Teil 26
*Rafaels Sicht*
Lilja lag eng an Jukka gekuschelt. Ein Arm halb auf seinen Bauch liegend, hielt sie seine Hand. Ich stellte zitternd die Tassen auf dem Nachttisch ab und beobachtete sie. Mittlerweile glaubte ich nicht mehr daran, das zwischen den beiden nur Freundschaft ist. Dazu wirkte dieser Anblick, diese Berührung einfach zu innig und zu intim. Hatte ich sie schon verloren, bevor ich angefangen hab, um sie zu kämpfen? Konnte ich mich dazwischen drängeln? Sie auseinander reißen? Und womöglich verhindern, das diese Liebe sich zwischen den beiden ausbreitet? Jukka war mein Freund. Das konnte ich nicht bringen. So jemand war ich nicht und wollte ich auch nicht werden. Ich müsste mich stattdessen für ihn freuen. Er hat es verdient, eine wunderbare Frau an seiner Seite zu haben. Und doch fühlte es sich falsch an. Es schmerzte und ich schluckte die bitteren Tränen runter, die sich langsam in meinen Augen bildeten. Ich konnte und wollte es nicht glauben.
Sie zitterte leicht und so ging ich um das Bett herum, setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und deckte sie zu. Sie sah so wunderschön aus, wenn sie schläft. Ich konnte einfach nicht widerstehen und strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Bei dieser winzigen Berührung drohte mein Herz plötzlich aus der Brust zu springen. Lilja, kleine Lilja, was machst du hier nur mit mir. Hörst du, wie mein Herz schlägt? Laut und schnell in meiner Brust? Es schlägt nur noch für dich. Und doch bist du so unerreichbar weit fern von mir. Sag mir, hab ich jemals eine Chance bei dir? Nein, ich konnte sie nicht kampflos aufgeben. Das würde ich für immer bereuen, wenn ich dies tat. Verzeih mir Jukka, aber kampflos werde ich das Feld nicht räumen.
So in Gedanken versunken, merkte ich nicht, wie meine Fingerspitzen sanft und zärtlich über ihre Wange streichelten. Merkte nicht, wie sich ihr Brustkorb schneller hob und senkte. Merkte nicht, wie ich ihren Namen flüsterte. Merkte nicht, das sie den Kopf leicht drehte. Merkte nicht, das sie ihre Augen öffnete und mich ansah.
*Liljas Sicht*
Im Unterbewusstsein merkte ich, wie mich jemand zudeckte und mir vorsichtig einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht streichelte. War Jukka wach? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Seine Finger waren etwas rauher und nicht ganz so sanft. Doch wer war es dann? Jemand strich behutsam mit seinen Fingerspitzen über meine Wange und ich bekam eine leichte Gänsehaut. Irgendwie fühlte es sich gut an. Fast zu gut. War es nur ein Traum? Die Vorstellung von etwas viel zu schönem, was es so vielleicht nie geben wird?
Ich wollte meine Augen nicht öffnen. Aus Angst, es wäre wirklich bloß ein Traum. Doch nun hörte ich, wie jemand leise meinen Namen flüsterte. Und die Stimme kam mir so unendlich vertraut vor. So ruhig, sanft und warm und mein Herz machte automatisch wieder einen Sprung. Konnte es wirklich sein? War er noch hier? Hat er mich nicht allein gelassen? Ganz langsam drehte ich meinen Kopf und öffnete meine Augen. Nun hatte ich sie genau vor mir. Die schönsten Augen, die ich je gesehen hab. So warm, so rein und unschuldig. Er war wirklich hier. Bei mir und es sah aus, als würde er durch mich hindurch sehen. Wo war er mit seinen Gedanken? Seine Fingerspitzen berührten immer noch sanft und behutsam meine Wange, doch es machte den Eindruck, als wenn er dies gar nicht mitbekam. Mein Herz schlug so wahnsinnig schnell. In meinem Bauch kribbelte es so wunderschön. Und diese unbeschreiblich tolle Gänsehaut, die seine Berührungen mir schenkten. Ich war so unsagbar froh und glücklich, das er noch hier war. Das er mich nicht alleine gelassen hat. Ich fühlte, wie sich die ersten Tränen ihren Weg suchten. Es dauerte nicht lange, da wurden es immer mehr. Ohne zu überlegen und ohne zu zögern, setzte ich mich auf, legte meine Arme um seinen Hals und lehnte meinen Kopf gegen seinen Oberarm. Ich spürte, wie er kurz zusammen zuckte, sich gleich darauf wieder entspannte und seine Arme fest um mich legte. Ich ließ meinen Tränen einfach freien lauf und klammerte mich regelrecht an Rafa fest.
