Kapitel 88 - ... und die unweigerliche Konsequenz daraus
Urplötzlich kochte eine unbändige Wut in mir hoch. Sie fiel einem rot pulsierenden Schleier gleich über meinen durch die Tränen ohnehin schon getrübten Blick. Sie veranlasste mich dazu, wie eine Furie gegen den Griff des Sturmtrupplers anzukämpfen der versuchte, mich von Armitage wegzuziehen.
"NEIN! Lass mich los, du herzloser Bastard!" In einem Reflex trat ich nach hinten aus. Mein Fuß erwischte zwar einen Widerstand, doch außer einem dumpfen Ächzen passierte nichts. Der Soldat zerrte mich unbarmherzig weiter. Weg von meinem Partner, der leblos auf dem Boden lag. "NEIN!" Alles in mir sehnte sich danach, wieder an seiner Seite zu sein. Um erneut zu überprüfen, was mein Verstand bereits akzeptiert hatte, mein Herz jedoch energisch verweigerte zu glauben.
Eine Hand krallte sich in meine Haare, gefolgt von einem groben Ruck, der mich herumwirbelte. Ich spürte meine Nackenwirbel aufgrund dieser radikalen Beanspruchung knirschen. Der Sturmtruppler zwang mich vor Pryde, vor den Mörder von Armitage. Er zwang mich dazu, diesem verachtenswerten Individuum in die Augen zu blicken.
Gelassen starrte der Ehrengeneral an seiner Hakennase vorbei, auf mich hinab. Verachtung legte sich auf seine Züge, als er meine nicht abreißenden, verzweifelten Bemühungen registrierte. Mein tränenverschmiertes Gesicht sah. "Was für eine erbärmliche Vorstellung. Haben Sie und ihr verräterischer General Hux ernsthaft geglaubt, ich würde diese stümperhaften Sabotageversuche von heute nicht bemerken? Zugegeben, es war schlau, sich in die Systeme der Überwachungskameras einhacken zu wollen, aber wer dabei so unprofessionell arbeitet, der verdient es nicht anders, als seiner Machenschaften überführt zu werden."
Ich bäumte mich erneut gegen den Griff des Sturmtrupplers auf.
Pryde sah meinen vergeblichen Versuchen in einer überheblichen Gelassenheit zu. "Außerdem hat sich Hux heute selbst verraten. Ich ließ ihm ganz bewusst keine Benachrichtigung zukommen, dass in den Hargarebenen gerade ein Befreiungsversuch stattfindet und ich seine Anwesenheit wünsche. Nicht, dass ich jemals Wert auf die Meinung dieses Dilettanten gelegt hätte."
"Sprich nicht so über ihn!", spuckte ich Pryde entgegen. Mein Hass auf diesen Mann katapultierte sich gerade ins Unermessliche als ich hörte, wie abfällig er über Armitage sprach. "Armitage ist sehr viel mehr wert, als Sie es jemals sein werden!"
Pryde schnaubte verächtlich. "Er war ein jämmerlicher Arschkriecher, der einzig darauf bedacht war, wo und wann es nur ging, einen Vorteil für sein erbärmliches Dasein herauszuschlagen. Und als er merkte, dass er hier niemals wieder festen Fuß fassen wird, hat er entschieden die Erste Ordnung zu verraten, um stattdessen für den dreckigen Widerstand zu spionieren. Sein Ableben ist kein Verlust."
Das war zuviel. Pryde ging zu weit. Ich dagegen hatte nichts mehr zu verlieren. Mit der Kraft der Verzweiflung riss ich mich aus dem Griff des Sturmtrupplers los. Dass mich diese Aktion etliche Haarsträhnen kostete, die in der geballten Faust des Trupplers verblieben, interessierte mich nicht. Das Brennen und Pochen an meiner Kopfhaut interessiert mich nicht. Einzig und allein der Antrieb, meine Faust direkt in Prydes selbstgerechter Visage zu versenken, immer und immer wieder, trieb mich an. Ein kurzer Anflug von Zufriedenheit überkam mich, als ich seine vor Schreck geweiteten Augen sah. Aber es war nicht genug, noch lange nicht. Pryde konnte mir nicht mehr ausweichen. Ich holte aus. Nutzte den Schwung meines Körpers und donnerte Pryde meine Faust mit einem befriedigenden Krachen mitten ins Gesicht, zusammen mit einer Beleidigung. "Räudiger Sohn einer läufigen Banthakuh!" Frisches Blut spritzte unter meinen geballten Fingern aus seiner Nase hervor.
Pryde taumelte zurück. Irgendwo keuchte jemand der Augenzeugen erschrocken auf.
Egal. Es war noch nicht genug. Mein Zorn auf Pryde war noch nicht verraucht, denn er hatte noch lange nicht das bekommen, was ihm zustand. Ich holte erneut aus und rammte meine Faust ein zweites Mal in sein hässliches Antlitz. Da Prydes Finger im Weg waren um seine Nase erneut zu malträtieren, zielte ich auf sein Auge. Sengender Schmerz durchzuckte meine Hand, als meine Finger voller Wucht mit Prydes Schädelknochen kollidierten. Ich war noch immer nicht zufrieden. Holte erneut aus ...
... und wurde energisch zurückgerissen. Zwei Sturmtruppler hatten mich an beiden Armen gepackt. Ich versuchte mich loszureißen, bis schließlich ein dritter Soldat hinter meinen Rücken trat und seinen Fuß in meine Kniekehle rammte. Mit einem Aufschrei ging ich zu Boden, wodurch die beiden Truppler zu meinen Seiten leichteres Spiel hatten, mich zu bändigen. Der dritte krallte seine gepanzerten Finger in mein Haar und riss mir den Kopf grob daran zurück. Seine Stimme klang durch den Vocoder in seinem Helm unnatürlich verzerrt. Emotionslos. "Keine Bewegung, oder ich ramme dir einen Elektroschocker zwischen die Rippen."
