Teil 47
*Liljas Sicht*
Ich hörte, wie die Tür zum Bunker geöffnet wurde und die Panik kehrte zurück. Ich war noch nicht fertig, mit den mir aufgetragenen Arbeiten. Was würden sie diesmal tun? Mich wieder schlagen? Wieder stundenlang stehend mit den Armen nach oben ans Eisenrohr an der Decke gefesselt? Oder doch lieber wieder eiskaltes Wasser über mich kippen, damit ich noch entsetzlicher fror? Es war so schweinekalt hier. Meine Zähne hörten gar nicht mehr auf zu klappern. Und Hunger. Ich hatte so entsetzlich Hunger, das mir ständig schlecht und schwindlig war.
"Ist das Essen fertig? Ich riech nicht's davon. Hast du wieder nicht's gemacht? Meinst du, wir sagen das aus Spaß?" brüllte Miro und schon spürte ich schmerzlich seine flache Hand auf meiner schon pochenenden Wange. Tapfer unterdrückte ich die aufkommenden Tränen und kümmerte mich sofort um das Essen.
"Alter, meine Klamotten sind immer noch dreckig. Was soll ich den morgen anziehen?" schrie Daavid und schon hatte ich die nächste von Miro sitzen. Mittlerweile liefen nun doch die Tränen an meine Wange runter.
"Jetzt heul nicht rum. Beweg dein Arsch, die Arbeit macht sich nicht von alleine" brüllte Miro direkt vor mir und ging in den anderen Raum. Schnell erfüllte ich die Aufgaben und rieb mir immer wieder die Wange. Mein ganzer Körper war übersäht mit blauen Flecken und Blutergüßen. Jede Bewegung tat entsetzlich weh. Wenn nicht vor schmerzen, dann vor Kälte. Was würde ich für eine Decke geben. Einfach komplett einmurmeln und wegträumen. Weit weg von hier zu Jukka und Rafa, die mich beschützend in ihren Armen hielten. Mir etwas vorsangen und mich das hier vergessen ließen.
*Rafaels Sicht*
Ich fühlte mich bei Jukka irgendwie sicher und beschützt. Hat er doch das selbe durchgemacht, wie ich.
"Danke" flüsterte ich leise, kuschelte mich an ihn und schloß meine Augen. Ich wollte gar nicht schlafen, wusste ich doch, was mich erwartet, sobald ich einschlief. Doch ich war so erschöpft vom suchen im Wald, das ich nicht länger gegen die Müdigkeit ankämpfen konnte und schlief kurz danach ein. Wieder sah ich Lilja am Strand. Konnte förmlich spüren, wie wir uns sanft und zärtlich küssten, bis sie langsam vor meinen Augen verschwand. Und wieder einmal stand ich allein am Strand. In diesem weichen Sand und hörte, wie die Wellen vom Ozean am Ufer brachen. Allein. Als wäre sie nie hier gewesen. Nun verschwamm alles vor mir. Das Meeresrauschen wurde leiser, bis es gar nicht mehr zu hören war. Den feinen Sand spürte ich nicht mehr an der Haut unter meinen Füssen. Panik umhüllte mich. Meine Atmung wurde schneller und mir lief der kalte Schweiß die Stirn herunter. Alles wurde Schwarz um mich und ich fiel. Fiel in dieses große, schwarze Loch. Immer wieder hörte ich die Stimmen von den Typen. Den bedrohlichen Unterton, der ihre Kehle verlässt. Ihre Gesichter, die ich nie wieder werde vergessen können. Jukkas schreie vor Schmerzen. Seine Verzweiflung in seinen Augen. Sah Liljas ängstliches Gesicht vor mir. Ihre stummen Tränen, die an ihrer Wange herunter liefen. Ich versuchte, sie zu berühren, doch Griff ich durch sie hindurch. Sie war nicht hier. Sie war einfach nicht bei mir. Und wie jede einzelne Nacht in den letzten drei Wochen wachte ich schreiend und schweißgebadet auf.
"Pssscht. Es ist alles gut. Es war nur ein Traum. Ich bin hier" hörte ich Jukkas leise Stimme und ließ mich erschöpft in seine Arme sinken.
"Sie lebt! Jukka, sie lebt und wir werden sie finden. Versprich es mir" schluchzte ich verzweifelt in seine Brust, in derer ich mein Gesicht verbarg. Ich konnte spüren, wie er schluckte.
