Kapitel 12 - Medizinische Station
Bis wir endlich auf der Medizinischen Station angekommen waren, war ich schlichtweg am Ende meiner Kräfte, zumal wir fast doppelt so lange wie üblich für dieses Stück Weg gebraucht hatten. Kimura bugsierte mich gleich auf eine freie Liege ganz in der Nähe, außer uns war wirklich niemand anwesend. Während ich so dalag versuchte ich, wenigstens meine Atmung wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen.
Kimura wuselte derweil geschäftig um mich herum, maß die Temperatur, führte Scans durch und gab mir ein Mittel, um meinen Kreislauf wieder etwas zu stabilisieren. Zu meinem Leidwesen musste ich dafür schon wieder diese elende Piekserei über mich ergehen lassen und hatte auch niemanden bei mir, der Beistand hätte spenden können. Ja, Nadeln und ich wurden in diesem Leben definitiv keine Freunde mehr.
Kimura versuchte meine Anspannung etwas aufzulockern, während er die Haut an meinem Arm für den Einstich desinfizierte. "Möchtest du hören, was für eine Idee mir bezüglich unseres anderen Problems gekommen ist?"
Ich nickte bestätigend. Wenn Kimura einen Monolog führen wollte um mich abzulenken, dann sollte mir das Recht sein.
"Mir ist die Idee gekommen, dich als Stationshelferin verkleidet mit zu Poe in die Verhörzelle zu nehmen. Die einfachen Sturmtruppler werden dich mit Sicherheit nicht erkennen, wir müssen nur dafür sorgen, dass Hux nicht gerade nach dir sehen möchte, während wir unterwegs sind. Zu erklären, weshalb du dich als Stationsschwester verkleidet durch die Finalizer bewegst, dürfte zumindest bei ihm schwer fallen, dann bekommen wir ernsthafte Schwierigkeiten. Zu unserem Glück liegt die Verhörzelle nicht weit entfernt von hier, der Weg hält sich also in Grenzen. Begegnungen werden wir nicht gänzlich vermeiden können, aber ich denke wir werden hier nur Patrouillen von Sturmtrupplern über den Weg laufen, keinen Hochrangigen Offizieren oder Generälen."
"Wenn nicht gerade Hux nach mir sehen will und dann einen Suchtrupp losschickt, weil ich nicht hier bin", ergänzte ich.
Kimura nickte. "Aber selbst dieses Risiko sollte sich auf ein Minimum reduzieren lassen."
Interessiert blickte ich zu ihm hoch.
"Wenn Hux in einer wichtigen Besprechung ist, wie lange ist er dann meistens abwesend?"
Ich musste kurz überlegen. "Das kann ich dir so genau gar nicht sagen. Kommt wahrscheinlich immer auf die jeweilige Situation an, die seine Anwesenheit erfordert."
Ein leicht unzufriedenes Grummeln war zu hören. "Nun, Hux schreibt dir ja ständig und hält dich so auf dem Laufenden. Wenn er nur die kleinste Bemerkung fallen lässt, dass er in einem Meeting oder dergleichen ist, dann müssen wir schnell handeln. Selbst wenn wir Poe mit unserer kurzzeitigen Anwesenheit nur etwas neuen Mut vermitteln können, wäre schon viel gewonnen. Dann weiß er, dass er nicht alleine ist."
Ich musste Kimura zustimmen. Für uns stand viel auf dem Spiel, denn wenn wir erwischt würden, wäre unsere Tarnung als Spione definitiv vorbei. Aber verdammt, Poe etwas Mut und Zuversicht zu spenden war mir die Sache allemal wert. "Sag mal Kimura, wieso ist hier eigentlich nie jemand?"
"Weil die Erste Ordnung sich derzeit nicht in Kampfhandlungen befindet. Bei normalen Truppenübungen und Alltagsabläufen wird äußerst selten jemand verletzt. Meistens muss ich Routinekontrollen durchführen, um alle gesundheitlich auf dem Beststand zu halten. Warum fragst du?"