Meine Gegenwehr erlahmte. Machte dem Schmerz über Armitages Verlust platz, welcher mit aller Macht zurückkehrte. Und mit ihm kamen die Tränen. Ungehindert rannen sie über mein Gesicht.
Ehrengeneral Pryde gab seine schützende Haltung auf, wirbelte zu mir herum und funkelte mich voller Hass an. Blut rann aus seiner Nase und tropfte auf die dunkle Uniform. Ein weiteres Rinnsal erschwerte ihm die Sicht aus seinem linken Auge, weil das Blut permanent hineintropfte. Außerdem hatte ich so fest zugeschlagen, dass sich bereits ein dunkler Bluterguss rings um sein Auge und zum Teil auch über die linke Gesichtshälfte ausbreitete.
Kurzzeitig empfand ich vage Befriedigung. "Geschieht dir recht, Mörder!"
Pryde zitterte vor Wut. Das Knirschen des Lederhandschuhs drang an mein Ohr, weil der ältere Mann seinen Militärstab fester umklammerte. Eiskalte blaue Augen betrachteten mich wie das Stück Dreck, das ich in seinen Augen vermutlich auch war. "Illoyale Verräterin!", spie Pryde mir entgegen, kurz bevor er mit all seinem Zorn den Militärstab auf meine Wange schlug.
Grellroter Schmerz explodierte in meiner rechten Gesichtshälfte. Mein Kopf wurde von der Wucht des Schlages zur Seite geschleudert, begleitet von meinem schmerzerfüllten Schrei. Helle Lichter blitzten in meinem Blickfeld auf.
"Wache! Führt diese Verräterin an der Ordnung ab. Einen Spion haben wir erschossen, von ihm bekommen wir keine Informationen mehr. Mal sehen, was wir aus der Frau herauskitzeln können, die Hux bei seinen Machenschaften unterstützt hat."
Obwohl ich gedacht hatte nicht noch mehr Leid ertragen zu können, weil der Verlust meines Partners jegliche Empfindung in mir beherrschte und das Maß alles Erträglichen weit überschritt, erschütterte mich die Androhung von Pryde dennoch. Natürlich hatte ich mich bereits mit den Überlegungen auseinandergesetzt welches Schicksal mir blühen würde, sollte ich enttarnt werden. Aber mich jetzt wirklich damit konfrontiert zu sehen, in wenigen Minuten tatsächlich an einen Verhörstuhl der Ersten Ordnung gefesselt zu werden, damit man mir Informationen unter Folter abpressen konnte, rüttelte mich aus meiner Schockstarre wach.
Jeder Spion fürchtete sich vor diesem Schicksal. Mir erging es da nicht anders. Verbissen kämpfte ich gegen den Griff der Sturmtruppler an, die mich unbarmherzig hochzerrten und abführten. Keiner vertrat ihnen den Weg. Jeder Mitarbeiter der Brückencrew machte Platz und wich zur Seite hin aus, egal ob es Personen von Armitages alter Besatzung der Finalizer waren, oder von der Steadfast. Ich schrie, trat um mich, versuchte mich den zupackenden Händen irgendwie zu entwinden; es war vergeblich. Gegen die Kraft zweier voll ausgebildeter Soldaten kam ich einfach nicht an. Sie bugsierten mich trotz meiner Gegenwehr an Armitage vorbei.
Ich wollte wenigstens ein letztes Mal einen Blick auf ihn werfen. Auch wenn er tot war. Auch wenn ...
War da gerade eine Bewegung? Ein Heben der Brust?
Hoffnung durchflutete mich. Ich wehrte mich energischer gegen die Sturmtruppler. Versuchte noch einmal zu ihm hinzukommen, um das, was ich zu sehen gemeint hatte überprüfen zu können, aber die Truppler hinderten mich daran. "Lasst mich los!" Alles in mir drängte danach, mein Ohr auf seine Brust zu legen und auf einen möglichen Herzschlag zu lauschen. Aber die Soldaten zerrten mich unerbittlich weiter.
Nach der Schleuse wurde ich durch die Flure gezerrt. Auf halbem Weg den Korridor hinunter entdeckte ich Bellava. Sie verharrte wie festgewachsen mitten im Flur sobald sie sah, wie ich von den Sturmtrupplern gewaltvoll abgeführt wurde. Unser Weg führte genau an ihr vorbei. Kurzzeitig loderte Hoffnung einer Stichflamme gleich in mir auf, doch so schnell sich dieses Feuer entzündete, so schnell erstarb es auch wieder. Ich würde Bellava nicht um Hilfe anflehen und sie deswegen ebenfalls der Mittäterschaft überführen. Das hatte sie nicht verdient.
2020. Verhörzelle. Noch fünf Stunden bis zum Angriff. Zeitpunkt des geplanten Flottenstarts: eineinhalb Stunden. Zeitpunkt der Flucht: verstrichen.
Kaltes Metall bohrte sich unnachgiebig in meine Hand- und Fußgelenke. Hielt mich an Ort und Stelle. Nachdem die Sturmtruppler mich an den Verhörstuhl gefesselt hatten waren sie gegangen. Es war unnötig mich zu bewachen, denn aus eigener Kraft würde ich hier niemals wegkommen, geschweige denn, dass ich mich überhaupt befreien könnte.
