Kapitel 58 - Logenplätze
Kein Blatt passte mehr zwischen Armitage und mich, der meinen Körper an die Wand hinter mir presste und dabei unsere Lippen quasi in einem Vollzeitjob beschäftigt hielt. Sein warmer Atem streifte über mein Gesicht, als er mir unentwegt seine Entschuldigungen zuflüsterte. Wie leid ihm alles tat. Wie sehr er davor Angst hatte, mich wegen seiner Handlungen verloren zu haben.
Ein schweres Gewicht fiel von mir ab, als ich all diese Beteuerungen hörte. Das Thema war für mich damit zwar noch nicht gänzlich aus der Galaxie geschafft und ich würde Hux auch definitiv noch einmal darauf ansprechen, aber vorerst war es genug.
Ich spürte seine grenzenlose Erleichterung, als ich seine Küsse schließlich erwiderte. Sie spiegelte sich darin wieder, wie sich sein Körper entspannte. Wie er seine Hände aus meinen Haaren gleiten ließ, um sie dann um meine Taille zu schlingen. Ich hörte sie darin, wie er immer und immer wieder meinen Namen murmelte, in jenen kurzen Momenten, wo sich unsere Lippen voneinander trennten.
Irgendwann löste Armitage sich von mir, um seine Stirn an meiner abzustützen. Lange Zeit versanken unsere Blicke ineinander, die Stille wurde einzig und allein von unseren Atemzügen ausgefüllt.
"Ria auf dem Weg hierher ... es war schlimm zu sehen, wie du vor mir zurückgeschreckt bist."
"Scht." Indem ich meine Finger sanft auf seine Lippen legte, unterband ich weitere Entschuldigungen seinerseits. "Du musst dich nicht weiter entschuldigen. Ich kann verstehen, warum du so reagiert hast, Armitage."
"Wirklich?" Noch mehr Hoffnung funkelte in seinen Augen.
"Ja. Auch wenn ich es nicht gut finde."
"Ria ..."
"Lass mich ausreden." Am Oberkörper drückte ich Hux ein Stück von mir weg, damit wir uns besser ansehen konnten. Er ließ diese Bewegung allerdings nur soweit zu, bis seine Arme in einem leicht angewinkelten Grad entspannt auf meinen Schultern ruhen konnten.
"Hux, ich kann mir ziemlich genau vorstellen, was dich in diesem Moment bewegt hat. Das, was du mir im Vertrauen erzählt hast, war immerhin zum Greifen nahe. So nahe wie niemals zuvor. Und ... ich wollte dir dieses Ziel niemals bewusst vor der Nase wegziehen, dass musst du mir glauben." Prüfend sah ich den großen Mann vor mir an. Erst als er zustimmend nickte, sprach ich weiter. "Armitage, du weißt, was ich für dich empfinde. Das ich dich liebe. Nur konnte ich einfach nicht tatenlos neben dir stehen und zusehen, wie du jemanden erschießt. Jemanden ohne Bewusstsein. Das es sich dabei um Kylo Ren handelte war ein dummer Zufall, denn auch bei jeder anderen Person wäre ich genauso energisch dazwischen gegangen."
"Ich weiß Ria. Das ist mir selbst auch bewusst geworden. In diesem Moment hast du wirklich nur deinem Wesen und Charakter entsprechend gehandelt und nicht, um mir meine lange ersehnten Ziele vor der Nase wegzuschnappen."
Ich nickte bestätigend. "So ist es."
Hux' Datenpad gab einen akustischen Signalton von sich. Widerwille spiegelte sich in jeder Bewegung, als er das Gerät an seinem Gürtel aushakte und den Display aktivierte. Wie er missmutig die neue Nachricht überflog.
"Wirst du erwartet?", fragend blickte ich in sein Gesicht hinauf.
"Wir beide." Armitage knirschte mit den Zähnen. "Ren erwartet unsere Anwesenheit in seinem Kommandoshuttle."
Ich musste nicht fragen, wohin wir fliegen würden. Man musste nur die Fakten zusammenzählen um zu erkennen, dass die Erste Ordnung den Widerstand auf Crait endgültig in die Enge treiben würde. Auffordernd hielt mir Armitage seinen Arm hin, damit ich mich bei ihm einhaken konnte. Einen Moment lang liefen wir stumm nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Ich fühlte mich elend. Wirklich elend, wenn ich auch nur daran dachte, was meinen Freunden in wenigen Stunden widerfahren würde. Wenn es denn überhaupt noch so lange dauerte, um die Streitmacht auf dem Planeten in Stellung zu bringen.
Und ich stehe in der ersten Reihe, zum Zusehen verdammt, aber gleichzeitig mit der Unfähigkeit gestraft, absolut nichts dagegen unternehmen zu können. Beim schwarzen Loch, das wird schrecklich. Wie sollen sie sich nur aus dieser Situation befreien können?
Armitage legte ohne große Worte zu verlieren einen Arm um meine Schultern. Als würde er im Unterbewusstsein spüren, was für ein emotionales Chaos in meinem Inneren tobte. Dankbar stütze ich meinen Kopf an seiner Schulter ab. Es tat gut, jemanden an seiner Seite zu haben, auch wenn dieser jemand streng genommen ebenfalls zum Feind zählte. Aber als solchen betrachtete ich Armitage schon lange nicht mehr. Nicht, seitdem er mich einen Blick hinter seine Fassade hatte werfen lassen.
Natürlich lauerten noch immer Abgründe in ihm, wie die Situation im Thronsaal deutlich offenbarte, aber ich war nach wie vor fest davon überzeugt, dass Hux nicht grundweg schlecht war. Ich war mir nach wie vor sicher, dass er in seinem bisherigen Leben nur niemals die Chance dazu bekommen hatte, jemand anderes zu werden. Sich anders zu entwickeln.
