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•Jeongin's Sicht•

Ich saß gelangweilt in der Klasse. Mein Lehrer malte das Koordinatensystem an die Tafel, weshalb ich direkt abschaltete. Ich hasste Mathe. Ich verabscheute das Fach, wie ich nichts anderes verabscheute.

Das meinte ich ernst. Ich hasste die Mathematik und verfluchte den Erfinder. Das, obwohl das Rechnen wichtig war. Aber ich hasste es. Ich hasse es schon seit... 100 Jahren.

Richtig gelesen- seit 100 Jahren. Innerlich musste ich seufzen. Fein! Ich übertrieb es mal wieder. Es waren 93 Jahre... Ich hasste die Mathematik seit 93 Jahren.

Seufzend stützte ich das Kinn auf meinen Handrücken ab.

Ich war schon 125 Jahre alt, wobei ich erst seit 94 Jahren auf der Erde lebte, dabei integrierte ich mich seit 93 Jahren in das Leben der Menschen. Mein Körper war nicht in der Lage dazu zu Altern, weshalb ich unauffällig die Schule besuchte und das Leben als Teenager lebte. Ich musste, denn... Nach Hause konnte ich nicht mehr. Dafür müsste ich nämlich nach Atlantis- Das Reich, welches im tiefen, weiten Ozean verloren ging.

So sagten es die Mythen zumindest, seit die Menschen an Wasserungeheuer, Meerjungfrauen und anderes glaubten. Der Mythos existierte also bereits eine ganze Ewigkeit.

Nun... Seit einem Jahrhundert lagen die Erdbewohner aber erst richtig. Meine Stadt ging verloren. Über Atlantis wurde ein Fluch gelegt, weil die Feinde der Atlanter die antike Stadt zu angreifen versuchten.

Sie nannten sich die Aergola und lebten auf den Wolken. Sie besaßen eine unsichtbare Stadt, die nur für die Atlanter sichtbar waren. Da König Seo Changbin sein eigenes Reich nicht genug war, versuchte er sich unseres zu krallen. Er hatte befohlen, uns anzugreifen. Dabei kamen viele Atlanter ums Leben...

So beschloss der Wasserdrache Hazweio die Meeresstadt verschwinden zu lassen. Die ballgroße Medaille, die den Schlüssel für die verlorene Stadt darstellte, wurde in zwei gebrochen. Die eine Hälfte behielt das Königshaus- Meine Familie. Die andere Hälfte wurde versteckt. Der Fluch konnte somit nur gebrochen werden, wenn ein wahrhaftiger Atlanter das zweite Stück fand und die Hälften vereinte. Die Medaille würde sich schlussendlich als Wegweiser rausstellen und die Stadt aufsuchen, die nun seit zehn Jahrzehnten gesucht wurde.

Die große Hürde dabei?

Nur jemand, der Königsblut besaß, konnte die fehlende Medaille finden und sie mit der anderen Hälfte vereinen. Da ich der einzig letzte Nachfahr der Königsfamilie war... Galt die Aufgabe mir. Das Schicksal der Atlanter lag in meinen Händen. So dramatisch das auch klang... Das war die Wahrheit.

Dachtet ihr aber, dass das mein einziges Problem war? Verflucht, nein. Das Menschenleben kam dazu, in das ich mich einnistete. Ich musste mich verdammt nochmal unauffällig verhalten. Wenn jemand wüsste, wer oder was ich war, wären die Aergola ganz sicher nicht mein einziges Problem...

Ich vertraute all das, mein ganzes Geheimnis, nur einem Menschen an. Die einzige, die wusste, dass ich von wo anders herkam, war sie... Y/N. Das Mädchen, in welches ich mich Hals über Kopf verliebte. Meine beste Freundin... Der Erdling.

„Jeongin?", flüsterte sie mich von der Seite an, weshalb ich aus den Gedanken gerissen den Kopf hob. „Was ist? Wieso bist du so abwesend?"

Zur Seite gesehen, damit ich ihr in die wunderschönen Augen blicken konnte, musste ich realisieren, dass ich mich mal wieder in meinen Gedanken verlor. Im Matheunterricht natürlich- Wie typisch für mich.

Ihre großen Augen schauten abwechselnd in die meine. Sie versuchte die Antwort in ihnen zu lesen, bevor ich die Chance bekam zu sprechen. Das tat sie gerne und wenn sie mal verzweifelt keine Antwort bekam, zog sie die Augenbrauen zusammen. Genauso wie jetzt.

„Hörst du auf mich wie ein verliebter Idiot anzusehen und rückst endlich mit der Sprache raus?!", fauchte sie, was mich auf der Stelle überfordert blinzeln ließ.

„E-Ehm...", stammelte ich, als auf einmal die Schulklingel ertönte.

Sie rollte die Augen.

Verliebter Idiot? Sie sollte sowas nicht sagen. Ich wollte nicht, dass sie sehen konnte, was ich für sie empfand. Das wäre bloß nachteilig. Eine Zukunft mit ihr war doch sowieso unmöglich. Sie war ein Mensch, ich ein Atlanter und hinzukommend ein zukünftiger König. Ich musste eine Atlanterin heiraten, am besten eine Adlige. Y/N... Y/N entsprach keiner der beiden Vorsätze für eine Heirat. Dabei spielte es keine Rolle, wie stark meine Liebe zu ihr war.