Ich versuchte es trotzdem. Das war ich mir schuldig. Aber je mehr ich gegen die Fesseln ankämpfte, desto tiefer schnitt sich das unnachgiebige, scharfkantige Metall in meine Haut. Blut sickerte bereits unter der Befestigung meiner Handgelenke hervor, wodurch jede weitere Bewegung stechende Schmerzwellen durch mich hindurch schickte. In einem Moment wo ich innehielt, den Kopf erschöpft gegen die Lehne hinter mir gestützt und mich ganz meinem Schmerz über die Situation hingab, erschien Pryde auf der Bildfläche. Abschätzend taxierte er seine neueste Gefangene. Ich erwiderte seinen bohrenden Blick, weigerte mich, klein beizugeben. Ich würde nicht die Erste sein, die den Blickkontakt unterbrach.
Pryde schnalzte mit der Zunge. "Jetzt sind wir nicht mehr so vorlaut, was?"
Ein Schnauben entschlüpfte mir. "Es ist leicht großspurig aufzutreten, wenn man nicht mehr Gefahr läuft, von einer Frau geschlagen zu werden."
Prydes Kiefermuskeln verhärteten sich als er näher an mich herantrat. "Welche Informationen hat Hux dem Widerstand übergeben?"
Anstatt einer Antwort schüttelte ich nur den Kopf. Verweigerte die Aussage. Das mein stures Verhalten Pryde nur noch wütender machte, zeigte sich sofort.
"Meinetwegen." Er lief auf meine andere Seite, dorthin, wo Bedienelemente in den Verhörstuhl eingelassen waren. "Vielleicht bringt dich das zum Reden."
Angst wallte in mir auf. Ich wusste mit unumstößlicher Sicherheit, dass die Folter in wenigen Sekunden beginnen würde. Dennoch verwehrte ich es mir, Prydes Tun zu verfolgen um zu sehen, womit er mir die Zunge lockern wollte. Der Schlag traf mich dennoch unerwartet, aber er war nicht physisch. Nein, Pryde hatte sich dazu entschieden, einen Stromstoß durch meinen Körper zu jagen. Jedes einzelne meiner Nervenenden schien in Flammen zu stehen. Obwohl ich mir diese Schwäche eigentlich nicht eingestehen wollte, öffnete sich mein Mund automatisch, um einen Schrei hervorbrechen zu lassen. Der Strom schien eine Ewigkeit durch meinen Körper zu fließen, ehe er schließlich abebbte. Mit ihm wich auch die Anspannung aus mir. Matt sank mein Rücken wieder an die Lehne. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich durchgebogen hatte. Blinzelnd öffnete ich die Augen, nur um in Prydes vom Alter gezeichnetes Gesicht zu blicken. Wenn mein Mund nicht so staubtrocken gewesen wäre, ich hätte ihm eine ordentliche Ladung Speichel übergespuckt.
"Sag mir, was ich wissen will!"
"Nein."
Wieder durchzuckte mich ein Stromschlag, jedoch um einiges stärker als zuvor. Die Muskeln in meinem Körper verkrampften sich. Diesmal schien es einfach nicht aufhören zu wollen. Die qualvollen Sekunden dehnten sich aus und kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Selbst als Pryde den Regler nicht mehr betätigte, krampfte sich meine Muskulatur schmerzhaft zusammen. Es fiel mir schwer zu atmen. Ich spürte genau, wie das Herz in meiner Brust ein paar zögerliche Stolperer tat, ehe es wieder in seinen ursprünglichen Takt zurückfand und wie gewohnt weiterschlug. Mit japsenden Atemzügen zwang ich Luft in meine schmerzende Lunge. Es tat weh. Alles an mir schien nur noch aus Schmerz zu bestehen. Zitternd hing ich in den Fesseln.
"Nun? Sind wir jetzt ... gesprächiger?" Pryde war absolut ohne Mitleid.
"Was wollen ... Sie wissen?" Ich erschrak, als ich meine Stimme hörte. Rau, krächzend, kaum wiederzuerkennen.
"Welche Informationen hat Hux dem Widerstand übergeben?"
Ich sah zu Pryde hinüber. Für den Moment hatte er die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sendete somit eine klare Geste. Er würde mir einen Schonfrist gewähren, wenn ich kooperierte. Das mein Leben trotzdem verwirkt war, erklärte sich von selbst, immerhin galt ich als Verräterin. Als Mittäterin. Sobald ich ihm alles gesagt hatte was er wissen wollte, würde ich sterben, denn dann war ich nutzlos. "Er sagte ihnen dass ... sich die Erste ... Ordnung mit der Sith-Flotte ... vereint. Um gemeinsam einen ... entscheidenden ... Angriff auf alle freien Welten durchzuführen."
Pryde nickte. "Weiter."
"Er nannte ihnen ... auch den ... Standort der Flotte."
"Der da wäre?"
"Exegol."
"Verriet er den Anführern des Widerstands auch, wie sie diese Welt erreichen können?"
"Nein. Das konnten wir ... nicht ... herausfinden."
Pryde zögerte. Dann hob er die Arme in einer überlegenen Geste hinter seinem Rücken hervor und legte einen Finger auf den Stromregler. "Bedaure, aber ich glaube dir nicht."
"NEIN!" Panik überkam mich schon allein bei dem Gedanken daran, diese Tortur noch einmal durchleben zu müssen.
"Sag mir die Wahrheit!", zischte Pryde.
"Das tue ich doch. Bitte!"
