Kapitel 28 - Notlösung

Gelähmt vor Entsetzen stand ich regungslos in dem unbarmherzigen Griff von Hux, welcher sich bedrohlich vor mir aufgebaut hatte. Im ersten Moment war ich total überfahren und wusste nicht, was ich auf seine Anschuldigung erwidern sollte.

Das er mir so schnell auf die Schliche kommen würde, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet. Fieberhaft jagten meine Gedanken auf der Suche nach einer Erklärung in alle möglichen Richtungen. Seine Finger gruben sich fester in meine Arme, während Armitage mich noch einmal schüttelte. 

"Sag es mir!", forderte er erneut. Seine Hände zogen mich näher an ihn heran, sodass ich gezwungen war meinen Kopf in den Nacken zu legen, wollte ich weiterhin in seine Augen sehen. Aus ihnen funkelt mir nur unverhohlener Zorn entgegen, jegliche Wärme und Zuneigung waren daraus verschunden. 

Scheiße! Wie erkläre ich mich jetzt? Beim Schwarzen Loch, lass dir was einfallen Ria! 

"Ich ... ich habe nicht ..."

"WAS hast du nicht? Gedacht das ich so schnell herausfinde, dass du mich angelogen hast?", brüllte Armitage mir entgegen. "Was verheimlichst du vor mir, Victoria?" 

Fassungslos schüttelte ich den Kopf hin und her, dann versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Hux ließ es nicht zu, seine Finger schlossen sich immer härter um meine Oberarme. "Armitage, lass mich los!", mittlerweile kämpfte ich energischer gegen seine Hände an, versuchte etwas Abstand zwischen uns zu gewinnen.

"Erst wenn du mir verdammt nochmal eine Antwort gibst." 

Ein überraschender Ruck folgte, welcher mich an seiner Brust anstoßen ließ. Ich blickte hinauf zu Armitage, unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Plötzlich durchzuckte mich eine Idee.

Ja! Das ist es, das ist die Lösung. 

Ich dankte der Macht für diese Eingebung, bevor ich mich soweit sammelte um zu einem verbalen Konter auszuholen. "Du gefühlloser Bastard!", schleuderte ich ihm entgegen. 

Hux' Augen weiteten sich vor Überraschung da er nicht damit gerechnet hatte, so von mir angefahren zu werden. Schwungvoll schlug ich ihm meine Hände an die Brust, stieß ihn von mir fort. Er stolperte einige unelegante Schritte zurück, bevor er seinen festen Stand wieder zurückerlangt hatte. Völlig entgeistert fixierten mich seine grünen Augen, bevor sich sein Gesicht merklich verdüsterte. Ich konnte Armitage ansehen, dass er gleich richtig loswettern würde, doch so weit ließ ich ihn gar nicht kommen. 

"Du wagst es, mich zu beschuldigen? Ich soll dich belogen haben? In deiner maßlosen, überheblichen Arroganz hast du allerdings eines außer Acht gelassen. Eine Familie muss nicht nur aus den Eltern bestehen, sondern kann durchaus mehrere geliebte Personen umfassen. Aber das ist ein Punkt den du mit Sicherheit nicht nachvollziehn oder womöglich sogar verstehn kannst. Immerhin bist du derjenige von uns beiden, der seinen eigenen Vater ohne jede Reue getötet hat." 

Schwer atmend stand ich vor ihm. Ich hatte mich so sehr in diese Schimpftirade hineingesteigert, dass meine Hände schon wieder mit Zittern begonnen hatten. 

Armitages selbstgerechte Empörung war ihm schlagartig aus dem Gesicht gefallen, dennoch besaß er die Unverfrorenheit, mich weiterhin in die Ecke zu drängen.

"Von wem redest du? Von Geschwistern? Sag es mir, sofort."

Ich schenkte ihm einen verächtlichen Blick. "Vergiss es, das geht dich nichts mehr an. Du hast dir mit deinem Verhalten jegliches Recht, Anteil an meinem Leben zu nehmen verwirkt. Ich werde sobald wie möglich nachschauen, wann ich meinen alten Posten bei Kapitän Peavey wieder aufnehmen kann und somit von dir wegkomme! Ich habe endgültig genug von dir und deinem rücksichtslosen Verhalten."

