Kapitel 80 - Entscheidungen und deren Konsequenzen -Teil 1
So sehr Armitage und ich uns auch wünschten, die aktuelle Situation wäre anders, so viel positives konnte zumindest ich dem Ganzen doch abgewinnen. Bellava Parnadee und ich ergänzten uns wunderbar und je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto besser lernten wir uns kennen. Auch unser gegenseitiges Vertrauen wuchs.
Ich hatte mit meiner Annahme, dass sie die skrupellosen Vorgehensweisen der Ersten Ordnung nicht guthieß, voll ins Schwarze getroffen, denn ich sah meine Vermutung immer wieder in kleinen Anmerkungen bestätigt, die die andere Frau in unsere Gespräche mit einfließen ließ. Wenn sie etwas kritisierte. Oder über einen Entschluss missbilligend den Kopf schüttelte. Vor allem die radikalen Kindesentführungen aus allen Winkeln der Galaxis waren ihr ein Gräuel, wie ich kurz darauf in einem sehr persönlichen Gespräch erfuhr. Denn sie selbst war in viel zu jungen Jahren von ihrem Heimatplaneten aus dem Kreis ihrer Familie gerissen worden, ohne eine Erinnerung daran zu behalten. Ich hatte unser Gespräch diesbezüglich noch deutlich im Kopf.
Bellava legte die Akte aus den Händen, begleitet von einem Seufzen.
Als ich zu ihr aufsah entdeckte ich ihr Kopfschütteln. "Was ist denn?"
"Ich habe hier die konkreten Zahlen der zwangsrekrutierten Kinder aus den äußeren Randgebieten." Sie tippte verdeutlichend auf die Akte.
Während meiner Zeit hier hatte ich gelernt, dass die Menschen in den Randgebieten der Galaxis unter teilweise menschenunwürdigen Umständen lebten. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit, Ordnung in dieses unstrukturierte Chaos zu bringen, sogar für die Erste Ordnung. Deswegen ließ man den Dingen dort einfach seinen Lauf, wodurch die Kriminalität natürlich exponentiell anstieg. Dort galt das Recht des Stärkeren und diese Person nahm sich dann, was sie begehrte, selbst dann, wenn man dafür über Leichen gehen musste.
Die Kinder, deren Eltern der dortigen Kriminalität zum Opfer gefallen waren, lebten in verwahrlosten Waisenhäusern, wo man sich mehr schlecht als recht um sie kümmerte. Entweder, sie überlebten die harten Bedingungen, oder man warf ihre kleinen, leblosen Körper in die nächste Gosse und war dankbar, dass man ein Maul weniger zu füttern hatte. Die Erste Ordnung rekrutierte bevorzugt die Kinder von dort, um aus ihnen angehende Sturmtruppler zu machen. Für mich stand außer Frage, dass ein Leben innerhalb der Ersten Ordnung dem Leben dort eindeutig vorzuziehen war. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
Aber es ging auch anders, denn die Rekrutierungen fanden eben nicht nur in diesen schlimmen Gegenden statt. Viel zu oft wurden Kinder aus ärmlichen Familien gerissen, wo die Eltern jeden Tag aufs neue hart dafür kämpften, ihren Nachwuchs irgendwie zu ernähren und über die Runden zu bringen. Bellava selbst entstammte einer solchen Familie, aber wo genau ihre Heimatwelt lag, war natürlich aus den Akten gelöscht worden.
"Das ist nicht richtig!", murmelte Bellava.
"Für die Kinder von dort ist es eine Verbesserung", hielt ich dagegen. "Denn so haben sie wenigstens die Chance, weiterzuleben. Auch wenn die Perspektive für ihre spätere Zukunft alles andere als perfekt aussieht, immerhin werden sie dadurch gezwungen, ein Leben als Soldaten zu führen, ob sie es nun wollen, oder nicht."
Bellava schwieg.
Das Schweigen dauerte sogar so lange, dass ich mich dazu genötigt sah, weiterzusprechen. "Aber im Grunde hast du natürlich Recht. Alle anderen Rekrutierungen entsprechen der absoluten Willkür der Ersten Ordnung."
"Ja. Willkür ...", sie richtete die Augen nachdenklich auf die Akte auf ihrem Schreibtisch. "Weißt du, Ria, ich hätte die Chance gehabt, etwas zu verändern und etwas zu verbessern. Sehr oft sogar. Mein Rang innerhalb der Ersten Ordnung ist hoch genug, sodass er mir etliche Vorteile gewährt. Außerdem erhalte ich in viele Dinge Einsicht. Unzählige Male saß ich bei der Bearbeitung und war kurz davor, wirklich so kurz davor, etwas zu manipulieren. Ein Shuttle mit weiteren zwangsrekrutierten Kindern umzuleiten und ihnen ihre Freiheit wiederzugeben. Sie zu ihren Familien zurückzuschicken. Oder eine Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten zu unterschlagen, notfalls aus dem System zu löschen, nur um diese Waren dann dort einzusetzen, wo sie dringender gebraucht werden. Ich hatte viel zu oft die Chance dazu, dies zu tun und habe doch immer wieder gezögert. Wieder und wieder habe ich einen Rückzieher gemacht. Mich nicht getraut, aus Angst davor, aufzufliegen und im Anschluss dafür wegen Hochverrats hingerichtet zu werden."
Ich nickte mitfühlend. Diesen Punkt konnte ich absolut nachvollziehen, denn so weit hergeholt war er definitiv nicht. Dieses Schicksal drohte wirklich jedem, der sich in einem solchen Maß gegen die Führung der Ersten Ordnung auflehnte und bei seinen Machenschaften überführt wurde. "Ich kann dich verstehen, Bellava. Mehr als du denkst."
"Wenn ich wüsste, dass jemand hinter mir steht, dass mich jemand unterstützt. Mir im Notfall hilft. Ja, dann würde ich mein Vorhaben umsetzen und heimlich helfen, wo es mir möglich ist. Ich würde nicht länger zögern." Mit leerem Blick fixierte sie die Akte auf dem Schreibtisch vor sich. So verloren, wie sie jetzt in diesem Moment aussah, vermutete ich, dass sie nicht wirklich weiter durchging, was dort geschrieben stand, sondern eher ihren trüben Gedanken nachhing.
