Kapitel 65 - Über den Rang hinaus -General Hux-
-HUX-
Ich vermisse sie.
Nicht, dass dieser Gedanke etwas neues ist. Oder in irgendeiner Weise überraschend. Fester als notwendig klatsche ich die Akte auf den Schreibtisch von Tara. Ich persönlich würde sie niemals so vertraulich ansprechen, aber in meinen Gedanken ist sie mittlerweile Tara und nicht mehr Sergeant Milla. Ein weiterer Punkt des Einflusses, den Victoria auf mich hat.
Die junge Frau vor mir erschrickt leicht, als die Mappe ohne Vorwarnung auf ihrem Tisch landet. Verunsichert zuckt ihr Blick zu mir hoch, doch ich schenke ihr schon gar keine Beachtung mehr, sondern steuere zielstrebig meinen eigenen Arbeitsplatz an.
Der Tag vergeht in fliegender Eile. Überrascht registriere ich, dass Tara und ich bis zum Abend schweigend nebeneinander hergearbeitet haben. Ohne nur das kleinste Wort miteinander zu wechseln. Aber mir ist es heute unglaublich schwer gefallen, meine Gedanken auf die anliegenden Aufgaben zu konzentrieren. Zu viele lose Wortfetzen vom gestrigen Abend schwirren unsortiert und wirr in meinem Kopf herum. Von meinem Gespräch mit Victoria und ihrer Andeutung. Noch immer höre ich deutlich einen ganz bestimmten Satz, wieder und wieder, dessen Bedeutung eine enorme Auswirkung auf unser zukünftiges, gemeinsames Leben haben kann: "Vielleicht liegt unserer beider Zukunft nicht in den Reihen der Ersten Ordnung."
Wie kommt sie nur auf diesen Gedanken? Die Erste Ordnung verlassen? Könnte ich das tun, zusammen mit meiner Victoria? Allem, was ich bisher kenne, einfach den Rücken kehren, um nie mehr wiederzukommen?
Müde seufzend stütze ich meinen Kopf auf der geöffneten Handfläche ab. "Sie können Feierabend machen", sage ich ohne aufzublicken in den Raum.
"Danke, Sir." Ich höre das Rascheln geschlossener Akten, die zur Seite gelegt werden. "Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend, Sir. Grüßen Sie Ria bitte von mir." Damit ist Tara verschwunden und ich bin alleine.
Sofort nehmen meine Überlegungen wieder an Fahrt auf.
Rias Worte sind nicht unbegründet. Immerhin hat sie mir ihren Standpunkt genau erklärt, wie sie zu dieser Überlegung gekommen ist. Die immerwährenden, andauernden Schikanen und Demütigungen von Kylo Ren schlagen auch mir langsam aber sicher aufs Gemüt. Ich spüre selbst, wie meine Toleranzgrenze immer niedriger wird. Wie ich immer leichter aus der Haut fahre und auf seine Provokationen reagiere. Und dieser ... verschissenen Person bereitet es vermutlich eine enorme Befriedigung, am längeren Hebel zu sitzen und mir übergeordnet zu sein. Wenn ich ihn nur irgendwie von der Bildfläche verschwinden lassen könnte. Ihn ... umbringen.
Meine Finger massieren über meine vor Schmerz pochenden Schläfen. Im Laufe des Tages haben sich hämmernde Kopfschmerzen eingestellt, die einfach nicht verschwinden wollen.
Vermutlich, weil mir zu viel durch den Kopf geht.
Schnell greife ich die Überlegung von gerade eben wieder auf.
Kylo Rens Tod würde all meine Probleme mit einem Schlag lösen. Das wäre natürlich eine Möglichkeit, denn dann müssten Victoria und ich nicht von hier weggehen. Aber wie soll ich das anstellen? Es dürfte absolut keine Spur zu mir zurückzuverfolgen sein, damit ich über jeden Zweifel erhaben bin. Aber mit der Macht ist Ren mir definitiv überlegen. Nun. Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg. Eine andere Variante, die mir im Moment gerade einfach nicht einfällt.
Ich schicke eine kurze Nachricht an meine Geliebte, dann ordere ich über einen Droiden ein Schmerzmittel für meinen Kopf.