Pryde glaubte mir nicht, entgegen aller Beteuerungen. Erbarmungslos betätigte er den Regler ein drittes Mal.
Und diesmal hatte ich das Gefühl, dass Pryde nicht mehr aufhören würde, denn ich kam aus dem Schreien gar nicht mehr heraus. Egal wie sehr sich mein Körper aus dem Reflex heraus auch aufbäumte, um diesen Qualen zu entkommen, war es doch aussichtslos. Als der Strom schließlich wieder versiegte, war ich völlig am Ende meiner Kraft angelangt. Ich wollte weinen, doch keine einzige Träne kam mehr aus meinem Augenwinkel. So blieb mir nur übrig, den Schmerz zu akzeptieren, da es schlichtweg keinen Ausweg gab. Matt sank mein Kopf zur Seite. "Bitte", krächzte ich. "Bitte."
Pryde setzte gerade dazu an etwas zu sagen, als sein Datenpad eine Nachricht vermeldete. Stirnrunzelnd sah er auf sein Gerät hinab, die Augen zu ärgerlichen Schlitzen verengt. "Sieht ganz so aus, als wäre meine Anwesenheit an anderer Stelle vonnöten. Wir werden unser Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen." Pryde nickte über seine Schulter hinweg einem Droiden zu. "Versorge sie mit Flüssigkeit. Sie darf unter keinen Umständen sterben, bevor die Befragung nicht abgeschlossen ist." Piepsend schwebte der runde schwarze Droide näher und klappte ein Fach in seinem Gehäuse auf. An seinem schwenkbaren Arm kam eine Injektionsnadel zum Vorschein. Scheinbar wollte er mich intravenös mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgen.
Ich sah noch, wie Pryde den Raum verließ, dann bohrte sich eine Nadel brennend in meine Armbeuge. Scheinbar musste sich darin mehr als nur eine Nährstofflösung befinden, denn meine Sicht verschwamm umgehend. Dann umfing mich Dunkelheit.
"Victoria?" Ein Rütteln an meiner Schulter.
Mühsam drehte ich den Kopf in Richtung der Stimme. Zwang meine Augenlider unter größten Anstrengungen einen spaltbreit auseinander. Ein verschwommener Schemen ragte über mir auf, zu unklar, um genauere Rückschlüsse zu ziehen.
"Bei den Sternen, was haben sie nur mit dir gemacht?", fragte die Stimme. "Unfassbar, dass ich jahrelang für so eine Organisation gearbeitet habe." Ihr Tonfall war mitfühlend. Ein kühles Tuch wurde auf meine Stirn gelegt, dann wanderte die Hand weiter, um über mein Haar zu streicheln. Vor Wohlbehagen seufzte ich erleichtert auf. "Bekommst du sie wieder fit?" Diese Frage galt nicht mir, demnach mussten zwei Personen anwesend sein.
"Ja, ich denke schon."
Eine weitere Nadel suchte sich ihren Weg unter meine Haut. Das darin enthaltene Mittel war eiskalt. Ich spürte, wie es sich durch meine Venen bahnte, angetrieben von meinem Blutkreislauf.
"Victoria. Komm schon, sieh mich an!" Eine Hand drehte meinen Kopf zur Seite, bevor sie mir leicht auf die Wange klopfte. "Ria, komm zu dir!"
Meine Sicht klarte etwas auf. Genug, um der Person über mir endlich einen Namen geben zu können. "Bellava!" Meine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, so sehr hatten die vorangegangenen Schreie meine Stimmbänder strapaziert. Ein weiteres Gesicht schob sich von der anderen Seite in mein Blickfeld. "Kimura!" Wenn mein Körper trotz der Injektion des Droiden noch immer nicht so stark dehydriert und ausgelaugt gewesen wäre, ich hätte Tränen der Erleichterung vergossen.
"Den Sternen sei dank!" Bellava betätigte einen Knopf, worauf die Fesseln alle gleichzeitig aufsprangen. Gleich darauf fand ich mich in ihren Armen wieder, als sie mich fest an sich drückte.
Ich hatte keine Kontrolle über meine Gliedmaßen, denn als ich Bellava ebenfalls umarmen wollte, reagierten meine Arme schlichtweg nicht auf die ausgesandten Befehle von meinem Gehirn. So blieb mir nur eines übrig; ich lehnte meine Stirn dankbar an Bellavas Schulter und stieß dabei Geräusche aus, die nur entfernt an Schluchzer erinnerten. Bellava und Kimura waren gekommen, um mich zu retten, bevor sie fliehen wollten. Was für mich im Umkehrschluss hieß, ich würde leben, wenn alles planmäßig funktionierte.
Aber ... Armitage ... ist ... er ist ...
Mein Wimmern verstärkte sich.
"Ich weiß Süße, ich weiß", tröstete Bellava und drückte mich noch eine Spur fester. "Ich war auf der Brücke, nachdem du abgeführt worden bist. Ich habe gesehen, was passiert ist. Aber Ria", meine Freundin löste sich von mir, um mich ansehen zu können, "Armitage würde wollen, dass du lebst. Steh auf. Du kannst jetzt nicht aufgeben! Das bist du ihm schuldig."
"Er ist tot!", wimmerte ich. Meine Finger krallten sich so fest es mir möglich war in Bellavas Uniform.
Sie nickte stumm, schob einen Arm unter meiner Achsel hindurch und zog mich vom Verhörstuhl herunter. Sobald meine Füße festen Boden berührten, knickten meine Beine einfach so unter mir weg, nicht imstande, mein Gewicht zu tragen. Kimura war schnell genug, mich von der anderen Seite aufzufangen. Gemeinsam stützten sie mich und gaben mir Halt, als ich es selbst nicht vermochte.