Mitleid überkam mich, weswegen ich aufstand und zu ihr hinüberging. Meine Hand auf ihrer Schulter brachte sie dazu, wieder aufzusehen. "Willst du mir sagen, was dich noch bedrückt? Ich verspreche dir, kein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. Dass, was du mir anvertraust, bleibt auch bei mir. Du hast mein Wort!"
Ein langer Blickwechsel folgte, bis die Generalin weitersprach. Sich ihre Sorge von der Seele redete. "Selbst wenn ich wollte, könnte ich doch niemals herausfinden, woher ich stamme. Oder wer meine Eltern sind. Ob sie überhaupt noch leben und sich an ihre verlorene Tochter erinnern." Sie stoppte kurz ab, um an dem Kloß in ihrem Hals vorbeizuschlucken.
"Hast du denn den Wunsch dazu?", forschte ich weiter.
Bellava sah mich durchdringend an. "Ja", bekannte sie ehrlich. "Kann ich dir etwas anvertrauen, Ria?"
"Aber sicher." Urplötzlich erfasste mich eine innere Anspannung.
"Ich ... finde schon lange nicht mehr gut, was wir hier tun. Oder in welche Richtung sich die Erste Ordnung entwickelt hat. Ich ... würde gerne gehen, nachdem ich meinen Plan umsetzen konnte. Aber ich weiß nicht wohin. Die Galaxis ist so unendlich groß und ohne den kleinsten Anhaltspunkt wohin mein Weg führt und auf mich alleine gestellt ... das traue ich mir nicht zu."
Mein Herz schlug unweigerlich ein paar Takte schneller. Hier bot sich mir wieder die einmalige Chance, etwas zu bewirken. "Und ... wenn du nicht alleine gehen müsstest?" Meine Hand auf ihrer Schulter drückte etwas fester zu. "Was, wenn du Unterstützung hättest? In beiden Punkten, die du gerade angesprochen hast? Wenn dir jemand helfen würde. Würdest du dann diesen bedeutenden Schritt gehen?"
Es war für die Frau mir gegenüber nicht notwendig zu fragen, wen genau ich damit meinte. Überflüssig zu erwähnen, dass ich von mir sprach. Weil Bellava es tief in ihrem Inneren wusste. Sie neigte zustimmend den Kopf. "Ja. Ohne zu zögern." Gleichsam hob sie ihre rechte Hand, um diese über meine zu legen.
So verharrten wir für einen Moment, aber ich schaffte es in dieser Zeit nicht, meinen hämmernden Pulsschlag zu beruhigen. "Es gibt Personen, die dir helfen könnten, Bellava. Die Kontakte haben und herausfinden können, wo deine Heimatwelt liegt. Du müsstest nicht ziellos und auf dich alleine gestellt durch die Galaxis streifen. Und sie könnten dir auch die benötigte Rückendeckung geben, die du für dein anderes Projekt so dringend brauchst."
Bellava überlegte einen Moment. "Ich glaube, ich weiß, von wem du sprichst. Von welcher ... Personengruppe. Ich nehme an, du selbst gehörst zu ihnen, richtig?"
Da war sie. Die Wahrheit. Ausgesprochen ohne jeglichen Vorwurf.
Dennoch musste ich mich jetzt bekennen. "Ja. Das tue ich."
Bellava schnaubte. "Unglaublich. Du bist eine Spionin."
"Mhm."
"Wie hast du es all die Zeit geschafft, nicht aufzufliegen?" In ihrer Stimme schwang ehrliches Interesse mit.
Ich zuckte mit den Schultern. "Unverschämtes Glück vermutlich."
"Nun, kein Wunder. Immerhin deckt dich ein hochrangiger General. Und durch seine Autorisierung bekommst du Zugang zu allerhand relevanten Informationen."
"Ähm", ich räusperte mich kurz, "Armitage weiß von nichts."
Bellava sah entgeistert zu mir hoch. "Du hast es ihm noch nicht einmal gesagt?"
"Nein."
"Aber ... wie willst du das angehen?"
"Ganz ehrlich? Ich habe noch immer keinen blassen Schimmer, aber es graut mir schon jetzt vor diesem Gespräch. Ich habe keine Ahnung, wie Armitage reagieren wird."
"Verdammt, das ist nicht gut. Wenn es dir hilft, dann bleibe ich bei diesem Gespräch bei dir."
Ein melancholisches Lächeln legte sich um meine Lippen. "Nein. Dein Angebot ehrt dich, aber ich muss es leider ablehnen. Damit würde ich Hux nur noch deutlicher vor Augen führen, dass ich ihn als letztes eingeweiht und ihm bis zuletzt mein Geheimnis verschwiegen habe. Das Gespräch wird auch so schon schwer genug."
"Egal wie es endet, oder wie dein Hux sich entscheidet", Bellava erhob sich aus ihrem Stuhl, damit wir uns auf Augenhöhe begegnen konnten, "auf mich kannst du zählen. Ich begleite dich auf jeden Fall."
"Ach Bellava." Ich zog die andere Frau an mich und hielt sie fest in meinen Armen. Eine Geste, die von Bellava Parnadee, einer Generalin der Ersten Ordnung, gleichfalls erwidert wurde. Aber die Dankbarkeit, die ich gerade empfand, war einfach nicht in Worte zu fassen. Dankbarkeit dafür, dass sie mich nicht für meine Geheimnisse verurteilte, oder diese Situation zwischen uns verkomplizierte. Stattdessen war sie so fest entschlossen dieser Organisation ebenfalls den Rücken zu kehren, dass sie mir dabei sogar ihre Unterstützung anbot. Weil ich ihr im Gegenzug meinen Rückhalt versicherte.
Im Anschluss sprachen wir uns richtig aus. Ich beantwortete jede einzelne Frage von Bellava, sei sie wegen Armitages ausstehender Reaktion auf mein Geständnis und unser Vorgehen, sollte dabei etwas aus dem Ruder laufen. Die andere Frau war fest entschlossen, mich aus der Misere rauszuhauen -wie sie selbst so schön formulierte- sollte Hux sich wider Erwarten gegen mich stellen. Ich persönlich hoffte aber darauf, dass es so weit gar nicht kommen würde.