Armitages Gesicht verkrampfte sich immer mehr, anscheinend brachte ihn unsere Auseinandersetzung richtig auf die Palme. "Du wirst NICHT gehen, Victoria. Ich erlaube es dir nicht!", brachte Armitage mühsam beherrscht heraus. 

Ich schnaubte. "Ich habe nicht um Erlaubnis gefragt."

"Du wirst auch weiterhin als meine persönliche Assistentin arbeiten", Hux schritt wieder bedrohlich langsam auf mich zu, "wir werden so weitermachen wie bisher. Wir werden genauso auftreten wie bisher, als Paar. Mit allem, was dazu gehört."

"Stehen bei dir noch alle TIE-Jäger im Hangar? Du hast sie doch nicht mehr alle. Ich werde nicht, "Heile Galaxie", mit dir spielen, nur um den Schein aufrecht zu erhalten und den anderen etwas vorzuspielen."

"Oh doch, du wirst!" Armitage hatte mich mittlerweile wieder erreicht, seine Hand schoss vor um mich wieder grob am Unterarm zu packen. So langsam begann mich dieses Herumgezerre zu nerven. Seine Verbissenheit brachte mich dazu, diese Auseinandersetzung auf ein ganz neues Level zu heben.

"Treib es nicht zu weit Hux! Sonst könnte es passieren, dass mir deine geheimen Pläne in einem schusseligen Moment aus Versehn über die Lippen kommen. Womöglich gerade dann, wenn weitere, hochrangige Generäle anwesend sind? Oder wenn wir vor Snoke stehen und ich meine Gedanken nicht für mich behalten kann. Ich frage mich, wie er darauf reagieren würde?"

Armitages Gesicht verlor schlagartig jegliche Farbe, angesichts meiner offenen Drohung. "Das wagst du nicht!", flüsterte er. Hux stand zitternd vor mir, die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt. "Ich habe dir vertraut!", brach es aus ihm heraus. 

"Lass mich gehen, dann halte ich meinen Mund." 

Ich muss von ihm weg, egal wie!

"Du wirst bei mir bleiben, Victoria! Sonst werde ich dir das Leben hier zur Hölle machen. Wenn du es wagst mich zu verlassen, dann werde ich dafür sorgen, dass du nicht mehr als Kommunikationsoffizierin arbeiten kannst. Stattdessen werde ich mich darum kümmern, dass du einem anderen General als persönliche Assistentin zugeteilt wirst. Möglicherweise Quinn? Er hat einen Narren an dir gefressen und auch keinen Hehl daraus gemacht. Ich werde dafür sorgen, das du nur noch ihm zugeteilt werden wirst, wenn du dich von mir abwendest. Dann kannst du für ihn ebenfalls die Beine breit machen. Deine Fähigkeiten im Bett übertreffen die deiner abgelieferten Arbeit bei weitem, das kann ich aus Erfahrung weitergeben."

Mein Kinn schlug ungebremst auf dem Boden auf, da mir vor Empörung glatt die Laderampe herunterfiel. Er wagt es?

"Also meine Süße, was darf es sein?" Ein überhebliches, siegessicheres Lächeln legte sich über seine Züge. "Möchtest du Quinn auch mal zwischen deine Beine lassen? Immerhin habe ich ja schon von dir bekommen, was ich haben wollte. Nicht, das ich einer Fortsetzung abgeneigt wäre ..."

Mein Gehirn setzte aus, stattdessen übernahm mein Körper ganz automatisch die Kontrolle. Ich hob meine Hand, um sie Armitage mit einem ungebremsten Schlag auf die Wange zu zimmern. Dummerweise schien er mit genau dieser Reaktion gerechnet zu haben, denn er fing meine Hand kurz vor ihrem Ziel energisch ab. Riss mich ruckartig wieder ganz dicht an seinen Körper.

 "Wag es nicht, Victoria!" Er näherte sich weiter, seine Wange streifte über meine, während sein Atem warm über mein Ohr strich. Mit den Armen hielt Hux mich fest umfangen, seine Hände fixierten meine Handgelenke hinter meinem Rücken. Wehrlos, ich war vollkommen wehrlos. Tränen schossen in meine Augen. Krampfhaft versuchte ich sie zurückzuhalten, indem ich meine Lider fest zusammenkniff.