Ganz ehrlich?

Ich hasste meine Gefühle. Eigentlich wollte ich doch nur meine Aufgaben als Prinz und baldigen König erfüllen... Wieso verliebte ich mich? Ich hatte es schließlich 90 Jahre ausgehalten, mich nicht zu verlieben. Weshalb musste ich sie vor drei Jahren in der Schule treffen? Warum musste sie mich ansprechen? Weswegen bestand sie darauf, ihr Brot mit mir zu teilen? Wäre sie doch einfach nie so nett gewesen... Aber dafür war es bereits zu spät. Oder?

Nun. Das waren dann die Probleme, die ich neben meinem eigentlichen Problem besaß. Das Menschenleben und... Meine Gefühle...

„Alter. Muss ich dir etwa wirklich erstmal eine reinhauen, damit du deine Stimme wiederfindest?", sprach sie erneut zu mir.

In der Realität angekommen, schüttelte ich meine Gedanken ab. Auf der Stelle fuchtelte ich mit den Händen umher, damit sie mich bloß nicht schlug. Sie konnte einen ziemlich starken Schwung haben, wenn sie wollte.

„Nein, nein", musste ich auflachen. „Lass mich doch erstmal aufwachen!"

„Okay. Gut. Jetzt bist du wach. Also. Was belastet dich?", legte sie den Kopf schief.

Dadurch fielen ihr einzelne Strähnen ins Gesicht, die ich ihr am liebsten beiseite gestrichen hätte. Aber ich riss mich zusammen. Auch, wenn's mir schwer fiel, weil es ihre großen Augen waren, die mich ansahen. Es war die Tatsache, dass sie aufmerksam wirkte, zugleich neugierig. Es war ihre liebevolle Art, mir zuzuhören und ständig nachzuhaken.

Wir saßen zwar in der Schule, wobei es keinen schlimmeren Ort geben könnte, dennoch erhellte sie die steinalte Klasse, hier neben mir. In ihrem... Stinknormalen roten Oversized-Pullover und ihrer dunklen Jeans. Sie könnte gar nicht gewöhnlicher sein, wenn ich es mir so durch den Kopf gehen ließ. Aber... Vielleicht machte sie das deshalb so besonders für mich. Vor allem, weil Y/N sich trotz ihrer gewöhnlichen Art von allen Frauen unterschied, denen ich je über dem Weg lief.

Ergab das Sinn?

Wie auch immer... Ich musste mich konzentrieren. Am besten, sofort. Bevor sie mir doch eine reinhaute...

„Erinnerst du dich... Als ich dir von... Du weißt schon...", ich beugte mich vor, um ihr Ohr erreichen zu können und zu flüstern. Dabei ließ sie mich machen und hörte achtsam zu. „...Atlantis erzählt habe."

Genervt wandte sie sich von mir ab.

„Dass du das fragst... Wie könnte ich je wieder vergessen, wie du das Wasser gebändigt hast, Innie."

Erwartungsvoll verschränkte sie die Arme ineinander. Ich zuckte unschuldig die Achseln. Wo sie recht hatte...

„Merkst selbst, hm.", hob sie eine Augenbraue.

„Jedenfalls", schüttelte ich den Kopf, um wieder anwesend zu sein. Was war nur los mit mir? „Ich bin halt etwas gestresst, wegen dem ganzen Medaillen-Ding."

Für gewöhnlich teilte ich meine Sorgen nicht mit Y/N. Das lag nicht daran, weil ich nicht gerne wollte oder weil ich ihr wenig Vertrauen entgegen brachte. Das lag eher daran, dass meine Sorgen immer einen gewissen Einfluss auf sie nahmen.

Ihr Gesicht wurde mit meiner Nachricht mit einem Mal traurig. Eben wie immer, wenn ich mich sorgte. Das liebte ich paradoxerweise am meisten an ihr...

„Das tut mir so leid, Jeongin. Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen..."

Ich musste schmunzeln, weil ich das wusste.

„Schon in Ordnung. Ich muss mich nur etwas ausruhen, damit ich auf Ergebnisse komme. Ich glaube nämlich kaum, dass Changbin noch weiterhin so ruhig bleibt, wie er es zurzeit ist..."

Viel zu lange kam kein Angriff mehr von seiner Seite aus. Das letzte Mal tötete er meine Eltern und das war zehn Jahre her. Seither blieb er unentdeckt. Dabei hatte ich gedacht, dass er mich töten hätte wollen, aufgrund meines Zugangs zu der Medaille. Oder aber er wollte, dass ich sie fand, um ihn zu Atlantis zu führen. Eine andere Möglichkeit war für mich unwahrscheinlich. Dennoch wollte ich achtsam bleiben. Schließlich stand ich alleine da...

„Hast du je darüber nachgedacht... Dass du die erste Hälfte für die Suche benötigen könntest?", fragte Y/N auf einmal, was mich die Augenbrauen zusammenziehen ließ.