Mir fehlte außerdem die ununterbrochene Nähe zu Hux, -vor allem Nachts, wenn ich alleine einschlafen musste-, denn durch die gegebenen Arbeitseinteilungen sahen wir uns nur kurz. Meistens am Nachmittag, wenn er aus einer viel zu kurzen Schlafpause erwachte, denn wenn Armitage von den Nachtschichten in unser Quartier zurückkehrte, war es für mich meistens an der Zeit, mich auf den Weg für den Dienst bei Bellava zu machen. Hux legte sich auch nicht direkt schlafen, sondern nutzte jede freie Minute, um eine Lösung für unseren Ausstieg weiter auszuarbeiten. Denn obwohl er schon so viel Zeit in die Überlegungen investiert hatte, so war er doch auf kein zufriedenstellendes Ergebnis gekommen. Zudem fanden die meisten Meetings sowieso immer Vormittags statt, an denen Armitage ebenso teilnehmen musste, wollte er nicht komplett den Anschluss verlieren. Trotzdem sah man meinem Partner den Schlafmangel und die immerwährende Anspannung mittlerweile deutlich an. Seine ohnehin schon blasse Haut wurde bald richtig fahl, wodurch sich die dunklen Ringe unter seinen Augen noch deutlicher hervortaten. Aber Armitage ignorierte jeden meiner Einwände, oder hatte für jeden das passende Gegenargument parat. Natürlich, wie nicht anders zu erwarten, rissen die immerwährenden Demütigungen durch Ehrengeneral Pryde und Kylo Ren nicht ab, was Hux dazu veranlasste, noch verbissener nach einer schnellstmöglichen Lösung zu suchen, damit wir endlich von hier weggehen konnten.
Gegen Abend, wenn wir beide uns endlich etwas freigeschaufelt hatten, war Armitage dazu übergegangen, mit seinem Lichtschwert in einer der Trainingshallen Übungen zu absolvieren. Er hatte zwar eine Grundausbildung an der Akademie auf Arkanis absolviert, aber diese lag schon Jahrzehnte zurück und hatte auch nur Nahkampftaktiken und Selbstverteidigung beinhaltet. Außerdem hatte Hux in seiner bisherigen Laufbahn als General der Ersten Ordnung niemals einen bewaffneten Schwertkampf ausfechten müssen, dementsprechend waren seine Fähigkeiten in diesem Gebiet noch in der absoluten Anfängerstufe.
Sobald ich davon Wind bekommen hatte, bestand ich darauf, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen, allerdings mussten wir bei einem gemeinsamen Training dazu übergehen, mit Übungswaffen zu kämpfen. Wir beide ließen uns nicht von den Startschwierigkeiten entmutigen, oder unsere gemeinsame Zeit dadurch belasten.
Ich trainierte mit Armitage und zeigte ihm alle Bewegungsabläufe, Konter, Paraden und Angriffstechniken, die ich selbst von Kylo Ren gelernt hatte. Immer, wenn Hux eine meiner Attacken erfolgreich abgewehrt hatte, stibitzte er sich einen Kuss und oftmals unterlief er meinen Konter, um mich mit seinen Armen einzufangen und somit "bewegungsunfähig" zu machen.
Nicht selten waren unsere Gemüter danach so aufgepeitscht, dass wir am Liebsten schon in der Trainingshalle übereinander hergefallen wären. Einzig und allein die Tatsache, dass wir damit vermutlich über Wochen hinweg das Gesprächsthema Nummer Eins sein würden, hielt unsere Leidenschaft solange zurück, bis wir in unserem Quartier waren. Aber spätestens dort wurde das Verlangen nach leidenschaftlich wildem, zügellosem Sex übermächtig. Einmal schafften wir es sogar nicht mal bis ins Schlafzimmer, sondern schliefen direkt auf dem Boden miteinander, was ich am nächsten Tag allerdings postwendend bereute, denn mein Hintern schmerzte dermaßen heftig, dass er mir deutlich die Unnachgiebigkeit des harten Bodens unter die Nase rieb.
Eines Nachmittags -wir hatten nach dem Aufwärmen gerade erst angefangen zu trainieren- führte mein Partner eine halbherzige Schlagabfolge mit der Waffe gegen mich, bei der ich mich wirklich kaum anstrengen musste, um diese zu parieren. Krachend schlugen die Holzstangen aneinander.
"Komm schon, Huxi", stichelte ich. "Das kannst du doch sicher besser." Im Gegenzug schwang ich meine Attrappe in einem schonungslosen Angriff herum, machte dabei einen großen Ausfallschritt nach vorne und prellte Armtiage seine Waffe aus der Hand. Polternd schlitterte das lange Stück Holz in Form eines Laserschwertes über den Hallenboden davon.
Armitages Brust hob und senkte sich im Gleichklang seiner schnellen Atemzüge, als er seine nunmehr leere Hand ausschüttelte. Die Wucht, die ich in meinen Schlag gelegt hatte war doch etwas stärker gewesen, sodass ihm jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach die Finger kribbelten. "1:0 für dich, meine Süße!"
"Was bekomme ich dafür?", fragte ich in neckendem Tonfall.
"Das, was du immer bekommst." Lächelnd näherte Hux sich, schlang seine Arme um meine Taille und zog mich an sich, um unsere Lippen in einem Kuss zu verbinden.
Wie von selbst wanderten meine Hände hinauf zu seiner Brust, hinter der ich seinen aufgepeitschten Herzschlag fühlen konnte. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, als wir unsere Lippen voneinander lösten. Ich sah hinauf in seine grünen Augen und erkannte darin die tiefe Verbundenheit zu mir.
"Wollen wir weitermachen?", raunte Hux. Erst als er mein amüsiertes Lächeln bemerkte, wurde ihm die Zweideutigkeit seiner Wortwahl bewusst. "Mit dem Training", schob er deshalb gleich hinterher.
"Ach. Und ich dachte, du benennst jetzt das Andere", antwortete ich in gespielt zurückgewiesenem Tonfall.