Unaufhörlich suchten sich die Tränen ihren Weg nach draussen. Durchtränkten seinen Pulli, doch schien es ihm nicht zu stören. Ununterbrochen streichelte er mir vorsichtig über den Rücken und ich hörte seine Stimme. Wieder sang er dieses schöne Lied, welches er vorhin schon gesungen hat. Doch ich konnte mich nicht beruhigen. Die Tränen liefen und liefen, als wenn es kein halten mehr gibt. Es war, als ob sich etwas in mir gelöst hatte und nun unbedingt raus wollte. Die Enttäuschung darüber, das es mit dem sprechen nicht klappt. Die dunkle Vorahnung, das ich mich nie wieder an etwas erinnern kann. Die dunklen Träume und die ständige Frage, was mit mir passiert war. Die Erkenntnis, das ich Rafa mindestens genau so sehr brauchte, wie ich Jukka brauchte. Wenn nicht sogar mehr. Die Freude darüber, das Rafa doch noch hier war. Die Angst, die ich in den letzten Stunden um Jukka hatte. Die ständige Unruhe in mir, wo ich nicht wusste, wo sie herkam. Die immer wiederkehrende Panik in mir. Das Gefühl, trotz Rafa und Jukka, allein zu sein auf dieser Welt. Nicht zu wissen, wo ich herkomme. Nicht zu wissen, wohin ich gehöre. All dies wollte mit einer unglaublichen Wucht aus mir raus, das ich nur noch schluchzend halb an ihm hing. Unfähig, mich zu bewegen.
Sanft legte er seine Arme um meine Taille und zog mich auf seinen Schoß. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust, während er mir weiterhin über den Rücken streichelte. Er hatte aufgehört zu singen, doch anscheinend sprach er mit mir. Nur vereinzelt hörte ich Wortfetzen, doch fehlte mir die Kraft, mich darauf zu konzentrieren. Ich fühlte mich mit einmal viel gelöster und freier. Beschützt und geborgen. So langsam versiegten meine Tränen und kraftlos hing ich weiter in seinen Armen.
"Geht es wieder?" fragte er mich leise und ich nickte. Er wollte aufstehen, doch panisch klammerte ich mich an ihm fest.
"Ich wollte nur Taschentücher holen" meinte er leise, doch ich schüttelte heftig den Kopf.
*Rafaels Sicht*
Ich löste mich erschrocken aus meiner Starre und meinen Gedanken, als sich zwei Arme um meinen Hals legten. Ich spürte, wie sie ihren Kopf gegen mein Oberarm lehnte. Ich legte meine Arme um sie und an ihrem zittern merkte ich, das sie weinte. Zärtlich streichelte ich über ihren Rücken. Sie weinte immer heftiger. Leise fing ich wieder an, das Lied zu singen. Immer und immer wieder. Sie weinte und weinte. Und es schien, als ob sie nicht aufhören konnte. Ich weiß nicht, wie oft ich das Lied gesungen hab, doch irgendwann ging ich über in reden.
Versuchte sie, durch Worte zu beruhigen. Unaufhörlich streichelte ich weiter über ihren Rücken. Hatte ich etwas falsch gemacht? Mit irgendetwas so aufgelöst? Hatte sie etwas schlechtes geträumt? Ich kam beim besten Willen nicht drauf, doch war ich sehr froh darüber, das sie mir anscheinend vertraut. Ich legte meine Arme um ihre Taille und zog sie auf meinen Schoß. Während sie ihr Gesicht in meiner Brust versteckte, drückte ich sie, immer noch den Rücken streichelnd, leicht an mich. Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon sitzen, doch ganz allmählich beruhigte sie sich.
"Geht's wieder besser?" fragte ich sie leise. Sie nickte und blieb weiterhin sitzen. Ich schaute mich um und sah auf dem Tisch Taschentücher liegen. Ich wollte aufstehen und diese holen, doch sofort klammerte sie sich fest an mich. So blieb ich sitzen, streichelte sie weiter und hielt schützend meine Arme um sie gelegt.
"Magst du mir erzählen, was dich so bedrückt?" flüsterte ich und sie hob den Kopf und sah mich an. Sie sah mich lange an, dann nickte sie und sah sich suchend um.
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