"Weil mir letztens schon aufgefallen ist, dass du hier keine Patienten zu behandeln hast."
"Wenn jemand ernsthaft verletzt ist, kommt meistens noch der Stationsarzt vorbei. Für die alltäglich anfallenden Aufgaben bin ich zuständig."
Mein Kopf ruckte zu Kimura herum. "Ich dachte du bist der Stationsarzt?"
"Das habe ich nie behauptet Ria", stellte er mit einem Schmunzeln richtig. "Du hast es anscheinend immer nur angenommen."
"Natürlich. Immer wenn irgendetwas war, kommt du angetrabt."
Kimura zuckte mit den Schultern. "Wie gesagt, für alltägliches bin ich zuständig. Ich bin im Übrigen auch nicht der Stationsarzt, sondern sein Assistent."
Jetzt wurde mir so einiges klar, wobei ich darauf auch selbst hätte kommen können. Kimura hatte vor dieser Stellung hier einen anderen Posten inne, nämlich auf der Kommandobrücke. Nur durch einen Zufall wurde sein medizinisches Können entdeckt, aber logisch war auch, dass man ihm nicht gleich den Posten als leitenden Stationsarzt vermachte. Ich hatte das einfach irrtümlicherweise angenommen, da mir außer Kimura niemand auf der Medizinischen begegnet war. Dennoch drängte sich mir eine weitere Frage auf. "Wieso wirst du dann aber immer mit Doktor angesprochen? Kapitän Peavey nannte dich demletzt so, da bin ich mir absolut sicher."
"Ganz einfach, weil ich meine Doktorarbeit geschrieben habe, deshalb. Den Titel habe ich mir hart erarbeitet. Sind deine Fragen damit beantwortet, Ria?"
"Ja, danke." Ich wollte gerade noch etwas erwidern, da zog das piepende Datenpad meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich nahm das Gerät in die Hand, um zu sehen, wer etwas von mir wollte. Es war Armitage. "Victoria, geht es dir mittlerweile wieder etwas besser? Ich habe das Problem hier schnell lösen können und sollte in den nächsten Minuten bei dir sein. Darfst du Besuch empfangen?"
Als ich bemerkte, dass Kimura mir über die Schulter linste um mitzulesen, lehnte ich mich verärgert von ihm weg. Was ging es diesen Naseweis Bitteschön an, wer mir eine Nachricht schickte? "Schon mal was von Privatsphäre gehört?", müffelte ich, bevor ich ihm den Rücken zudrehte, um schnell eine Antwort für Hux einzutippen. "Mir geht es dank Doktor Doreys Hilfe wieder etwas besser, du kannst gerne vorbeikommen. Bis gleich." Ich steckte mein Gerät wieder an seinen Platz am Gürtel, dann wandte ich mich Kimura zu. Dieser saß mittlerweile an einem Schreibtisch ganz in der Nähe, die Beine locker übereinander geschlagen und beobachtete mich eingehend.
"Spuck schon aus, was du sagen willst," schoss ich in seine Richtung ab.
Mein Kommentar entlockte ihm ein Kopfschütteln. "Man merkt deutlich, dass es dir schon wieder besser geht Ria."
"Aha. Weil ...?"
"Weil du wieder einmal deine ziemlich große, vorlaute Klappe nicht unter Kontrolle hast", er schloss den Satz mit einem säuerlichen Lächeln in meine Richtung ab.
"Ach du kannst mich mal ...", ich vervollständigte den Satz mit einer entsprechenden Handbewegung.