Wenig später, -die Schmerzen sind endlich abgeklungen, weil das Mittel wirkt- , betrete ich durch den Korridor die Hauptbrücke. Kapitän Yago sieht alles andere als erfreut aus, mich hier zu sehen, doch sein Gesichtsausdruck schlägt schnell in Überheblichkeit um. Schon allein dafür würde ich ihm am Liebsten meine Faust mitten ins Gesicht donnern.
"Haben Sie sich verlaufen, Hux?", fragte Yago herablassend.
Meine Kiefermuskulatur verkrampft sich unweigerlich. "Wohl kaum."
"Dann wüsste ich nicht, was Sie hier zu suchen haben", kehrt der ältere Mann seine Überlegenheit heraus.
"Ich wüsste nicht, was Sie das angeht", gebe ich auf diese Unverschämtheit zurück.
Yago setzt gerade zu einem weiteren Konter an, wird jedoch von einem Offizier unterbrochen. "Sir? Wir konnten den abgefangenen Funkspruch auf Fondor entschlüsseln."
Interessiert drehe ich mich ebenfalls um.
"Sprechen Sie", fordert Yago den Mann auf. Aus dem Augenwinkel schießt er mir noch einmal einen glühenden Blick zu.
"Die Nachricht kann allem Anschein nach der kriminellen Organisation der Valan-Tug zugeordnet werden. Sie planen einen koordinierten Überfall auf den Palast des Grafen Renlan, wo sich aktuell auch der Oberste Anführer mit seinen Begleitern aufhält."
Ein eiskalter Schreck durchfährt mich.
Dort ist meine Victoria!
"Kein Grund zur Beunruhigung", entscheidet Yago gelassen. "Der Oberste Anführer wird mit diesen unzulänglichen Personen spielend leicht fertig. Dazu kommt wahrscheinlich noch, dass der Graf ebenfalls eine gut ausgebildete Wachmannschaft unterhält. Es besteht kein Anlass zu Handeln."
Er will nichts tun?
"Das ist eine gewaltige Fehleinschätzung ihrerseits", gebe ich zu bedenken, indem ich mich ungefragt einmische und Yagos Entscheidung offen kritisiere. "Es sollte ein Schwadron Sturmtruppler hingeschickt werden. Wir müssen Präsenz zeigen."
Betont langsam dreht Yago sich zu mir um. "Ich wüsste nicht, dass ich Sie nach Ihrer Meinung gefragt habe. Oder dass diese Entscheidung in Ihren Aufgabenbereich fällt. Zumindest ... im Moment nicht mehr."
Wut kocht in mir hoch und verkrampft meine Hände zu Fäusten. "Wenn Sie nicht den Befehl zum Handeln geben wollen, dann werde ich es eben tun! Von hier aus haben wir keine Übersicht darüber, wie stark der Feind aufgestellt ist." Ruckartig wirbele ich zu einem Mitarbeiter herum. "Machen Sie sofort ein Shuttle startklar, inklusive Truppentransporter."
Der Mann zögert und blickt verunsichert zwischen Kapitän Yago und mir hin und her. Seine Finger liegen untätig auf dem Bedienfeld.
"DAS IST EIN BEFEHL!" Meine Wut kanalisiert sich urplötzlich in diesem Ausbruch.
"DEN WIDERRUFE ICH!", brüllt Yago dagegen und baut sich demonstrativ neben mir auf.
"Sie machen einen Fehler, Yago!" Drohend sticht mein Zeigefinger in seine Richtung in die Luft.
"Verschwinden Sie von meiner Brücke. Und seien Sie versichert, dass der Oberste Anführer Ren von Ihrem unangemessenen Verhalten erfahren wird, die Befehlsgewalt während seiner Abwesenheit an sich zu reißen."
"Sie dummer, einfältiger Idiot." Mit diesen Worten stürme ich von der Kommandobrücke. Yagos bestürztes Gesicht aufgrund dieser Beleidigung erfüllt mich allerdings nur mit geringer Zufriedenheit, denn meine Gedanken sind bereits auf andere Überlegungen gerichtet.
Ich muss rechtzeitig nach Fondor kommen, bevor der Angriff stattfindet. Noch einmal kann und werde ich nicht tatenlos danebenstehen und dabei zusehen, wie Victoria angegriffen wird, ob sie jetzt das Ziel ist, oder nicht.
