Kapitel 71 - Spiel mit dem Feuer

"Bist du soweit startklar, Tara?" Ich stand im Quartier meiner Freundin und beobachtete sie dabei, wie sie ihre restlichen Sachen verstaute.

"Ja, Augenblick!" Stöhnend presste sie sich beide Hände in den unteren Rücken, nachdem sie sich wieder mühevoll aufgerichtet hatte. Dabei vollführte sie eine so ungeschickte Bewegung um die schmerzende Stelle zu entlasten, dass sich ihr vorgewölbter Bauch deutlich unter der Uniform abzeichnete. 

"Tara? Sag mal, wie weit bist du jetzt eigentlich?"

"In der sechzehnten Woche. Wieso?" 

"Weil ich glaube, dass du besser zu einer weiter geschnittenen Uniform greifen solltest, deswegen. Je nachdem wie du dich bewegst, kann man deinen Bauch schon erkennen." Verdeutlichend nickte ich mit dem Kinn in Richtung ihrer Körpermitte. 

"Verdammt!" Tara warf einen besorgten Blick an sich hinab und fuhr mit beiden Händen über ihren sich dehnenden Bauch. "Wie deutlich?"

"Wenn du Fragen vermeiden willst, zieh dich lieber um", gab ich ehrlich zurück. "Hast du meine Uniform noch griffbereit, die ich dir letztens gebracht habe?" Da ich etwas größer als Tara war -auch was den Vorbau betraf- und meine Uniformjacke deswegen etwas lockerer geschnitten war als ihre, hatte ich ihr zur Sicherheit eine vorbeigebracht.

Tara verzog missmutig das Gesicht, gab sich aber im Angesicht der Tatsache geschlagen. Sie hieß mich kurz zu warten, um in ihr Badezimmer zu huschen und sich umzuziehen. 

Wenig später liefen wir zusammen durch die langen Korridore der Supremacy. Zum letzten Mal. 

"Jetzt ist nichts mehr zu sehen, Tara", beruhigte ich, weil sie immer wieder Kontrollblicke an sich hinabschweifen ließ. "Dein Verhalten ist auffälliger als alles andere."

"Entschuldige. Und du sagst das nicht nur, um mich zu beruhigen?" Ein aufgeschmissener Blick streifte mich. 

"Nein, wirklich nicht."

Unsere Stiefelschritte hallten durch den leer gefegten Hangar. Einzig und allein Kylo Rens privates Shuttle stand noch wartend auf dem glänzenden Boden, alle restlichen Schiffe, Shuttles und TIE-Jäger waren bereits abgezogen worden. An der geöffneten Einstiegsluke entdeckte ich Hux, der mir lächelnd entgegensah. 

"Oh Mann", murrte Tara neben mir. Auf meinen fragenden Blick sprach sie schnell weiter und erklärte ihren Kommentar. "Er vermisst dich schon. Ihr wart gerade mal etwas mehr als eine Stunde voneinander getrennt und er vermisst dich schon." Ein leicht ungläubiger Blick streifte mich. "Ich meine, ist das normal?"

"Bei Hux schon", erwiderte ich mit einem Schulterzucken. Taras Gesicht dagegen sprach Bände und entlockte mir gezielt ein Lachen. "Ach komm schon!" Aufmunternd stupste ich ihr meinen Ellbogen in die Seite. "Für dich finden wir auch noch den richtigen Mann."

"Viel Glück dabei", lautete die bedrückte Antwort. "Immerhin muss sich erst mal jemand finden, der eine Frau mit einem Baby haben will, das nicht von ihm ist." Nachdenklich starrte sie auf den Weg direkt voraus, ohne dabei vermutlich bewusst etwas wahrzunehmen.

Es tat mir weh, sie so traurig zu sehen. Gleichzeitig kochten Wut und Zorn über diese Ungerechtigkeit in mir hoch, die meiner Freundin widerfuhr. Am Liebsten würde ich Milon dafür, wie er mit Tara umgesprungen war, einen ordentlichen Denkzettel verpassen. Gedanklich machte ich mir die Notiz, dass anzugehen, sobald wir wieder auf die Finalizer zurückgekehrt waren. Es konnte einfach nicht sein, dass er ungeschoren mit seinem verantwortungslosen Handeln davonkam und das einzig und allein Tara als Leidtragende aus der ganzen Sache hervorging. 

Ich werde Armitage darauf ansetzen. 

"Hey, Tara." Behutsam legte ich einen Arm um die Schultern meiner Freundin und zog sie an mich. "Nicht jeder ist so ein Arschloch wie Milon. Es gibt auch nette Männer, die eine Frau aufmerksam und fürsorglich behandeln, auch dann, oder gerade besonders dann, wenn sie ein Kind von einem anderen Mann großzieht. Es tut mir so leid für dich, dass du ausgerechnet an so einen selbstsüchtigen Idioten geraten bist, aber glaub mir, nicht alle sind so."

"Danke, Ria." Ich spürte ihren Arm, der sich um meine Taille schlang. 

Da wir während unseres Gesprächs weitergelaufen waren, standen wir inzwischen an der Einstiegsrampe. Armitage hatte die ganze Zeit nicht die Augen von mir abgewandt, weswegen er alles mitangesehen hatte. 

"Stimmt etwas nicht?", wollte er im Flüsterton von mir erfahren. 

Ein schneller Blick über seine Schulter hinweg zeigte, dass wir im Moment noch unbeobachtet waren. "Darf ich ihm die Sache erklären, Tara?" 

Auf ihr Nicken hin gab ich Hux einen groben Einblick in die Situation, wobei ich mich allerdings von Taras Gefühlschaos fernhielt und mehr Fokus auf den Namen des Mannes legte, der ohne darüber nachzudenken neues Leben in die Galaxis setzte, ohne dafür einstehen zu wollen. Ich konnte mir vorstellen, dass Armitage ebenfalls nicht gut darauf zu sprechen sein würde, da Milon sich über die Regelung mit der Beziehung hinweggesetzt hatte, ein Umstand, dem wir beide auch schon eine lange Wegstrecke voller Hindernisse zuschreiben konnten. Zudem hatte mein Partner schon damals mit Bekanntwerden der Schwangerschaft erfahren wollen, wer der Vater war. Und bei den Sternen, Milon verdiente in meinen Augen eine ordentliche Bestrafung. 

Ein Räuspern irgendwo aus dem Hintergrund verriet uns aber recht bald, dass wir nicht mehr alleine waren. "Der Oberste Anführer will umgehend losfliegen und lässt fragen, was da so lange dauert?", erklang Peaveys Stimme.

"Der Oberste Anführer will sofort losfliegen", äffte Armitage die Worte leise nach. 