Leider wurde in dem Augenblick unser Geplänkel unterbrochen, denn die Tür der Station glitt mit einem Zischen zur Seite, um General Hux einzulassen. Nachdem er sich umgeblickt hatte, kam er zielstrebig auf mich zu, um sich zu mir auf die Bettkante zu setzten. Einen ganzen Augenblick lang musterte er mich, es war eindeutig Besorgnis in seinen Augen zu lesen. "Du siehst schon wieder etwas besser aus, Victoria. Nicht mehr ganz so blass wie vorher, ich habe mir schon Gedanken gemacht." Armitage beugte sich zu mir vor und zog mich in eine Umarmung.
"Armitage, was machen wir, wenn jemand hereinkommt? Wir können unseren vertrauten Umgang miteinander nicht so einfach erklären", wagte ich einzuwerfen.
Hux nickte bedauernd. "Ich weiß. Aber ich musste dich wenigstens noch einmal in den Arm nehmen und sehen, ob es dir wieder besser geht, denn ich kann leider nicht lange bei dir bleiben."
"Hast du so viel zu tun?"
"Was meinst du, weshalb ich eine persönliche Assistentin angefordert habe?", bestätigte Hux. "Unsere Abreise auf die Starkiller-Basis ist in zwei Wochen geplant. Ich wollte dich schon vorher, genau genommen sobald es dir besser geht, als meine Assistentin einstellen, aber Peavey ist vehement dagegen. Er meinte, dich bis zu unserer Abreise noch auf der Kommandobrücke zu benötigen und könnte dich vorher nicht entbehren. Da leider auch noch kein Nachfolger für dich gefunden ist, sind Kapitän Peavey und ich uns uneinig über die weitere Vorgehensweise."
Während ich Armitage zuhörte, kam mir eine Idee. "Ich könnte meinen Posten doch bis zu unserer geplanten Abreise beibehalten, nach Dienstende aber zu dir kommen um dich bei deinen Aufgaben zu unterstützen. So bekomme ich vorher schon ein bisschen Übung."
Ein Lächeln zog über Armitages Gesicht, als er meinen Vorschlag hörte. "Das ist eine ausgezeichnete Idee, Victoria. Und ganz nebenbei verbringen wir auf diesem Weg den Rest des Tages gemeinsam." Er kam wieder näher, um mir einen langen Kuss zu geben. "Was für ein schlaues Mädchen du doch bist. Dann können wir schon einmal mit der sehr ausführlichen Einarbeitung beginnen."
"Armitage!" Ich spürte, wie eine verräterische Röte meine Wangen hinaufkroch.
Mist! Wieso muss er ausgerechnet jetzt so eine Bemerkung fallen lassen, Kimura sitzt doch direkt daneben.
Verschämt blickte ich zu unserem unfreiwilligen Zuschauer hinüber. Dieser versuchte allerdings seine rot glühenden Ohren zu verbergen, indem er fluchtartig in Richtung Büro verschwand. Ein Lachen lenkte meine Aufmerksamkeit zurück zu Hux.
Na das ist doch jetzt der Gipfel!
"Das macht dir auch noch Spaß!", beschwerte ich mich, meine Entrüstung war noch nicht einmal gespielt.
Hux nickte. "Absolut. Außerdem siehst du süß aus, wenn du rot wirst."
"Armitage, du bist ein ...", der Rest meines Protestes wurde von Hux verhindert, der mich schnell küsste.
"Ich hoffe, dass du bis morgen wieder auf den Beinen bist, Victoria. Dich immer nur so kurz zu sehen gefällt mir gar nicht."
"Musst du denn schon wieder gehen? Du bist doch gerade erst hergekommen."
Bedauernd bestätigte Hux dies mit einem Nicken. "Ich habe später noch ein wichtiges Gespräch mit Peavey wegen deinem Nachfolger. Anschließend muss ich mich wieder meinem Projekt Starkiller widmen, dort werden im Laufe des Tages noch weitere Waffensysteme angeliefert, die bis zu unserem Eintreffen dort aber eingebaut sein müssen. Ich möchte die Station vollkommen funktionsfähig übernehmen. Wenn das erledigt ist, steht eine Konferenz über Holovid mit dem Obersten Anführer an, ich muss ihm das Voranschreiten unseres Projektes genau erläutern."