"Sergeant Milla, machen Sie sofort auf!" Nachdrücklich poltere ich gegen ihre Tür und überprüfe den Gang. Noch ist nichts zu hören, was auf sich nähernde Truppen hindeutet. Aber ich hege keine Zweifel daran, dass Yago diese Unverschämtheit meinerseits nicht ungestraft auf sich sitzen lassen wird.
Sollte er auf die Idee kommen, mich deswegen inhaftieren zu lassen bis Ren zurückkommt, dann kann ich nicht das Geringste dagegen ausrichten, denn es wäre sogar rechtens. Ich muss also zusehen, dass mein Plan schnell in die Tat umgesetzt wird und ich von hier wegkomme.
"Sir?" Verunsichert erscheint ihr Kopf im Türspalt.
Ungebeten dränge ich mich an ihr vorbei, hinein in ihr Quartier, was der Frau ein empörtes Japsen nach Luft entlockt. Gleich darauf sehe ich auch den Grund, denn sie ist nur mit einem Schlafshirt bekleidet, welches nur knapp bis über ihre Hüfte reicht. Doch auf ihre Befindlichkeit kann ich augenblicklich keine Rücksicht nehmen. "Kontaktieren Sie die Finalizer! Befindet sich mein Schiff als Eskorte immer noch in der Nähe der Supremacy?"
Tara nickt zaghaft und versucht dabei, den Saum ihres Oberteils etwas tiefer zu zupfen.
"Gut. Übermitteln Sie einen Befehl von General Hux. Ein Truppentransporter soll umgehend startklar gemacht werden. Ich will eine komplette Schwadron Truppler haben, die mich nach Fondor begleitet."
"Natürlich, Sir." Tara nickt bestätigend, doch dann hält sie inne.
"Was?", knurre ich. Diese verdammte Verzögerung macht mich noch wahnsinnig.
"Verzeihen Sie meine Bemerkung, Sir, aber Sie ... haben Sie wieder den Rang eines Generals inne, der diesen Start autorisiert?"
Ich könnte sie umbringen.
"Übermitteln Sie SOFORT meine Befehle!" Schnell überwinde ich die Distanz zwischen uns und baue mich bedrohlich vor ihr auf. "Wir haben keine Zeit für diesen Scheiß, haben Sie mich verstanden?!"
Scheinbar traut die junge Frau vor mir ihrer Stimme nicht, denn sie nickt nur eifrig. "Ja, Sir. Wird erledigt." Eine kurze Zeit vergeht, in der sie mit zitternden Fingern auf ihrem Datenpad Eingaben betätigt. "Ihre Befehle wurden übermittelt, Sir."
Wie ein scheues Tier sieht sie zu mir auf. Verschreckt und unsicher. "Ist etwas passiert?"
"Genau das hoffe ich mit meinem rechtzeitigen Eintreffen auf Fondor zu verhindern", erwidere ich im Hinausgehen, aber eine spontane Eingebung lässt mich noch einmal innehalten. "Können Sie die Koordinaten von Graf Renlans Residenz rausfinden? Das ist der Erste Anlaufpunkt, bevor morgen die Besichtigung der Werften anstehen würde."
"Ja, Sir."
Ich nicke der Frau knapp zu und will mich gerade schon wieder von ihr abwenden, als ich noch einmal abstoppe. "Danke." Ich registriere die Überraschung auf ihrem Gesicht, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr zu verschwenden. Jede Sekunde zählt.
Im Hangar muss ich erst ein paar weitere Piloten anrüffeln, mich zur Finalizer zu fliegen, aber letztendlich beugen sie sich meinem Befehl. Das Wissen meiner Degradierung muss anscheinend bereits auf dem ganzen Schiff die Runde gemacht haben, was mir mein Vorhaben zusätzlich erschwert. Trotzdem ärgert mich der Widerwille der Piloten, denn ich bin ihnen noch immer weit überlegen, was meinen Rang betrifft.
Während sie die Startsequenz einleiten, erwacht der Kommunikator knackend zum Leben. "Unautorisierten Start sofort abbrechen, auf Anweisung von Kapitän Yago."
Ohne eine große Erklärung zu geben, beuge ich mich an den beiden Piloten vorbei, hämmere meine Faust auf den Off-Schalter und unterbreche damit jegliche Verbindung. "Sie machen weiter wie geplant!"
