

Doch was ich dann sah, ließ mich erschrocken mitten im Schritt anhalten, mein Herzschlag jedoch, katapultierte sich in die Höhe. 

Scheiße! Bei allem was heilig ist, dass darf doch nicht wahr sein!

"Poe, bitte tu das nicht!", versuchte ich seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, während ich mich langsam näher an die beiden Männer heranschob. Die erneut aufgeflammte Angst um meinen Partner schlug ihre Klauen in meine Brust. 

 Der Angesprochene blickte nur kurz zu mir, aber diese wenigen Sekunden hatten genügt, um mir seinen unerbittlichen Blick zu zeigen. Poe zielte auch weiterhin mit erhobenem Blaster auf Armitage, der wie erstarrt mit erhobenen Händen im Türrahmen zu meinem Schlafzimmer stand. 

"Poe!", wiederholte ich noch einmal, allerdings mit mehr Nachdruck. "Nimm bitte die Waffe runter." Ich war nur noch wenige Schritte von Hux entfernt. 

"Nein, Ria. Ich weiß, dass du ihn magst, aber er ist der Feind!"

Mein Blick traf den von Armitage. In seinen Augen zeigte sich deutlich die Furcht davor, wie sich diese Situation entwickeln würde. Doch die Angst in seinem Gesicht war alles, was ich brauchte, um eine Entscheidung zu treffen. Mit einem großen Satz stellte ich mich genau in die Schusslinie. Bezog eindeutig Position zwischen Poe und Armitage. "Du wirst ihm nichts tun, Poe!"

"Geh sofort zur Seite Ria!" 

"Nein! Ich kann nicht." Demonstrativ schüttelte ich den Kopf. 

Armitages warme Hände legten sich von hinten auf die nackte Haut an meinen Schulterblättern. 

"Verdammt, Ria! Geh aus dem Weg. Dieser Mann verdient eine gerechte Verurteilung. An seinen Händen klebt das Blut zahlloser Unschuldiger! Leia hat mir diesbezüglich sehr eindeutige Instruktionen hinterlassen. Deswegen, geh ... zur ... Seite!" Nachdrücklich ruckte Poe mit dem Blaster in Richtung Zimmermitte. 

"Nein. Ich liebe Armitage. Demletzt erst musste ich untätig dabei zusehen, wie jemand auf ihn geschossen hat. Ich musste mit dem Gedanken weiterleben, dass der Mann den ich liebe, vor meinen Augen erschossen worden ist. Poe, ich wäre an diesem Verlust beinahe zerbrochen! Du kannst nicht von mir verlangen, innerhalb kürzester Zeit erneut danebenzustehen und tatenlos zuzusehen, wie sich diese Situation erneut wiederholt. Ich muss handeln, wenn die Liebe meines Lebens mit einer Waffe bedroht wird!" Eine Hand von mir wanderte zaghaft nach hinten zwischen Hux und mich, darauf bedacht, Poe nicht auf diese Bewegung aufmerksam werden zu lassen. Kaum war sie hinter meinem Rücken, winkte ich mit den Fingern. 

Hoffentlich versteht Armitage, was ich damit andeuten will.

Poe knirschte mit den Zähnen, ich sah es daran, wie sich seine Kiefermuskulatur verhärtete. Aber er senkte den Blaster nicht. 

Stur wie ein Bock! 

Meine Finger bewegten sich weiter. Irgendwann musste Hux doch auf diese Bewegung aufmerksam werden. Als er eine Hand von meiner Schulter löste, hätte ich vor Erleichterung beinahe aufgeschluchzt, aber als er meine winkenden Finger dann mit seinen drückte, musste ich mir ein genervtes Schnauben verbeißen. Ich schüttelte seine Finger unsanft davon.

Mensch, Huxi, ich will doch jetzt nicht Händchen halten! Gib mir endlich deinen Blaster. Ich brauche eine Waffe, wenn ich uns aus dieser Situation befreien will. 

"Ich sage es noch ein letztes Mal, Ria. Geh. Aus. Dem. Weg." Poe trat einen Schritt näher. 

Scheinbar hatte Armitage inzwischen verstanden, was ich von ihm wollte, denn der kühle Griff einer Waffe berührte meine Fingerspitzen. Ich schnappte umgehend danach, aber noch hielt ich die Waffe verborgen. "Lass uns gehen, Poe. Armitage und ich verschwinden von hier, um unser eigenes Leben zu führen. Kehre du zurück zu Tara. Werdet zusammen glücklich, ich gönne es euch von Herzen. Aber bitte, lass mir mein Glück mit Armitage ebenfalls. Steh dem nicht im Weg, um der langjährigen Freundschaft willen, die uns verbindet!", flehte ich eindringlich. Die Hoffnung, all das friedlich aufzulösen, hatte meine Worte beflügelt. Umso tiefer war mein Sturz der Enttäuschung, als Poe antwortete. 