Ich verbiss mir ein Schmunzeln, ignorierte Taras entsetzten Gesichtsausdruck, der von Hux' Respektlosigkeit herrührte, und gab stattdessen Antwort. "Entschuldigung. Wir sind sofort da." Mahnend schlug ich meine Hand auf Hux' Schulter, sobald sich Peavey wieder weggedreht hatte. "Benimm dich!", raunte ich ihm aus dem Mundwinkel heraus zu.

"Nur wenn er es auch tut", brummte Armitage zurück. 


Wenig später liefen wir im Kielwasser von Kylo Ren durch die vertrauten Gänge der Finalizer. Hux sagte zwar nichts, dennoch strahlte seine ganze Haltung Zufriedenheit und Selbstsicherheit aus. Hier, auf diesem Schiff, war er in seinem Element. 

"General Peavey, General Hux, Sie begeben sich auf die Brücke und führen umgehend meine Anweisungen aus." Ren hatte uns während des kurzen Fluges von der Supremacy zu dem neuen Kommandositz darin eingeweiht, dass das ehemalige Flaggschiff nun vollständig mit einer gezielten Kettenreaktion von Detonationen zerstört werden sollte. Wir würden uns nicht ewig in diesem Sektor aufhalten, genauso wenig konnten weitere Sternenzerstörer abgestellt werden, die das havarierte Schiff bewachen sollten. Falls die Supremacy aufgegeben im All zurückgelassen werden sollte, dann würde es nicht lange dauern, bis die moderne Technik in ihrem Inneren welche nicht komplett ausgebaut werden konnte, Kriminelle anlocken würde, die sie ausschlachten und für ihre eigenen Zwecke missbrauchten. Um das zu vermeiden, hatte Kylo Ren kurzerhand die Zerstörung angeordnet und beide Generäle hatten einstimmig zugestimmt. Ich glaube das war das erste Mal, dass Armitage und Edrison unvoreingenommen die Meinung des jeweils anderen teilten. Auf dem Weg zur Hauptbrücke bog Ren irgendwann kommentarlos ab, in dem Wissen, dass seine Befehle ausgeführt wurden. 

"Ria?" Tara zupfte mich verstohlen am Ärmel. "Meinst du, ich kann mich kurz zurückziehen? Mir ist ... irgendwie übel." 

Ein kurzer Blick hinüber in ihr Gesicht bestätigte diese Aussage, weil sie merklich blass um die Nase herum aussah. "Ja geh nur. Leg dich hin, ich entschuldige dich bei Hux. Später komme ich dann zu dir, und vielleicht solltest du in der Zwischenzeit Doktor Dorey kontaktieren? Deine Vorsorgeuntersuchung ist auch wieder fällig."

Tara nickte knapp, rotierte auf den Stiefelabsätzen herum und verschwand eilig in dieselbe Richtung, aus der wir gekommen kamen. Besorgt behielt ich sie im Blick. Als sie um eine Ecke bog sah ich gerade noch, wie sie ihre Hand vor den Mund schlug. 

Die Schwangerschaftsübelkeit häuft sich in letzter Zeit sehr. Ich muss unbedingt zusehen, dass sie zu Kimura geht und das abklärt. 

"Tara lässt sich entschuldigen", informierte ich Armitage schnell, weil vor uns bereits die Schleuse zur Brücke auftauchte. 

Er bestätigte meine Bemerkung lediglich mit einem Nicken, da wir schon zu nahe an der Kommandostelle waren. Die diensthabenden Mitarbeiter salutierten, sobald sie die Generäle erblickten, um sich gleich darauf wieder ihrer Arbeit zu widmen. Peavey, Armitage und ich hielten derweil zielstrebig auf das Sichtfenster zu, über das wir die Supremacy noch einmal sehen konnten. 

Ein Offizier erhob sich von seinem nahe gelegenen Arbeitsplatz, ein Datenpad in der Hand. "Sir." Salutierend blieb er exakt zwischen den beiden Generälen stehen. Die Unsicherheit, wen von beiden er in dieser Angelegenheit ansprechen sollte, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Letzten Endes entschied sich der junge Mann dazu, den Rapport der Einfachheit halber so zu formulieren, dass sich sowohl Edrison als auch Armitage angesprochen fühlen konnten. "Die Anweisungen des Obersten Anführers sind exakt durchgeführt worden. Wir überprüfen gerade die letzten Daten auf ihre Richtigkeit." Zaghaft streckte der Mitarbeiter das Pad von sich, nicht sicher, wem er es überreichen sollte. 

Aus einem Reflex heraus griffen beide Generäle nach dem Datenpad. Peavey war eine Winzigkeit schneller als Hux und nahm daher das Gerät an sich. Gewissenhaft überprüfte er selbst noch einmal alle aufgeführten Informationen, was eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, in der Hux gezwungen war, untätig neben ihm zu stehen. 

Ein Kontrollblick aus dem Augenwinkel zeigte mir, wie sehr ihm dieser Umstand missfiel. Armitage war schon immer eine Person gewesen, die alles persönlich kontrollieren musste, um selbst die uneingeschränkte Kontrolle zu behalten. Der Zwang, sich die Befehlsgewalt mit Peavey teilen zu müssen, störte Hux gewaltig, dass zeigte alleine schon der Blick, mit dem er meinen Vater taxierte.

Oh weh! Denk nach Ria! 

Ich suchte fieberhaft nach einer geschickten Lösung, bis mir ein Geistesblitz kam. Unauffällig manövrierte ich mich hinter Hux vorbei, zwischen die zwei Männer. Weniger unauffällig dagegen, spähte ich über Edrisons Arm auf den Bildschirm des Datenpads. Ich tat es sogar so offensichtlich, dass er es unweigerlich bemerken musste. 

"Das sieht soweit gut aus." Peavey nickte dem Mann zu, wobei er das Gerät in meine Richtung hielt. "Überprüfen Sie es noch einmal, Offizierin Deveron." 

"Natürlich, Sir." Gehorsam nahm ich das Pad entgegen, drehte den Bildschirm aber so, dass Armitage ebenfalls einen prüfenden Blick darauf werfen konnte. Ich spürte seine Nähe zu mir, weil seine Brust sich als fester Widerstand an meinen Rücken drückte.

"Gute Arbeit!", sprach Hux entgegen seiner üblichen Art ein Lob aus, sehr zur Verwunderung des vor ihm stehenden Mannes. Meine eigenen Gedanken entlockten mir ein Schmunzeln. 

Dieser Tag wird in seinem Kalender rot vermerkt. "Das erste Mal ein Lob von General Hux erhalten."

"Leiten Sie die benötigten Schritte ein", delegierte Hux in der Zwischenzeit. 

"Sehr wohl, Sir!" Der junge Offizier salutierte respektvoll, bevor er sich seiner Arbeit zuwandte.