Dabei wollte ich mich seinen Armen entwinden, aber Hux ließ es nicht zu. Mit seinen Lippen streifte er sanft über meinen Mundwinkel, die Wange hinauf, bis hin zu meinem Ohr. Warm streifte sein Atem über meine empfindsame Haut. "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen", schnurrte er mir vielversprechend zu, wobei er es allerdings nicht versäumte, seine Hüfte gegen meine zu pressen. Die Wölbung vorne in seiner Hose war beachtlich, so wie eigentlich jedes Mal, wenn wir uns körperlich maßen.
Ob die jungen Kadetten an der Akademie auch immer eine Latte in der Hose haben, wenn sie trainieren? Immerhin sind da garantiert auch junge, hübsche Frauen dabei.
Genervt von mir selbst verdrehte ich die Augen, aber mir war schon jetzt klar, wie die nachfolgende Stunde nach dem Training ablaufen würde. Dachte ich zumindest.
Armitage holte seine Waffe und nahm mir gegenüber erneut Aufstellung. Das Schwert lag quer zu seinem Oberkörper, die Knie waren leicht gebeugt. Ich ahmte seine Bewegung nach, allerdings hielt ich die Waffe nicht quer zu meinem Körper, sondern seitlich daneben. Hux verlagerte sein Gewicht nach vorne, auf die Fußballen. Es war eine kaum merkliche Bewegung und trotzdem registrierte ich sie und bereitete mich daher auf seinen Angriff vor.
Wenige Sekunden später schlugen die Waffen wieder krachend gegeneinander, aber diesmal hatte ich deutlich mehr Mühe, dem Angriff standzuhalten. Wenn Armitage es darauf anlegte, war er mir rein von der körperlichen Kraft her überlegen, wie sich in diesem Moment zeigte. Ich lenkte die ausgeübte Kraft der Schlages nur mühsam zur Seite weg, geriet dabei aber aus dem Gleichgewicht. Strauchelnd versuchte ich noch, wieder in meinen festen Stand zu wechseln, als mein Partner die offensichtliche Schwäche ausnutzte, um mir die lange Holzstange zwischen die Füße zu strecken. Mit der mir eigenen Uneleganz stolperte ich -wie könnte es auch anders sein- darüber und fand mich wenige Sekunden später auf dem harten Hallenboden wieder.
Hinter mir versuchte Armitage noch sein Lachen zu verbergen, scheiterte jedoch kläglich.
Mit erhobener Augenbraue drehte ich mich um und stützte mich auf einem Ellbogen ab. "Das war unfair!"
"Ich denke nicht", bestimmte Hux, kam dabei aber näher und streckte mir seine offene Hand entgegen. Die Geste war klar, er wollte mir beim Aufstehen helfen.
Sobald ich seine dargebotene Hand ergriff wurde ich mit einem Ruck auf die Füße gezogen und fand ich mich prompt in einer Umarmung wieder.
Aha. Das war also die Intention dahinter.
"Hast du dir bei dem Sturz etwas getan?", wollte Armitage in all der ihm eigenen Fürsorglichkeit wissen.
Ich musste kurz und belustigt schnauben. "Wenn du dir solche Sorgen machst, mein lieber Huxi, dann solltest du mir nicht irgendwelche Dinge zwischen die Füße werfen."
"Hm." Er schmunzelte leicht. "Ich habe dabei auf deine Tollpatschigkeit gesetzt, um mein Ziel zu erreichen."
"Du bist unmöglich!" Ich knuffte ihm mit der Faust gegen die Schulter, musste aber gleichzeitig lachen. "Was für ein Ziel?"
"Dich wieder in meinen Armen zu halten." Mit diesen Worten beugte sich Hux vor, um einen Kuss zu bekommen.
Aber ... so weit sollte es gar nicht erst kommen, denn eine Stimme ließ uns erschrocken auseinanderfahren. "Sagte ich es dir nicht, Victoria? Wenn ich dich von Hux trainieren lasse, kommt nicht viel dabei herum, außer dass ihr Euch mit eurer Küsserei gegenseitig ablenkt." Kylo Ren stand mit vor der Brust verschränkten Armen locker an eine Hallenwand gelehnt da und beobachtete uns lauernd. "Was kommt als nächstes?", bohrte er weiter. "Die leidenschaftliche Vereinigung auf den Matten?"
Armitage bedachte den dunkel gekleideten Mann mit einem abgrundtief hasserfüllten Blicken. Es fehlte nicht mehr viel, dann würde er Ren wahrscheinlich nach allen Regeln der Kunst anraunzen, ob Oberster Anführer oder nicht. Aber auch dazu sollte es nicht kommen.
"Was ist das?", fragte Ren mit einem seltsamen Klang in der Stimme. Seine Augen waren auf einen nahen Beistelltisch gerichtet, wo neben einem Krug mit Wasser und zwei Bechern auch Armitages Lichtschwert lag, welches ich ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.
Oh Scheiße!
Ich beobachtete Ren. Sah, wie er seine Augen zu drohenden Schlitzen verengte, eine Hand ausstreckte und die Macht in dieser Geste fokussierte. Anstandslos katapultierte sich Hux' Lichtschwert in die Luft, wobei es um seine eigene Achse rotierte, um gleich darauf in Kylos ausgestreckter Hand zu landen.
An meiner Seite verspannte sich Armitage. Ihm, ebenso wie mir war klar, dass diese Situation besser gar nicht erst entstanden wäre.
Prüfend wog Ren das erbeutete Lichtschwert in Händen, bevor er den Regler aktivierte und die Klinge hervorschnellen ließ. Das grüne Licht flutete über seine Züge und hob die tiefe Narbe an seiner Wange markant hervor. "Ist das etwa Ihr Lichtschwert, General Hux?", fragte Kylo Ren gefährlich ruhig.
Zu ruhig. Zu beherrscht. Unweigerlich konnte ich spüren, wie sich die feinen Härchen an meinem Nacken aufstellten und meine Sinne Gefahr brüllten. Ein schneller Seitenblick zu Armitage verriet, dass ihm ebenfalls bewusst war, auf was für einem tückischen Boden er sich gerade bewegte.
"Ja, Oberster Anführer. Es gehört mit." Es war ihm hoch anzurechnen, dass er sich trotz alledem für die Wahrheit entschied.
