Kapitel 7
Shane:
Nach der Schule, die für mich eine Viertelstunde vor den anderen endete, da unsere Biolehrerin überstürzt flüchten musste (Ihr kleiner Sohn hatte mit der Waschmaschine die Wohnung überschwemmt) war ich erstmal zu meinem Bruder gelaufen, um meine lästige Schultasche zu entsorgen und mich fürs Schwimmen umzuziehen. Ein Vorteil von San Francisco, dass man von der Schule aus ein paar Stationen mit der Cable Car fahren, aussteigen und in den Pazifik rennen konnte. Ein Grund mehr warum es mich nicht störte, dass wir selten in den Urlaub fuhren.
Caleb wohnte in einem der Reihenhäuser der alten, hellen Familienhäuser im erleuchteten, gemütlichen Altstadtviertel Friscos. Von der Schule aus überquerte man nur die Straße, ging an einer kleinen Pizzeria vorbei um eine Ecke und dort die Straße ein paar hundert Meter entlang. Mein zweitältester Bruder hatte mit seinem Freund eins der Häuser gekauft und wohnte dort mit ein paar Freunden als WG zusammen. Ich hatte dort eine meiner Badehosen deponiert und lief im Sommer fast jeden Tag zu ihm, um mir ein Sandwich zu machen und mich umzuziehen.
Ich mochte ihn am liebsten von meinen Geschwistern. Das lag vielleicht daran, dass er wie ich auf Männer stand - also er ausschließlich und ich unteranderem - und auch der einzige war, der es von mir wusste. Also, aus meiner Familie. Reyna und Joe wussten ebenfalls davon. Ich wusste nicht, warum ich meiner sonstigen Familie noch nichts von meiner Bisexualität erzählt hatte. Ich glaube, ich nahm es nicht mehr so wichtig.
Dieser Druck, andere darüber zu informieren, war irgendwann weniger geworden. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, es gewissen Personen erzählen zu müssen. Reyna und Joe hatten es rausgefunden, als mir einmal ein verräterischer Kommentar über den Oberkörper eines Schauspielers rausgerutscht war, und Caleb hatte einfach einen sehr guten Gaydar. Ich vermute, sie würden es gelassen aufnehmen, wenn ich es ihnen mal erzählen würde, aber da ich sowieso noch keinen Freund hatte, würde ich auf jeden Fall nicht von mir aus ansprechen, schließlich bestimmte meine Sexualität nicht meinen Charakter.
Bei Calebs WG angekommen zog ich meinen Schlüssel aus der Tasche und trat ein. Das Haus verfügte über zwei Stockwerke und einen Keller. Die Küche befands direkt die erste Tür links hinter der Haustür. Ich öffntete die Tür und warf meine Tasche vorübergehend in die Ecke.
Danach toastete ich mir zwei Toasts und belegte sie mit Käse. Glücklicherweise war Calebs fester Freund Mike diesen Monat mit Einkaufen dran, was bedeutete, dass es echte Sandwichtoasts, Käse zum verlaufen und Kochschinken gab, nicht dieses geschmacklose Vollkornzeugs und den zähen Schinken vom Metzger, den Caleb immer kaufte, er hatte diesen unnötigen Gesundheitstick von meiner Mutter geerbt.
Ich klatschte eine Scheiben Schinken auf mein Sandwich, wickelte es ein, stopfte es in den Rucksack, öffnete wieder den Kühlschrank und sah unentschlossen zwischen den Orangensaftflaschen und den Colaflaschen hin und her. Caleb hatte gesagt, er ließ die anderen für wenig Miete bei ihm wohnen, da konnte ich ruhig ab und zu vorbeikommen und etwas zu Essen und Trinken geiern bzw einfach hier rumhängen. Mit ein paar Collegestudenten zu plaudern war schließlich auch nicht die uncoolste Sache der Welt.
Nachdem ich mich für eine Flasche Orangensaft entschieden und das Haus verlassen hatte, eilte ich die Straße Richtung Schule zurück, um mit der Cable Car zum Strand zu fahren. Die nächste Haltestelle war gleich bei der Schule. Eigentlich wurde diese Art von Fortbewegungsmittel eher von Touris benutzt, aber ich benutzte sie gerne, da soviele unterschiedliche Nationalitäten, Religionen und Charakteren unter den Touris befanden. Daher hörte ich ihnen gerne zu.
Auf dem Gehweg war jetzt, zur Mittagszeit, viel los. Caleb wohnte in einer sehr langen Straße, in der auf die Wohngebäude mehrere Geschäfte und Cafes folgten, weshalb mehrere Schüler nach der Schule diesen Weg einschlugen. Ich zog mein Handy aus der Tasche und schrieb meinen Freunden, dass ich auf dem Weg zur Haltestelle, und bald am Strand wäre. Nachdem ich die Nachricht gesendet hatte, steckte ich das Handy wieder in die Tasche, hob den Kopf und-Bumm.
Ich knallte gegen einen jungen, etwas platschte gegen meine Brust und kurz darauf spürte ich heiße Soße an meinem Oberkörper herunter laufen. "Tut mir leid" murmelte der Junge vor mir. Ich sah ihn an - er sah zu Boden - und mein Bauch fing an zu kribbeln. Teddy stand vor mir. Sein türkis gefärbtes Haar befand sich etwa auf Höhe meiner Nase und ein paar Strähnen tanzten im Wind.
"K-Kein Problem, kann ja mal passieren" brachte ich heraus und zwang mich zu einem Lächeln. Teddy murmelte irgendwas Unverständliches und drückte sich an mir vorbei. Für einen Moment spürte ich seinen warmen Körper an meiner Hüfte, dann war er weg. Ich drehte mich um und starrte ihm hinterher. Sein halblanges, türkises Haar, was im Wind flatterte, sein T-Shirt, was sich an seinen Körper schmiegte, seine gebräunte Haut....Gut, möglicherweise war mein Blick zwischenzeitlich zu seinem betonten Hintern gewandert, aber ganz bestimmt nur einmal! Auch wenn es vielleicht zweimal war...
Nachdem ich einen Ticken zu lang Teddy hinterher gestarrt hatte, sodass die ersten Leute schon anfingen, zu gucken, wandte ich mich bedauernd ab und setzte meinen Weg fort. Das ich mit der Cable Car fuhr, hatte verhindert, dass ich vor lauter Träumen noch mehr als zwei Leute über den Haufen gerannt hatte. Die letzte Station der Cable Car lag am Strandgebiet, und sobald wir aus der letzten Hausreihe fuhren, flutete Sonnenlicht den Wagen. Am Horizont erstreckte sich der pazifische Ozean, davor befand sich der breite Strand. Vom Strand aus führten steinerne Stufen zu einem gepflasterten, großen Platz, der an drei Seiten von bunten Geschäften und Cafes gesäumt war, und zum Meer hin offen. Die Cable Car hielt in der Mitte des Platzes.
Ich ließ mich mit dem Touristenstrom aus der Car zum Strand treiben, und spazierte dann suchend über den Strand. Reyna hatte das Glück, sehr nah am Strand zu wohnen, und war direkt nach der Schule hierher gefahren um uns mit ihrem knallroten Sonnenschirm einen Platz am Strand zu reservieren. Heute hockte sie in ihrem dunkelgrünen Badeanzug, der ihren rot flatternden Haare wirklich gut stand und setzte mich in Bewegung, um zu ihr zu gelangen.
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