Armitage legte mir ganz kurz seine Hand auf die Schulter und beugte sich dabei zu mir vor. "Das hast du gut gemacht, Ria", sein Atem streifte beim Sprechen mein Ohr. Unsere Augen trafen sich kurz, als Armitage sich dicht an mir vorbei schob, um sich am Sichtfenster zu stationieren. Dort überwachte er die eifrige Betriebsamkeit penibel, ganz so, wie man es von ihm kannte.

Und was mache ich jetzt?

Leicht verloren, stand ich untätig auf dem Hauptsteg herum, weil Hux mir keine neue Arbeit zugeteilt hatte. Kurz entschlossen steuerte ich einen unbesetzten Terminal im hinteren Bereich der Kommandobrücke an und aktivierte den Monitor. Sogar mein alter Log-In Eingabeschlüssel wurde noch akzeptiert und das, obwohl ich schon seit längerer Zeit als Hux' Assistentin fungierte. Ich loggte mich in das Programm mit den unverteilten Kommunikationen ein, welche weitergeleitet werden mussten, was meine vorherige Aufgabe gewesen war. Nach einer kurzen Orientierung fand ich mich wieder in dem Programm zurecht. 

Es warteten ein paar Nachrichten, welche an die Generäle Peavey und Hux verteilt werden sollten. Vorwiegend handelte es sich dabei um Kostenaufstellungen und Umstrukturierungen, wegen der Tatsache, dass viele Schiffe aufgrund der Versetzung der großen Crew der Supremacy eine viel höhere Personenanzahl als vorher beherbergten. Dementsprechend musste nun auch die Höhe der laufenden Kosten angeglichen werden. Ich teilte die Anzahl der betroffenen Schiffe durch zwei und schicke jedem der Generäle jeweils die Hälfte der Arbeit zu. Zumindest in Hux' Fall wusste ich, wer die Akten bearbeiten würde, nämlich Tara und ich. 

Aber dann stolperte ich über eine äußerst interessante Nachricht, die an Kylo Ren adressiert war. Meine Überraschung wuchs noch weiter, als ich den Namen des Absenders entdeckte; Asron.

Asron? Hm ... der Name sagt mir irgendetwas. 

Nach einem Moment fiel es mir wieder ein. Asron war der Hauptmann der Wache auf Fondor gewesen und gleichzeitig der Liebhaber von Yra. Da ich wissen wollte, was er schrieb, öffnete ich die Nachricht. 

Es ist zwar verboten in Nachrichten reinzulesen die an den Obersten Anführer adressiert sind, aber dann darf ich mich eben einfach nicht erwischen lassen. 

"Oberster Anführer, wir danken Ihnen noch einmal für die uns entgegengebrachte Unterstützung. Wir konnten die Anführer der Valan-Tug gefangen nehmen. Aktuell werden sie für den Transport zu Ihrem Flaggschiff ruhiggestellt, um eine sichere Überführung zu gewährleisten. Den Vollzug der Gerichtsbarkeit legt Graf Renlan somit in Ihre fähigen Hände."

Nachdenklich klickte ich den Text weg und leitete ihn an Rens Datenpad weiter. Allem Anschein nach würden wir bald Zeugen eines Exempels werden, ob freiwillig oder nicht. Mein Magen zog sich alleine schon bei der Vorstellung an so etwas schmerzhaft zusammen. Die Valan-Tug waren grausam, das hatte ich auf Fondor mit eigenen Augen ansehen können, aber dennoch widerstrebte mir die öffentliche Ausführung einer Bestrafung zutiefst. Gleichzeitig sah ich aber auch den Sinn dahinter, dann das hier war der erste Angriff auf Kylo Ren gewesen, seitdem er als Oberster Anführer fungierte. Wenn er keine Schwäche zeigen wollte, dann musste Ren gegen so ein Verhalten mit aller Härte vorgehen. 

"Miss Deveron?", wurde ich von der Seite zaghaft angesprochen. 

Da ich tief in Gedanken versunken war, zuckte ich vor Schreck leicht zusammen, bevor ich mich zur Seite drehte, hin zu meinem Sitznachbarn. Das Gesicht des Mannes kam mir vage vertraut vor, aber genau zuordnen konnte ich ihn nicht. Scheinbar musste mir die fehlende Wiedererkennung aber anzusehen sein, da er sich gleich darauf erklärte.

"Sie haben damals ein gutes Wort bei General Hux für mich eingelegt, erinnern Sie sich?" Er sprach leise, um niemanden auf unser Gespräch aufmerksam zu machen. "Wegen meiner ... Bestrafung." 

Die letzte Bemerkung lieferte mir endlich den nötigen Hinweis. Er war derjenige gewesen, der nach Hux' öffentlicher Demütigung durch Snoke auf der Brücke ein respektloses Kommentar vom Stapel gelassen hatte. Armitage wollte ihn daraufhin so hart bestrafen lassen, dass es fast einem Todesurteil gleichgekommen wäre, so sehr war er außer sich gewesen. Nur mein beherztes Einschreiten hatte den Mann vor diesem schlimmen Schicksal bewahrt. In den Zellen wollte er mir noch einmal danken, kurz bevor die abgemilderte Form der Bestrafung ausgeführt wurde. Ich hatte danach keine Zeit mehr gehabt, mich nach seinem Befinden zu erkundigen, da Ren, Armitage und ich fast im Anschluss auf die Supremacy zitiert wurden. Und spätestens ab da hatten sich die Ereignisse überschlagen -meine Tortur auf Arkania, die anschließende Genesung, die Zerstörung der Supremacy, Snokes Tod und der Aufstieg Kylo Rens zum Obersten Anführer, gefolgt von dem Angriff auf den in die Enge getriebenen Widerstand- dass ich schlichtweg nicht mehr an den Mann gedacht hatte.

"Ja, natürlich", gab ich ebenso leise zurück. "Wie geht es Ihnen?"

"Die Wunden sind verheilt, einzig die Narben sind geblieben." Ein lapidares Schulterzucken folgte. "Nun, es war mir eine Lehre. Ich werde nie wieder so vorlaut agieren, vor allem dann nicht, wenn meine Bemerkung direkt einen Vorgesetzten betrifft. Es war mir nur wichtig, mich noch einmal persönlich bei Ihnen zu bedanken."

"Gern geschehen." Ich wollte mich gerade wieder meiner Aufgabe zuwenden, als der Mann weitersprach. "Ich bin übrigens Sol Rivas."

"Victoria."

Sol lächelte leicht. "Ich weiß. Ihr Handeln hat Ihnen bei der Brückencrew der Finalizer einige Pluspunkte eingebracht."

"Oh." Ich wusste nicht so richtig, was ich darauf antworten sollte. "Okay."