"Wofür? Was könnten Sie schon mit einem Lichtschwert anfangen?" Deutlich leiser knurrte Ren die nächsten Worte. "Was für eine nutzlose Vergeudung, für eine so altehrwürdige Waffe."
Armitage schwieg, aber ich konnte ihm ansehen, wie kurz die Worte davor waren, aus ihm herauszubrechen. Wie mühsam er sich nur zurückhalten konnte.
"Es sei denn, Sie trainieren mit Ria dafür, mich eines Tages zu einem Zweikampf herauszufordern." Unvermittelt deaktivierte Kylo die Waffe. "Wobei ich gedacht hätte, dass Sie eher der Typ für hinterhältige Angriffe sind, Hux. Ich hätte Ihnen nie den Mut zugetraut, mich offen herauszufordern."
"Das lag auch niemals in Hux' Absicht", sprang ich für meinen Partner ein.
"Tja. Zu dumm aber auch." Ohne Vorwarnung schleuderte Ren das Lichtschwert zu Armitage, der allerdings keine Zeit mehr hatte zu reagieren. Metallisch klirrend schrammte der Griff über den Boden und blieb knapp vor unseren Füßen liegen. "Aufheben! Ich will sehen, was Sie können." Damit hakte er sein eigenes Lichtschwert aus dem Gürtel und aktivierte die unstet rot flackernde Klinge. "Das dürfte interessant werden."
Armitages hilfesuchender Blick streifte mich, seine Finger drückten meine fester. Ihm, ebenso wie mir war vollkommen klar, dass er nicht den Hauch einer Chance gegen Kylo Ren hatte.
Und Ren wusste es ebenfalls. Dass er trotzdem darauf bestand sich mit Hux einen Kampf zu liefern, zeugte davon, wie sehr er dieser ihm verhassten Person eine Abreibung verpassen wollte. "Aufheben!", grollte Ren erneut. Ungeduldiger diesmal.
Und Armitage kam der Aufforderung nach. Er ließ meine Finger los, bückte sich nach dem Lichtschwert zu seinen Füßen, aber aktivierte die Klinge nicht. Stattdessen sah er wieder mich an. Hilfesuchend, aufgeschmissen, nervös.
Ich sah die Angst vor der Ungewissheit, wie diese Situation für ihn ausgehen würde. Es tat mir weh, diese Gefühlsregungen in seinem Gesicht ablesen zu müssen, was auch der Grund war, warum ich wieder für Hux Partei ergriff, in der Hoffnung, dass Unmögliche doch noch abzuwenden. "Ren, bitte! Das ist doch nicht nötig. Hux ist ..."
"Halt dich da raus, Ria." Ein scharfes Kopfrucken folgte. "Los, General. Ich warte." Voller Ungeduld wirbelte Ren seine aktive Klinge seitlich von sich durch die Luft und erzeugte damit ein surrendes Geräusch.
"Geh zur Seite, Süße." Armitage schob mich mit seinem Arm ein Stück von sich weg, damit er mehr Freiraum hatte, erst dann aktivierte er den Regler und erweckte somit das Lichtschwert zum Leben.
Bei mir schrillten indes alle Alarmglocken. "Nein." Entsetzt sah ich von einem Mann zum Anderen. Ohne lange darüber nachzudenken, trat ich wieder einen großen Schritt vor und fiel Armitage mit meiner Hand in den Arm. "Das ist Wahnsinn!", zischte ich ihm zu.
"Ich weiß. Aber er lässt mir gar keine andere Wahl", gab mein Partner ebenso leise zurück, womit er leider vollkommen Recht hatte.
"Scheiße!", murmelte ich halblaut vor mich hin, als ich in einiger Entfernung zu den beiden Kontrahenten Stellung bezog. "Scheiße, scheiße, scheiße!" Mit wachsamem Blick verfolgte ich alles.
Armitage nahm Haltung an, genau so, wie ich es ihm beigebracht hatte. Ihm gegenüber verzichtete Ren darauf, es dem General gleichzutun, stattdessen spiegelte seine Haltung eine lockere, beinahe schon herablassende Überlegenheit.
Er wird Hux fertigmachen.
Angespannt kaute ich unbewusst auf meiner Unterlippe herum.
Sollte Ren vorhaben, Armitage weiter zu demütigen wenn er schon auf dem Boden liegt, dann werde ich eingreifen.
Das dieser Fall eintreten würde und Hux sich auf dem Boden wiederfand, daran zweifelte ich keine Sekunde lang.
Für einen Moment nur, richtete Armitage seinen Blick wieder auf mich und ließ seinen Gegner dabei außer Acht. Und diesen Moment nutzte Kylo Ren natürlich schamlos aus. Mein panischer Aufschrei veranlasste Hux dazu, gerade noch rechtzeitig seine Waffe hochzureißen, wodurch er die gegnerische Lichtklinge nur wenige Millimeter vor seinem Gesicht abfangen konnte. So verharrten die beiden Männer kräftemessend, die sirrenden Klingen zwischen sich verkeilt. Aber schon bald fingen Hux' Arme bei der Anstrengung, Rens Waffe zu blockieren an zu zittern. Der Oberste Anführer war dem rothaarigen Mann rein kräftetechnisch her weit überlegen und diesen Umstand spielte er gnadenlos aus. Armitage biss die Zähne fester zusammen und versuchte dem Druck standzuhalten, den Ren seinerseits unerbittlich immer weiter erhöhte, beide Klingen immer näher an Hux' Gesicht drückte. Inzwischen musste die ausstrahlende Hitze der Laserwaffen bereits enorm sein.
Das kann er nicht mehr lange durchhalten.
"Versuch etwas anderes, Hux!" Ich war drauf und dran, in den Kampf einzugreifen. Nur mit größter Willensanstrengung hielt ich mich zurück. Vorerst.
Armitage versuchte in der Zeit, unter der gegnerischen Waffe wegzutauchen, ohne dabei einen Treffer zu kassieren, aber Ren durchschaute das Manöver. Er gab seinem General die trügerische Sicherheit, dass sein Versuch von Erfolg gekrönt war, bevor er sein Lichtschwert in die rechte Hand wechselte und mit aller Kraft nach Hux' ungeschützte Seite schlug.
