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Ich atme tief durch, als ich vor Harrys Tür stehe. Die Flügeltür sieht auf einmal eher weniger einladend und mehr abschreckend aus.

Am liebsten würde ich mich umdrehen und weg gehen. Oder den Notizblock einfach unter der Tür hindurch schieben und Harry seine Meinung zu Blumen und dem Farbton Magenta aufschreiben lassen.

Ich will nur nicht mit ihm reden.

Ich habe Angst vor ihm. Er hat glühende Augen und vielleicht war es nur das Licht oder mein Implantat, dass mir einen Streich spielen will, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es das nicht war.

Meine Faust klopft an der Tür, ohne mich vorher gefragt zu haben.

„Wer ist da?", höre ich es von drinnen. Es klingt wie durch drei Wände und zwei Kissen. Harry liegt sicher im Bett und spielt krank.

„Louis, Sir. Ich komme mit einem Auftrag von Carmen. Es geht um Stoffe und Blumen für die Hochzeit."

„Nicht jetzt."

„Aber es ist wichtig... Ich muss... bitte." Ich seufze. Was soll ich Carmen sagen, wenn Harry nicht will?

Euer Verlobter hat Husten und konnte deswegen die Tür nicht öffnen?

Ich habe ihn verärgert?

Wusstet Ihr, das wir uns geküsst haben? Unpassend, nicht wahr? Ist doch lustig, oder?

Die Tür fliegt auf und dort steht Harry. Er trägt immer noch nur seine Hose und eine Sonnenbrille.

Sein Mund ist zu einer Grimasse verzogen. „Was", schnauzt er fordernd.

Ich schlucke und deute mit dem Stift zum Notizblock. „Es dauert nicht lang. Darf ich rein kommen?"

Ohne ein weiteres Wort, setzt sich Harry auf sein Bett und ich schließe die Tür hinter mir.

Ich bleibe an ihr gelehnt stehen und schaue auf den leeren Block. „Was ist Eure Lieblingsfarbe?"

„Ich hoffe, dass das ein Scherz ist, Louis."

Ich lache nervös. „Es geht um die Farben für die Hochzeit. Ich soll sie stellvertretend aussuchen."

„Die Hochzeit", wiederholt Harry patzig. „Meine Hochzeit. Also was sollst du die Farben und Gestecke aussuchen?!"

„Sir, Ihr habt Euch krank gemeldet und Carmen meinte es sei eine gute Idee, wenn..."

„Louis", seufzt Harry. Er stützt sein Gesicht auf seine Hände ab. Er sieht selbst mit Sonnenbrille aus als habe er Kopfschmerzen.

Ob seine Augen immer noch glühen?

Ich bin still und warte auf das Nächste was Harry sagt.

Ich komme mir albern vor. Ich bin nicht mehr fünf und werde von Mitschülern gehänselt. Ich bin nicht mehr vierzehn und habe Probleme mit allem und jedem.

Ich bin 23 Jahre alt und alles was ich machen muss, ist Blumen aussuchen. Das sollte nicht so schwer sein, oder?

„Wir beide: Das war nicht so gemeint, klar? Wird nie passieren." Harry setzt sich die Sonnenbrille ab. Seine Augen leuchten nicht mehr. Es ist eher das Gegenteil: Sie sind dunkler als je zuvor. Er hat Augenringe, die er heute morgen im Bad noch nicht hatte.

Ich nicke zittrig. Ist nicht so als habe ich mir eine erotische Affäre mit Harry erhofft.

Ich hätte ihn in erster Hinsicht nicht küssen sollen.

„Das war also ein Versehen?", frage ich zur Sicherheit noch einmal nach.

„Ein Fehler", verbessert er mich. „Ein gewaltiger Fehler."

„Verstehe." Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich sollte froh sein, aber ich bin es nicht.

Denn auch wenn eine Romanze mit dem unsichtbaren Fürsten das Verhängnisvollste hätte sein können was in der Geschichte der Zeitreisen je passiert ist, so habe ich es doch gewollt.

„Wenn du noch einmal versuchst dich mir in so einer schamlosen Art und Weise zu nähern, werde ich dich melden und auch verbannen lassen, verstanden?" Harry klingt harsch, neutral und kratzig.

Er meint es ernst.

Er lügt nicht, um sich noch das letzte Fünkchen Ehre zu erhalten. Er tut nicht nur so, er spaßt nicht.

Harry meint es vollkommen ernst und hat mir gerade gedroht.

Er hat mir gedroht mich raus zu werfen oder verbannen zu lassen.

„Mach deinen Job und lass mich jetzt in Ruhe, Louis. Sag Carmen ich suche die Stoffe und Blumen nachher selbst aus, wenn es mir besser geht. Sie soll warten." Nach diesen Worten legt er sich wieder hin, Gesicht zur Wand, von mir abgewandt.

Ich finde den Weg aus seinen Gemächern.

Mir ist schlecht und ich habe das Gefühl gleich wieder einen Schweißausbruch zu bekommen. Und wahrscheinlich liegt das diesmal nicht an irgendeiner Kraft oder an glühenden grünen Augen, sondern schlicht ergreifend einfach daran, dass Harry mich verletzt hat und mich hat dämlich und nutzlos fühlen lassen.