Sol spähte kurz über seinen Monitor, in Richtung Sichtfenster. Mein Blick eilte ebenfalls in dieselbe Richtung. Armitage stand noch immer dort, wo er vorher Aufstellung bezogen hatte, allerdings war er gerade offensichtlich auf der Suche nach mir, denn seine Augen glitten prüfend über die Anwesenden hinweg. Sobald er mich erspäht hatte, kam er zielstrebig auf mich zugelaufen. Sol schrumpfte an meiner Seite sichtlich zusammen in der Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit des Generals über ihn hinweggehen würde.

"Was machst du hier, Ria?", fragte Armitage, als er hinter mir stehenblieb.

"Arbeiten." Unschuldig streifte mein Blick zu ihm hoch. "Ich habe dir noch eine ganze Ladung an ungeprüften Nachrichten zukommen lassen."

"Das hat noch Zeit und kann warten. Komm mit." Hux wartete bis ich stand, denn er hatte ganz offensichtlich die Absicht, seinen Arm um meine Schultern zu legen. "Ich dachte mir, dass du die Zerstörung der Supremacy vielleicht mit eigenen Augen sehen willst", raunte er mir im Vorgehen zu.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf wegen dieser Anmerkung. "Wie ... romantisch du doch bist."

"Ja, nicht wahr?" Armitage stieg auf meinen leicht sarkastisch neckenden Tonfall ein. "Es gibt nichts besseres als eine Frau später in sein Bett zu bekommen, wenn man ihr Logenplätze in der ersten Reihe bei der Zerstörung eines riesigen Schiffes anbietet."

Skeptisch wanderte meine Augenbraue höher. "Okay. Wer sagt denn, dass ich später wirklich in deinem Bett lande? Ich an deiner Stelle wäre mir da nicht zu sicher." 

Hux schmunzelte. "Du wirst ganz bestimmt dort landen. Gegenwehr zwecklos." Sein Arm zog mich näher zu ihm hin, damit er einen Kuss auf meinem Mund platzieren konnte, bevor wir auch schon am Panoramafenster ankamen. 

"Sir? Feuer-Sequenz ist eingeleitet", teilte ein Mitarbeiter mit, ohne dabei seine eifrige Tipperei auf dem Terminal zu unterbrechen. 

"Wunderbar. Auftrag freigeben", schaltete sich Edrison mit ein und kam Hux damit erneut zuvor. 

"Jawohl, Sir. Sprengung wir eingeleitet in dreißig ... neunundzwanzig ... achtundzwanzig ...", begann der Mann den Countdown herunterzuzählen. 

Ich sah den Ärger in Hux' Augen, als er meinen Vater wütend ansah. Natürlich fiel es ihm schwer, die Befehlsgewalt auf einmal mit jemandem teilen zu müssen, denn er war jahrelang die Oberste Instanz auf der Finalizer gewesen. 

"Zwanzig ... neunzehn ... achtzehn ..."

Ich hielt mich eng an Armitage gekuschelt und drückte mich auf den Zehenspitzen etwas nach oben, um auch weiterhin in leisem Flüsterton sprechen zu können. "Ärgere dich nicht. Im Augenblick ist es noch ungewohnt, dass du dir das Kommando mit Peavey teilen musst, aber auch das wird sich einpendeln. Ich denke wirklich, dass ihr beide euch gut ergänzen könnt, wenn ihr zusammenarbeitet. Ein Vorteil wäre auf jeden Fall, die Aufgaben exakt zu strukturieren, wer für was genau zuständig ist. So kommt ihr euch nicht gegenseitig in die Quere."

"Acht ... sieben ... sechs ... fünf ..."

Armitage sah nachdenklich zu mir herab, einen Arm noch auf meiner Schulter, mit der anderen Hand fuhr er sanft die Konturen meines Kieferknochens nach.

"Zwei ... eins ..."

Unzählige grelle Flammenfontänen schossen aus dem Rumpf der Supremacy, wenige Sekunden später bot sich dasselbe Bild auch an den oberen Decks. Die Flammen breiteten sich aus, nahmen immer mehr Raum ein und hüllten das einst so stolze Flaggschiff schließlich komplett ein. Ein mehrere Kilometer hoher Funkenregen wirbelte in die Dunkelheit des Alls hinaus, als die linke Tragfläche schließlich auch noch wegbrach. Wo Reste explosiver Materialien und entzündlicher Treibstoffe mit den Flammen und der Hitze in Berührung kamen, durchstießen wirbelnde Feuerarme gewaltvoll die Außenhülle des Schiffes. Hux stand still und schweigend neben mir, gebannt die sich bietende Szene betrachtend. Er wirkte auffallend in sich gekehrt und nachdenklich. 

"Armitage? Ist alles okay?", flüsterte ich ihm zu. Aufmerksam betrachtete ich meinen Partner und entdeckte, wie die Reflexion des Feuerscheins in seinen Augen glomm. Behutsam drückte ich seine Finger mit meinen ein wenig fester.

"Ja", antwortete er abwesend. "Die Situation erinnert mich nur an die Zerstörung von Starkiller und seitdem ging fast alles schief. Ich ... bekomme Zweifel, Ria." Endlich wandte Hux den Kopf von dem Schauspiel ab und sah mir direkt in die Augen. "Und ich habe Angst davor, was noch alles passiert. Weil ich das bedrohliche Gefühl einfach nicht loswerde, dass bald etwas schlimmes auf uns zukommt und wir es nicht verhindern können."

"Wird es nicht", hielt ich dagegen. "Es wird alles gut gehen, Armitage, du wirst sehen."

Mein Partner nickte zwar, sah aber keineswegs im Entferntesten auch nur beruhigt aus. 

Weil es für mich in der nachfolgenden Zeit nicht mehr viel zu erledigen gab, was irgendwelche organisatorischen Aufgaben betraf, bat ich Hux um Erlaubnis, zu Tara gehen zu dürfen. Ich merkte zwar, dass er mich viel lieber an seiner Seite behalten hätte, mir aber trotzdem die Erlaubnis dazu gab, was ich ihm hoch anrechnete. 

"Danke, Armitage." Ich hauchte einen sanften Kuss auf seine Lippen. Da gerade niemand in Hörweite war, wenn ich meine Stimme gesenkt hielt, nahm ich mir noch einen Moment Zeit, um eine Erklärung abzugeben. "Die Vorsorgeuntersuchung ist fällig, es kann also sein, dass ich einen Moment länger weg bin. Aber spätestens zu deinem Dienstende komme ich wieder in dein Quartier."

"In unser Quartier", verbesserte Hux automatisch und zog mich dabei noch einmal enger an sich, um einen weiteren Kuss zu stibitzen. 


"Tara?" Ich pochte mit den Fingerknöcheln an ihre Tür, als sich auch nach dem zweiten betätigen des Türsensors nichts tat. Angestrengt versuchte ich zu lauschen, ein Vorhaben, was von der schalldichten Tür gründlich zunichte gemacht wurde. Ärgerlich verdrehte ich über mich selbst die Augen. 

