Teil 32
*Rafaels Sicht*
Nachdem Lilja aufgestanden war, drehte ich mich grummelnd um und zog die Decke übern Kopf. Ich war so unglaublich dankbar und glücklich, das sie mich weiter gestreichelt hat, nachdem ich sie gebeten hatte, nicht aufzuhören. Und nun stand sie einfach auf, als ob nicht's wäre. Als ob es ihr nicht's bedeutet hätte. Hat es das wirklich nicht? War es nur ein Freundschaftsbeweis ihrerseits? Oder war es ihr vielleicht mit einmal zu viel Nähe und froh, das sie dem, dank Jukka, entgehen konnte? Verdammt. Meine Gedanken brachten mich kein Stück weiter. Ich stand auf, streckte mich und ging runter. Bevor ich mir noch mehr Blödsinn einredete, was vielleicht, eventuell, unter Umständen sein könnte, oder nicht, wollte ich lieber ebenfalls frische Luft schnappen gehen. Vielleicht lenkte mich das ein wenig ab. Ich zog mir meine Jacke und Schuhe über, stellte mich auf die Veranda und traute meinen Augen nicht. Jukka stand vor Lilja, hielt ihre Hände und redete auf sie ein. Tapsi immer direkt neben Lilja. In Zeitlupentempo gingen sie Schritt für Schritt vorwärts. Plötzlich fiel mir wieder ein, was sie mir erzählt hatten, als Lilja das erste und einzigste mal draussen war. Ist es wieder passiert? Ist sie wieder abgedriftet? Oder ist sie gerade dabei? Hilflos stand ich hier auf der Veranda und wusste nicht, was ich machen sollte. Brauchte sie mich gerade? Oder schaffte Jukka das alleine? Was kann ich tun? Es muss doch irgendwas geben. Ich kam mir völlig fehl am Platz vor. So blieb mir nicht's weiter, als beide zu beobachten und aufzupassen. Vielleicht konnte ich davon was übernehmen, wenn es mal wieder passierte und Jukka nicht zur Stelle war. Nun drehte sie sich langsam im Kreis und kurz darauf lächelte sie. Ich konnte nicht verstehen, was Jukka zu ihr sagte, doch sie sah erleichtert aus. Und ein wenig glücklich? Es schmerzte mich, die beiden so innig zu sehen. Man Rafa, reiß dich am riemen. Sie hat andere Probleme, als deine Eifersucht, rief ich mir ins Gedächtnis. Ich war so in Gedanken versunken, das ich ihn nicht kommen sah und schwupps, hatte ich die Reste eines Schneeballs im Gesicht zu hängen, während ich beide nur erschrocken anschaute.
*Jukkas Sicht*
Nachdem ich mir sicher war, das es Lilja wieder gut ging und ich ihr lächeln vernahm, bemerkte ich Rafa, wie er, in Gedanken versunken, auf der Veranda stand. In seinem Blick konnte ich Traurigkeit erkennen. Da konnte man mir erzählen, was man wollte, aber er mochte Lilja. Doch ich wollte nicht, das Lilja etwas bemerkte und so beschloss ich, ihn aus seine Gedanken zu holen. Ich bückte mich, nahm den kalten Schnee in meine Hände und formte einen schönen Ball daraus. Ein bisschen Spaß muss ja schließlich erlaubt sein. So holte ich aus, warf und traf ihn mitten ins Gesicht. Während er uns verdattert anschaut, fängt Lilja an zu kichern. Auch ich muss lachen, bei seinem Gesichtsausdruck. Er schüttelt sich einmal und schnappt sich eine handvoll Schnee.
"Das gibt Rache, mein Freund" rief er, mittlerweile ebenfalls grinsend, und warf in unsere Richtung. Lilja konnte nicht schnell genug reagieren und bekam ihn an der Schulter ab. Ich biss mir auf die Unterlippe und auch Rafa schaute etwas betröppelt aus der Wäsche. Wie würde sie jetzt reagieren? Ganz langsam bückte sie sich, nahm eine Ladung Schnee, drehte sich blitzschnell um und seifte mir voll das Gesicht ein. Nun schaute ich dumm aus der Wäsche. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Rafa lachte sich eins ab und auch Lilja schien wieder zu entspannen und lockerer zu werden. Und im nu war eine ordentliche Schneeballschlacht im Gange. Jeder gegen jeden. Keiner bemerkte die eiskalten Hände. Keinem störte die rote Nase und die roten Wangen. Wir genossen in diesem Moment nur das Gefühl der Normalität und vor allem das Lachen von Lilja. Es klang einfach nur glücklich. Mit einmal spürte ich nur noch, wie Rafa mir in den Rücken sprang und durch den Schwung, den er drauf hatte, landeten wir beide im Schnee, wo wir uns lachend kabbelten und rangelten. Woher nahm das Jungchen denn die Kraft? Hab ich ihm überhaupt nicht zugetraut. Ich hatte ordentlich zu tun, ihn in Schach zu halten, bis wir beide, erschöpft und nebeneinander, einfach im Schnee lagen und nach Luft jappsten.