"Aber ich denke, ich werde dich behalten. Deine Vorzüge sind nämlich nicht von der Hand zu weisen. Du gehörst mir, Victoria", murmelte es neben mir. Eine behandschuhte Hand schob sich unter mein Kinn, um es bestimmend nach oben zu drücken.

Ich gehöre niemandem, außer mir selbst. 

Einen Moment lang herrschte eine angespannte Stille, während Armitage und ich uns unverwandt in die Augen sahen. Eine einsame Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, rann seitlich an meiner Wange hinab. Ich hasste mich dafür, diese Schwäche offen vor Hux gezeigt zu haben. Aber dann tat er etwas, das allem Gesagten vorher widersprach. 

Unendlich zärtlich entfernte er die Träne, indem er behutsam über meine Wange strich. "Wie entscheidest du dich, Victoria? Welchen Weg wählst du?" Armitages Stimme war wieder genauso sanft wie vorher, als er mit mir gesprochen hatte. Als noch alles in Bester Ordnung war. Erfüllt von Wärme und Zuneigung.

Das bildest du dir ein, Ria. Dieser Mann ist launischer als das Wetter über D'Quar. Als ob mir wirklich eine Wahl offen stehen würde, außer bei ihm zu bleiben.

"Ich bleibe bei dir", kapitulierte ich. Es fiel mir unsagbar schwer dieses Eingeständnis zu machen, klein beizugeben.

"Kluges Mädchen." Armitage wirkte äußerst zufrieden mit sich selbst. Der Griff um meine Handgelenke lockerte sich, gab mich frei. Armitage trat einen Schritt zurück, um mich abwartend zu mustern. 

"Gibt es sonst noch etwas, das Sie mit mir besprechen möchten, General?" 

Ich wechselte bewusst aus der vertrauten Anrede in die Förmliche. Hux sollte zu spüren bekommen, das mir diese Notlösung alles andere als behagte. Sein Gesicht zierte ein deutlich missmutiger Ausdruck, bevor er mir meine Frage beantwortete. 

"In der Tat, Victoria. Wenn wir beide zusammen auftreten und uns in der Öffentlichkeit zeigen, um unseren Aufgaben nachzukommen, dann wirst du dich mir gegenüber genauso verhalten wie sonst auch. Ich möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt, was zwischen uns vorgefallen ist. Das heißt für dich im Klartext, wir werden weiterhin Händchen halten, uns umarmen, verliebte Blicke wechseln und gelegentlich einen Kuss austauschen. Du wirst mich nicht auflaufen lassen, oder abwimmeln, egal wie dezent du das auch anstellen würdest."

 Armitage hatte während seiner Erklärung demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkt. Ich tat es ihm gleich, stützte mich dabei allerdings mit einer Hand in der Hüfte ab. 

"Aha. Sonst noch irgendwelche ... Sonderwünsche?" Mir war bewusst, das diese Aussage Armitage noch weiter provozieren würde, dennoch konnte ich einfach nicht anders. 

"Nein." Es war eher ein Knurren als eine richtige Antwort. Ruckartig wandte Hux sich von mir ab, stürmte mit geballten Fäusten in Richtung seines Schreibtisches, um sich zu setzen. "Brauchst du eine Extraeinladung, Victoria? Wir haben noch genug Arbeit zu erledigen." 

Eigentlich wäre ich jetzt lieber einen Moment für mich alleine gewesen, fern von ihm. Aber mir war klar, dass Hux sich dessen ebenfalls bewusst war. Da mir nichts anderes Übrig blieb, nahm ich an meinem Schreibtisch Platz, das Datenpad griffbereit in der Hand. Ich spürte Armitages Blicke auf mir, gab ihm aber nicht die Genugtuung zu ihm aufzublicken. Innerlich kochte der Zorn noch immer mit lodernd hellen Flammen in mir hoch. 

Für Quinn die Beine breit machen. So eine maßlose Unverschämtheit! Er hat wirklich nicht mehr alle TIE-Jäger im Hangar stehen. Und um dem ganzen auch noch die Krone aufzusetzen, soll ich mich weiterhin von ihm wie von einem liebestollen Gockel umtanzen lassen. 