"Vergiss es. Ich erkenne dich kaum wieder, Ria. Wie kann man sich innerhalb eines Jahres nur so sehr verändern? Wie kann man ein Monster wie dieser Mann eines ist, nur lieben?"

Ich spürte, wie Armitage sich hinter meinem Rücken versteifte. Wie sehr ihn solche Worte immer noch verletzten, egal wer sie aussprach. Und ich hasste Poe in diesem Moment dafür, Armitage auf diese verbale Art angegriffen zu haben. In einer flüssigen Bewegung zog ich den Blaster hinter meinem Rücken hervor, entsicherte ihn und schob den Regler mit dem Daumen von scharfer Bewaffnung auf Betäuben. Ich würde Poe niemals verletzen, aber dass ich ihn außer Gefecht setzen musste, daran führte kein Weg mehr vorbei. Er hatte seinen Standpunkt mehr als deutlich klargemacht. Er würde uns daran hindern, zu gehen. Und das konnte ich nicht zulassen. Seine Augen weiteten sich geschockt, kurz bevor ich abdrückte. Bruchteile von Sekunden später schlug er ohne Bewusstsein auf dem Boden auf. Ich atmete tief und zittrig durch, um meine angespannten Nerven zu beruhigen. Das hier war mehr als knapp gewesen. 

Mein Arm mit der Waffe sank schwer herab. Gleichzeitig bedachte ich meinen langjährigen Freund mit einem bedauernden Blick. "Du sturer Idiot!", murrte ich vor mich hin. "So weit hätte es gar nicht erst kommen müssen." 

Wenn Poe wieder aufwacht, wird er sehr angepisst sein. Aber was hätte ich anderes tun sollen? Er hat mir keinen Ausweg mehr gelassen. Hoffentlich wird er eines Tages verstehen, weshalb ich so gehandelt habe.

Warme Hände umfassten meine Schultern und drehten mich um. Das schlechte Gewissen sprach aus Armitages Blick. "Das hier ist meine Schuld. Wenn ich dich gestern Abend nicht davon abgehalten hätte, die Türen zu verriegeln so wie du es vorgehabt hattest, dann wäre das niemals passiert."

"Du kannst nichts dafür. Und wenn Poe die Tür verschlossen vorgefunden hätte, wäre er argwöhnisch geworden und uns draußen aufgelauert, wo wir vermutlich auch mehr Aufmerksamkeit auf uns gezogen hätten. Nein, so war es besser."

Mein Partner atmete in einem langgezogenen Atemzug aus. "Wir sollten gehen. Bevor sich noch jemand auf dich Suche nach dir macht."

Ich nickte zustimmend. "Du hast Recht."


An der Fregatte von Hux angekommen, hielt ich noch einmal inne, um einen Blick zurückzuwerfen. Eigentlich hatte ich gehofft, mich von einigen wenigen Personen gebührend verabschieden zu können, aber diese Möglichkeit blieb mir aufgrund von Poes Auftauchen verwehrt. Wir durften nicht noch mehr Zeit verlieren, wenn wir unbehelligt von hier aufbrechen wollten, denn Poe würde nicht ewig bewusstlos bleiben. Und es stand außer Frage, dass er sofort Alarm schlagen würde. 

Arme umschlangen meine Taille und zogen mich an eine breite Brust. Gleichzeitig drückten weiche Lippen einen sanften Kuss auf meine Halsbeuge. "Wir sind startklar."

Im Hintergrund startete Bellava die Triebwerke der Fregatte. Sie war in meine Hütte gestürmt und natürlich prompt über Poe gestolpert, als wir gerade dabei waren, meine wenigen Habseligkeiten und etwas medizinische Ausrüstung zu packen. Bellava war eine kluge Frau und hatte deshalb sofort erkannt, wie die Sachlage stand. Mit gezielten Fragen brachte sie sich auf den neuesten Stand und beharrte im Anschluss darauf, uns begleiten zu dürfen. Ich verstand ihren Wunsch, sich in einer völlig neuen, fremden Umgebung an die einzige Person halten zu wollen, die man seine Freundin nannte, daher ergriff ich für sie Partei, dass sie uns begleiten sollte. 

"Bereust du es, jetzt gehen zu müssen?", fragte Armitage weiter. "Ohne einen Abschied?" 