Als Hux den Obersten Anführer erwähnte fiel mir auf, dass er ein leicht unglückliches Gesicht machte. Nicht offensichtlich, dass nicht, aber mittlerweile konnte ich seine Mimik schon recht gut deuten. Ich wollte ihn gerade wegen meiner Beobachtung ansprechen, als Kimura mit großen Schritten aus seinem Büro gestürmt kam, um hektisch eine Transportliege vorzubereiten. Eilig stopfte er allerlei nötiges Equipment in seine Tasche. Armitage und ich beobachteten ihn schweigend bei seinem Tun.
"Ist etwas vorgefallen? Gab es einen Zwischenfall Doktor Dorey?", wollte Hux erfahren.
Kimura nickte, wandte seine Aufmerksamkeit jedoch nicht von seiner Aufgabe ab.
Hux stand in der Zwischenzeit schnell von meinem Bett auf.
"Ja General, in Hangar sechs ist bei einem Probelauf anscheinend ein Sturmtruppler verletzt worden. Bitte fragen Sie mich nicht nach weiteren Einzelheiten, ich weiß selbst nichts genaues."
"Nun dann wird es hier mit Sicherheit gleich etwas betriebsamer zugehen", erklärte Armitage sein Verhalten. "Ich werde dann gehen, Victoria. Meine Arbeit erledigt sich leider noch nicht von alleine. Aber bald habe ich ja Unterstützung." Hux umfasste noch einmal mein Gesicht, um mir einen zärtlichen Kuss zu geben und mir im Anschluss in die Augen zu sehen.
Ich verlor mich beinahe in seinen wunderschönen, grünen Augen.
Mensch, Ria, schalt deinen Kopf wieder ein!
"Sehen wir uns heute nicht mehr, Armitage?"
"Nein Liebes, leider nicht. Ich hoffe, dass du morgen auf der Brücke deinem Dienst nachkommen kannst."
"Das hoffe ich auch. Bis morgen, und Hux?" Mein Zuruf hielt ihn noch einmal zurück, er war nämlich schon im Begriff zu gehen. "Pass auf dich auf, ja?"
Armitage schenkte mir ein so aufrichtiges Lächeln welches die komplette Bandbreite seiner Gefühle offenbarte, dass mir unweigerlich ganz warm wurde. Offenbar hatte er nicht mit meiner Besorgnis um seine Person gerechnet, aber es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr in meine Anteilnahme freute. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich musste wirklich sehr gut auf mich achtgeben, denn dieser Mann schaffte es, mich außerordentlich durcheinander zu bringen. Seine zielstrebigen Schritte trugen Hux schnell aus meinem Blickfeld. Zurück blieb eine leicht verwirrte Ria.
Zum Glück hatte ich nicht lange Zeit, um mir über meine Unklarheit bezüglich Armitage Gedanken zu machen. Der General war noch keine zwei Minuten von der Station verschwunden, da kam ein Mann hereingestürmt, der mir bis jetzt noch nicht begegnet war. Ich schätzte ihn auf etwas über 60, seinem grau melierten Haar nach zu urteilen. Er warf mir im Vorbeieilen einen kurzen Blick zu, ging aber zielstrebig weiter zu Kimura. Aufgrund seiner Kleidung ordnete ich ihn ebenfalls dem medizinischen Personal zu, denn er trug einen langen, weißen Kittel. "Kimura, Sie haben mich kontaktiert, dass gleich ein Schwerverletzter hierher gebracht wird?"
"Ja, Sir. Ein verunglückter Sturmtruppler. Den genauen Ablauf des Zwischenfalls kenne ich allerdings nicht."
"Weshalb stehen Sie dann noch hier, Dorey? Machen Sie sich sofort auf den Weg zur Unfallstelle. Ich werde derweil alles nötige vorbereiten."