Meine Hände verkrampften sich fester um das Datenpad. 

Aber ich habe andere Mittel und Wege, um Armitage seine Entscheidung bereuen zu lassen.

"Welche Termine stehen heute noch an, Victoria?" Armitage lehnte lässig in seinem Stuhl, doch ein kurzer Blick in seine Richtung bestätigte mir, dass das nur eine Fassade war. Innerlich musste er ebenso aufgewühlt sein wie ich.

Anstatt einer Antwort aktivierte ich das Gerät in meiner Hand, um die Termine aufzurufen. Ich ließ mir bewusst lange Zeit dafür. Doch so wie ich mir durchgelesen hatte, welche Termine Armitage und ich heute noch wahrnehmen mussten, wurde mir schlagartig unwohl.

Verdammte Kacke auch das noch! Mir bleibt auch wirklich nichts erspart, oder? 

Innerlich verfluchte ich die Macht. Mal war sie mit mir, nur um mir kurz darauf demonstrativ in den Arsch zu treten. 

"Ich warte!", keifte Hux mittlerweile in meine Richtung. 

"Bevor die Generäle Pryde, Quinn und Parnadee wieder auf ihre jeweiligen Schiffe zurückkehren, ist für heute Abend noch einmal ein zwangloses Abendessen angesetzt. Um genau zu sein, müssten wir auch bald los, sonst kommen wir zu spät." 

Armitage erhob sich. "Dann erwarte ich von dir, dass du dich genau an unsere Absprache hältst, Victoria."

"Wie Sie wünschen, General." 

Hux bedachte mich mit einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck, die Kiefermuskulatur angespannt, die Haltung verkrampft. "Lass diesen Scheiß, Victoria! Nenn mich so wie immer!"

"Nein. Deiner Forderung, wie ich mich dir gegenüber in der Öffentlichkeit zu verhalten habe, muss ich zwangsweise nachkommen. Aber erwarte nicht, mir auch noch vorschreiben zu können, wie ich mich dir gegenüber zu verhalten habe, wenn wir unter uns sind."

Hux rang mühsam um Selbstbeherrschung, das war ihm deutlich anzusehen. Wortlos stürmte er an mir vorbei, nur um an der Tür innezuhalten. Sich abwartend zu mir umzudrehen. Kurz meinte ich, in seinen Augen so etwas wie Bedauern aufblitzen zu sehen, doch der Augenblick verging so schnell, dass ich mir nicht gänzlich sicher sein konnte. Zusammen traten wir vor unser Büro. Ich atmete einmal tief durch, um meine flatternden Nerven zu beruhigen.

Augen zu und durch, Ria. Du schaffst das. Irgendwie. 

Vorerst begegneten wir niemandem, doch sobald wir uns dem privaten Raum näherten, einem umfunktionierten Meetingraum, kamen uns immer mehr Offiziere entgegen. Die Kommandostelle lag ganz in der Nähe, scheinbar war gerade Schichtwechsel, dem regen Betrieb nach zu urteilen. Armitage hielt sich hier bedeutend näher an mich und es dauerte nicht lange, da schlang sich sein Arm um meine Schultern. Um nicht aus dem Gleichtritt zu kommen, musste ich meinen Arm ebenfalls um ihn legen. 

Ganz ruhig. Es ist alles gut, bleib locker.

"Victoria." Armitage fügte nichts weiter an, sondern sagte nur meinen Namen. Begleitend dazu wurde ich fester an ihn gezogen, gefolgt von einem Kuss auf den Scheitel. 

"Lass das gefälligst!", zischte ich ihm aus dem Mundwinkel zu. "Wäre es dir möglich, dich ein klein wenig zurückzuhalten?"

"Nein. Wir haben eine Vereinbarung, ich erfülle also nur meinen Part. Was ich übrigens auch von dir erwarte."

Zähneknirschend sah ich stur nach vorne.

"Wenn wir zusammen in den Raum treten", fügte Armitage an, "dann wirst du mich küssen."

Mein Kopf ruckte zu dem Mann an meiner Seite herum.

What the fuck! Im Ernst?

"Finde dich schonmal damit ab, nur einen kleinen Kuss auf die Wange zu bekommen", konterte ich.