„Wie meinst du das?", schüttelte ich die Gedanken an Changbin ab, um mich auf ihre Worte zu konzentrieren.

Was sagte sie da? Die erste Hälfte...

Da zuckte sie die Achseln.

„Na, du weißt schon. Vielleicht führt sie dich zur anderen Hälfte oder so. Was weiß ich! Du kennst dich doch viel besser aus als ich.", blinzelte sie empört.

Mir fiel augenblicklich die Kinnlade.

Dass ich nie selbst drauf kam! Ich meinte... Das könnte logisch sein. Vielleicht sollte ich das mal ausprobieren...

„Y/N... Du könntest recht haben...", setzte ich mich auf.

Das zauberte ihr ein breites Lächeln aufs Gesicht.

„Echt? Oh, wow.", nickte sie stolz über sich selbst.

Ich war solch ein Vollidiot, weil ich daran noch nicht dachte. Wie leichtsinnig von mir. Y/N hingegen hatte mir deutlich weitergeholfen. Mit der Medaille ließ sich im Endeffekt sogar reden. Zwar wusste ich noch nicht genau, wie... Aber mit meiner besten Freundin würden mir sicher noch verrückte Sachen einfallen. Dabei fing ich bereits an zu überlegen...

Was war, wenn... Ich mit der Medaille ins Wasser musste, um zu ihr zu sprechen? Vielleicht benötigte sie ihre gewohnte Umgebung, um zu funktionieren? Würde der Vorgang mein Blut benötigen? Anderes? Das müsste ich unbedingt herausfinden.

Jetzt hatte sie mich total motiviert! Mir gingen die Ideen über die Jahre aus, weshalb der Ansporn in mir von Jahr zu Jahr nachließ. Mit ihr war ich wieder von Hoffnung erfüllt und das schätze ich so sehr...

„Das muss ich mal ausprobieren...", überlegte ich, doch wurde direkt wieder aus den Gedanken gerissen.

„Darf ich dann dabei sein?", stürzte sich Y/N plötzlich auf meinen Schoß. „Bitte! Bitte, bitte, bitte! Ich werde auch nicht nerven!"

Aus großen Augen blickte ich zu ihr, während sie mich bettelnd ansah.

„Du willst dabei sein?", fragte ich, wobei mein Herz einen Hüpfer machte.

Weshalb war ich auf einmal gerührt? Ich hatte sie doch sowieso an meiner Seite gesehen. Somit... Die Antwort war einfach... Erstens, ich liebte es Zeit mit Y/N zu verbringen und zweitens... Ich war dann endlich nicht mehr so alleine.

„Ja! Und wehe du sagst jetzt so ganz klischeehaft: Ne. Das ist viel zu gefährlich- Weil dann... Dann haue ich dich wirklich, Innie.", drohte sie mir an, wie sie es gerne tat.

Ich musste amüsiert lachen. Sie könnte mir gar nichts, dachte ich. Es tat vielleicht so weh, als hätte sie mich gekniffen. Aber ich ließ sie gerne wissen, dass sie mir körperlich weh tun konnte, denn das könnte sie mit Sicherheit, wenn ich den körperlichen Schmerz intensiver fühlen könnte. Wie bereits erwähnt, hatte sie nämlich einen ziemlich festen Schlag.

Sie wusste, dass ich den Schmerz nicht so wahrnahm, wie ihr vielleicht lieb war. Aber sie hatte Spaß dran, mich zu schlagen, so schräg das auch klang. Und... Wenn sie das glücklich machte, machte es mich auch glücklich.

„Nein, Quatsch. Du darfst gerne mitkommen. Ich würde mich über etwas Gesellschaft freuen.", nickte ich grinsend.

„Ugh. Jetzt kling mir nicht so verbittert...", ging sie zurück, worauf sie sich in die Hände klatschte. „Okay, okay. Freut mich."

Sie stampfte mit den Füßen zu Boden, was mein Grinsen vergrößerte. Ich musste lächeln.

Wie sehr ich ihre Freude begehrte... Ich wünschte, sie könnte jede Sekunde lächeln und glücklich sein. Ich wollte, dass sie sorglos war. Ich wollte, dass sie nie wieder litt. Dafür würde ich für sie so einiges tun. Das wusste Y/N auch. Das hoffte ich zumindest. Sie bedeutete mir soviel... Wenn sie das nur wüsste... Würde sie dann vor mir weglaufen?

Das war wirklich das letzte, das ich wollte. Sie sollte bei mir bleiben. Am besten... Für immer...

Oh, Gott. Ich war so verliebt... Ich war ein verliebter Idiot, ja.

Aber, dass ich ein Idiot war, das nahm ich in Kauf. Ich würde alles für Y/N in Kauf nehmen...

———

Hey, ihr! Naaaaaa? Wie fandet ihr den Einstieg in die Short Story? Etwas lame, was? Aber keine Sorge! Im nächsten Kapitel wird es schon interessanter- versprochen! 🤍

Eure ersten Eindrücke könnt ihr mir dennoch mitteilen, wenn ihr mögt! 🌝

In love, N 🐥

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