Mit einem "Ja, Sir" eilte Kimura mit seiner Tasche davon.
Mit hochgezogener Augenbraue verfolgte ich seinen Abgang. Mir schlich sich der Gedanke auf, dass dieser Mann wohl der leitende Stationsarzt sein musste, wenn er Kimura auf diese Art herumkommandierte. Ich stellte fest, dass ich ihn nicht mochte. Er hatte ein sehr präsentes Auftreten, überzeugt von sich selbst und trug seine Nase eindeutig zu hoch erhoben. Ich habe solche eingebildeten Personen noch nie ausstehen können.
Offenbar hatte Kimura schon ganze Arbeit geleistet und alles nötige vorbereitet, denn der Arzt kontrollierte nur noch einmal alles penibel und wandte mir seine Aufmerksamkeit zu. Sein Blick glitt abschätzig über meine zerknitterte Offiziersuniform. Ich hatte einfach noch keine Zeit gehabt mich umzuziehen, doch sein Augenmerk blieb auf meinem Rangabzeichen an der Armbinde hängen.
Ja, schau nur genau hin du eingebildeter Schnösel, ich bin eine Offizierin. Mich wirst du nicht so einfach herumkommandieren können wie Kimura, dafür stehe ich im Rang über dir.
"Was führt Sie hierher Offizierin? Kann ich Ihnen helfen?"
Oh ja, sein Tonfall ist eindeutig ins Unterwürfige abgerutscht. Wie ich solche Menschen hasse, die ihren Untergebenen bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihren Platz zeigen.
Aber wenn ich genauer darüber nachdachte, tat Hux ja eigentlich genau dasselbe. Ich redete mir ein, dass es bei Armitage etwas völlig anderes war, ich musste nur noch herausfinden was genau.
"Offizierin?", hakte der Arzt noch einmal nach.
Ich beschloss, ihn mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Sollte er doch spüren, wie sich das anfühlte. "Verzeihung, ich wüsste nicht, dass Sie sich vorgestellt haben. Das sollten Sie lieber augenblicklich nachholen." Mein Tonfall triefte geradezu vor Überheblichkeit und obwohl ich saß, schaffte ich es, ihn von oben herab anzusehen. Mit Genugtuung registrierte ich seine Verunsicherung.
"Verzeihen Sie, ich bin der leitende Stationsarzt, Doktor Tenroy. Kann ich noch etwas für Sie tun, oder wurden Sie bereits versorgt?"
"Ihr Kollege hat bereits hervorragende Arbeit geleistet, ich benötige Ihre Dienste keineswegs." Damit war die Sache für mich erledigt, was ich dem Arzt auch demonstrativ zeigte, indem ich meine Aufmerksamkeit auf das Datenpad richtete und ihn somit ignorierte. Ich hörte ihn noch irgendetwas vor sich hinbrummen, was sicherlich nicht vorschriftsmäßig war und konnte es einfach nicht lassen. "Haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen, Doktor Tenroy? Ich habe Ihre Äußerung gerade nicht richtig verstanden."
Ruckartig blieb er stehen und sah mich an, in seinem Blick lag Unsicherheit. "Nein, ich wollte Ihnen nichts mehr mitteilen."
"Dann gehe ich davon aus, dass Ihre gemurmelten Worte alles andere als freundlich waren. Ist Ihnen eigentlich klar, mit wem Sie hier reden? Solche Respektlosigkeiten gegenüber meiner Person dulde ich nicht, haben wir beide uns verstanden?" Ich wurde zunehmend lauter. "Oder soll ich meinen Vorgesetzten von Ihrem Regelverstoß in Kenntnis setzen? Mich würde interessieren, was General Hux dazu zu sagen hat." Jetzt hatte ich es geschafft, Tenroy fiel buchstäblich dass Gesicht in Scheiben.