Der Griff um meine Schultern verstärkte sich merklich. "Nein. Du wirst mich leidenschaftlich küssen, so wie immer." 

"Ist dir vielleicht schonmal in den Sinn gekommen, dass mir deine Nähe zuwider ist?"

"Du wirst trotzdem mitspielen und dich fügen! Ich erwarte einen leidenschaftlichen Kuss!"

"Mit Zunge?"

"Ja. Und wenn du nicht die Initiative ergreifst, dann werde ich dir meine Zunge in den Hals stecken. Vor allen Augen!" Armitage blieb stehen und funkelte aufgebracht zu mir herunter.

"Fein! Dann stell dich schonmal darauf ein, dass ich dir ohne Zurückhaltung auf die Zunge beißen werde! Vor allen Augen!" 

Armitages Augen weiteten sich vor Überraschung. 

Na, jetzt fällt dir wohl nichts mehr ein?

Siegessicher in meiner Gewissheit, Hux sprachlos zurückgelassen zu haben, lief ich zielstrebig weiter auf den Konferenzraum zu. Wenn ich allerdings erwartet hatte, dass diese Sache damit geklärt wäre, dann hatte ich mich verrechnet. Unsanft packten seine Finger meinen Oberarm, nur um mich erneut zu Armitage herumzuwirbeln. 

"Victoria, ich sage das jetzt zum Letzten Mal. Verhalte dich gefälligst angemessen mir gegenüber, sonst ..."

"Sonst was? Überlässt du mich dann Quinn, damit ich für ihn die Beine breit mache?", fiel ich ihm direkt ins Wort. Bei allem was Heilig war, so langsam brachte ich keine Geduld mehr auf für dieses ewige herumgezerre. 

Anstatt einer Antwort riss Hux mich an seine Brust um stürmisch über meine Lippen herzufallen. Doch diese Geste war alles andere als sanft. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass er mich damit seine Autorität spüren lassen wollte. Um mir zu zeigen, wer von uns beiden am längeren Hebel saß. Zu seinem Glück ließ er seine Zunge wo sie war, nämlich hinter seinen Zähnen. Sonst hätte ich meine Drohung ohne zu zögern umgesetzt. Wie Armitage dann versuchte seine Suppe zu löffeln, hätte ich nur zu gerne gesehen. 

Schöner Mist. Hätte ich mein Vorhaben nicht so deutlich angekündigt, dann hätte ich jetzt etwas über das ich mich köstlich amüsieren könnte. Ich sehe es schon vor mir. Ein Hux der versucht, den Löffel zwischen seine Lippen zu bekommen, ohne dabei an seinem malträtierten Waschlappen anzustoßen. 

Wegen dieses sensationellen Bildes, welches sich vor meinem inneren Auge zu entfalten begann, lächelte ich kurz in den Kuss hinein. Was Armitage natürlich nicht verborgen blieb, da er sich gleich darauf von mir löste, um mich mit einem undurchschaubaren Blick anzusehen. 

"Victoria, dieser Kuss gerade ..."

Oh Mann, ernsthaft? 

"Er ist bedeutungslos", antwortete ich. "Können wir dann endlich diesen Abend hinter uns bringen?"

Da ich Hux genau in die Augen sah konnte ich direkt mitverfolgen, wie sich sein Gesichtsausdruck verschloss, härter wurde. Mit verkrampfter Kiefermuskulatur bedeutete er mir, neben ihm herzugehen. Seinen Arm legte er diesmal allerdings nicht wieder über meine Schultern.


Seite an Seite betraten wir den Raum. Es war nicht sonderlich überraschend, das alle anderen schon anwesend waren. Armitage und ich bildeten wieder einmal das krönende Schlusslicht. Die Gespräche verstummten augenblicklich, sobald wir auf der Bildfläche erschienen. 

"Deine Hand, Victoria", nuschelte es neben mir aus dem Mundwinkel heraus zu. Ich tat wie mir geheißen wurde und schmuggelte meine Finger zwischen die von Hux, wohlwissend, dass alle Augen jede unserer Bewegungen und Interaktionen genaustens verfolgten. Ich konnte mir denken, das mein überstürzter Abgang vorhin für einiges an Gesprächsstoff gesorgt hatte. Einzig Generalin Parnadee lächelte mir aufmunternd und mitfühlend zu. 