****

Ich ärgere mich darüber keine Widerworte gefunden zu haben. Da war so viel, dass ich ihm hätte sagen können.

Er war derjenige, der den Kuss initiiert hat. Er war es doch, der mir die Haare gekämmt, mich massiert hatte. Er hatte mich gefragt, ob ich aufs männliche Geschlecht stehen würde und ich hatte nur gelacht. Und trotzdem hatte er mich berührt und dass nicht einmal mit Scham. Nicht einmal schüchtern oder ungewollt.

Er hatte die gesamte Zeit die Überhand über alles gehabt und ich hatte einfach nur das getan was er zuließ.

Und da sagt er mir, ich solle ihm nicht noch einmal zu nahe kommen?

Wenn er es doch war, der seiner Verlobten fremdgegangen ist?

Ich zerbreche den Bleistift in meiner Hand. Einmal in der Mitte durch. Es knackst und ich bereue es nicht.

ich bin so wütend.

So unwahrscheinlich wütend auf Harry.

Er hatte mich wieder nichts sagen lassen. Er hatte mal wieder alles so gedreht wie er es haben wollte.

Greg hatte mehr als Recht: Harry ist grausam und fies. Er ist ein arrogantes Arschloch. Er ist anstrengend und man will ihn am liebsten einfach gegen die Wand klatschen.

Und trotzdem fühle ich mich immer noch zu ihm hingezogen. Und das widert mich fast noch mehr an als Harry selbst.

Ich klopfe an Carmens Tür. Das Klopfen ist anders als an Harrys Tür. Ich bin wütend und meine Faust schlägt so laut auf das Holz, dass man es sicherlich noch ein paar Flure weiter hören kann.

Ich höre Schritte von innen und dann öffnet mir Carmen die Tür. „Louis."

„Ich soll dir von Harry sagen, dass er die Sachen nachher selbst aussucht. Ich bin nicht erlaubt das zu tun."

Carmen sieht mich verwundert an. „Als würde ich auf Harry hören. Komm rein. Ich habe auch etwas Tee und Sekt. Wir machen uns einen schönen Nachmittag." Sie lächelt und zieht mich ins Zimmer.

Das hätte ich wirklich nicht gedacht.

****

Nach dem Nachmittag mit Carmen habe ich den Auftrag zu Nick in die Küche zu gehen und zu helfen.

ich bin mehr als froh darüber, dass ich mit Nick reden kann und dass sich Carmen um Harry kümmert. Sie hat vor, ihn zur Tortenverkostung zu schleppen. Ob er nun will oder nicht.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich anfange Carmen zu mögen.

Also verlasse ich Carmens Zimmer. Fast schon schweren Herzens. Und dann gehe ich in die Küche, in der Nick gerade am Herd steht und einen riesigen Topf Suppe umrührt.

Als ich die Küche betrete, dreht er sich zu mir. „Louis." Er lächelt und rührt weiter.

„Hallo Nick." Ich lächle schüchtern.

Dann tapse ich bescheiden auf ihn zu und stelle mich neben ihn. Ich schiele in den Topf und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Hühnersuppe.

Echte Suppe.

Ich liebe Suppe.

Synthetische Suppe ist das Widerlichste was es gibt, aber das hier ist der Himmel auf Erden.

Nick lacht.

Ich schaue zu ihm. „Was ist?"

„Ich kenne diese Wangen, Louis." Er schmunzelt. „Wen hast du flachgelegt?"

Ich pruste los und dann huste ich in den Topf. Nick schlägt mich dafür.

„Niemanden."

„Huste nicht in meine Suppe, Tomlinson! Ich warne dich!"

„Ist das das Essen für heute Abend?"

„Für das Personal, ja."

„Meinst du es wäre möglich, dass ich mit euch esse?", knirsche ich kleinlaut.

„Du bist der erste Diener und hast das Vergnügen mit der Adelsfamilie zu dinieren, Louis. Du brauchst keine dünne Suppe."

„Ich liebe Suppe!", protestiere ich.

„Keiner liebt Suppe. Man liebt Braten und Torte, aber keine Suppe." Nick runzelt spielerisch die Stirn.

„Ich tue es aber", lache ich. „Darf ich wenigstens einen Löffel probieren? Ich gebe dir Feedback.

„Du hast nicht die Kenntnis, um mir Feedback zu geben, Kleiner." Nick wuschelt mir durch die Haare. „Sag mal: Hast du geschwitzt?"

„Ich hatte heute Morgen fast einen Kollaps im Bad: Der Fürst will es immer extra heiß."

Nick lacht. „Das kann ich mir vorstellen. Hat er auch eine Sauna? Warte: Sag es mir nicht: Du darfst ja nichts sagen."

„Ich schweige wie ein Grab", zwinkere ich und lache.

Nick holt mir einen Löffel und ich darf ein bisschen von der Suppe probieren.

„Du bist ein Genie, Nick", sage ich verzückt.

„Ich weiß", grinst dieser und rührt weiter in seiner Suppe.

ich bin so aufgeregt gerade!!! jamie xx

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