Wenn ich nur einen geeigneten Ansatzpunkt finde, um ihm zu beweisen, dass er auf der falschen Seite steht. Ich bin mir sicher, Armitage wäre ein Gewinn für den Widerstand. Die jetzige Situation wäre vermutlich wesentlich leichter, wenn er von meiner wahren Identität wissen würde. Dann könnten wir uns nämlich gemeinsam etwas überlegen. Aber so ... ich habe aktuell keine Möglichkeit, dem Widerstand in irgendeiner Form zu helfen.
Ich konnte ihnen in einem unbeobachteten Moment eine Warnung zukommen lassen, aber das war auch schon alles, was derzeit im Bereich meiner Möglichkeiten lag. Ich spürte Hux' Blick auf mir liegen, weswegen ich meinen Kopf drehte, um ihn ansehen zu können. Er blickte mit einem versonnenen Lächeln zu mir herab.
"Was denkst du gerade?"
"Ich finde es immer wieder aufs neue erstaunlich, wie perfekt du unter meinen Arm passt. Als wärest du die einzige Person in der gesamten Galaxis, die dorthin gehört und niemand sonst. An meine Seite." Armitage fuhr während des Redens die Kontur meiner Kinnpartie nach.
Ich schenkte ihm ein schnelles Lächeln, aber zu einhundert Prozent war ich nicht bei der Sache.
"Was hast du, Ria?" Armitages Tonfall wechselte von liebevoll zu besorgt.
Ich schüttelte den Kopf. "Es ist nichts."
"So verhältst du dich aber nicht." Hux blieb stehen und musterte mich aufmerksam. Ich wich seinem Blick aus, was ihn in seiner Vermutung natürlich noch bestätigte. "Victoria, was hast du? Bist du immer noch enttäuscht von mir und meinem Verhalten? Ist es deswegen?"
"Nein, ehrlich nicht. Es ist nur ...", unvollendet hing der Satz zwischen uns. Alles in mir drängte darauf, ihm endlich die Wahrheit zu sagen. Armitage zu offenbaren, wer ich wirklich war und sei es nur deshalb, damit wir uns zusammen eine Notlösung für den Widerstand überlegen könnten. Ich war am Ende mit meinen Ideen, mir wollte nichts mehr einfallen. Mein Herz drängte darauf, ihm jetzt die Wahrheit zu sagen. Meine innere Stimme kollabierte gerade in einem Schreikrampf.
"Victoria, rede mit mir!" Armitage umfasste meine Oberarme und beugte sich zu mir herab, bis unsere Gesichter auf Augenhöhe waren.
"Hux ... ich bin ...", seufzend brach ich ab. Zwang mein Zittern unter Kontrolle, weil ich nicht wollte, dass Hux etwas davon bemerkte.
Ich kann es nicht! Ich kann es einfach nicht! Was soll das denn bitteschön bringen? Ich gewinne damit nichts, verliere aber alles. Wenn ich Armitage sagen will, wer ich wirklich bin, dann brauche ich einen anderen Ansatzpunkt. Meine innere Stimme sackte erleichtert aufatmend in ihrer Ecke zusammen.
"Armitage, ich habe Angst, um dich!", lenkte ich das Gespräch schnell in eine andere Bahn. Überraschung spiegelte sich in den Augen meines Partners. "Du und Kylo Ren, ihr wart jahrelang Rivalen. Und jetzt ..."
"Ist er der Oberste Anführer", beendete er meinen Satz.
Ich nickte stumm, während ich ununterbrochen Blickkontakt mit Hux hielt. Ich sah, wie sich seine Augen vor Zorn verschleierten. Dann zog er mich wortlos in eine Umarmung.
"Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, Victoria", bekannte Hux ehrlich. "Wie ich damit klarkomme. Vorhin auf der Brücke, als du noch nicht da warst, hat Ren sofort damit begonnen, mich zu demütigen. Vor allen Augen." Armitage schloss seine Arme fester um meine Taille.
Ein langgezogener Atemzug entwich meinen Lippen. "Was hat er getan?"
Schritte hallten durch den Flur, weswegen Hux sich von mir löste und das keine Sekunde zu früh. Ein Trupp Offiziere eilte an uns vorbei, gefolgt von einer Patrouille Sturmtruppler. Überrascht registrierte ich, dass alle Männer an Hux vorbeiliefen ohne ihm zu salutieren, ganz so als hätte er nicht den Rang eines Generals inne. Wie sehr in das anfraß zeigte sich deutlich in seinem Gesichtsausdruck als er ihnen glühende Blicke hinterherschoss. Ich schob meine Finger in die von Armitage, was mir einen dankbaren Blick einbrachte, bevor wir uns in Bewegung setzten. Wir liefen im Gleichschritt nebeneinander durch die Flure, meine Hand lag noch immer geborgen in der meines Partners.
"Hat das Verhalten der Offiziere gerade eben etwas mit Rens Demütigung zu tun?"
Hux nickte. "Ja. Sie waren auch auf der Brücke. Kylo Ren hat vor allen Augen meine Aufgaben auf Kommandant Peavey übertragen. Jeder konnte das sehen."
Das fängt nicht gut an.
"Wenn es dir hilft, dann rede ich mit ihm."
"Auf keinen Fall!" Armitage blieb aufgebracht stehen. "Victoria, dass will ich nicht."
"Okay, ist gut." Ich musste schnell einlenken, da Hux sich schon wieder zu sehr aufregte. Behutsam streichelte ich über seine Schulter, die vor Anspannung bebte. "Ich werde es nicht tun, wenn du es nicht möchtest. Versprochen. Ich ..."
Erneut piepste Armitages Datenpad. "Komm weiter Ria. Dein Angebot, dass du vor Ren für mich einstehen möchtest ehrt dich, aber damit würde ich schwach vor ihm aussehen."