Armitage und ich nahmen nebeneinander Platz. Zu meinem größten Leidwesen war ausgerechnet General Pryde diesmal mein Tischnachbar.

"Haben Sie Ihr Unwohlsein wieder überwunden, Miss Deveron?", fragte mich dieser auch prompt. Seine unangenehme Stimme war so durchdringend, dass alle im Raum diese Frage nicht überhören konnten. Dementsprechend fand ich mich jetzt im Zentrum der gesamten Aufmerksamkeit wieder, da jeder hören wollte, was ich zu sagen hatte.

"Ja General, danke der Nachfrage." 

Da Armitage eine glaubhafte Show von mir erwartete sah ich demonstrativ zu ihm, ein verliebtes Lächeln umspielte meine Lippen. Meine Hand legte sich auf seine, unsere Finger ineinander verschränkt. Auch Hux spielte seine Rolle glaubhaft, so liebevoll wie er mich anlächelte und über meinen Handrücken streichelte. 

Da! Da ist es schon wieder. Dieser seltsame Blick, den ich einfach nicht entschlüsseln kann, aus dem ich einfach nicht schlau werde. Ich könnte fast den Eindruck gewinnen, dass Armitage die Situation zwischen uns leid tut. Das er alle Gemeinheiten, welche er mir an den Kopf wirft, eigentlich gar nicht so meint. 

Meine innere Stimme bekam in ihrer Ecke gerade einen ausgewachsenen Tobsuchtanfall, schimpfte mich eine unverbesserliche Närrin. Aber ich konnte mir einfach nicht helfen, wenn ich diesen intensiven Blick analysierte, mit dem Hux mich ansah. Es war derselbe Ausdruck, den er sonst nur für ganz besondere Momente zwischen uns beiden aufgesetzt hatte, voller Liebe und Verlangen. 

"Sehr gut", durchbrach General Prydes Stimme die entstandene Stille, "dann können wir uns ja jetzt anderen Themen zuwenden. General Hux, ich nehme an Sie haben davon erfahren, dass Kylo Ren eine Widerstandskämpferin gefangen genommen und auf die Basis gebracht hat?" 

In meinem Kopf begannen gerade sämtliche Alarmglocken zu schrillen. Zum Glück bemerkte Hux meinen geschockten Gesichtsausdruck nicht, da er sich bereits wieder Pryde zugewandt hatte. 

Scheiße! Wer wurde jetzt gefangen genommen?

Armitage stieß ein Schnauben aus, bevor er zu einer Antwort ansetzte. "Diese dreckige Schrottsammlerin kann man wohl kaum als Widerstandskämpferin bezeichnen."

Welche Schrottsammlerin?

Neugierig sah ich zwischen Hux und Pryde hin und her.

"Dennoch behauptet Ren, sie könnte nützliche Informationen haben. Irgendetwas wegen einer Karte."

Armitage schnaubte erneut. "Ja, das ist das aktuelle Steckenpferd, welchem Kylo Ren mit Hingabe hinterherjagt. Eine Karte zu Luke Skywalker."

Leia hat schon sehr lange nach ihrem verschollenen Bruder gesucht. Wenn wir ihn finden würden, dann hätten wir einen mächtigen Verbündeten auf unserer Seite. Aber, was hat eine Schrottsammlerin damit zu tun?

"Kylo Ren glaubt, das diese junge Frau die Karte gesehen hat, welche zu seinem ehemaligen Lehrmeister führt. Demzufolge ist er fest entschlossen herauszufinden, wo dieser sich versteckt hält", präzisierte Armitage. 

Das Gespräch wurde kurzzeitig unterbrochen, da Servicedroiden das Abendessen servierten. Die Vorspeise bestand tatsächlich aus einer Suppe, wie ich amüsiert registrierte. Bevor ich mich allerdings meiner Mahlzeit widmen konnte, lehnte Armitage sich zu mir herüber. Sah mir mit einem tiefen, verheißungsvollen Blick in die Augen. Ich musste unwillkürlich schlucken. 