Mensch, Ria! Denk nach. Wenn die Tür schalldicht ist, dann kann sie mein Klopfen auch gar nicht hören.

Weil mir keine andere Möglichkeit blieb, schickte ich eine Nachricht via Datenpad an sie. Trotzdem dauerte es noch gefühlt fünf Minuten, bis mir endlich die Tür von einer besorgniserregend blassen Tara geöffnet wurde. 

"Oje." Schnell schlüpfte ich durch den Türspalt in ihr Zimmer und verriegelte sie hinter mir wieder. "Tara, Süße was ..." 

Ich kam nicht mal mehr dazu meine Frage zu beenden, dann Tara schlug sich hektisch eine Hand vor den Mund und stürmte in Richtung Badezimmer davon, wo gleich darauf ein Würgen zu hören war. Ich spielte noch eine Sekunde mit dem Gedanken, ob es ihr unangenehm sein könnte wenn ich sie so sah, schob ihn dann aber energisch beiseite und folgte meiner Freundin. 

Wenn sie mich nicht hätte dabei haben wollen, dann hätte sie mich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vor der Tür stehen lassen.

Taras Badezimmer war recht klein. Zwischen Toilette und Duschkabine war ohnehin schon sehr wenig Platz, der massiv schrumpfte, als als ich mich auch noch an Taras Seite zwängte. Beruhigend sprach ich auf sie ein, streichelte über ihren Rücken und hielt ihre Hand, während sie sich krampfhaft übergab. Irgendwann war es vorbei und sie sank vor der Kloschüssel als einziges Häufchen Elend zusammen. 

"Wie lange ist es schon so schlimm?" Ich kehrte mit einem kühlen Tuch vom Waschbecken zurück und rieb ihr Gesicht damit ab. Als Antwort wimmerte Tara nur leise und hielt sich ihren angespannten Oberbauch. 

Es tat mir leid, sie so mitgenommen zu sehen. "Komm her, Süße", einladend streckte ich meine Arme nach ihr aus und zog sie an mich. Dankbar legte sie ihren Kopf auf meiner Schulter ab und umarmte mich ebenfalls. "Tara? Wie lange geht es dir schon so?", hakte ich noch einmal nach. 

"Seit wir hier angekommen sind", erklärte sie abgehakt. 

"Und ist es jeden Tag so schlimm?"

"Nein, zum Glück nicht." 

Wir blieben noch eine Zeitlang im Badezimmer auf dem Boden sitzen, um sicherzugehen, ob die Übelkeit langsam aber sicher abebbte. Als es Tara schließlich soweit wieder besser ging das sie aufstehen konnte, half ich ihr auf die Füße und bugsierte sie auf ein Sofa im Aufenthaltsbereich. 

"Bleibst du bei mir, Ria?"

"Aber sicher." Ich ließ mich auf der Sofakante nieder und wischte meiner Freundin ein paar verirrte Haarsträhnen aus der Stirn. Nebenbei fummelte ich mein Datenpad vom Gürtel. "Hast du Doktor Dorey schon kontaktiert?"

"Nein. Ich bewege mich nur ungern über so weite Strecken durchs Schiff, wenn mir so übel ist."

Die Erklärung leuchtete ein, deshalb schickte ich Kimura eine Nachricht in der ich ihn bat, stattdessen in Taras Quartier zu kommen, weil es ihr so schlecht ging. Wenig später kam bereits die Bestätigung von ihm, dass er auf dem Weg war. Dann orderte ich noch eine Wärmflasche für Taras verkrampften Magen und einen warmen Tee. 

"Der Arzt kommt her und sieht gleich nach dir, Süße."

Tara verzog daraufhin zwar unwillig das Gesicht, aber sie enthielt sich jeglichen Protests. In der Zeit, die Kimuras Eintreffen vorausging, rannte Tara noch einmal ins Badezimmer, mich im Schlepptau. Ich hatte ihr gerade dabei geholfen, wieder eine bequeme Position auf dem Sofa einzunehmen, als alles vorbei war, als der Türsummer einen Besucher vermeldete. 

"Ich bin gleich wieder bei dir. Das wird Dorey sein." 

Ich sollte Recht behalten, der Besucher war Kimura. Ausgestattet mit seinem Koffer, betrat er zügig Taras Quartier. "Offizierin Deveron, Sergeant Milla", begrüßte er uns beide, bevor er zielstrebig zu Tara ging. 

Um Kimura genügend Platz für die Untersuchung zu lassen, positionierte ich mich hinter dem Sofa. Neben den routinierten Fragen -wie lange geht es Ihnen schon so schlecht? Ist das jeden Tag so? Gibt es spezielle Dinge, wie Gerüche oder Mahlzeiten, welche die Übelkeit auslösen oder verstärken? Müssen Sie alles erbrechen, was Sie zu sich nehmen?- tastete Kimura auch ihren oberen Bauchbereich ab. Ich hielt mich im Hintergrund und streichelte nur ab und an über Taras Schulter, aber scheinbar hatte Kimura just in diesem Moment eine besonders empfindliche Stelle ertastet, weil Tara umgehend hochruckte und nur ganz knapp einen Schwung Erbrochenes an seinem Kittel vorbei spuckte. Entgeistert hüpfte Kimura ein Stückchen zurück, mir dagegen entschlüpfte ein amüsiertes Schnauben.

"Entschuldigung." Tara wischte sich verlegen über den Mund und lehnte sich wieder auf dem Sofa zurück.

"Schon okay", brummte Kimura noch immer leicht angesäuert.

"Du kannst nichts dafür", tröstete ich sie.

Tara spinkste über die Schulter zu mir hoch und griff nach meinen Fingern. 

Kimura dagegen hatte seine Lektion gelernt und entschied sich dagegen, noch weiter auf ihrem Bauch herumzudrücken. "Ich habe Ihnen einige Tropfen mitgebracht." Erklärend hielt er ein Fläschchen hoch. "Sie nehmen davon dreimal täglich zehn Tropfen in einem Glas Wasser aufgelöst, morgens, mittags und abends. In den ersten zwei Tagen kann es Ihnen trotzdem noch immer sehr schlecht werden, aber spätestens am dritten Tag sollten Sie eine deutliche Verbesserung merken. Falls das nicht der Fall ist, melden Sie sich bitte noch einmal bei mir. Wenn es allerdings besser wird, wovon ich stark ausgehe, dann möchte ich Sie im Laufe dieser Woche auf der Medizinischen sehen, um die weitere Vorsorgeuntersuchung durchführen zu können. Des weiteren sollten Sie auf allzu fettige Speisen verzichten und lieber zu leichterer Kost greifen."

Tara nickte bestätigend. "Ist gut. Danke."