Erschöpft sank mein Kopf an Bellavas Schulter. Mich auf den Beinen halten zu müssen, trotz Hilfe, war in meinem derzeitigen Zustand eine enorme Herausforderung, die mich fast an meine Grenzen brachte.
Wir eilten durch die Flure. Patrouillierenden Sturmtrupplern wichen wir aus, indem wir hinter einer Ecke warteten, oder uns im nächsten Raum versteckten, bis sie vorbeigezogen waren. Dieses Prozedere nahm viel mehr Zeit in Anspruch, war aber unumgänglich, wenn wir nicht auffliegen und gefasst werden wollten.
"Wie viel Zeit haben wir noch?", wollte Kimura wissen.
"Zehn Minuten", gab Bellava gepresst zurück. Die Anstrengung, mein Gewicht - wenn auch nur teilweise - mittragen zu müssen, war ihr merklich anzuhören. "Aber es ist nicht mehr weit. Dort vorne ist schon der Hangar, den wir erreichen müssen."
"Und unser Start wird autorisiert?"
"Ich habe ihn auf der Brücke angekündigt und mir eine Erklärung für die Verzögerung einfallen lassen", antwortete die Generalin.
Kimura sah zu ihr hinüber. "Dort vorne hängen überall Kameras. Der Hangar ist am stärksten überwacht."
"Weswegen ich mich gleich erneut in die Überwachungssysteme hacken werde, um ein Bild in Dauerschleife aufzuspielen."
"Was bei Hux und Ria ja auch so wunderbar und einwandfrei funktioniert hat", antwortete Kimura lakonisch.
"In den Raum da vorne!", befahl Bellava. Kaum das sich die Tür hinter uns verriegelte, lud sie Kimura mein gesamtes Gewicht auf. Besorgt sah sie mich an. "Kannst du dich noch einen Moment auf den Beinen halten, Ria? Wir haben es gleich geschafft, versprochen." Ihre Hand landete auf meiner Schulter.
Ich nickte matt. Der Weg hierher hatte mich extrem erschöpft. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Anstrengung mein Herz wieder leicht aus dem Takt gebracht hatte. Ich konzentrierte mich darauf zu atmen, alles weitere überließ ich beiden anderen.
"Also, wie kommen wir hier raus?", forderte Kimura erneut zu erfahren.
"Pryde wiegt sich in Sicherheit, weil er in Hux den Spion gefunden hat. Er wird nicht damit rechnen, dass Hux noch mehr Verbündete hatte und Ria ist seines Wissens nach ja eingesperrt. Außerdem muss die Täuschung ja nicht so lange aufrecht erhalten werden wir vorhin, sondern nur einige wenige Minuten. Und dadurch, dass ich sie so knapp vorher aufspiele ..."
Der Mann an meiner Seite nickte verstehend. "Wird die Täuschung hoffentlich nicht so schnell auffliegen. Dann los."
Bellava tippte eifrig auf ihr Datenpad ein.
Ich dagegen kämpfte in diesem Moment mit einem hartnäckigen Schwindel, welcher mich erfasst hatte. Infolgedessen stützte ich mich noch schwerer auf Kimuras Arm ab als vorher. Ein Zittern hatte meine Beine ergriffen.
"Du wirst ganz schön schwer, Ria." Kimura veränderte seinen Griff, um mich wieder sicher zu fassen.
"Ihr geht es nicht gut." Bellava hatte ihre Aufgabe abgeschlossen und trat wieder näher. "Kannst du ihr noch etwas geben? Sie ist so blass."
"Im Shuttle. Hier, hilf mir."
Ich stützte mich bereitwillig auf meine beiden Helfer und hoffte inbrünstig, dass diesmal alles klappen würde. Den Weg zum Shuttle nahm ich nur noch verschwommen wahr. Immer wieder driftete meine Wahrnehmung ab. Mein Körper war am Rande seiner Belastungsgrenze angekommen. Zwischenzeitlich musste ich sogar wieder völlig das Bewusstsein verloren haben, denn ich schreckte auf, als der Boden unter mir von einem Vibrieren erschüttert wurde. Mein Herz zahlte mir diese ruckartige, zu schnelle Bewegung sofort damit heim, dass es mir fast aus der Brust zu springen drohte.
"Sachte." Zwei Hände legten sich auf meine Schultern und drückten mich sanft aber bestimmt zurück auf das Sofa. Bellava saß neben mir an der Kante. "Wir sind sicher an Bord gelangt, jetzt muss uns Kimura nur noch hier herausfliegen. In ein paar Minuten sind wir außer Gefahr."
Ich neigte zustimmend den Kopf. Noch immer ging meine Atmung schwer und angestrengt.
Bellava erhob sich nach einem prüfenden Blick auf meinen Zustand, um in der Nähe herumzuwerkeln. Kurz darauf kam sie mit einem Becher in der Hand zurück und nahm wieder an meiner Seite platz. "Hier, trink das." Sanft schob sie eine Hand unter meinen Nacken um mir das Kopfanheben zu erleichtern. Dann setzte sie den Becher vorsichtig an meine Lippen, damit ich trinken konnte.
Die kühle Flüssigkeit rann wohltuend meine wund geschriene Kehle hinab, obwohl jedes schlucken weh tat. Dennoch setzte ich nicht ab, ehe der Becher nicht ganz leer getrunken war.