Nur ein instinktiver Reflex bewahrte meinen Partner davor, den Schlag einzustecken. Scheinbar musste er die Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen haben, weil er es mit größter Mühe schaffte, sein Lichtschwert zwischen sich und Ren zu bringen. Trotzdem war der Hieb von Kylo so stark, dass es Hux seitlich von den Füßen riss. Ohne die geringste Chance dazu sich abzufangen, prallte Armitage mit der linken Schulter ungebremst auf den harten Hallenboden. Zeitgleich drang ein ekelerregendes Knacken an mein Ohr, dicht gefolgt von seinem Schmerzensschrei. Armitage ließ seine Waffe los, um mit einer Hand seine verletzte Schulter zu stabilisieren.
"HUX!" Ich warf jegliche Vorsicht über Bord und rannte zu ihm. Warf mich an seiner Seite auf die Knie. "Wie schlimm ist es?"
Anstatt einer Antwort wimmerte Hux, den Blick dabei unentwegt über meine Schulter gerichtet.
Dann vernahm auch ich sich nähernde Schritte. Wütend wirbelte ich herum. "Was soll der Scheiß, Ren?" Mein Ärger wuchs noch weiter, als ich seine teilnahmslose Miene entdeckte.
Das er Armitage bewusst verletzt hatte, kümmerte ihn scheinbar wenig. Stattdessen senkte er die Spitze seiner Waffe so weit, dass sie direkt vor Hux' Gesicht schwebte.
Das geht zu weit!
Ohne lange darüber nachzudenken, welche Konsequenzen mein Handeln nach sich ziehen konnte, hielt ich auf einmal das grüne Lichtschwert in der Hand und schlug damit Rens Waffe zur Seite. "Wag es nicht, Kylo", stieß ich nachdrücklich hervor. "Es ist genug!" Mit purer Willensanstrengung hielt ich seinem Blick stand, der sich mit jeder Sekunde merklich verdüsterte.
Dann wandte er sich ab und ließ uns einfach sitzen, ohne jegliches Kommentar.
Erst als er die Halle verlassen hatte, drehte ich mich wieder zu Hux um. "Hey." Zärtlich umfasste ich seine Wangen. "Alles gut?"
Armitage nickte fahrig, der Schock saß ihm immer noch tief in den Gliedern. "Ja. Danke, Victoria."
"Komm. Hoch mit dir." Ich schob meine Schulter als Stütze unter seine rechte Achsel, damit wir uns gemeinsam hochhieven konnten. "Du musst auf die Medizinische Station."
Das Ergebnis war eine ausgekugelte Schulter, die Kimura mithilfe von einem starken Schmerzmittel und roher Gewalt wieder in ihren Urzustand zurückversetzte. Trotzdem japste Armitage während der Behandlung noch ziemlich heftig, weswegen ich unverrückbar an seiner Seite wachte und mitfühlend über seinen Rücken streichelte. Zum Glück dauerte die Prozedur nicht lange. Ein paar schmerzerfüllte Minuten und einen stabilisierenden Verband später, waren wir bereits wieder entlassen.
Ich stützte ihn nach wie vor, bis wir in unserem Quartier waren. Dort bugsierte ich Hux auf das Sofa und setzte mich daneben. "Geht es wieder?", fragte ich, nachdem mir die unnatürliche Blässe um seine Nase aufgefallen war.
"Es wird schon. Ich spüre nur noch ein dumpfes Pochen, das Schmerzmittel entfaltet langsam seine volle Wirkung."
"Gut." Sanft streichelte ich seinen Arm. "Brauchst du noch etwas?"
"Nur dich." Auffordernd streckte Armitage einen Arm aus, damit ich mich an seine unverletzte Seite kuscheln konnte. Nach ein paar Minuten sprach er weiter. "Wir sollten das Training besser einstellen. Ren hat nur so reagiert, als er gesehen hat, dass ich ein Lichtschwert besitze."
Nickend stimmte ich zu. "Das wäre wohl klüger."
"Wo ist die Waffe überhaupt?", kam wenig später die angespannte Frage.
"In meiner Hosentasche." Lächelnd hob ich den Kopf. "Ich weiß doch, wie ungern du dein Lichtschwert verlieren würdest."
"Ach, Ria." Armitage drückte mich ein klein wenig fester. "Danke."
Ich erkannte den unausgesprochenen Wunsch nach mehr Nähe, deswegen tat ich ihm den Gefallen und drückte mich ein Stück höher, sodass wir unsere Stirnen aneinander lehnen konnten.
Bereits am nächsten Tag sollte ich mich schon mit dem nächsten Problem konfrontiert sehen; Taras Verschwinden. Natürlich war mir schon im Vornherein bewusst gewesen, dass ihre Abwesenheit eher früher als später auffallen würde. Das diese Angelegenheit allerdings in einer derart unangenehmen Lage besprochen werden würde, davon war ich nicht ausgegangen.
Am darauffolgenden Morgen nach dem Zusammenstoß zwischen Kylo Ren und Armitage wurde ein Meeting einberufen. Sehr zu meiner Verwunderung war allerdings nur Ehrengeneral Pryde anwesend, als Armitage und ich den Raum betraten.
Argwöhnisch nahmen wir ihm gegenüber Platz, worauf der ältere Mann gleich auf den Punkt kam. "Nun, General Hux. Ist Ihnen bei der nächtlichen Besetzungen Ihres Teams irgendetwas aufgefallen?" Pryde legte die Stirn in Falten. Ich wusste nicht wieso, aber dieser Ausdruck verlieh seinem Gesicht eine überhebliche Note.
"Nein, ehrenwerter General. Mir ist nichts aufgefallen."
"Wirklich nichts?", echote Pryde noch einmal. Forschend. Abwägend. Dabei faltete er die Hände unter seinem Kinn ineinander.
"Nein." Armitages Tonfall wurde eine Spur ungehaltener. "Wenn Sie die Freundlichkeit besitzen würden, mich aufzuklären, welche Indifferenzen Ihnen aufgefallen sind."
"Natürlich. Ihre zweite Assistentin, Sergeant Milla. Wenn ich richtig informiert bin, war sie für einen relativ kurzen Zeitraum für Sie persönlich tätig, nicht wahr?"