Wenig später schießt das Shuttle aus dem Hangar hinaus und auf die Finalizer zu, die wie ein gigantischer dunkler Schatten im All hängt. Vor dem Hangar der Finalizer schwebt bereits der von mir angeforderte Truppentransporter wartend in der Luft. "Kontaktieren Sie die Piloten dort. Übermitteln Sie ihnen die Koordinaten für den Planeten Fondor. Sie sollen uns folgen und zeitgleich mit uns in den Hyperraum wechseln."
"Wird gemacht, Sir." Ein kurzer Austausch per Link erfolgt, dann umschließt ein langgezogener, bläulich schimmernder Tunnel unser Shuttle. Für die Flugdauer ist ein relativ kurzer Zeitraum berechnet worden, da Fondor ganz in der Nähe liegt.
Hoffentlich treffe ich noch rechtzeitig vor dem Angriff ein. Dieser Augenblick ist meine Chance, Ria zu retten, bevor ihr etwas passiert. Diesmal hält mich keiner auf.
Nervös werfe ich einen prüfenden Blick auf mein Datenpad. Eine ungelesene Nachricht von Tara erscheint auf dem Display, in der sie mir die gewünschten Koordinaten mitteilt. Ganz bewusst schiebe ich die Konsequenzen meines Handelns in den hintersten Winkel meines Bewusstseins. Nur meine jahrelange Disziplin hindert mich daran, ruhelos im Cockpit auf und abzugehen. Mir ist klar, dass mein Verhalten Yago gegenüber aller Wahrscheinlichkeit nach bestraft werden wird, da er aktuell die befehlshabende Person an Bord ist und nicht ich. Meine offene Widersetzung war schon schlimm genug, aber die abschließende Beleidigung hat es nicht gerade besser gemacht, sondern eher ins Gegenteil verkehrt.
Zwanzig Minuten später verringert sich die Geschwindigkeit wieder auf das normale Tempo und der Hyperraum-Tunnel zieht sich zurück. Durch das Sichtfenster blicke ich hinab auf Fondor. Über den Planeten ist bereits die Nacht hereingebrochen.
"Steuern Sie dieses Ziel an." Ich zeige den Piloten den Standort, den Tara herausgefunden hat.
Während wir die Atmosphäre des Planeten ruckelnd überwinden, laufe ich in den hinteren Bereich des Shuttles, hin zu den Waffentresoren. Das Bedienfeld akzeptiert meine Eingabe ohne Verzögerung, damit ich mich mit weiteren Waffen ausrüsten kann. Mein persönlicher Blaster hängt an der Hüfte, aber um auf Nummer sicher zu gehen, nehme ich lieber noch einen zweiten mit.
Man weiß nie.
Um mir einen ausreichenden Schutz zu verschaffen, ziehe ich unter dem Mantel noch eine durchschusssichere Weste an, dann eile ich mit großen Schritten wieder vor ins Cockpit. Ein schneller Blick aus dem Sichtfenster zeigt die dunkle Silhouette der Residenz, die sich deutlich vom Nachthimmel abhebt. Dann zieht sich mein Herz ängstlich zusammen, als ich genaueres erkennen kann.
Verdammt! Ich bin zu spät!
Helle Flammen lecken am gespliterten Holz des Eingangsportals, worauf schließen lässt, dass sich die Angreifer bereits im Palast befinden. "Landen Sie! Sofort! Und übermitteln Sie den Sturmtruppen den unverzüglichen Feuerbefehl, sobald wir aufgesetzt haben."
Ich finde dich, Victoria. Hab keine Angst, ich bin bald bei dir.
Entschlossen hake ich den Blaster von meinem Gürtel und entsichere ihn, während ich durch das Shuttle renne. Die Laderampe öffnet sich gerade und sobald der Spalt groß genug ist, springe ich das letzte Stück hinunter auf den Boden. Meine Knie federn den Sprung ab. "Truppen zu mir!" Zielstrebig renne ich auf das zerstörte Portal zu, flankiert von den weißgepanzerten Trupplern. Die Männer umringen mich in einem schützenden, undurchdringlichen Wall aus weißem Plastoid, die Blaster und Lasergewehre schussbereit im Anschlag.
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