Braune gutmütige Augen ruhten unentwegt auf mir. Beobachteten jede Regung. "Dir wird es gleich ein wenig besser gehen." Voller Anteilnahme streichelte Bellava über meine Schulter. "Die Infusion die Kimura dir gegeben hat, sollte auch bald richtig wirken. Und sobald wir durch den Hyperraum fliegen, will er dich eingehend untersuchen." Sie drehte den Kopf, wahrscheinlich um einen Blick aus dem Sichtfenster zu werfen. Schwer verhohlene Sorge spiegelte sich auf ihren Zügen.
Ich folgte Bellavas Blickrichtung, auch wenn es mir unsagbar schwer fiel. Die Steadfast hing im All, wurde jedoch recht zügig kleiner. Bis jetzt war auch noch kein Feuer auf uns eröffnet worden. Scheinbar hatte keiner auf der Kommandobrücke Verdacht geschöpft. Bellavas Täuschung war aufgegangen. Ein anderer Gedanke drängte sich brutal in den Vordergrund.
Auf diesem Schiff hatte ich mit ansehen müssen, wie die Liebe meines Lebens vor meinen Augen erschossen wurde.
Auf diesem Schiff war mein Verlobter in meinen Armen gestorben.
Auf diesem Schiff lag die Hoffnung auf eine gemeinsame, liebevolle Zukunft begraben.
Mit einem Ruck verschwand unser Shuttle im Hyperraum. Entzog die Steadfast meinen Blicken. Mein Herz krampfte. Ich konnte nicht mehr atmen, nicht mehr klar denken. Die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein würde, wie es vorher war, schlug mir mit aller Wucht ins Gesicht. Ein Laut entrang sich meiner Kehle, wie der eines verletzten Tieres, das Todesqualen litt. In gewisser Weise war es auch so. Pryde hatte mir in wenigen Minuten alles genommen, wofür ich so lange gebangt, gekämpft und auch gehofft hatte. Zitternd hob ich die Hand vor meine Augen, doch dabei fiel mein Blick auf den Verlobungsring von Armitage, den ich noch immer an Finger trug. Ein Blick darauf, auf dieses Symbol der Unendlichkeit genügte, um meine Beherrschung vollends zusammenbrechen zu lassen. Ein verzweifelter Schrei brach aus mir heraus, der den Schmerz in meinem zersplitterten Inneren widerspiegelte. Und endlich flossen auch Tränen.
Weinend rollte ich mich auf der Seite zusammen und ignorierte Bellavas und Kimuras Bemühungen um mich vollkommen. Es war mir gleichgültig, was sie sagten. Es war mir gleichgültig, was sie taten. Jetzt, in genau diesem Moment, wollte ich nicht mehr weiterleben. Mein Herz verkrampfte sich erneut. Einen Moment lang schnürte es mir vollständig die Luftzufuhr ab. Es war mir egal was geschah.
"Tu irgendetwas!", schrie Bellava außer sich. Pure Verzweiflung ließ ihre Stimme zittern.
"Versuch sie stillzuhalten", ordnete Kimura an, bevor er hektisch im Notfallkoffer nach etwas suchte, der an einer Wand befestigt war. "Sie regt sich zu sehr auf. Das kann katastrophale Folgen für ihr geschwächtes Herz haben."
"Victoria!" Bellavas Gesicht erschien direkt über meinem. "Hör auf damit. Hör auf!" Ihre Hände drückten meine Schultern hinab, um mich daran zu hindern, mich wieder auf die Seite zu rollen.
Ich schrie weiterhin meinen Schmerz heraus, den Schmerz über diesen tragischen Verlust, der so viel schwerer wog als die physischen Verletzungen, welche mein Körper hatte erdulden müssen. Immer wieder stieß ich zwischen meinen Weinkrämpfen die Worte aus, welche mein Herz einfach nicht glauben wollte. "Er ist tot, Bellava!", verzweifelt hielt ich mich an der anderen Frau fest. "Armitage ist tot. Er ist tot!"
Bellava presste die Lippen fester zusammen. Mein Leid ging ihr nahe, dass zeigte sich in ihren tränenfeucht glänzenden Augen. "Ich weiß, Süße." Selbst ihre Stimme war viel zu hoch, ganz so, als müsste sie die Tränen ebenfalls mühsam zurückhalten. "Aber du darfst nicht aufgeben. Du musst weitermachen. Für Armitage! Behalte die Erinnerung an ihn in deinem Herzen, dann wird er nicht in Vergessenheit geraten. Kämpfe, Ria! Sei stark!" Ihr Hände erhöhten den Druck um meine Schultern. "Das hätte er sich gewünscht!"
Plötzlich schob sich Kimura neben Bellava. Er hatte eine Spritze in der Hand, deren Inhalt er in die Infusion gab, welche in meinem Arm steckte. "Das sollte sie beruhigen." Prüfend blieb er stehen wo er war und beobachtete meine Reaktion auf das Medikament.
Es wirkte schnell. Sehr schnell. Eine bleischwere Müdigkeit überkam mich. Es war unmöglich, dagegen anzukämpfen und um ehrlich zu sein, wollte ich dass auch gar nicht. Nein, stattdessen hieß ich die Dunkelheit willkommen, denn sie brachte mir Frieden. Wenn auch nur für einen Moment.
-Ajan Kloss-
Widerstandsbasis.
Wortfetzen drangen an mein Ohr. Vage vertraute Stimmen, die in dem lauten Trubel ringsum beinahe untergingen. "Lasst die Generalin durch!" Es wurde stiller.
Eine Präsenz näherte sich. Sanft streichende Fingerspitzen, die meine Stirn berührten. Eine tröstliche, wärmende Berührung tief in meinem Geist. "Wach auf, Victoria. Du bist wieder zu Hause."