"Lass es dir schmecken, mein Liebling." Bevor ich in irgendeiner Weise reagieren konnte, hing Hux schon an meinen Lippen, um mich zärtlich zu küssen. Eine Hand umschlang meinen Nacken, allerdings fester als notwendig. Scheinbar hatte er die Vermutung, dass ich mich sonst zu schnell aus dem Kuss lösen würde.

"General Hux, wenn Sie diese öffentlich demonstrierte Privatvorführung bitte auslassen könnten? Es verhagelt mir nämlich sonst den Appetit", brummte Quinn unwirsch von der anderen Tischseite herüber. 

Armitage löste unsere Lippen voneinander, aber unsere Nasenspitzen waren immer noch nur wenige Zentimeter voneinander getrennt. "Werden Sie etwa eifersüchtig, Quinn?", fragte Hux zurück, doch dabei konnte er seine Augen nicht von mir abwenden. Seine Finger strichen aus meinem Nacken heraus, liebkosten meine Wange.

"Ich liebe dich, Victoria", raunte er mir leise zu. 

Ist das jetzt Show, oder ... oder meint er es immer noch ernst? Armitage verhält sich gerade so, als ob nichts zwischen uns vorgefallen wäre. Als ob er nicht kaltblütig Millionen von Leben mit einem einzigen Befehl hin ausgelöscht hätte.

Ich bekam noch einen schnellen Kuss auf die Wange gehaucht, bevor sich Armitage seinem Abendessen zuwandte. Er strahlte eine deutliche Selbstzufriedenheit aus, wie eine Katze, die heimlich an der Sahne geschleckt hatte. 

Wobei ich eindeutig die Rolle der Sahne einnehme. Und von Heimlichtuerei kann auch nicht die Rede ein. Oh Mann ...

Während ich schweigend meine Suppe löffelte, ließ ich mich von den Gesprächen ringsum berieseln. Ab und an tauschten Bellava und ich verstohlene Blicke aus, da ich das überdeutliche Fragezeichen über ihrem Kopf nur schwer ignorieren konnte. Bedauerlicherweise wurden im folgenden Gesprächsverlauf den restlichen Abend über keine interessanten Dinge mehr besprochen. Ich tat dennoch interessiert und aufmerksam, ganz die vorbildliche Assistentin von Hux. 

Das er dabei immer wieder nach meiner Hand griff und mich ab und an verliebt anturtelte, musste ich wohl oder übel hinnehmen. Als es endlich Zeit wurde den Abend zu beenden war ich demnach heilfroh. 

Ich hatte die ganzen spitzen Bemerkungen von Quinn mehr als satt. Einmal hatte er sogar die Frechheit besessen sich danach zu erkundigen, wie weit meine Schwangerschaft denn schon vorangeschritten wäre. Da ich mit so einer unverschämten Bemerkung nicht im Geringsten gerechnet hatte, spuckte ich meinen Espresso mehr als unelegant wieder zurück in die Tasse. Weil diese allerdings auch noch so klein war, landete der Großteil des Inhalts auf meiner Uniform. 

Bellava mir gegenüber konnte sich ihr Kichern nicht verkneifen und auch Armitage besaß die Dreistigkeit, mir verschmitzt lächelnd auf den Rücken zu klopfen, da ein ausgewachsener Hustenanfall mich fest in seinen Klauen hatte. General Pryde hingegen machte einen mehr als angewiderten Gesichtsausdruck und rückte mit seinem Stuhl sogar ein wenig von mir ab. 

Diesen Anlass nahm Armitage dann endlich als Vorwand, den Abend zu beenden und den anderen Generälen eine sichere Rückkehr zu wünschen. Heimlich vermutete ich aber genau das Gegenteil davon, zumidest was Pryde und Quinn betraf. 

Auf dem Weg zurück wurde ich natürlich gleich mit dem nächsten Problem konfrontiert, nämlich mit unserem gemeinsamen Quartier. Ich beschloss die Sache zur Sprache zu bringen, sobald die Tür hinter uns zugefallen war. Aber für mich stand fest, dass ich nicht mit Armitage in ein und demselben Bett schlafen würde.

Ich brauche so schnell wie möglich ein eigenes Zimmer!