Stammelnd fing er an sich mehrfach zu entschuldigen und zu beteuern, wie leid ihm dieses Missverständnis tat. Ich sah seine wachsende Angst mit Genugtuung. Dieser Schachzug von mir war mit Sicherheit alles andere als klug, aber bei den Sternen, ich hatte in meinen jüngeren Jahren genug solcher arroganten, arschkriecherischen Personen ertragen müssen. Zu Doktor Tenroys Glück tauchte Kimura in Begleitung von zwei Sturmtrupplern gerade jetzt auf. Ich registrierte sein Aufatmen, als er sich einer anderen Tätigkeit widmen konnte.
Mein Augenmerk wurde auf die Neuankömmlinge gezogen. Kimura steuerte die Transportliege umsichtig vor sich her, ein weiterer Sturmtruppler half ihm dabei. Als ich die Gestalt auf der Liege sah, musste ich unweigerlich heftig schlucken. Die Rüstung von Sturmtrupplern war eigentlich weiß, doch von der ursprünglichen Farbe war hier nichts mehr zu erkennen, vielmehr schimmerte die komplette Rüstung in einem feuchten Rot. Überall war Blut.
Doktor Tenroy scheuchte den begleitenden Sturmtruppler zu Seite, um dessen Platz einzunehmen. Gemeinsam mit Kimura steuerte er einen benachbarten Raum an, welcher vermutlich ein Behandlungszimmer beherbergte. Der überflüssige Sturmtruppler stand völlig verloren mitten in der Station.
Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, dass er etwas durcheinander aussah. "Geht es Ihnen gut?", wandte ich mich direkt an ihn.
Erschrocken fuhr sein Kopf in meine Richtung herum, ich wette er hatte meine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt.
"Was ist passiert?"
Der Sturmtruppler schüttelte den Kopf und zog sich kurzerhand einfach den Helm ab, zum Vorschein kam ein junger, dunkelhäutiger Mann Mitte 20. Das war mit Sicherheit gegen die Regeln, doch darauf würde ich ihn bestimmt nicht hinweisen. Himmel, der Kerl sah ja richtig mitgenommen aus. Er schlurfte zu einer freien Liege, von denen es hier reichlich gab und setzte sich, den Helm hielt er vergessen in der Hand. Langsam hob er den Blick zu mir. "Ah, Ma'am, Sie sind es. Wir begegnen uns immer auf der Krankenstation."
Irritiert blickte ich ihn an, dann fiel der Groschen. Das was der Sturmtruppler, welcher mich an meinem ersten Tag über die Finalizer geführt hatte. "Helfen Sie mir noch einmal auf die Sprünge, wer Sie sind", bat ich.
Der Sturmtruppler erbleichte, anscheinend wurde er sich gerade bewusst, dass er völlig gegen die Regeln verstieß. "Verzeihung Ma'am, ich bin FN-2187. In Hangar sechs ist bei einer Truppenübung eine Kanone aus versehen abgefeuert worden. Deshalb ist FT-4521 so schwer verletzt worden." Als er am Ende seiner kurzen Erklärung angekommen war, streifte er sich eilig den Helm wieder über und erhob sich. "Sie entschuldigen mich Ma'am? Ich muss mich wieder bei meiner Einheit zurück melden."
Ich nickte ihm bestätigend zu, worauf er fluchtartig die Station verließ.
Schon wieder war ich mit meinen Gedanken allein, doch bald schon folgte die nächste Ablenkung in Form eines Schreis. Dieser kam aus dem benachbarten Zimmer, in dem Kimura mit Doktor Tenroy den verwundeten Sturmtruppler versorgte. Mir wurde ganz mulmig zumute bei dem Gedanken, was der arme Kerl wohl für Schmerzen aushalten musste, bis das Betäubungsmittel endlich wirkte. Sturmtruppler erhielten zwar eine ordentlich fundamentierte Grundausbildung bei der Ersten Ordnung, doch im Allgemeinen wurden sie als austauschbares Kanonenfutter angesehen. Den Menschen hinter der Maske sah niemand.