"Korrekt."
"Und dieser Zeitraum fällt zufällig mit dem Überfall unserer Feinde zusammen, infolge dessen Sie ihr Schiff verloren haben", erklärte Pryde weiter und überging damit Armitages Bestätigung.
Dieser wurde daraufhin ebenfalls argwöhnisch. "Worauf wollen Sie hinaus?"
"Nun, ebendiese Assistentin ist seit dem Wechsel auf meine Steadfast spurlos verschwunden. Genauso wie General Peavey. Und da frage ich mich ...", Pryde ließ seine Andeutung unvollendet im Raum hängen, bevor er letztendlich doch weitersprach. "Ob es da nicht einen Zusammenhang gibt. Den Sie vielleicht ganz bewusst übersehen?"
Ich zog unhörbar die Luft ein. Dass Pryde es auch nur wagte, eine so bedeutungsschwere Anschuldigung ohne die geringsten Beweise vorzubringen, war enorm, zeigte mir aber umso deutlicher, wie unberechenbar und gefährlich dieser Mann war. Schon allein der Umstand, dass er argwöhnisch geworden war und seinen Verdacht geäußert hatte, ließ darauf schließen, dass wir hier besonders behutsam agieren mussten.
"Machen Sie sich nicht lächerlich!", giftete Armitage derweil ungehalten zurück. "Sie wagen es ernsthaft, mir solche Anschuldigungen zu unterstellen?"
"Mutmaßungen." Pryde zuckte nachlässig mit den Schultern. "Zu denen Sie trotzdem Stellung nehmen müssen, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht."
"Mir ist nichts dergleichen bekannt", grollte Hux. "Wenn Sergeant Milla für den Feind gearbeitet und ihm Informationen übermittelt hat, dann war sie dabei sehr geschickt, sodass sich jede verräterische Handlung meiner Aufmerksamkeit entzogen hat."
"Verstehe", sinnierte Pryde nachdenklich. "Nun, wir wissen beide, wie schlecht es um Ihre ... "Aufmerksamkeit" oder besser gesagt, Ihr "Urteilsvermögen" bestellt ist, nicht wahr?"
Mir sackte die Kinnlade entgeistert nach unten. Pryde schaffte es, diese Worte in einem derat beiläufigen Tonfall herauszubringen, dass sie fast den Inhalt dieser Aussage kaschierte. Fast.
"Dass Sie es auch nur wagen, mir etwas derartiges zu unterstellen!", entrüstete sich Hux. "Das geht eindeutig zu weit."
"Falsch. Es betrifft die Sicherheit dieses Schiffes und ich bin nicht gewillt, dieselbe schändliche Niederlage zu verbuchen wie Sie, Hux. Aber gut. Nun zu Ihnen, Offizierin Deveron." Pryde wandte mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu.
Ich verkrampfte mich unwillkürlich, versuchte aber nach außen hin eine ahnungslose Miene aufzusetzen. Eine sanft streifende Berührung zeigte an, dass Armitage unter dem Tisch, verborgen vor Prydes Augen, nach meiner Hand griff.
"In meinen Unterlagen wurde vermerkt, dass Sie sich auffallend gut mit Sergeant Milla verstanden haben. Hat sie Ihnen gegenüber jemals auch nur die kleinste Andeutung in diese Richtung gemacht? Und mag es Ihnen im ersten Moment vielleicht noch so unbedeutend erschienen sein?"
"Nein, Sir. Bedaure. In dieser Hinsicht hat Tara keinerlei Andeutungen gemacht, die meinen Argwohn erweckt hätten."
"Möglicherweise sind Ihnen die Feinheiten der versteckten Anspielungen entgangen", säuselte Pryde in einem dermaßen liebenswürdigen Tonfall weiter, dass mir wirklich schlecht wurde.
Personifiziertes schwarzes Loch!
Ich schwieg, denn was sollte ich auch groß dazu sagen?
Armitage dagegen machte seiner Entrüstung deutlich Luft. "Das ist genug! Victoria ist eine kluge Frau und ich sehe es als persönliche Beleidigung an, dass Sie in einem so herablassenden Tonfall mit ihr sprechen. Es gibt nichts weiter zu diesem Thema zu sagen! Komm, Victoria." Armitage erhob sich und weil er an meiner Hand zog, war ich gezwungen der Bewegung zu folgen.
Pryde beobachtete alles mit Argusaugen.
Ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei, das Gespräch an dieser Stelle abzubrechen. Obwohl Hux Recht hatte und es wirklich nichts weiter zu besprechen gab, so mutete das Ganze doch irgendwie wie ein kalkulierter Rückzug an. Ich flehte stumm darum, dass Pryde nicht ebenfalls auf diese Erkenntnis kommen würde, als ich im Hinausgehen allerdings noch einen schnellen Schulterblick riskierte, sah ich, dass der ältere Mann uns immer noch abschätzend taxierte.
Die Zeit, in der Armitage und ich uns tagsüber weniger sehen konnten, nutze ich zudem aus, um mich mit Kimura auzussprechen, immerhin war er meine derzeitig einzige Verbindung zum Widerstand. Und weil Bellava mittlerweile in alles eingeweiht war, gab sie mir gerne frei, damit ich mich um diese Belange kümmern konnte. Dadurch erlangte ich den Vorteil, mich unter dem Deckmantel eines Auftrags für die Generalin frei auf der Steadfast bewegen zu können.
Anfangs gab Kimura sich zwar immer noch sehr mürrisch und unversöhnlich und hielt mir auch deutlich vor Augen, dass ich allein die Schuld daran trug, dass der wunderbare Plan alle Widerständler an Bord der Finalizer zu evakuieren nicht geklappt hatte, aber ich ließ nicht locker.
Immerhin wollte ich unbedingt erfahren, wie Tara und Edrison aufgenommen worden waren. Eines Tages wurde meine Geduld belohnt, denn Kimura gab mir einen unglaublich langen Text von Generalin Leia zu lesen, in dem sie mir alles haarklein schilderte, wie sich die beiden Neuzugänge machten.