Kimura verabschiedete sich und war gerade im Begriff das Quartier zu verlassen, als ein Service-Droide hereingerollt kam und die georderten Hilfsmittel brachte. Ich nahm alles entgegen und tauschte dabei einen raschen Blick mit Kimura aus. 

"Wir müssen reden", formten seine Lippen lautlos. 

Ich nickte wortlos, um dann schnell wieder zu meiner Freundin zu huschen. Der Widerstand konnte vorerst warten, im Augenblick räumte ich Tara die größere Priorität ein.

"Der war ja ziemlich schnell weg", erklärte sie, während sie gerade dabei war, sich mühsam auf den Ellbogen hochzudrücken. 

"Bleib liegen, ich richte das Medikament für dich." Sanft aber bestimmend hielt ich sie an den Schultern fest und brachte sie letztendlich wieder dazu, sich auf dem Sofa auszustrecken. "Aber ja, du hast recht. Deine Methode war ziemlich effektiv, um ungeliebte Ärzte gekonnt in die Flucht zu schlagen. Das muss ich mir für das nächste Mal merken." 

"Du bist so blöd, Ria!", brachte Tara halb empört, halb amüsiert heraus, was letzten Endes darin gipfelte, dass ich herzhaft lachen musste, wogegen Tara nur gequält das Gesicht verzog. "Bring mich nicht zum Lachen, Ria." 

Während ich immer noch kichernd dabei war das Glas mit Wasser aus einer Karaffe an einem nahe gelegenen Tisch zu füllen und die angegebene Menge an Tropfen abzuzählen, beseitigte der Droide still die Sauerei auf dem Boden. 

"Hier bitte." Ich gab Tara das Glas zurück, legte meine Hand in ihren Nacken und stütze dadurch ihren Kopf, damit sie die Lösung trinken konnte. 

"Danke. Du bist so aufmerksam." 

"Natürlich. Dafür sind Freundinnen doch da." Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln, was sich in Taras Gesicht spiegelte. "Falls es dir morgen immer noch so schlecht gehen sollte, dann schreibst du mir. Ich entschuldige dich dann bei Hux. Du musst dich nicht in unser Büro quälen, wenn es nicht geht."

Sie neigte nachdenklich den Kopf und kaute dabei auf ihrer Unterlippe. Es war deutlich zu sehen, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. 

"Sag schon, was hast du?" Ich neigte leicht den Kopf zur Seite, um wieder Blickkontakt herstellen zu können. "Ich sehe doch, dass dich etwas beschäftigt."

Taras braune Augen huschten zu mir zurück. "Ich wollte dich fragen ob du ... ob du dir Gedanken gemacht hast, wegen einer Lösung. Ist dir etwas eingefallen?" Sie streichelte erklärend über ihren Bauch. Ihr Tonfall, selbst die gesamte Ausstrahlung drückten Taras Unsicherheit und Angst vor der Ungewissheit aus, die vor ihr lag. Ich schluckte schwer. 

Wie viel kann ich ihr verraten, ohne dabei meine Tarnung aufzugeben? Und ... macht das überhaupt Sinn? Irgendwann muss ich Tara sowieso die Wahrheit sagen. Aufgeschoben ist in diesem Fall nicht aufgehoben. 

Ich atmete noch einmal tief durch und traf eine Entscheidung. "Okay. Mir ist tatsächlich eine Lösung für dich eingefallen." 

Schlagartig hellte sich ihr Gesicht auf, als Erleichterung darüber hinwegfegte. 

Ich legte stattdessen beide Hände auf ihre Schultern und verpasste ihrer Euphorie einen Dämpfer. "Tara. Du musst mir jetzt genau zuhören. Und versprich mir, dass du mich ausreden lässt. Das du mich nicht unterbrichst, ganz egal, wie ungeheuerlich das was ich jetzt sage, auf dich wirken muss." 

Man konnte regelrecht dabei zusehen, wie das Lächeln auf ihrem Gesicht gefror, sobald sie meinen ernsten Tonfall hörte. "Ria, was ...?"

Meine erhobene Hand erstickte ihre Frage. "Versprichst du mir, dass du zuhörst?"

"Ja."

"Und egal, was ich dir sage, es bleibt unter uns. Du spricht mit niemandem darüber! Mit niemandem!" Ich fixierte sie eindringlich.

"Ria, du machst mir Angst." Taras Hände schossen nach oben und umklammerten meine. 

"Nichts liegt mir ferner, als dir Angst zu machen. Ich möchte nur, dass du die Tragweite dessen, was du gleich zu hören bekommst, auch vollständig begreifst." Ich zögerte kurz, bevor ich die nächsten Worte aussprach. Lauschte in mein Innerstes hinein. Auf meinen Herzschlag, der vor lauter Nervosität in die Höhe schnellte und das Blut regelrecht durch meine Adern peitschte. "Weil nicht einmal Armitage etwas davon weiß, oder auch nur ahnt."

Tara sah mich sprachlos an, nur noch dazu in der Lage, meine Forderung mit einem Nicken zu bestätigen. 

Bei den Sternen, ich tue es wirklich.

"Okay, Süße. Du kannst nicht hier bleiben, zumindest nicht mehr lange, da sind wir uns beide einig, denn schon bald wird dein Zustand Fragen aufwerfen."

"Aber wo soll ich denn hin?", jammerte sie aufgeschmissen dazwischen. "Ich habe keine Familie, die irgendwo auf mich wartet, ich bin allein, Ria!" Blanke Panik spiegelte sich auf ihren Gesichtszügen. 

"Das musst du aber nicht bleiben. Zum Glück kenne ich genau die richtigen Leute, die dich aufnehmen könnten. Die dir Schutz gewähren und dich freundlich behandeln, sobald du ihr Vertrauen gewonnen hast. Die dir dein Baby nach der Geburt nicht wegnehmen. Und ich werde alle Hebel in Bewegung setzten und alle Kontakte nutzen, dass sie dich mit offenen Armen empfangen."

"Wer?", hauchte Tara.

Ich zögerte kurz. Aber mittlerweile war ich zu weit gegangen, um jetzt noch einen Rückzieher machen zu können. "Der Widerstand." 

Diesen Worten folgte eine belastende Stille. Ich sah Tara genau an, um nicht die kleinste Regung in ihrem Gesicht zu verpassen. Unglaube spiegelte sich in ihren Augen, dass ich ausgerechnet die Personengruppe benannte, um ihr zu helfen, die eigentlich erklärte Feinde der Ersten Ordnung waren. Und dann setzte ich dem ganzen die Krone auf. 

"Tara." Ich drückte ihre Hände fester. "Ich habe noch nie zur Ersten Ordnung gehört. In Wahrheit bin ich ein Teil des Widerstands und wurde als Spionin hier eingeschleust, nachdem wir geheime Informationen von Starkiller-Basis erhalten hatten. Das alles hier, mein Lebenslauf an der imperialen Akademie, meine Zeugnisse, Empfehlungen und dergleichen, sogar die Akte ... es ist alles gefälscht."