Meine Gedanken schweiften weiter ab zu Poe. Wie es ihm wohl erging? Ob und vor allem wie oft die Erste Ordnung inzwischen versucht hatte, Informationen aus ihm heraus zu bekommen? Mittlerweile war er schon ganze 24 Stunden an Bord in Gefangenschaft, genau genommen sogar etwas länger. Wegen Armitages Behauptung, dass er heute noch so viel zu tun hatte, wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt für Kimura und mich, uns zu ihm zu schleichen. Aber leider würde das ein seltsames Bild abgeben, wenn ich mich im Beisein von Doktor Tenroy in eine medizinische Dienstkleidung schmeißen würde.
Verdammter Mist aber auch!
Da ergab sich unverhofft eine günstige Gelegenheit und dann konnte man sie nicht einmal nutzen. Um die Wartezeit etwas zu überbrücken nahm ich mein Datenpad zur Hand und schickte Tara eine Nachricht in der ich erfahren wollte, wie es in meiner Abwesenheit auf der Kommandobrücke lief. Ihre Antwort war recht simpel, alles genauso wie immer. Ein mürrischer Hux der alle Anwesenden nervös machte und eine Unmenge an Arbeit, da mein Teil auch noch für die anderen übrig blieb. Ich teilte ihr gerade mit, dass ich voraussichtlich morgen wieder zum Dienst erscheinen würde, da öffnete sich die Tür zu dem Behandlungsraum nebenan.
Kimura trat zuerst heraus, er bugsierte die Behandlungsliege mit dem Sturmtruppler vorsichtig in diesen Raum, Doktor Tenroy folgte ihm. Gemeinsam hoben die beiden Männer den bewusstlosen Truppler in ein freies Krankenbett, dann rauschte Tenroy auch schon ab, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Mein mentaler Stinkefinger folgte ihm. Kimura kam zu mir herüber, um sich auf das freie Bett neben dem meinen zu setzen.
Ich registrierte, wie blutbesudelt er eigentlich war. "Wie geht es dir?", wollte ich erfahren.
Kimura winkte ab. "Halb so wild. Ab und an brauche ich auch mal solche Einsätze, sonst komme ich aus der Übung. Was hat dein General denn vorhin zu dir gesagt?", wechselte er das Thema.
Ich beließ es dabei. "Armitage meinte, dass er heute keine Zeit mehr hätte, um vorbeizukommen, da er sich um so vieles kümmern muss. Die Gelegenheit wäre also günstig." Ich beließ es bei der Andeutung, Kimura wusste auch so, wovon ich sprach.
Dieser sah mich allerdings nur skeptisch an, bevor er fragte, "Armitage? Nennt ihr euch neuerdings schon beim Vornamen?"
Siedend heiß wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich seinen Vornamen gebraucht hatte. Ich musste wirklich besser aufpassen, sonst rutschte mir Hux' Name womöglich noch in Anwesenheit einer anderen Person heraus.
Zu meiner Erleichterung beließ es Kimura dabei. "Ich muss dich leider enttäuschen Ria, heute ist die Gelegenheit zwar günstig von deiner Seite aus, aber leider nicht bei mir. Mein Chef wird später noch einmal vorbeischauen, da kann ich nicht einfach irgendwo unterwegs sein. Das wirkt genauso verdächtig."
Ich stimmte Kimura schweren Herzens zu. "Aber morgen müssen wir es irgendwie zu Poe schaffen, in Ordnung?"
"Ich werde sehen, was sich einrichten lässt, Ria. Wie geht es dir denn mittlerweile? Wie fühlst du dich?"
Kimuras Frage veranlasste mich dazu, genauer in mein Inneres zu lauschen. Mir ging es definitiv besser als noch vor einigen Stunden. "Soweit ganz gut, zumindest von meinem Gefühl her."