In unseren Räumlichkeiten angekommen, ging ich sofort in die Offensive. "General, ich benötige ein eigenes Quartier."

Armitage wandte sich verwundert zu mir um, eine Augenbraue skeptisch erhoben. "Weshalb? Was stimmt mit diesem Quartier hier nicht?"

"Es ist unser gemeinsames Zimmer."

"Und weiter?"

Ich verdrehte genervt die Augen. Beim Schwarzen Loch, ernsthaft? Wie kann man nur so schwer von Begriff sein? Es war ein verdammt langer, emotionaler Tag, ich bin müde und will nur noch ins Bett!

"Ich möchte ein eigenes Zimmer. Für mich allein!", forderte ich.

Wag es jetzt nicht, mich einfach stehenzulassen! 

"Nein!" Mit diesem einen Wort wandte Armitage sich ab, um in Richtung Badezimmer zu verschwinden. Fassungslos blickte ich ihm nach. 

Er macht es tatsächlich! Er geht einfach weg! Das ist doch wohl jetzt nicht sein Ernst! Na warte!

Von neuem Elan erfüllt, stürmte ich ins angrenzende Schlafzimmer. Griff mir Armitages Kopfkissen und seine Decke, um alles demonstrativ auf dem Sofa draußen im Wohnzimmer zu deponieren. Wenn er das Bad verließ, würde er sein Bettzeug unweigerlich entdecken müssen. Deutlicher konnte ich nicht werden. Es war zwar schon extrem dreist von mir, ihn aus seinem eigenen Schlafzimmer zu schmeißen, aber trotzdem. 

Schnell huschte ich ins Schlafzimmer zurück, um mich bettfertig zu machen. Dummerweise hatte ich nur das hauchzarte Negligee zur Verfügung, welches Hux mir neulich erst geschenkt hatte. Zähneknirschend zog ich das Stück Stoff über mich, da ich Armitage wohl schlecht nackt gegenübertreten konnte. Er würde mit Sicherheit zuerst einmal hier hereingestürmt kommen und mit mir meckern, was das sollte. Und ich sollte Recht behalten, wenige Augenblicke später stand Hux in der Tür, seine ausquartierte Decke unter den Arm geklemmt.

"Victoria, kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat?"

"Können Sie sich das nicht denken, General? Wir beide werden nicht gemeinsam in einem Bett schlafen. Und da Sie sich weigern, mir ein eigenes Quartier zuzuteilen, werden Sie gezwungenermaßen wohl draußen auf dem Sofa übernachten müssen."

"Ich werde nichts dergleichen tun! Rück ein Stück rüber." Armitage marschierte deutlich seinen Standpunkt vertretend auf mich zu.

"Wag es nicht, Hux. Raus mit dir, und zwar sofort!"

Armitage blieb wenige Schritte von mir entfernt stehen. "Victoria, ich bitte dich. Nimm Vernunft an, was soll denn das? Dieses Bett ist groß genug für uns beide."

"Ich werde NICHT zusammen mit dir im Selben Bett schlafen. Wir sind kein Paar mehr, finde dich damit ab." 

Da wir offenbar keine Einigung erzielen konnten und Hux auch nicht willens war auf dem Sofa zu schlafen, dann musste ich mich wohl oder übel selbst ausquartieren. Mürrisch wollte ich an ihm vorbei stapfen, doch mit einer Hand versperrte Armitage mir den Weg. 

"Okay Victoria. Du hast gewonnen, ich werde im Wohnzimmer schlafen." Seine grünen Augen blickten traurig auf mich herab. Ich meinte auch, so etwas wie Resignation in seiner Stimme gehört zu haben. "Gute Nacht, Victoria", wünschte Hux mir, ebenfalls in diesem traurigen Tonfall.

 Ich entgegnete nichts, sondern sah ihm nur stumm nach, wie er mit hängenden Schultern nach nebenan schlich. Ich jagte alle belastenden Gedanken an Armitage, die Neue Republik und den Widerstand aus meinem Kopf. Morgen war auch ein Tag, an dem ich mir immer noch einmal alles überlegen konnte. Jetzt brauchte ich Ruhe und zwar dringend. Mein Kopf war kaum auf das weiche Kissen gesunken, als der Schlaf mich auch schon fest in seinen Händen hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top