Ich schüttelte den Kopf. "Etwas, aber diese Empfindung wird vergehen. Ich habe beschlossen, meinen Eltern und Tara eine handgeschriebene Nachricht zu schicken und ihnen alles zu erklären. Außerdem", ich wandte mich zu Hux um, "haben sie hier eine Familie gefunden. Tara hat Poe und ihre neugeborene Tochter Ila und meine Eltern haben hier nach über dreißig Jahren wieder zueinander gefunden. Und ich gehöre zu dir", schloss ich meine Erklärung mit einem Lächeln. 

Ein verliebtes Lächeln erhellte Armitages Gesicht, als er sich im Anschluss vorbeugte, um mich zu küssen. "Meine geliebte Ria. Aber eigentlich hätte ich meine Schwiegereltern schon gerne kennengelernt." 

Ich lächelte süffisant, bevor ich die Bombe platzen ließ. "Meinen Vater kennst du sogar." Ich gab Hux Zeit, ein überraschtes Gesicht zu machen, ehe ich weitersprach. "Ich wusste selbst sehr lange nicht, wer mein leiblicher Vater ist. Erst auf Fondor habe ich es erfahren."

"Wer?"

"Es ist Peavey." 

"WAS???" Armitage fiel das Gesicht regelrecht in Scheiben. "Ria, treib keine Spielchen mit mir."

"Mache ich nicht. Meine Mutter Iduna war eine ehemalige Imperiale. Sie diente auf demselben Schiff wie Peavey. Dort verliebten sich die beiden ineinander, aber dann wurde meine Mutter ungewollt schwanger, worauf sie aus dem Imperium geflohen ist. Du weißt selbst, wie intolerant die Erste Ordnung im Bezug auf Schwangerschaften war und das alte Imperium hielt es da nicht anders. Deswegen ist meine Mutter desertiert, hat ihre Spuren verwischt, eine neue Identität angenommen und mich dann alleine großgezogen. Auf Fondor bot sich mir die Gelegenheit, ein vertrauliches Gespräch mit Edrison zu führen. Dir selbst war aufgefallen, dass er immer sehr zuvorkommend zu mir war. Nun, dass hatte einfachen den Grund, weil ich meiner Mutter sehr ähnlich sehe. Er hat in mir seine ehemalige große Liebe gesehen, die eines Tages spurlos verschwunden ist, ohne ihm eine Erklärung zu liefern. Sie hat ihn einfach verlassen, noch bevor Peavey wusste, dass er in naher Zukunft Vater wird. Durch das Gespräch mit ihm und den Informationen, die ich im Laufe der Zeit von meiner Mutter bekommen hatte, konnten wir uns ein Gesamtbild schaffen. Glaub mir, er war genauso schockiert wie du." Ich lächelte melancholisch, wenn ich an diesen eiskalten Abend auf Fondor zurückdachte. 

Armitage war für einen Moment sprachlos, aber seine Arme hielten mich nach wie vor fest umschlungen. 

"Was denkst du jetzt?", hakte ich deshalb vorsichtig nach.

"Dass das nicht das geringste an meiner Liebe zu dir verändert." Feierlicher Ernst schwang in seiner Stimme mit. "Du bist die eine Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will. Die ich heiraten und mit der ich eine Familie gründen will." Armitage küsste mich erneut. "Wollen wir den Schritt in unsere Zukunft gemeinsam wagen?" 

Ich umfasste seine dargebotene Hand. "Ja. Gemeinsam." 

Wir kehrten Ajan Kloss, dem Widerstand und allem was wir kannten, den Rücken. Um gemeinsam neu anzufangen. Die Erste Ordnung war endgültig gefallen und somit liefen wir auch keine Gefahr mehr, deren Strafverfolgung fürchten zu müssen.

Im Cockpit nahmen wir neben Bellava Platz, die sich selbst zu unserer Pilotin erklärt hatte. Geschickt manövrierte sie das Schiff aus dem Wald heraus und zog seine Schnauze hoch zum Himmel. 

Das helle blau der Atmosphäre wich schon bald der unendlichen Dunkelheit der Galaxis mit all ihren funkelnden, glitzernden Sternen. Und auf einem von diesen würden wir einen Neustart wagen. Gemeinsam, nicht allein. 

Armitage umfasste meine Hand und verflocht unsere Finger gerade dann miteinander, als Bellava das Schiff in den Hyperraum schickte. 

Ich sah zu meinem Partner, zu dem Mann den ich von ganzem Herzen liebte. Und ich wusste, wir hatten es geschafft.  

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