"Ich verspreche es dir!" flüsterte er leise, strich mir beruhigend übern Rücken, bis ich wieder in einen unruhigen Schlaf fiel.
*Miros Sicht*
Seit 5 Wochen war die kleine wieder hier. Sämtliche Erziehungsmaßnahmen waren futsch. Ständig war sie abwesend mit ihren Gedanken. Bestimmt bei den dämlichen, feigen Kerlen, in deren Haus sie war. Doch die wird sie nie wieder sehen, dafür hab ich gesorgt. Sie gehört mir und sonst niemanden.
"Kann die nicht leiser krepieren? Wie soll man bei dem Lärm pennen können" maulte Daavid, drehte sich um und versuchte weiter zu pennen, während Lauri und Joel seelig vor sich hin schnarchten. Ich ging noch mal nach neben an. Ihr Husten klang wirklich, als wenn sie daran krepiert. Ich leuchtete ihr mit der Taschenlampe in ihr dreckiges Gesicht. Sie glühte förmlich, das konnte man schon sehen, ohne das man sie dafür anfassen musste. Gleichzeitig zitterte sie am ganzen Körper und hustete sich weiter hin die Seele aus dem Laib.
"Steh auf, du faule Stück. Ich hab Hunger. Mach mir was zu Essen" rief ich ihr zu, doch sie rührte sich nicht wirklich. Ich trat ihr mit dem Fuss in den Bauch.
"AUFSTEHEN" schrie ich sie an. Sie krümmte sich jammernd, gefolgt von einem neuen Hustenanfall und setzte sich in Bewegung.
"Und vergiss endlich die beiden Arschlöcher. Die sind elendig in ihrem Haus abgebrannt. Lebendig. Damit sie auch schön was davon haben" lachte ich ihr dreckig ins Gesicht. Wenn sie noch irgendwelche Farbe im Gesicht gehabt hätte, wäre die jetzt endgültig weg gewesen. Deutlich hörbar jappste sie nach Luft und ging endlich in die Küche.
"Steck uns bloß nicht an, mit deinem scheiss Husten" raunte ich ihr zu, während ich es mir mit einem neuen Bier auf der Couch bequem machte. Zwei Tage später ging es der Schlampe immer schlechter. Sie immer noch Fieber, litt unter Schuttelfrost, ihr Husten hörte sich eklig schleimend an und sie hatte deutliche Probleme beim Atmen. Wenn sie arbeiten sollte, kippte sie immer wieder um. Was soll ich mit der noch? Die ist doch zu nichts mehr zu gebrauchen.
"Lasst sie uns entsorgen und wir beschaffen uns ein neues Spielzeug" meinte Daavid.
"Genau. In den letzten 5 Wochen hat sie uns mehr Arbeit gemacht, als abgenommen und nun laufen wir Gefahr, das sie uns alle ansteckt und darauf hab ich kein Bock" erwiderte Joel.
"Und wo genau sollen wir sie entsorgen? Der See ist zugefroren. Vergraben können wir sie auch nicht und die Tiere rühren sie so wohl kaum an" meinte ich nachdenklich.
"Dann lass sie doch einfach im Wald ablegen. Weit weg von hier. Fliehen kann sie nicht mehr. Viel zu schwach dafür. Bei der kälte und in ihrem Zustand überlebt sie das keine einzige Nacht und wir hätten endlich unsere Ruhe" erwiderte Daavid.
"Gar nicht so dumm. Sie würden denken, sie hätte sich einfach im Wald verlaufen und wäre erfroren. Dann komm Daavid und Morgen machen wir uns auf die Suche nach Frischfleisch" sprach ich, zog mir die Jacke über, schmiss Saara über die Schulter und verließ, von Daavid gefolgt, den Bunker. Von ihr kam kein Widerstand mehr. Kein Gejammer. Kein Geheule. Nur Husten und nach Luft jappsen.
"Wir hätten das schon viel früher machen sollen. Und die Suche nach ihr hätten wir uns auch sparen können. Hat alles nur verschlimmert" meinte Daavid, während er vor ging. Es schneite wieder und unsere Fussspuren wären bald nicht mehr zu erkennen. Wir liefen lange, ehe ich sie an einem Baum gelehnt absetzte.
"War schön mit dir. Auf nimmer Wiedersehen" grinste ich sie frech an und ging mit Daavid zum Bunker zurück.
"Aber als nächstes mal eine Brünette. Immer Blond wird langweilig auf Dauer" lachte dieser und ich nickte nur.
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