Widerwillig musste ich Armitage Recht geben, denn leider sagte er die Wahrheit.
Kurzes Schweigen breitete sich zwischen uns aus, da wir nicht die einzigen Personen waren, die im Turbolift in die Hangars hinab fuhren. Ich nutze die Gunst der Stunde, da Armitage gerade mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war, um von meinem Datenpad eine verschlüsselte Nachricht an den Widerstand zu schreiben. Dummerweise hatte ich nur die Kontaktdaten von Leias Pad und so musste ich wirklich hoffen, dass jemand dieses Gerät an sich genommen hatte und meine Nachricht somit auch empfangen würde.
Dreh dich jetzt bloß nicht zu mir um!
Mit einem Auge behielt ich den rothaarigen Mann vor mir genau im Blick, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Das kurze Zeitfenster reichte gerade aus, um meine Aufgabe abzuschließen, wobei meine zitternden Finger noch ihr Übriges taten, um mir die Situation zu erschweren.
Geschafft! Beim schwarzen Loch, ich werde zu alt für sowas.
Einen Augenblick bevor Armitage sich zu mir umdrehte, hakte ich mein Gerät wieder am Gürtel ein, dann traten wir zusammen aus dem Lift. Meine Gedanken huschten zu einer Anmerkung zurück, die Hux vorhin fallen gelassen hatte.
So wie wir wieder alleine durch die langen Flure liefen, sprach ich ihn darauf an. "Du hast Peavey vorhin als Kommandant bezeichnet und nicht mehr als Kapitän. Weswegen?"
Der rothaarige Mann an meiner Seite warf mir einen schnellen Blick aus dem Augenwinkel zu. Ich meinte, ein kurzes Aufflackern von Schuld darin zu erkennen. "Peavey wurde von Snoke degradiert."
"Warum das denn?" Überrascht blieb ich stehen.
Armitage zog mich an der Hand weiter, scheinbar wollte er sich keine Verzögerung mehr leisten. "Snoke hat mich in den Thronsaal zitiert, nachdem du von der Brücke in mein Quartier gegangen bist. Er wollte mich zur Rechenschaft ziehen, weil ich seinen Befehl offen missachtet habe, dich auf Arkania zurückzulassen."
Oh Scheiße! Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
"Du kannst dir sicher seine Überraschung vorstellen, als er in Peavey den Schuldigen erkannt hat, der sich über seine Befehle hinweggesetzt hat."
"Armitage!" Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit blieb ich stehen. Demonstrativ entzog ich Hux meine Hand. "Hast du Peavey verraten?" Aufgebracht funkelte ich meinen Partner an, meine Hände hatten sich selbstständig vor der Brust verschränkt. "Er hat uns geholfen, Hux!"
"Glaub mir, das weiß ich. Snoke hat die Macht eingesetzt, um in meinem Kopf nach der Wahrheit zu suchen."
Nachdenklich gestimmt, beruhigte sich mein Gemüt etwas. Wenn es stimmte, was Armitage sagte -wovon ich jetzt einfach ausging- dann wäre es für ihn unmöglich gewesen, den Ablauf der Situation vor Snoke geheim zu halten. Nicht, wenn er mithilfe der Macht in seinem Kopf nach Antworten suchte.
Nun, immerhin verstehe ich jetzt die Zusammenhänge. Weshalb Peavey Hux so böse angefunkelt hat. Natürlich gibt er Armitage die Schuld an seiner Bestrafung, weil er ebenfalls anwesend war.
"Das hat Peavey nicht verdient." Ich musste meine Gedanken laut aussprechen. "Er hat dir in einer Situation geholfen, in der du handlungsunfähig warst. Wenn er sich nicht bewusst gegen Snokes Befehle gestellt hätte, dann wäre die Übermittlung der Koordinaten auf Rens Datenpad zu spät gekommen."
Armitage blickte mich von der Seite her an. "Gibst du mir auch die Schuld daran, Ria?"
"Was? Nein, wieso sollte ich?", fragte ich aufrichtig überrascht. Als ich ihn anblickte, erkannte ich deutlich ein schlechtes Gewissen. "Wie hättest du Snoke denn widerstehen können, wenn er mithilfe der Macht deine Erinnerungen durchsucht?"
"Das stimmt. Aber ich bin auch nicht für Peavey eingetreten."
"Sei ehrlich Hux. Was hätte es gebracht?"
"Nichts."
"Eben. Wenn du dagegen auch noch protestiert hättest, wo du Snoke sowieso schon negativ aufgefallen bist, hätte das vermutlich ernsthafte Konsequenzen nach sich gezogen." Mit leichter Verzögerung sprach ich weiter. "Das wäre vermutlich der letzte Fehler gewesen, den du dir in Snokes Augen hättest erlauben können."
Was für eine verzwickte Situation.
Armitage nickte eifrig. "Wenigstens du verstehst mich. Meine Victoria!"
"Ach Hux." Ich nahm ihn noch einmal in meine Arme, denn es war deutlich zu merken, wie sehr ihn das alles belastete. Wobei er sich vermutlich weniger Gedanken um Peavey machte, als vielmehr darum, dass Kylo Ren jetzt im Rang weit über ihm stand. Das die Person, mit der er jahrelang eine intensive Rivalität gepflegt hatte, jetzt plötzlich in der Position stand um ihm Befehle zu erteilen.
Es war verständlich, dass Peavey dem General die Schuld an der ganzen Sache mit der Degradierung gab, aber ich würde mit dem älteren Mann reden, sobald sich mir eine Möglichkeit dazu bot. Immerhin war Snoke ja nicht mehr am Leben, die Befehlsgewalt lag jetzt bei Kylo. Eventuell würde er Peavey in seinem vorherigen Amt wieder einsetzen.