"Alter Finne, du hast mehr in den Knochen, als nur heiße Luft" grinste ich ihm zu.
"Unterschätze mich halt nicht immer" war seine lachende Antwort.
*Liljas Sicht*
Eine ganze Weile später setzte ich mich total erschöpft auf die Veranda und schaute den beiden lächelnd zu. Die Schneeballschlacht hatte wirklich gut getan, auch wenn ich mich nun einfach nur noch schlapp und müde fühlte. War wohl ein Zeichen für mangelnde Bewegung. Wie kleiner Kinder tobten sie durch den Schnee und seiften sich immer wieder gegenseitig ein. Ich genoss den Anblick einfach nur. Einfach mal Spaß haben und abschalten, ohne ständig an die anderen Sachen zu denken. Es sah im Moment nach einem knappen Sieg für Jukka aus. Er hielt sich schon ziemlich lange oben. Doch ich sollte mich täuschen. Rafa holte Schwung, drehte sich mit Jukka, seifte ihn lachend ein und ließ sich neben Jukka in den Schnee fallen. Also ein unentschieden. Ob dies nach Revanche schrie? Ich wollte das öfters haben. Einfach mal hier draussen sitzen und die frische, kalte Luft einatmen. Oder eben im Schnee toben. Ein paar Schritte durch den knirschenden Schnee laufen. Alleine oder mit ihnen. Ab heute wollte ich täglich raus. Nur hier in dem abgeschlossenem Teil von Jukkas Vorgarten erstmal. Aber drin verstecken kam auch nicht mehr in Frage. Ich würde bestimmt ihre Hilfe brauchen... Doch das war es mir wert. Ich werde sie gleich nachher fragen, was sie dazu sagen. Vielleicht hatten sie ja bedenken? Oder keine Lust, mir immer wieder beizustehen und zu helfen. Helfen, wie einem kleinen Kind bei den ersten Schritten oder den ersten Worten. Was dachte ich denn schon wieder so negativ. Sie wollten mir beide helfen. Dann bestimmt auch dabei. Trotzdem blieb ein kleiner Zweifel bestehen.
"Wie wäre es mit einem schönen heißen Kakao vor dem Kamin?" wurde ich von Jukka aus meinen Gedanken gerissen und nickte begeistert. Ich stand auf, ging rein und verschwand erstmal unter die heiße Dusche. Erst hier fiel mir auf, wie kalt es eigentlich draussen war. Ich war am ganzen Körper blau gefroren und am Anfang schmerzte das Wasser etwas. Doch dies legte sich schnell wieder. Danach zog ich mir schnell was trockenes über und setzte mich unten ins Wohnzimmer auf die Couch.
*Jukkas Sicht*
Nachdem ich Rafa trockene Sachen von mir gegeben und mich selber umgezogen hatte, ging ich runter ins Wohnzimmer und machte schon mal den Kamin an. Morgen hatte ich bestimmt Muskelkater und ziemlich erschöpft fühlte ich mich auch. Trotzdem war es das wert gewesen. Nachdem das Feuer brannte, ging ich ihn die Küche um Kakao fertig zu machen, als Rafa dazu kam.
"Du Jukka, war es dein Ernst, das wir zusammen auf Lilja aufpassen und sie beschützen?" fragte er mich.
"Ja klar. Warum auch nicht. Schließlich vertraut sie dir und scheint sich bei dir wohl zu fühlen" erwiderte ich.
"Dann sollte ich nach Hause und paar Sachen holen" meinte er und es klang mehr wie eine Frage, statt einer Feststellung.
"Du weißt, das ich oben noch ein Gästezimmer hab. Und ich meinte es ernst. Pass auf, Rafa. Ich weiß nicht, was da zwischen euch ist oder nicht. Doch sehe ich, das du mehr für sie empfindest. Ich weiß nicht, wie sie dazu steht. Ob sie ahnlich fühlt. Ob sie sich überhaupt über sowas Gedanken macht. Doch tu mir ein Gefallen und geh es langsam an. Ich rate dir nicht davon ab, doch stimme ich auch noch nicht zu. Ich hab einfach Angst, das es sie überfordert" meinte ich zu ihm, während ich den Kakao in die Tassen fühlte.
"Ich ähm... So offensichtlich?" fragte er verzweifelt und ziemlich rot im Gesicht.
"Für mich anscheinend schon" erwiderte ich nur und musste über seine Gesichtsfarbe schmunzeln.
"Ja, ich mag sie. Sehr sogar. Jedoch hab ich nicht vor, es ihr zu sagen oder sie zu bedrängen. Ich hab ihr lediglich meine Freundschaft angeboten und dabei soll es erstmal bleiben. Ich weiß nicht, wie es in Zukunft aussieht, doch scheint sie viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, als das ich sie damit überfallen könnte. Mach dir also bitte keine Sorgen um sie. Zumindest nicht deswegen" antwortete er.
"Ich mach mir um euch beide Sorgen. Nicht nur um sie. Wenn du reden möchtest, ich bin da. Und nun fahr deine Sachen holen" erwiderte ich. Nickend zog er sich wieder an und fuhr los.
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