Kapitel 2

Bevor ich wieder aufstand, wartete ich noch einen Augenblick um ganz sicher zu gehen, dass mein Vater wirklich weg war, dann sprang ich sofort auf um meine Tür wieder abzuschließen. Einen Moment verharrte ich noch dort, bevor ich mich auf den Boden sinken ließ. Erleichtert darüber das die Situation einigermaßen glimpflich abgelaufen war und das es keine Verletzten gab. Doch dann blieb mein Blick an den Überresten meines Bildes hängen. Keine Verletzten, abgesehen meiner neuen Zeichnung, auf der der Ort für das nächste Treffen mit Luc abgebildet war. Ob er irgendwelche Schäden davon trug? Eine Mischung aus Sorge und Wut überkam mich und brachte die Tränen gleich mit sich. Mit zittrigen Händen hob ich die Schnipsel auf und versuchte sie auf meinem Schreibtisch wieder zusammenzufügen. Keine Chance, ich musste ein komplett neues Bild zeichnen. An diesem Punkt gewann die Wut die Überhand. Aus lauter Verzweiflung fegte ich alles von meinem Schreibtisch hinunter. Zweieinhalb Stunden Arbeit und Mühe für nichts und wieder nichts. Es war wirklich nicht so das ich zeichnete um Leute damit zu beeindrucken und schon lange nicht mehr weil ich Freude daran hatte. Der einzige Grund warum ich das Zeichnen noch nicht komplett aufgab war, weil dies mich aus dieser grausamen Welt raus bringen konnte, auch wenn nicht für lange. Und natürlich, weil ich Luc dadurch treffen konnte.

Ich erinnerte mich noch genau daran wie alles begann. Es war der Tag an dem mein Onkel starb. Ich war erst acht Jahre alt, also bekam ich nicht wirklich viel von dem mit was so vor sich ging. Natürlich merkte ich, dass die Stimmung irgendwie niedergeschlagen war, deswegen entschied ich mich ein Bild für meine Eltern zu malen um sie aufzuheitern. Nachdem ich es beendete, war ich ganz stolz auf dieses Bild, denn dafür das ich erst acht Jahre alt war, war dieses Bild wirklich gut. Und so wie es wahrscheinlich normal für Kinder meines Alters war, schloss ich meine Augen um mir vorzustellen, wie es wäre wenn ich jetzt dort wäre und im nächsten Moment in dem ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich wirklich dort. Ich hinterfragte es nicht wirklich, sondern war einfach mit leuchtenden Augen durch die Gegend gelaufen. Es war ein schöner Wald mit vielen hohen Bäumen, die nur wenig Sonnenlicht durchließen. Fast genau wie der Wald, den ich in den letzten Ferien mit meinen Eltern besuchte. Ich weiss noch wie glücklich wir dort waren, deswegen entschied ich mich diesen Wald zu malen. Nach einer Weile des Umherlaufens stolperte ich über einen Jungen, der unter einem der großen Bäume zu schlafen schien. Einige Zeit saß ich nur da und beobachtete ihn. Er hatte etwas längere schwarze haare und sehr helle Haut. Ich wusste nicht warum, aber in diesem Augenblick fand ich das er wirklich schön aussah. Nachdem ich ihn ausgiebig betrachtet hatte, entschied ich mich dazu ihn mit einem Ast anzustupsen um zu überprüfen ob er noch lebte. Sofort schreckte er auf und weit aufgerissene blaue Augen blickten direkt in meine. "Wer bist du und wie bist du hier her gekommen?" fragte er sichtlich verwirrt. Ich verstand nicht warum er so verwundert darüber war hier noch jemand anderes zu treffen und erwiderte vorsichtig: "Ich weiss es nicht, aber es ist echt krass. Nachdem ich mein Bild fertig gemalt hatte, war ich auf einmal hier" Ungläubig blickte er mich an: "Du lügst doch, abgesehen davon lebe ich, seit ich denken kann, alleine hier." Zum Ende hin wurde seine Stimme immer leiser. "Das stimmt doch garnicht, was ist mit deinen Eltern?" Verlegen schaute er auf den Boden und flüsterte fast schon: "Sowas habe ich nicht, ich war immer nur alleine." "Du bist doch blöd, jeder hat Eltern!", meinte ich etwas genervt. Eingeschnappt zog Luc seine Arme vor seine Brust und entgegnete nun deutlich lauter als vorher: "Wenn du mir halt nicht glaubst, kannst du ja auch wieder gehen!" Wütend stapfte er davon. Jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen und entschloss mich dazu, mich bei ihm zu entschuldigen. Als ich ihn endlich einholte hielt ich ihn am Arm fest, damit er auch stehen blieb. Er zuckte heftig zusammen als ich ihn berührte. Er schien sowas wirklich nicht gewohnt zu sein. "Was willst du noch?", zischte er genervt. "Ich möchte mich entschuldigen. Mir fällt es zwar echt schwer zu glauben, dass du keine Eltern hast, aber du siehst nicht aus wie ein Lügner." Seine Haltung entspannte sich nun etwas und er schien auch nicht mehr so distanziert. "Wie heißt du eigentlich?", fragte ich neugierig und fügte noch schnell hinzu: "Mein Name ist Darian!" "Luc.", antwortete er eher etwas stumpf. "Hey weisst du was, Luc? Wenn du willst, kann ich doch dein Freund sein, damit du nicht mehr so allein bist", schoss diese geniale Idee aus mir heraus. Zuerst schien er eher verwirrt, doch dann freute er sich über meinen Vorschlag und umarmte mich. "Endlich bin ich nicht mehr alleine", flüsterte er in meine Schulter und für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen.