Im Hangar wartete Rens großes Kommandoshuttle auf uns. Ich kannte das Schiff schon, immerhin waren Ren und ich auch damit nach Arkania geflogen, weshalb ich zielstrebig die ausgefahrene Rampe hinaufstieg und meine Schritte in Richtung Cockpit lenkte. Armitages und meine Finger waren noch immer miteinander verflochten. Daran merkte ich auch, wie seine Schritte langsamer wurden und er mir deutlich zögerlicher folgte.
"Ich bleibe die ganze Zeit an deiner Seite." Aufmunternd drückte ich seine Hand ein klein wenig fester. Aus der körperlichen Nähe zu Hux zog ich ebenfalls Rückhalt, denn ich hatte absolut keine Ahnung, was mich auf Crait erwarten würde.
"Danke, meine Süße", flüsterte Hux mir schnell zu, dann standen wir auch schon im Cockpit.
Die Sitze von Pilot und Co-Pilot waren bereits besetzt. Kylo Ren thronte auf einem einzelnen, erhöhten Sitzplatz etwas weiter hinten, von wo er alles überblicken konnte. Zu seiner Linken arbeiteten zwei weitere Offiziere der Kommandobrücke an Terminals. Kommandant Peavey war ebenfalls anwesend. Er überprüfte gerade die Eingaben der Piloten, die den aktuellen Flugvektor berechneten. Es wäre wieder einmal eine Aufgabe von Hux gewesen, was er natürlich sofort registrierte. Seine Finger krampften sich fester um meine, weswegen ich mich genötigt sah, mit dem Daumen sanfte Kreise auf seinem Handrücken zu ziehen.
"Wir sind vollzählig. Den Start vorbereiten", befahl Ren, nachdem er Hux und mich einer genauen Musterung unterzogen hatte. Seine Augen ruhten dabei auf unseren ineinander verschränkten Händen.
Armitage verzog sich mit mir ein Stück zur Seite. Gemeinsam sahen wir, wie die Dunkelheit des Alls vor dem Sichtfenster auftauchte, als das Shuttle den Hangar verließ. Dieses Bild wurde allerdings recht schnell von der Zerstörung abgelöst, welche rund um die Supremacy herrschte. Noch immer standen einige Trümmerteile in Flammen und warfen ein flackerndes Licht ins Innere des Cockpits.
"Sehen Sie sich Ihre Verfehlung genau an, General Hux." Kylo Rens verächtlicher Tonfall durchbrach die vorherrschende Stille. "Ihr Unvermögen, das taktische Handeln unserer Feinde vorauszusehen, hatte fatale Folgen für dieses einzigartige Schlachtschiff." Er fixierte Hux unerbittlich, darauf lauernd, wie sich der General aufgrund dieser offenen Demütigung verhalten würde.
Armitage krampfte seine Finger noch fester um meine. Stumm erwiderte er Kylo Rens Blick, aber entgegnete nichts auf diesen Vorwurf. Weil es keine Rechtfertigung gab, um diese Worte zu entkräften. Nach einem Moment ließen wir das Trümmerfeld hinter uns zurück. Ren hatte inzwischen erkannt, dass der General keinen Ton sagen würde und sich daher wieder abgewandt um seinem Ziel entgegenzublicken.
Ich bemerkte, wie Armitage mich ansah. Schnell beugte ich meinen Kopf näher zu ihm, weil ich nicht wollte, dass jeder hier Anwesenden meine Worte hören konnte. Wie ich ihm so nahe war, spürte ich wieder seine deutliche Anspannung. Hux verkrampfte sich regelrecht. "Scht. Ganz ruhig, Hux. Gib dir nicht die Blöße und reg dich darüber auf. Darauf wartet Ren nur."
Der große Mann an meiner Seite sah mich mit seinen grünen Augen hilfesuchend an, während er meine Worte krampfhaft abnickte. Wie gerne würde ich ihm noch mehr Trost spenden, aber leider musste meine Anwesenheit genügen. Es ärgerte mich maßlos, dass Kylo Ren scheinbar keine Chance ungenutzt verstreichen ließ, um Hux zu demütigen.
Immer näher rückte der Planet Crait, nahm ein immer größeres Feld in unserem Sichtfenster ein.
Viel zu schnell hatte Kylo Rens Shuttle die Atmosphäre des Planeten durchdrungen. Leichtes Ruckeln begleitete den Eintritt, was mich automatisch nach einem festeren Stand suchen ließ. Armitages Schulter streifte mich, als er meine Hand freigab und nach einem kurzen, entschuldigenden Blick nach vorne an das Sichtfenster ging. Peavey beobachtete sein Näherkommen geringschätzig.
Und auch da besteht ganz dringender Klärungsbedarf.
Das Shuttle sank tiefer, bis es letztendlich über der Streitmacht verharrte, die auf Befehl des neuen Obersten Anführers bereits auf Crait stationiert worden war. Um einen besseren Überblick zu bekommen, ging ich ebenfalls nach vorne und stellte ich mich zwischen Armitage und Peavey. Unser Transportmittel schwebte genau über der Linie von Kampfläufern, die die Geschützramme zu beiden Seiten flankierten. Die TIE-Jäger flankierten ihrerseits unser Shuttle.
In einiger Entfernung ragte eine steile Felswand in die Höhe. Darin prangte ein Tor von gewaltigem Ausmaß. Eine letzte Verteidigungslinie, die zwischen dem Widerstand und der Ersten Ordnung stand. Prüfend verengte ich meine Augen zu schmalen Schlitzen und betrachtete das Gebiet, welches dem Tor vorgelagert war. Alte, teilweise verfallene Geschütztürme waren auf die Reihen der Ordnung ausgerichtet. Dazwischen verliefen tiefe Schützengräben. Wir waren zu weit entfernt, um etwas genaues zu erkennen, trotzdem würde ich darauf wetten, dass die vorgelagerten Verteidigungslinien bemannt waren. Ein böses Gefühl überkam mich.