"Lass mich deine biometrischen Daten noch einmal per Scan überprüfen, wenn alles wieder auf dem rechten Weg ist, kann ich dich sogar schon wieder entlassen. Mit einer ordentlichen Mahlzeit im Bauch und ausreichend Schlaf solltest du morgen wieder völlig fit sein."
Während Kimura den Scan durchführte ergab sich eine wunderbare Gelegenheit, ihn zu seinem Vorgesetzten etwas auszuhorchen. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie konnte ich diesen Mann nicht ausstehen. Ich hatte sogar dass Gefühl, das etwas an ihm merkwürdig war, konnte aber nicht genau benennen was. "Dein Chef ist ein ganz schöner Stinkstiefel."
Kimura lächelte. "Wie kommst du denn zu dieser Erkenntnis, Ria?"
"Wir beide hatten während deiner Abwesenheit vorhin das zweifelhafte Vergnügen, uns etwas genauer miteinander bekannt zu machen." Kimura sah mich nur abwartend an, was mich dazu veranlasste, weiterzureden. "Ich habe ihm recht nachdrücklich zu verstehen gegeben, dass ich im Rang über ihm stehe und er sich solche Respektlosigkeiten mir gegenüber gefälligst zu verkneifen hat."
"Lass mich raten, das hat ihm mit Sicherheit nicht gefallen."
"Es hatte ganz den Anschein."
"Jetzt verstehe ich auch, weshalb Tenroy so ein verkniffenes Gesicht gezogen hat. Er hat zum ersten Mal Bekanntschaft mit deiner vorlauten Klappe gemacht."
"Touche", gab ich zu. "Aber das Arschgesicht hat es nicht anders verdient."
"So fertig. Soweit ist wirklich alles wieder gut, du kannst gehen, Ria. Aber eine Sache noch. Tenroy lässt solche Situationen nicht gerne auf sich sitzen. Du solltest dich also lieber vorsehen."
Ich nickte zum Zeichen, dass ich Kimuras Andeutung verstanden hatte, dann erhob ich mich von der Liege. "Danke, Kimura. Wir halten uns auf dem Laufenden?"
"Sicher doch. Bis dann." Kimura tigerte davon, um nach dem Befinden seines anderen Patienten zu schauen.
Ich verließ die Medizinische Station und aktivierte unterwegs auf meinem Datenpad die Funktion für Dumme und folgte der Linie auf dem Bildschirm. So gelangte ich ohne weitere Zwischenfälle oder unliebsame Begegnungen zurück zu meinem Quartier nur um festzustellen, dass dieser Tag wie im Flug an mir vorbeigezogen war. Schnell gab ich eine Nachricht an Armitage ein, in der ich ihm mitteilte, von der Medizinischen entlassen worden zu sein, dann orderte ich mir ein leckeres Abendessen. Die Wartezeit bis zum Eintreffen meiner Mahlzeit überbrückte ich mit einer schönen, heißen Dusche. Nur im Bademantel bekleidet futterte ich mit Genuss mein Essen und checkte dabei mein Datenpad, Armitage hatte sich noch nicht zurück gemeldet.
Seltsam, normalerweise schrieb er mir doch immer gleich zurück, aber anscheinend war irgendeine wichtige Sitzung noch in vollem Gange. Ich konnte mir die bedauernden Gedanken wegen der ungenutzten Chance, Poe zu sehen nicht verkneifen, denn diese Gelegenheit heute wäre wirklich zu günstig gewesen. Nachdem ich meine normale Abendroutine abgeschlossen hatte stellte ich den Timer an meinem Datenpad auf die Frühschicht ein und schickte Kapitän Peavey auch noch eine Mitteilung, dass ich morgen wieder wie gewohnt zum Dienst erscheinen würde. Erschöpft ließ ich mich in die Kissen sinken, und obwohl ich heute nicht viel Produktives gemacht hatte, war ich schlichtweg erledigt. Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top