3. Ich werde dich finden, Daddy
Es roch beissend nach Alkohol.
Als hätte man sie geschlagen schreckte Dalisha hoch. Sie keuchte. Der strenge Geruch reizte ihre Atemwege.
Wo war sie?
Sie erinnerte sich langsam.
Das Loch... Der Knall... Sie war gefallen.
Und wo befand sie sich jetzt? Wie lange lag sie schon da? Warum roch es so bestialisch nach hochkonzentriertem Alkohol?
Fragen über Fragen.
Sie rappelte sich vollständig auf. Und fiel wieder um. Ihre Beine hatten einfach unter ihr nach gegeben. Der Gestank machte sie ganz benebelt. Trotzdem erkannte sie, auf was sie sass; einem Busch mit fleischigen Blättern.
Er wuchs wie ein dicker federnder Teppich am Boden nach und hatte Dalisha durch das Abbremsen des Sturzes wahrscheinlich das Leben gerettet.
Die Blätter, die durch den Aufprall abgerissen wurden, sonderten eine zähflüssige grüne Masse ab, die mittlerweile überall an ihren Kleidern klebte. Das stinkt also so grässlich, bemerkte sie nach einiger Zeit. Eine Alkoholpflanze. Was es nicht alles gibt...Wenn sie laut geredet hätte, hätte sie wahrscheinlich gelallt, so schummrig war ihr.
Krabbelnd bewegte sie sich weiter, bis sie den normalen, mit kurzem gelben Stoppelgras bewachsenen Boden erreicht hatte. Erleichtert darüber, dass sie dem Busch entronnen war und wieder frei atmen konnte, versuchte sie aufzustehen. Noch immer wollten ihr ihre Beine nicht gehorchen. Also krabbelte sie weiter bis zu einem bläulichen Stein, der einsam in der tristen Gegend herum stand und setzte sich darauf. Das mit Tau vollgesogene Moos durchnässte ihre kaputte Hose. Es störte sie nicht.
Was nun?
Sie wandte ihren Blick nach oben, in der Hoffnung, die Forschungsstation zu sehen, doch der Nebel, der herrschte, verweigerte ihr die Sicht.
Allgemein sah man nicht mehr als 20 Meter weit.
Dalisha beschloss, die Gegend zu erkunden. Was sollte sie auch sonst tun? Sie packte ihr Bündel, das glücklicherweise auch durch das Loch gefallen war, und stand auf. Sie torkelte immer noch, da der Geruch des Alkohols hartnäckig an ihrer zerfledderten Kleidung haftete.
Sie bemerkte, dass es langsam bergab ging. Wahrscheinlich war die Station auf einen Hügel gebaut. Plötzlich hielt sie inne.
Wenn man von oben herunterfallen konnte, musste das ganze Gebäude von Stützpfeiler oben gehalten werden, oder? Daran konnte man doch sicher hoch gelangen...
Der Gedanke liess sie nicht mehr los. Ihre Schritte stockten. Sie zögerte. Und kehrte dann um.
Wegen den Nebel war es nicht gerade leicht, das zu finden, was man suchte. Mindestens eine halbe Stunde lang irrte sie umher, bis ihre Augen unklar etwas Hohes, Dickes ausmachen konnten.
Ziel erreicht, Pfosten gefunden.
Er war so dick, dass Dalisha locker mit ausgebreiteten Armen darin stehen könnte, wenn er hohl wäre. Doch leider auch so glatt, dass man unmöglich daran hochklettern konnte. Nach einigen Umrundungen gab sie es auf.
Die Hoffnung schwand dahin wie schmelzendes Eis in der Sonne.
Und wieder einmal stand die Frage 'Was nun?' in der Luft. Die am nahestehenste Möglichkeit war natürlich, einfach mal drauf los zu gehen, hinein in die unbekannte Wildnis. Oder andere Stützpfeiler zu suchen. Sie entschied sich für das Letztere. Eine Chance bestand immer noch, dass sie etwas an einen anderen Pfosten fand.
Nach scheinbar ewiger Zeit hatte sie 21 von ihnen gefunden, umrundet und gründlich untersucht.
Und war immer erfolglos geblieben. Wahrscheinlich gab es noch weitere Pfosten. Die Station musste noch gigantischer sein als Dalisha sich vorgestellt hatte.
In diesen Moment schallte ein dumpfes Geräusch durch den Nebel. Es klag, als hätte jemand durch so ein Blas-Horn ein Signal gegeben. Das tiefe Tuten hallte in einem scheinbar endlosen Echo wieder. Hier gibt's Berge, dachte Dalisha.
...Und Lebewesen.
Irgendwer musste ja das Geräusch verursacht haben.
Das bekräftigte ihren Entschluss, loszulaufen, nur noch mehr.
Wo es Lebewesen gibt, gibt es auch Essen, sagte sie sich in Gedanken, als sie den nagenden Hunger bemerkte, der langsam anfing, quälend zu werden. Ihr kam der Spruch in dem Sinn, den ihr Vater so manche Male gebraucht hatte: "Never try, never know".
Und das nahm sie sich zu Herzen.
Der Abstieg begann schon sehr mühsam. Immer wieder lösten sich Gesteinsbrocken unter Dalishas Füssen und brachten sie zum Schwanken, als stände sie immer noch unter dem Einfluss der Alkoholdämpfe, denen sie ausgesetzt gewesen war. Never try, never know redete sie sich immer wieder ein. Und plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag.
Ihr Vater.
Er war nicht hier.
Warum habe ich das erst jetzt bemerkt?, warf sie sich vor.
Wahrscheinlich weil sie es sich von früher gewohnt war, dass ihr Vater lange weg blieb. Es hatte einfach zu ihrer Kindheit gehört.
War er noch in der Forschungsstation?
Lebte er überhaupt noch?
Überhastet wandte sie sich um und wollte den steilen Hang wieder hinauf rennen.
Ihr Vater war vielleicht da oben!
Doch sie hatte die wegrutschenden Steine vergessen.
Ein fataler Fehler.
Sie kippte ebenso überrascht wie plötzlich nach hinten und fiel.
Schon wieder.
Sie dachte nur ein Gedanke, bevor sie auf dem Boden aufkam.
Ich werde dich finden, Daddy.
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Kapitel fertig :)
Ein bisschen weniger lang, aber ich glaube das stört nicht gross...
Danke an alle, die immer wieder so tolle Kommentare hinterlassen ♥
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