Dieses Tor und sei es auch noch so groß, wird dem Beschuss der Geschützramme nichts entgegenzusetzen haben. Und dann ... ist der Weg für die Erste Ordnung endgültig frei. Bei allen Galaxien. Hoffentlich gibt es in diesem Höhlensystem noch einen Hinterausgang.
Ein Überwachungsterminal meldete einen akustischen Warnton. Beinahe gleichzeitig öffneten sich verborgene Luken in der Bergflanke, um dreizehn Speeder auszuspucken. Scheinbar hatte der Widerstand beschlossen, dass Angriff die beste Verteidigung war. Die kleineren Spender hielten in einer geschlossenen Linie auf die Reihen der Ersten Ordnung zu. Die Kufen, mit denen sich die Gefährte stabilisierten, zogen rote Spuren in den weißen Boden. Interessiert beugte ich mich weiter vor.
"Dreizehn leichte Speeder im Anflug", verkündete Armitage gerade, an Kylo Ren gewandt. "Position halten, bis wir sie zerstört haben?"
"Nein." Kylo schüttelte den Kopf. "Der Widerstand ist in dieser Mine. Durchbrechen!"
Mein Pulsschlag beschleunigte sich, als ich die beginnenden Kampfhandlungen verfolgte. Die TIE-Jäger schossen nach vorne, um die Speeder mit einem Kreuzfeuer aus Laserschüssen einzudecken. Zeitgleich brach die Formation der Speeder auseinander, da sie gezwungen waren, dem Beschuss auszuweichen. Die abgefeuerten Schüsse durchbohrten die Salzkruste des Bodens und ließen rote Fontänen explodieren. Ich konnte unzählige Verfolgungsjagden beobachten, als die Speeder mit verzweifelten Manövern versuchten, die deutlich schnelleren und wendigeren TIE-Jäger in der Luft über ihnen abzuschütteln. Nach und nach trafen die Schüsse und verwandelten einen Speeder nach dem anderen in einen glühenden Feuerball.
Dreht ab, dreht ab, dreht ab! Eure Verluste sind zu hoch. Verdammt, gegen einen direkten Beschuss aus der Luft sind die Bodengleiter machtlos.
"Sie versuchen einen direkten Schuss in der Mündung der Geschützramme zu platzieren", erklärte Peavey an Ren gewandt.
"Das werden sie nicht schaffen. Das Geschütz weiter aufladen!" Kylo war inzwischen ebenfalls aufgestanden, um einen besseren Überblick über die Kampfhandlungen zu bekommen.
Armitage zog eine missbilligende Mine, weil der ältere Mann schneller als er selbst die Situation analysiert und dargelegt hatte.
Plötzlich explodierten drei TIE-Jäger beinahe gleichzeitig. Ein größerer Schatten fiel auf den Boden, geworfen von einem Neuankömmling, der umgehend in die Schlacht eingriff. Meine Augen wurden groß, als ich das Schiff erkannte.
Der Millennium-Falke.
Durch perfekt ausgeführte Flugmanöver, kombiniert mit Rollen und Haken in letzter Sekunde, holte der Falke in kurzer Zeit viele der Jäger vom Himmel. Kylo Ren kochte vor Wut, als er nach vorne stürmte und direkt zwischen den beiden Piloten zum Stehen kam.
"Schießt diese Schrotmühle vom Himmel!", schrie er, einen zitternden Arm deutend nach vorne ausgestreckt.
"Alle Jäger!", griff Armitage den Befehl sofort auf.
Gebannt verfolgte ich, wie die komplette Luftunterstützung an TIE's dem Falken hinterher jagte.
Sie haben sie weggelockt. Alle auf einmal. Jetzt ist der Weg für die restlichen Speeder frei.
Schnell senkte ich meinen Blick wieder auf den Boden des Planeten. Wie vermutet hatten die Speeder-Piloten wieder einen direkten Kurs auf die Geschützramme eingeschlagen. Aber jetzt griffen die Kampfläufer in das Geschehen mit ein und führten den Angriff der Jäger fort. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Kanoniere der Läufer nicht mit den wendigeren Speedern mithalten konnten, denn fast jeder Schuss ging fehl. Trotzdem kündigte ein Signalton die unvermeidlich näher rückende, komplette Aufladung der Feuersequenz an. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bevor das Geschütz seinen vernichtenden Schuss abgeben konnte.
"Maximale Feuerkraft auf die Speeder!", befahl Kylo Ren unerbittlich.
"Konzentriert das Feuer auf die Speeder!" Armitage echote Rens Befehl und stürmte gleichfalls mit nach vorne, um einen konzentrierten Blick aus dem Sichtfenster zu werfen.
Spielt Armitage gerade ernsthaft Echo?
Verwundert glitt mein Blick zu Hux, weswegen mir die verächtlichen Blicke von Kylo Ren und Peavey von seiner anderen Seite nicht entgingen. Beide taxierten den übereifrigen Armitage, doch in beiden Augenpaaren spiegelte sich die ernsthafte Frage, ob dieses Verhalten gerade der volle Ernst des Generals gewesen war.
"Geschützramme gleich voll aufgeladen, Sir!", informierte der Pilot, der gleichzeitig die Sensoren überwachte.
So schnell? Verdammt, die Speeder konnten nicht das geringste ausrichten.
Mit bangem Blick sah ich hinab auf den Kampfplatz. Die Speeder-Piloten hatten den Ernst der Lage und deren Unabwendbarkeit offenbar auch erkannt, denn sie drehten ab. Alle bis auf einen. Ein einziger Speeder allein flog weiterhin direkt auf die Mündung der Geschützramme zu.