Mühsam wandte ich mich der Stimme zu. Öffnete die Augen und zwang sie dazu, die Person zu fokussieren.
Leia.
Eine einzelne Träne rann an meiner Wange hinab.
Die Generalin sah sie, woraufhin sich Anteilnahme in ihrem Gesicht abzeichnete, kombiniert mit Verstehen. "Es ist unsagbar schwer, Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen." Leia trat näher, legte ihre Finger auf meine. "Ich verstehe das."
Der Schmerz kehrte mit aller Kraft zurück. Schluchzend lag ich auf der Trage.
"Bringt sie in die Krankenstation", befahl Leia. "Doktor Kalonia wird sich um sie kümmern. Im Anschluss möchte ich mit dir sprechen, Kimura. Und auch mit Ihnen. Wie ist Ihr Name?"
"Bellava Parnadee, Ma'am."
"Kommen Sie gemeinsam mit Kimura zu mir, wenn sie Victoria in ärztliche Obhut übergeben haben."
"Natürlich."
Meine Trage bewegte sich. Teilnahmslos ließ ich es geschehen. Ließ bekannte Orte, vertraute Gesichter und sorgenvolle Ausrufe einfach an mir vorüberziehen. In der Ferne hörte ich das Aufheulen von Triebwerken. Es klang wie die komplette Jägerstaffel des Widerstands, die sich gleichzeitig bereit zum Start machte.
Der Angriff, schoss es mir dumpf durch den Kopf. Der finale Kampf beginnt in Kürze. Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor dieser unselige Krieg zu einem Ende kommt?
Mein Kopf kippte zur Seite. Wieder nahm ich für einen unbestimmten Zeitraum nichts mehr wahr.
Ein geflüstertes Gespräch holte mich wieder aus der Dunkelheit zurück. Nebenbei piepsten leise Geräte. Die Luft roch nach Desinfektionsmittel und frisch gewaschenen Laken. "Wird sie wieder gesund?", fragte eine besorgte Stimme. Sie gehörte zu einer Person, die ich schon sehr lange nicht mehr gesehen, dafür aber umso enger in mein Herz geschlossen hatte.
Tara.
"Sie braucht Zeit. Die körperlichen Wunden werden heilen. Um die seelischen mache ich mir weitaus mehr Gedanken", beschied die Ärztin.
"Dann ist es also wahr? Ihr Partner wurde ... wirklich ... erschossen?"
"Es sieht ganz danach aus."
Warme Finger legten sich auf meine Hand. Streichelten sanft über meine Haut. Diese Geste erinnerte mich so sehr an Armitage und daran, dass wir diese vertrauliche Berührung nie wieder miteinander würden austauschen können, dass ich die Tränen nicht zurückhalten konnte. Eigentlich müsste mein Vorrat davon bereits komplett aufgebraucht sein, doch die unter meinen geschlossenen Augenlidern hervorquellende Flüssigkeit bewies das Gegenteil.
"Kann sie uns hören?", wollte Tara alarmiert wissen.
"Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Reden Sie mit ihr, Tara. Geben Sie ihr etwas vertrautes wieder." Schritte entfernten sich. Doktor Kalonia war gegangen, um Tara und mir den nötigen Freiraum zu geben.
"Ria?" Eine Bettseite senkte sich leicht ab, als Tara sich darauf niederließ.
"Tara." Blinzelnd schlug ich die Augen auf und sah hinauf in Taras von braunen Locken umrahmtes Gesicht. Ich sah die Sorge in ihrem Blick. Die aufrichtige Anteilnahme. Es war zuviel. Erneut brach ich in heftige Schluchzer aus.
Wie lange Tara mich letzten Endes in ihren Armen hielt und versuchte mich zu beruhigen, konnte ich nicht sagen. Ich war ihr unendlich dankbar dafür, dass sie für mich da war. Mir Trost spendete und auch Sicherheit, in jenem Moment, wo ich beides so dringend brauchte. Ich erzählte ihr alles in abgehackten Wortfetzen. Unser vorangegangenes Tun um Poe, Finn und Chewbacca zu befreien, Armitages Tod durch Pryde, meine anschließende Folter und dann die Flucht mit Bellava und Kimura. Immer wieder unterbrachen mich verzweifelte Schluchzer, weil ich alles noch einmal durchleben musste.
Aber Tara war eine geduldige und vor allem verständnisvolle Zuhörerin und so unterbrach sie mich auch kein einziges Mal. Stattdessen bot sie mir ihre Schulter als Stütze, ihre Arme zum Trost und ihre Worte als Balsam für mein in Fetzen zerrissenes, schmerzendes Herz.
Irgendwann kamen meine Eltern dazu, nachdem sie jemand informiert hatte. Kaum dass meine Mutter Iduna meinen Zustand mit eigenen Augen sah, eilte sie an meine andere Seite, um mich ebenfalls fest zu drücken. Sie war dankbar dafür, dass ihre einzige Tochter noch lebte. Ich weinte mich in ihren Armen aus. Tara blieb an ihrem Platz sitzen und streichelte über meinen Rücken. Edrison war die Betroffenheit durchaus anzusehen, als er mich so am Boden zerstört erlebte, denn er blieb hier, auch wenn er etwas zurückhaltender mit tröstenden Worten war.