"Victoria, ich gebe zu, am Anfang sehr skeptisch gewesen zu sein, besonders im Bezug auf General Peavey, als er zusätzlich zu der jungen Frau, der du Hilfe versprochen hast, in unserer Basis auf Ajan Kloss angekommen ist. Oder wie du ihn nennen würdest, deinen Vater. Aber gerade in dieser besonderen Situation zeigt sich, wie undurchsichtig die Wege der Macht sind. Dass sie dich ausgerechnet an den Ort geführt hat, wo du deinem Vater überhaupt hast begegnen können. Ich wage zu behaupten, dass das Fügung war. Das es genau so hat kommen sollen.
Peavey ist zugute zu halten, dass er sich ohne zu murren oder auch nur zu widersprechen, in unsere Vorgaben gefügt hat. Natürlich haben wir ihn erst unter Beobachtung gestellt, wie dir selbst vermutlich klar sein dürfte. Außerdem habe ich unsere Kontakte genutzt, um mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Abgesehen davon, dass er schon dem Imperium und nun der Ersten Ordnung gedient hat, ist ihm nichts anzulasten. Seine Akte ist frei von jeglichen skrupellosen Handlungen und Befehlen. Wenn es nicht so gewesen wäre, dann hätte ich mich nicht mehr dazu in der Lage gesehen, einer solchen Person Zuflucht und Schutz zu gewähren.
Ab dem Eintreffen von Iduna hat sich alles geändert. Es war einfach unglaublich, die beiden zusammen zu sehen. Wie sie sich nach all den Jahrzehnten zum ersten Mal wieder begegnet sind. Wie sie sich in die Arme gefallen sind, weinend und gleichzeitig lachend vor Freude. Ich selbst kenne dieses Gefühl der tief verbundenen, jahrzehntelangen Liebe nur zu gut und die Emotionen von Edrison und Iduna wirkten unverstellt und aufrichtig.
Meine Sicht verschwamm, als ich diese Textzeilen laß. Ungewollt schossen mir Tränen in die Augen, aber ich konnte nichts tun, um sie aufzuhalten und wollte es auch gar nicht. Nur zu gut sah ich die Begegnung zwischen meinem Vater und meiner Mutter von mir. Schniefend ließ ich das Datenpad kurz sinken, um mir über die Augen zu wischen, denn ich wäre wirklich zu gerne selbst dabei gewesen. Erst als ich wieder klar sehen konnte, laß ich weiter.
Der gute General ist seitdem wie ausgewechselt. Wo er vorher nur stoisch alles hingenommen hat, blüht er jetzt an der Seite deiner Mutter richtig auf. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass er glücklich ist. Natürlich haben die zwei auch nach dir gefragt und wann du wiederkommst.
Was mich zum nächsten Punkt bringt, deiner Befehlsverweigerung. Poe hat mich über den Ablauf der Situation an Bord der Finalizer kurz vor dem Start aufgeklärt.
Fuck, verdammter!
Außerdem hat er mir die Informationen von Kimura mitgeteilt. Dass du nicht gehen wolltest und den Abflug sogar bewusst hinausgezögert hast und das nur wegen General Hux. Ria, ich muss dir bestimmt nicht sagen, wie leichtsinnig dein Verhalten war, aber ich werde es trotzdem tun. Außerdem war Poe sichtlich aufgebracht, als er mir die Information mitteilte, dass du und General Hux ein Paar seid. Er hat es nur schwer weggesteckt. Von Akzeptanz wollen wir gar nicht erst anfangen.
Zudem muss ich dich ausdrücklich darauf hinweisen, dass ein Mann wie Hux keine Gnade finden wird, auch nicht bei uns. Zu viel Blut klebt an seinen Händen. Wir können einem Kriegsverbrecher keine Absolution erteilen, sondern müssten ihn stattdessen mit Freiheitsentzug festsetzen. Spätestens dann, wenn es die Erste Ordnung nicht mehr gibt und eine neue demokratische Regierung an die Macht kommt, wird Hux sich für seine Taten verantworten müssen. Bedenke dies, falls es dein Plan war, zusammen mit General Hux zum Widerstand zu kommen.
Dennoch respektiere ich die Entscheidung deines Herzens. Wenn du ihn wirklich liebst, ungeachtet der Dinge, für die er verantwortlich ist und die er getan hat, dann wird es auch eine gute Seite in ihm geben. Trotzdem muss ich dir ganz klar sagen; du bist hier weiterhin willkommen -auch wenn dein Handeln Konsequenzen nach sich ziehen wird- er dagegen nicht. Wir können einer solchen Person keinen Schutz gewähren.
Es tat weh, diese Zeilen zu lesen. Eigentlich sprach Leia nur die Dinge konkret aus, derer ich mir selbst auch schon klar geworden war. Trotzdem schmerzte es, meine Überlegungen wirklich noch einmal von höchster Autorität bestätigt zu sehen.
Kommen wir zum letzten Punkt; Tara. Bei ihr hast du die richtige Entscheidung getroffen, sie hierher zu schicken. Sie war wirklich nur ein kleines Zahnrad im Getriebe dieser verachtenswürdigen Kriegsmaschinerie. Wir werden uns also um sie kümmern. Tara hat außerdem den Wunsch geäußert, dich bei der Geburt dabeizuhaben, aber ich denke, dass ist dir bereits bewusst. Es liegt an dir, Ria, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen.
Damit verbleibe ich und hoffentlich bis bald. L. O.
Heißt also im Klartext, dass ich mich entscheiden muss. Zwischen Tara und Armitage. Zwischen dem Wunsch, meiner Freundin beizustehen und der Tatsache, dass ich Hux gefährde, wenn ich ihn zum Widerstand mitnehme. Warum muss immer alles so kompliziert sein?
Seufzend rieb ich mir über die Augen und gab Kimura sein Datenpad zurück. "Danke."
"Nicht ganz die Antwort, die du dir erhofft hast?", fragte er, weil ihm meine Reaktion natürlich nicht entgangen war.
"Doch, irgendwie war es genau die Antwort, mit der ich schon gerechnet habe. Trotzdem wünschte ich, sie wäre anders ausgefallen."
Kimura nickte, sagte aber weiter nichts dazu. Weil es nicht notwendig war und auch nichts bewirken, oder an der Situation ändern würde.
-Wird fortgesetzt-
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