Sobald ich sie öffnete saß ich wieder vor meinem Bild und den ganzen Malstiften die verteilt vor mir lagen. Etwas perplex schaute ich mich um und fragte mich wo denn alles hin sei, doch dann empfand ich es wichtiger sofort meinen Eltern zu erzählen was passiert war. Ich schnappte mir mein Bild und rannte so schnell ich konnte die Treppe hinunter. Vor dem Wohnzimmer blieb ich kurz stehen, da von dort aus ein unglaublicher Gestank ausging. Vorsichtig öffnete ich die Tür und näherte mich meinem Vater, der mit einer Flasche Jägermeister auf der Couch lag. Neben ihm meine Mutter. Sie hatte ein blaues Auge und Tränen flossen ihr an den Wangen hinunter. Aufgeregt sprang ich auf sie zu und fing an zu erzählen was alles passiert war und drückte ihr mein Bild in die Hand. Das einzige was sie dafür übrig hatte war ein abfälliger Blick und eine Ohrfeige. Was fiele mir ein sie mit so einem Mist, in so einer Situation zu belästigen und warum ich das Recht hatte glücklich zu sein und sie nicht, schrie sie mich an wobei sie mich ziemlich heftig rüttelte. Ich bekam Angst und versuchte mich zu befreien. Mit voller Wucht riss ich mich nach hinten und schmiss dabei ein Glas um. Dann wachte mein Vater auf.

Was danach passierte wusste ich nicht mehr so genau, nur das ich sehr viele blaue Flecken und Narben hinterher davon trug. Ich wollte auch gar nicht so genau wissen was noch alles passierte nachdem mein Vater aufwachte. Nach diesem Ereignis fing ich an zu malen wie ein Verrückter, nur um nicht zu Hause sein zu müssen. Ich wusste nicht wieso ich sowas konnte und auch nicht was es bedeutete, aber Luc und ich freundeten uns immer besser miteinander an und verbrachten immer mehr Zeit zusammen. Jetzt war er mein bester Freund und ich seiner, wenn auch sein einziger. Für mich gab es nichts, was mir mehr Freude machen konnte, als mit Luc Zeit, in den von mir erschaffenen Welten, zu verbringen. Und ich gab zu, es machte schon etwas Spaß sich die neuen Orte auszudenken, an denen wir dann unsere Zeit verbrachten. Mit einem tiefen Seufzer setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch, zog meinen Zeichenblock hervor, nahm meinen Bleistift in die Hand und begann damit die Welt für unser nächstes Treffen von neuem zu erschaffen. Selbst wenn es die ganze Nacht dafür brauchen würde.

Hey Leute, naa?
Jetzt sind wir schon bei Kapitel 2 😯 Es macht wirklich unglaublich Spaß an dieser Geschichte zu arbeiten und ich hoffe es macht noch mehr Spaß sie zu lesen ;) Mir sind Darian und Luc jetzt schon so ans Herz gewachsen und ich shippe die zwei so dermaßen hart 😂 Naja, freut euch auf mehr und lasst euch überraschen 🤗
Bis zum nächsten Kapitel :)
-Annarim

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