Man konnte regelrecht dabei zusehen, wie sehr sie der Schock, so etwas aus meinem Mund zu hören, aus der Bahn warf. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte sie nach Luft und brachte dabei nicht einen einzigen Ton über die Lippen. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, als Geste der Ablehnung über das eben gehörte. "Nein", flüsterte Tara schockiert. "Nein, nein, nein." Diesmal schüttelte sie den Kopf so heftig, dass ihre langen braunen Haare wild in alle Richtungen logen. 

Ich konnte so gut nachempfinden, wie sie sich jetzt fühlen musste. Geschockt wegen dem Offenbarten, in Ablehnung gefangen, weil sie die Tatsachen einfach nicht wahrhaben wollte. Verraten, da sie in mir mittlerweile eine Freundin sah und erschüttert darüber, dass es überhaupt möglich gewesen war, eine Spionin an den extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen vorbeizuschleusen. 

"Ria." Ein erneutes Kopfschütteln. "Das ist nicht wahr. Das kann nicht sein!" Tara umklammerte meine Hände, die noch immer auf ihren Schultern lagen, fester. "Nein, Ria. Du verarschst mich gerade nach Strich und Faden. Ich glaube dir nicht." Ihre Stimme wurde flehentlicher und klang inzwischen nicht mehr allzu weit von einem Tränenausbruch entfernt.

Oh oh. Ich habe die Stimmungsschwankungen wegen der Hormone in der Schwangerschaft total vergessen. Das hier wird wahrscheinlich gleich in eine emotionale Achterbahnfahrt ausarten. 

"Tara ... ich ..."

"NEIN!", unterbrach sie mich energisch. "Du bist meine Freundin, also kannst du nicht zum Widerstand gehören!" Tränen flossen aus ihren Augen über und benetzten ihre Wangen. "Denn sonst ...", ein Schluchzen unterbrach sie, "sonst müsste ich deinen Verrat melden! Und das ... das will ich nicht! Hörst du, Ria? Ich habe dich für meine Freundin gehalten!" Dieser Satz endete ebenfalls in einem japsenden Schluchzer. 

"Ich bin auch deine Freundin! Daran darfst du niemals zweifeln!", warf ich dazwischen, aber Tara sprach weiter, so als hätte sie mich nicht gehört.

"Ich dachte du bleibst in dieser schwierigen Zeit bei mir! Als Unterstützung und als Vertrauensperson!", mittlerweile weinte sie hemmungslos, was es mir schwerer machte, ihre abgehackten Worte zu verstehen. 

"Tara, bitte beruhige dich doch!" Ich versuchte sie an den Schultern näher zu mir zu ziehen und sie in die Arme zu nehmen, damit ich sie wieder beruhigen konnte, denn Tara regte sich gerade zu sehr auf, als dass es gut für sie wäre.

"Nein!", energisch stieß sie meine Hände von sich weg und wischte sich fahrig die Tränenspuren aus dem Gesicht. Dann sprang sie vom Sofa auf und lief getrieben vor dem Sofa auf und ab. "Was mache ich denn jetzt? Was mache ich denn jetzt?" 

Mit zitternden Fingern ertastete sie das Datenpad an ihrem Gürtel. Aktivierte das Display, das heftig in ihrer Hand bebte. Warf mir noch einen letzten, traurigen Blick zu, bevor sie hektisch Eingaben betätigte. 

In mir zog sich alles zusammen, denn wenn das hier schief ging, dann konnte ich meine Pläne mit Armitage abschreiben. Ihr Verhalten zwang mich zu einer Handlung, aber eine letzte Chance wollte ich Tara noch geben. 

Leise erhob ich mich vom Sofa und ging zu ihr. 

Blieb ganz dicht an ihrer Seite stehen. 

Legte eine Hand auf ihren Unterarm und sagte nur ein einziges Wort. "Bitte."

Tara sah mit tränenverhangenem Blick von dem Gerät in ihrer Hand auf. Ab und an kullerten vereinzelte Tropfen über ihre Wangen, aber ansonsten blieb es still zwischen uns. Keine sagte etwas. Wir beide waren gefangen in diesem entscheidenden Augenblick, denn Taras Entscheidung würde alles nachfolgende beeinflussen und ich wollte den Gedanken nicht zulassen, dass ausgerechnet sie diejenige wäre, die mich verraten würde. 

Die junge Frau vor mir schniefte noch einmal. "Warum muss das so sein, Ria? Warum kannst du nicht einfach zu uns gehören?" Diesen Worten folgten wieder Tränen, doch diesmal hielt Tara sie nicht auf. Ungehindert liefen sie bis hinab in den Kragen ihrer Uniform. 

Zum Glück hatte ich immer ein sauberes Taschentuch in meiner Hosentasche, nach dem ich jetzt griff. Ich gab ihr keine Antwort auf die gestellte Frage, sondern wischte ihr weiterhin stumm die Nässe vom Gesicht. Dabei ließen unsere Augen keine Sekunde voneinander ab. 

Einen Moment später deaktivierte Tara das Datenpad, bevor es aus ihren Fingern rutschte und mit einem dumpfen Poltern auf dem Boden aufschlug. Verzweifelte Schluchzer schüttelten ihren Körper durch. 

Ich wollte nur zu gerne meine Arme um Tara legen und sie trösten, aber noch war ich mir unsicher, ob sie das überhaupt wollen würde. Oder auch nur zulassen. 

Aber Tara nahm mir diese Entscheidung ab, indem sie einen Schritt vortrat und sich dann einfach gegen mich warf. Ihr Kopf kam an meiner Schulter zum Liegen, wo sie ihrer Verzweiflung erst einmal freien Lauf ließ. 

"Ist ja gut, Tara", flüsterte ich ihr zu, meine Hände streichelten dabei über ihren Rücken. 

Irgendwann hatte sie sich wieder beruhigt. Inzwischen standen wir auch nicht mehr, sondern waren wieder in unserer ursprünglichen Ausgangsposition auf dem Sofa angekommen. Aber jetzt gab es kein Halten mehr, denn Tara wollte alles ganz genau von mir wissen. "Ria, wie ist das überhaupt möglich? Ich hätte niemals damit gerechnet, dass du keine von uns bist ", sagte sie mit verweinter Stimme. 

Ich konnte diese Frage verstehen und sie hatte auch durchaus ihre Berechtigung, doch zuerst musste ich mich dessen versichern, dass mein Geheimnis bei ihr auch weiterhin gut aufgehoben sein würde. "Ich werde dir alles erklären Tara, versprochen. Aber sag mir zuerst, wie du zu dem ganzen stehst."