Was macht er da? Welcher Idiot ... beim Schwarzen Loch! POE!
Angst schlug in eiskalten Wellen über mir zusammen. Was tat dieser Idiot von einem Hitzkopf da eigentlich?
Das sieht ihm so verdammt ähnlich! Immer mit dem Kopf durch die Wand! Dreh ab du Dummkopf, dreh ab!
In dem verzweifelten Bemühen mir nichts anmerken zu lassen, hielt ich meine Mimik so emotionslos wie möglich. Es war zum Haare raufen. Am Liebsten wäre ich nervös auf den Fußballen gehibbelt, weil das aber eindeutig zu auffällig gewesen wäre, musste ich meine Unruhe wohl oder Übel im Zaum halten.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Der einzelne Speeder wurde von einem anderen gerammt, der wie aus dem Nichts herangeschossen kam. Die beiden prallten hart auf den Boden und das keine Sekunde zu früh, denn das Geschütz feuerte den Bruchteil einer Sekunde später. Ein weiß glühender Strahl donnerte in das Tor an der Bergflanke, gefolgt von einer gewaltigen Detonation. Roter Staub wirbelte auf und verschleierte die Sicht. Aber letztendlich war es egal, denn der Schaden war angerichtet.
Hoffentlich haben die Rebellen einen anderen Ausweg aus den Minen gefunden. Bei der Macht, bitte, lass diese Mine leer sein, wenn Kylo Ren mit seinen Truppen hineingeht. Lass den Widerstand geflohen sein, bitte!
Langsam, fast schon zögerlich legte sich der Gesteinsstaub. In dem massiven Tor prangte ein gewaltiges Loch. Suchend glitten meine Augen über die Ebene. Die zertrümmerten Speeder lagen verlassen da, von den Piloten war keine Spur mehr zu entdecken.
Sie sind zu den anderen zurückgekehrt und hoffentlich in Sicherheit.
Ich spürte eine Welle aus grimmiger Zufriedenheit, die durch die Reihen der Mitglieder schwappte. Sie hielten es scheinbar nur noch für eine Frage der Zeit, bis der Widerstand endgültig in die Knie gezwungen wurde. Armitages vertrauter Duft erfüllte meine Sinne. Als ich den Kopf wandte stand er da, an meiner Seite.
"Geht es dir gut, Ria?" Seine Finger strichen sanft, fast nicht spürbar über meinen Rücken.
Ohne eine Erwiderung beantwortete ich seine Frage mit einem stummen Nicken. Er betrachtete mich noch einen Moment lang, bis schließlich der Obersten Anführer nach seiner Aufmerksamkeit verlangte.
"General Hux, vorrücken. Keine Gnade. Keine Gefangenen."
Armitage wandte sich von mir ab, um den Befehl weiterzugeben. Das Kommandoshuttle setzte sich langsam in Bewegung, auf dem Boden marschierten die Kampfläufer in einer langezogenen Formation auf die Bergwand zu. Noch immer umwaberte roter Staub das zerstörte Tor. Es würde wohl noch etwas dauern, bis er sich gänzlich gelegt hatte.
Eine unfassbare Angst hatte sich in mir festgesetzt und ballte mein Innerstes zu einem angespannten Knoten zusammen. In wenigen Minuten wäre alles vorbei. Dann würde ich endgültig Bescheid wissen, ob der Widerstand sich hatte retten können, oder ob die restlichen Überlebenden in wilder Verzweiflung in der Mine verharrten. Dazu bereit, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.
Sie müssen weg sein.
Immer wieder schickte ich stille Stoßgebete an die Macht, unaufhörlich. Sollte Kylo Ren sich jetzt dazu entschließen meine Gedanken zu lesen, entgegen seines Versprechens, es gäbe nichts, was mich in diesem Moment hätte retten können. Alle Täuschung würde einem Kartenhaus gleich, in sich zusammenstürzen. Zu meinem Glück hielt sich Kylo aber an sein Wort, denn keine mental tastenden Finger durchsuchten meinen Kopf. Der große Mann war ganz in diesem Augenblick gefangen, in dem er seinen Wunsch wahrmachen konnte. Seine im Zorn ausgesprochenen Worte hallten mir wieder durch den Sinn.
Ich wollte meine Vergangenheit vergessen. Sie sterben lassen, falls nötig.
"STOPP!", rief Kylo. Seine Stimme durchschnitt wie ein Peitschenhieb die Stille.
Verwundert blickte ich zu ihm auf, ebenso wie Armitage und Peavey. Ren wirkte, als habe er einen Geist gesehen, denn er starrte mit einem fassungslosen Ausdruck auf den Eingang zur Mine. Hux und ich wechselten einen schnellen Blick, dann folgten wir mit unseren Augen seiner Blickrichtung. Aus dem Inneren der Mine kam eine einzelne, einsame Gestalt gelaufen. Aufrecht und scheinbar ohne Angst im Angesicht dieser gewaltigen Streitmacht, die sich vor ihr aufbaute.
Meine Augen verengten sich automatisch zu schmalen Schlitzen als ich versuchte, diese Person genauer zu erkennen. Ein langer, wallender Umhang wehte hinter ihr her, aber ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, vermochte ich auf diese Entfernung nicht zu sagen. Verwundert registrierte ich, dass während meiner Beobachtung die komplette Linie der Kampfläufer zum Stillstand gekommen war.
"Oberster Anführer?", wagte Hux in die lastende Stille zu fragen.
Kylo Ren zitterte inzwischen vor Wut. "Ich will ... dass mit allen verfügbaren Waffen auf diesen Mann gefeuert wird."