Schließlich versiegten meine Tränen. Der Schmerz in meinem Inneren war noch immer da, allerdings fühlte er sich stumpf an. Dennoch bezweifelte ich, dass er jemals wieder weggehen würde. "Ich danke euch allen!", bekannte ich aufrichtig. "Das ihr für mich da seid." Es bedeutete mir wirklich viel, dass diese geliebten Menschen Anteil an meinem Leid nahmen und im Umkehrschluss alles ihnen mögliche taten, um mir die Situation irgendwie leichter zu machen. Ich blickte Iduna und Edrison an. Sie wirkten glücklich zusammen, sich nach all den Jahren endlich wiedergefunden zu haben. Eigentlich freute ich mich auch für sie, aber in diesem Augenblick schmerzte mich ihre Vertrautheit, führte sie mir doch deutlich vor Augen, was ich verloren hatte.
Deshalb wandte ich mich Tara zu. Ihr Bauch war von der Schwangerschaft noch immer gerundet. "Müsste dein Baby nicht schon längst auf der Welt sein?"
"Doch. Ich bin etwas über meinem Termin." Versonnen streichelte sie über ihre Kugel. "Ehrlich, wenn dass noch länger auf sich warten lässt, dann platze ich bald."
Entgegen meinem Willen musste ich lachen.
Schritte kündeten vom Nahen einer weiteren Person. Doktor Kalonia war wieder zu uns getreten. "Ich würde dich gerne untersuchen, Victoria. Deine Besucher dürfen so lange vor dem Zimmer warten, es dauert auch nicht lange." Entschuldigend lächelte sie die Anderen an.
Nickend gab ich meine Einwilligung, worauf ich kurze Zeit später mit der Ärztin allein war. Mit Gesten deutete sie an, dass ich mich auf dem Bett ausstrecken sollte. An Doktor Kalonia hatte ich schon immer diese unerschütterliche Ruhe geschätzt, welche sie ausstrahlte. So war es auch jetzt.
"Möchtest du deine Uniform selbst aufknöpfen, oder soll ich dir dabei helfen?", fragte sie mit einem Seitenblick zu mir, während sie sich ein Paar Untersuchungshandschuhe überstreifte.
Entschuldigend sah ich zu ihr hoch, nachdem ich mich vergeblich abgemüht hatte, die Druckknöpfe mit meinen zitternden Fingern öffnen zu wollen. "Ich schätze fast, dass ich es nicht alleine schaffe."
"Das ist schon in Ordnung." Doktor Kalonia hatte das Kleidungsstück schnell aufgeknöpft und sich im Anschluss zu mir gesetzt. Mit einem Gerät hörte sie meinen Herzschlag ab.
"Wie hat Leia im Bezug auf Bellava entschieden? Darf sie hierbleiben?", fragte ich angespannt.
"Die andere Generalin, die dir geholfen hat zu entkommen? Ja, Leia hat ihr erlaubt zu bleiben."
Ein schwerer Stein fiel mir vom Herzen. Ich hätte es nicht verkraftet, wenn Bellava auch noch hätte gehen müssen, weil Leia sie wegschickte.
"Dein Herz ist etwas aus dem Rhythmus geraten, was allerdings der Tortur geschuldet ist, die du durchleiden musstest. Aber du bist jung. Etwas Ruhe und Schonung, keine Aufregung und dann wird sich dein Körper von ganz alleine wieder erholen. Was dein seelisches Leid betrifft ... auch solche Wunden heilen mit der Zeit." Kalonia knöpfte meine Uniformjacke wieder zu, dann legte sie ihre Hand auf meinen Arm. "Halte dich an deine Vertrauten, Ria. Sie können dir Halt geben."
Ich nickte hektisch, weil sich schon wieder Tränen in meinen Augen gesammelt hatten die mit aller Macht darauf drängten, sich einen Weg über meine Wangen zu bahnen. Die Ärztin bemerkte den Zustand, den ihre Worte in mir ausgelöst hatten. "Ich rufe die Anderen wieder herein." Sie war gerade von meinem Bett aufgestanden, als draußen vor der Tür ein Tumult entstand.
Ohne anzuklopfen wurde diese unvermittelt aufgestoßen. Commander D'Acy, eine von Leias engsten Vertrauten, kam hereingestürmt. "Der Generalin geht es nicht gut! Sie hatte gerade einen Schwächeanfall. Kommen Sie schnell, ich bitte Sie!"
Doktor Kalonia rannte hinter der anderen Frau her.
Angst erfasste mich. Was stimmte nicht mit Leia? Weil die zwei Frauen die Tür aufgelassen hatten, hatte ich einen ungehinderten Blick hinaus in den Flur.
Tara drehte sich mit besorgtem Gesicht zu mir um und wollte gerade wieder zu mir gelaufen kommen, als sie plötzlich mitten im Schritt stockte. Ihre Mimik verkrampfte sich, zeitgleich legte sie ihre Hand unter den gewölbten Bauch. Mit einem Stöhnen ging sie leicht in die Knie und beugte sich vornüber.
"Tara!" Die Sorge um meine Freundin trieb mich aus dem Bett, entgegen von Doktor Kalonias Anweisung. Kurz überfiel mich ein Schwindel, weil mein Kreislauf diese ruckartige Bewegung aus der liegenden Position heraus nicht guthieß, aber darauf konnte ich im Moment keine Rücksicht nehmen. Auf wackeligen Beinen eierte ich zu ihr hinüber. "Tara? Was ..." Ein Blick zu Boden machte jede weitere Frage überflüssig. Tara stand in einer sich rasch vergrößernden Pfütze, ihre Hosenbeine waren nass durchtränkt. "Deine Fruchtblase ist geplatzt! Es geht los."
Panik weitete Taras Augen, als sie mich ansah. Ihre Finger gruben sich in meinen Arm. "Ria. Ich hab Angst."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top