"Keine Ahnung." Sie zuckte aufgeschmissen mit den Schultern. "Ich werde dich nicht auffliegen lassen, Ria, aber ich möchte die Wahrheit hören. Die ganze Wahrheit."

"Okay." Ich nickte ihr zu. "Dann nehme ich dich beim Wort. Und, Tara? Ich vertraue dir." 

Meine Aussage entlockte ihr ein kleines Lächeln. 

Wo fange ich an?

"Ich habe dir vorhin schon erklärt, dass ich hier eingeschleust wurde, als wir von Starkiller-Basis gehört haben. Ich sollte Informationen sammeln und an Leia weiterleiten."

"Leia Organa?", fragte Tara dazwischen.

"Genau die. Ich ..."

"Wie konntet ihr davon gehört haben? Die ganze Sache ist absolut vertraulich behandelt worden", unterbrach mich Tara erneut. 

"Wer sagt denn, dass ich die einzige Spionin in euren Reihen bin?" 

Entgeistert sackte Tara an die Lehne hinter sich. "Es gibt noch mehr von euch? Hier?"

"Mhm. Wir haben viele Unterstützer, Tara, genauso wie die Erste Ordnung, auch wenn es euer Oberkommando gerne andersherum darstellt und euch erzählt, dass wir eine Minderheit sind. So haben wir die ersten ungenauen Informationen über Projekt Starkiller erhalten. Aber es war nicht genug, um daraus Rückschlüsse ziehen, oder auch nur handeln zu können. Wir brauchten jemanden, der einen hohen Posten besetzen kann, wo man etwas erfährt und so bin ich ins Spiel gekommen. Beim Widerstand habe ich mich auch um die Kommunikation gekümmert, darum war es nicht weit hergeholt, als die Wahl auf mich gefallen ist."

"Weil du mit deiner gefälschten Akte aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Brücke eingesetzt werden würdest, wo du einen direkteren Zugang zu solchen vertraulichen Daten bekommst", schlussfolgerte Tara.

"Ganz genau. Und das Hux an mir einen Narren gefressen hatte und er zudem noch eben noch genau jene Person war, die dieses Projekt sogar leitet, hat uns das noch mehr in die Karten gespielt."

"Ich dachte du liebst Hux!"

Ich seufzte schwer. "Das tue ich auch, sogar von ganzem Herzen. Und genau das macht diese verdammte Situation auch so beschissen schwierig. Um ehrlich zu sein, habe ich Angst vor seiner Reaktion, wenn er die Wahrheit erfährt."

"Du willst es ihm sagen?", hauchte Tara fassungslos.

"Irgendwann ja. Das bin ich ihm schuldig, nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben." Ich sammelte mich kurz, um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. "Aber jetzt geht es nicht um mich und Armitage, sondern um dich. Es war kein Scherz von mir, als ich sagte, du sollst zum Widerstand gehen. Was dir bevorsteht, wenn du hier bleibst, ist dir bekannt. Sie würden dir dein Baby direkt nach der Geburt wegnehmen und dich auch noch dafür bestrafen. So etwas würde dir beim Widerstand nicht passieren."

"Ria, wie stellst du dir das vor? Streng genommen bin ich eine Feindin von euch."

"Ich sehe dich nicht als solche. Außerdem haben wir noch Zeit, um alles in die Wege zu leiten und abzuklären. Wenn du das willst." Abwartend sah ich sie an. 

Tara war die Verunsicherung deutlich anzusehen, weshalb ich schnell weitersprach. 

"Süße, alleine die Vorteile würden überwiegen. Du könntest dein Kind selbst aufziehen und aufwachsen sehen. In Freiheit. Ohne, dass dich jemand dafür verurteilt. Nur möchte ich das nicht über deinen Kopf hinweg entscheiden. Erst wenn du mir dein Einverständnis gibst, werde ich die nötigen Vorbereitungen treffen. Noch haben wir Zeit, zumindest ein wenig."

"Aber nicht mehr viel, verstehe ich die Andeutung zwischen deinen Worten richtig?" 

"Ja. Wenn du diese Option, die ich dir gerade vorgeschlagen habe wirklich in Betracht ziehen solltest, dann bleibt uns noch genau so viel an Zeit, wie wir deinen wachsenden Bauchumfang mit einer weiter geschnittenen Uniform kaschieren können. Aber spätestens in drei Monaten schließt sich das Zeitfenster. Wenn du den 7. Schwangerschaftsmonat erreichst, dann kann selbst eine größere Uniform deinen Umstand nicht länger verbergen", äußerte ich meine Bedenken. 

Tara blickte nachdenklich zu Boden. 

"Du musst das nicht jetzt gleich entscheiden. Lass dir Zeit dabei. Aber bedenke eines; egal zu was du dich entschließt, diese Entscheidung ist dann endgültig. Ob in die eine Richtung, oder in die andere, aber dann ...", ich umfasste ihre Finger, damit sie mich wieder ansah, "gibt es kein Zurück mehr."

"Das ist mir bewusst", gab Tara zu. "Nur ... ich kann das nicht sofort ... mir ... geht zu viel durch den Kopf", stockend brach sie schließlich mitten im Satz ab.

"Das ist nur allzu verständlich." Ich rutschte auf dem Sofa dichter an Tara heran und nahm sie noch einmal in den Arm. "Aber egal wie du dich entscheidest. Ob du hier bleibst, oder dich entschließt zu gehen, ich bin für dich da, solange ich kann."

Taras Arme umschlossen mich. "Danke, Ria. Ich bin froh, dass du so denkst. Und dein Geheimnis ist bei mir sicher, versprochen. Niemand wird davon erfahren." 


Außerhalb von Taras Quartier brauchte ich erst einmal einen Augenblick für mich selbst, um mich wieder zu sammeln. Ihre Versicherung, mein Geheimnis zu bewahren hatte mich zwar beruhigt und ich schätzte Tara wirklich nicht so ein, dass sie dieses Wissen weitergeben würde, aber dennoch blieb ein leicht ungutes Gefühl in der Magengegend zurück. 

Immerhin oute ich mich nicht jeden Tag als Spionin. Dieses Wissen in den falschen Händen bedeutet meinen sicheren Tod, nachdem ich die Folter überstanden habe. 

Energisch wischte ich diese Gedanken beiseite, holte mein Datenpad hervor und überprüfte die Uhrzeit. Obwohl das Gespräch mit Tara ein enorm großes Zeitfenster veranschlagt hatte, verblieb immer noch genügend Zeit bis zu Armitages Dienstende. Ich entschied, Kimura auf der Medizinischen zu besuchen, immerhin hatte er auch schon angedeutet, mit mir sprechen zu müssen. Eine schnelle Nachricht informierte ihn über mein Kommen. Blieb nur zu hoffen, dass mich unterwegs niemand abpassen würde.

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