Armitage konnte die Überraschung nicht verbergen, die ausgelöst auf diese Worte über sein Gesicht huschte. Es hatte vielmehr den Anschein, als wollte er für einen kurzen Moment dagegen protestieren. Die Shuttlepiloten hatten ihre Überraschung wohl schneller überwunden und den Befehl an alle Läufer weitergegeben. Explosionen und Gesteinsstaub verschluckten den Ort, an dem die Person noch kurz zuvor gestanden hatte. Die Kanonen standen nicht mehr still, wieder und wieder feuerten sie auf den einen Punkt.
Bei allen Galaxien!
Fassungslos betrachtete ich das Schauspiel. Kylo Ren klebte förmlich am Sichtfenster, die Hände hingen zu Fäusten geballt an seiner Seite. Zitternd.
Wen hat er nur in dieser Person erkannt?
Armitages beunruhigte Augen blieben kurz auf mir hängen, bevor er Kylo Ren ansprach. "Das sollte jetzt ..."
"Mehr!", forderte Ren. Ignorierte den Einwurf seines Generals.
Hux suchte erneut meinen Blick. Auf seine stumme Frage zuckte ich planlos mit den Schultern. Auch mir hing dieses Verhalten gerade zu hoch.
"MEHR!", schrie Kylo inzwischen. Der Beschuss dauerte an.
Will er etwa das gesamte Arsenal auf einmal abfeuern lassen?
"MEHR!!!"
"Das ist genug!", kommentierte Hux das Geschehen. Keiner reagierte, das Feuer ging unvermindert weiter. "DAS IST GENUG!", schrie Hux, um sich Gehör zu verschaffen. Aufgebracht stürmte er ebenfalls nach vorne.
Die Kommandanten und Piloten tauschten verunsicherte Blicke untereinander. Es dauerte noch ein paar Sekunden, dann wurde der Befehl des Generals weitergegeben und der Feuersturm ebbte schließlich ab.
Kylo Ren sackte in der Zwischenzeit schwer auf seinem Sitz zusammen. Eine komplette Bandbreite aus Emotionen spiegelte sich in rasanter Abfolge auf seinem Gesicht. Unglauben, ein tief sitzender Zorn, Wut und auch der Wunsch nach Rache. Nach Revanche.
Armitage wandte sich zu dem neuen Anführer herum. Kaum verhohlener Spott schwang in seiner Stimme mit als er fragte, "Glauben Sie, sie haben ihn erwischt?" Sogar seine Verachtung aufgrund dieser impulsiven Reaktion und Forderung von Ren verbarg er nicht mehr.
Pass auf, Hux! Sei vorsichtig.
Tief unter dem Shuttle waberte eine dichte Wolke aus Gesteinsstaub. Sie verhüllte das Bild der Zerstörung vorerst und verbarg das Resultat vor aller Augen.
"Gut", kommentierte Hux zufrieden. "Wenn wir dann soweit sind, dann können wir das beenden."
"Sir ...", sagte der Pilot gerade.
Kylo Ren hob den Kopf und sah auf. Wie ferngesteuert erhob er sich und trat wieder näher an das Sichtfenster, die Augen ungläubig aufgerissen, ganz so, als könnte er nicht glauben, was sie ihm gerade zeigten. Auch Armitage hatte sich wieder umgedreht um zu sehen, was geschah. Und endlich erkannte auch ich die Gestalt, die aus dem Krater trat und sich beinahe schon nachlässig Staub und kleine Steinchen vom Umhang wischte.
Bei allen Galaxien! Das ist Luke Skywalker, Leias Bruder. Sie ... haben ihn gefunden. Wie konnte er dieses Kreuzfeuer überleben?
"Bringt mich runter zu ihm." Kylos Forderung klang ruhig. Zu ruhig. Zu beherrscht, in Anbetracht der Tatsache, dass in seine Emotionen vor wenigen Augenblicken noch fest im Griff hatten. "Behaltet das Tor im Auge und rückt erst vor, wenn ich es sage."
Sämtliche Nackenhaare stellten sich mir gerade auf. Armitage dagegen war scheinbar weniger feinfühlig, oder er erkannte die Warnzeichen schlichtweg nicht. Möglicherweise ignorierte er sie auch. "Oberster Anführer, lassen Sie sich nicht ablenken!", beschwor Hux in eindringlichem Ton. "Unser oberstes Ziel ist die Vernichtung des Widerstands. Mit jedem Moment, den wir vergeuden geben wir ihnen ... Argh!"
Ren hatte genug gehört. Mithilfe der Macht schleuderte er den General brutal zur Seite, bis die Wand des Kommandoshuttles seinen unfreiwilligen Flug abstoppte. Der Aufprall war hart genug, damit Armitage sofort verstummte. Ein letztes Keuchen entwich ihm, als er unsanft über die Steuerkonsolen kullerte und dann auf dem Boden aufschlug. Die Crewmitglieder welche die Konsolen wenige Sekunden zuvor bedient hatten, sprangen erschrocken zur Seite. Keiner der beiden machte Anstalten, Hux aufzuhelfen, geschwiege denn, nach ihm zu sehen.
Ein erschrockener Ausruf entschlüpfte meinen Lippen. "Hux!" Schnell eilte ich durch das Shuttle, um an seine Seite zu kommen. Die gesamte Eskalation war unglaublich schnell gegangen, demnach war mir auch keine Zeit mehr geblieben, um vorher zu reagieren.
"Wird gemacht, Sir!", beteuerte der Pilot hastig. Er wollte sich nicht auch noch den Zorn des Anführers zuziehen. Wenige Tastenbefehle und Eingaben an seinem Kontrollpult später war deutlich zu spüren, wie sich das Shuttle auf den Boden absenkte.
"Armitage!", flüsterte ich den Namen meines Partners, sobald ich an seiner Seite kniete. Er reagierte nicht. Ohne den Mann am Boden eines Blickes zu würdigen, verließ Kylo Ren das Cockpit.
"Hux?", fragte ich erneut, diesmal begleitete ein sanftes Rütteln an seiner Schulter meine Worte. "Komm zu dir!" Behutsam rollte ich ihn auf den Rücken und hob seinen Kopf langsam auf meine angewinkelten Knie. Vorsichtig tasteten meine Hände durch sein Haar, auf der Suche nach verborgenen Verletzungen.
"Miss Deveron?" Kommandant Peavey hatte sich vom Sichtfenster abgewandt. "Hier, nehmen Sie das."
Ich hatte keine Ahnung, woher er das nasse Tuch hatte. "Danke, Sir." Sanft tupfte ich Armitages Gesicht ab, um das gefaltete Tuch dann auf seiner Stirn abzulegen. Wassertropfen rannen dabei an seinen Schläfen herunter. Aufmerksam beobachtete ich Armitages Reaktion. Langsam begannen seine Augenlider zu flattern, dann entschlüpfte ein leises Stöhnen seine Lippen. Mit den Händen umfasste ich die Wangen und winkelte seinen Kopf so an, dass er mich zuerst erblicken würde, wenn er wieder zu sich kam. Peavey und die beiden anderen Mitglieder standen als stumme Zeugen daneben.
"Wach auf, Hux." Ich beugte meinen Oberkörper leicht nach vorne, näher hin zu dem bewusstlosen Mann. Meine Finger zeichneten ein sanftes Muster auf seiner Haut. Ein weiteres Stöhnen entwich ihm, bevor er endgültig die Augen aufschlug.
Desorientiert irrte sein Blick umher und wirkte dabei seltsam unfokussiert. "Victoria?"
"Ja, Hux. Ich bin hier." Ich schob mein Gesicht in sein Blickfeld und legte ein Lächeln auf meine Lippen. Ruckartig schoss Armitage auf. "Langsam, nicht so hastig!" Ich dirigierte ihn mit sanftem Nachdruck dazu, nicht so schnell aufzustehen.
Mir war klar, warum er unbedingt so schnell wieder aufstehen wollte. Schon dieser kleine Zusammenstoß mit Kylo Ren würde dem General als Schwäche ausgelegt werden. "Komm, stütz dich an mir ab." Gemeinsam hievten wir uns in eine stehende Position. Armitage versuchte, nicht zu viel seines Gewichtes auf mir abzuladen, trotzdem lag ein Arm von ihm schwer auf meinen Schultern. Auch als wir uns aufgerichtet hatten, ließ er seinen Arm genau dort liegen und zog mich noch ein Stück enger an sich.
"Wie geht es dir?", flüsterte ich leise in sein Ohr. "Hast du Schmerzen?"
"Weiß ich noch nicht", gab Armitage zurück. Sein Mund war mir so nahe, dass seine Lippen mein Ohr streiften als er sprach. "Aber eines weiß ich sicher. Ich ... hasse ... ihn!"
"Scht! Nicht jetzt." Nicht auszudenken was mit Hux passierte, sollte jemand anderes diese blasphemischen Worte hören.
Zusammen traten wir an das Sichtfenster, um uns einen Überblick zu verschaffen. Peavey ignorierte den General, genau wie alle anderen. Kylo Ren war gerade zu der unerfreulichen Erkenntnis gelangt, dass Luke Skywalker nicht wirklich körperlich anwesend war, sondern nur als Projektion. Demnach konnte Kylo so lange auf ihn einschlagen wie er wollte, ohne einen ernsthaften Treffer zu landen. Wütend schrie und stampfte er alleine auf der weiten, von Kampfspuren durchzogenen Fläche herum, nachdem die Projektion von Skywalker verblasst war.
Armitage schnaubte befriedigt auf. Scheinbar bereitete es ihm eine enorme Genugtuung zu sehen, wie sich Kylo Ren gerade blamiert hatte. Und auch ich erkannte plötzlich, was genau der Jedi-Meister damit bezweckt hatte.
Er hat dem Widerstand Zeit erkauft, indem er Kylo Ren gegen sich hat antreten lassen. Ein kluger Schachzug. Er hat gewusst, dass die Wut seines Schülers auf ihn so groß ist, dass diese ihn alles andere um sich herum vergessen lässt. Grenzenlose Erleichterung durchflutete mich. Demnach gibt es noch Hoffnung. Die Rebellen sitzen nicht in dem aufgegebenen Stützpunkt fest. Luke hat die Erste Ordnung bewusst hingehalten, damit der Widerstand genug Zeit für seine Flucht hat.
Der Stützpunkt lag leer und verlassen vor uns. Unzählige Sturmtruppen positionierten sich an strategisch günstigen Punkten, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Kylo Ren stürmte mit wehendem Mantel in den Kontrollraum, jede Bewegung zeugte von seinem unermesslichen Zorn, der noch immer in ihm brodelte. Armitage hielt sich die gesamte Zeit über nah an meiner Seite. Allerdings verlor er keine Anmerkung mehr darüber, wie sehr er Kylo Ren verachtete.
Aber ich wusste, wie die Dinge lagen. Wie sehr Hux Ren jetzt noch mehr verabscheute. Das sah ich schon allein daran, als mein Blick in Armitages Gesicht hängen blieb, wie er im Gegenzug seinen Rivalen betrachtete. Hätte der General in diesem Moment einen Blaster griffbereit gehabt und weniger Zeugen, er hätte nicht eine Sekunde lang gezögert, ihm einen Schuss mitten durch die Brust zu jagen. Ich schmiegte mich ganz dicht an ihn und spürte wie sich sein Arm auch fester um meine Taille schlang. Trotzdem unterbrach der den mörderischen Blick in Richtung Kylo nicht.
Oh verdammt!
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, was auf uns zukommen würde.
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