~Twelve~

Es waren bereits zwei weitere Tage vergangen, in denen ich mir diesen Vertrag etliche Male durchgelesen hatte. Doch es gab praktisch an, so gut wie jedem Punkt etwas von mir auszusetzen. So konnten wir niemals auf einen Nenner kommen!

Daher beschloss ich, das Angebot von Ella anzunehmen.

So befand ich mich mit dem Bus auf den Weg zu ihr, in der Hoffnung, dass sie ein wenig Licht in das Dunkle bringen konnte.

Vor dem kleinen, roten Häuschen blieb ich stehen und drückte auf den Klingelknopf, auf dem White stand. Ich hoffte, die alte Frau würde keinen Mittagsschlaf machen. Für diesen Besuch ließ ich sogar die Schicht im La Fontana ausfallen, jedoch verpasste ich ohnehin nichts.

Nach kurzer Zeit öffnete die Dame mir die Tür und wirkte für einen kurzen Moment überrascht, ehe sie mich herzlich anlächelte.

„Skylar, welch Freude, dass du mich besuchst“, sagte sie und hielt mir die Tür auf, damit ich eintreten konnte, was ich auch sogleich tat. Etwas unbeholfen stand ich in ihrem Flur, während sie die Tür schloss. Ich schaute mich um und erkannte die gerahmten Bilder an der Wand, welche eine unfassbar schöne Frau und Mann zeigten.

„Sind Sie das?“, fragte ich und deutete auf eines der Bilder.

„Ja und das ist mein Eddy“, erwiderte sie mir mit einem traurigen Lächeln. „Er ist vor einem Jahr verstorben.“

„Das tut mir sehr leid“, sagte ich und bekam sogleich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich mochte solche Situationen nicht, doch sie schenkte mir noch ein Lächeln, ehe sie in das Wohnzimmer ging.

Nachdem ich mich von dem Bild gelöst hatte, folgte ich ihr.

„Wir hatten tolle Zeiten. Er würde nicht wollen, dass ich traurig wäre“, sagte sie, als sie mir deutete, dass ich mich setzen sollte. „Und ich bin dankbar für die Zeit, die er mir schenkte. Möchtest du einen Tee?“

Ich nickte ihr dankend zu und kurz darauf verließ sie das kleine Wohnzimmer, um in die gegenüberliegende Küche zu gehen. Die Zeit nutzte ich, indem ich mich ein wenig umsah.

Es war nicht sehr groß, aber für eine einzelne alte Dame absolut ausreichend. In dem Wohnzimmer befand sich eine altmodische Wohnwand aus hellem Buchenholz. Auch die Couch und die beiden Sessel waren nicht modern, passten aber perfekt zu der restlichen Einrichtung.

Sie hatte viele Bilder, ob an Wänden oder auf den Schränken und sehr viele kleine Porzellanfiguren. Sie schien auf Kitsch zu stehen.

Ella kam mit zwei Tassen zurück und stellte diese auf den ebenfalls hellen Holztisch, ehe sie sich gegenüber von mir setzte.

„Konntest du dich bereits entscheiden?“, fragte sie. Ich schüttelte betrübt mit meinem Kopf und nahm den Vertrag aus meiner Tasche.

„Ich kann mir nicht vorstellen, all diese Regeln einzuhalten“, sagte ich. „Ich wollte Sie fragen, ob Sie eventuell einmal darüber lesen könnten?“

Sie wirkte überrascht, nahm jedoch den Vertrag in ihre Hände, ehe sie nach ihrer Brille griff und diese auf ihre Nase setzte. Während ihre Augen über die Zeilen flogen, nahm ich meine Tasse, pustete den heißen Tee und trank vorsichtig einen Schluck.

„Herrje“, murmelte die alte Frau vor mir und schmunzelte, weshalb ich neugierig wurde und gespannt in ihr Gesicht sah.

„Die Zeiten haben sich aber gewaltig verändert“, meinte sie, als sie den Vertrag auf den Tisch legte. „Rasiert oder gewachst.“

Sie schüttelte den Kopf und mir schoss direkt das Blut in den Kopf. Mir kam es jetzt doch doof vor, solche Angelegenheiten mit einer alten Frau zu besprechen.

„Was genau beschert dir denn solche Kopfschmerzen?“, fragte sie, als sie ihre Brille wieder abnahm.

„Um ehrlich zu sein, meine Unabhängigkeit. Ich meine, wenn ich zustimme, muss ich wahrscheinlich sogar um Erlaubnis bitten, wenn ich atmen möchte. Das engt mich zu sehr ein.“

„Schätzchen, du siehst das zu verkrampft. Sicherlich sind es viele Regeln und du musst natürlich deinen Daddy fragen, sobald du etwas machen möchtest, was von ihm nicht vorhersehbar ist, aber er wird größtenteils zustimmen, einfach, weil er es liebt dich lächeln zu sehen“, erklärte sie mir.

„Er wirkt so streng. Ich kann mir nicht vorstellen, mit ihm unbeschwert in einem Raum zu sein“, zweifelte ich weiter.

„Ich kenne diesen Mann nicht, allerdings kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass Eddy auch sehr streng war, aber er hatte auch eine fröhliche Seite an sich, welche in meiner Gegenwart überwog.“

„Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung? War es für Sie eine normale Beziehung?“

„Was ist heutzutage schon normal?“, lachte sie, ehe sie jedoch Luft holte und zu erzählen begann. „Ich, persönlich mochte die Verantwortung nicht, welche man als Erwachsener hat, daher war es ein Ausgleich für mich, wenn ich Zuhause alles fallen lassen konnte, da Eddy dann der Erwachsene war und ich praktisch das Kind.“

„Haben Sie sich in den Momenten auch wie ein Kind gefühlt?“, fragte ich, da genau dies mir Sorgen bereitete.

„Manchmal ja. Ich hatte in meinem Zimmer auch Puppen, mit denen ich manchmal gespielt hatte und Eddy ließ mir meinen Freiraum, wenn ich in meinem Littlespace war. In diesen Zeiten gab es auch keine Bestrafungen oder allgemein sexuelle Handlungen“, erklärte sie mir.

Es war absurd! Eine erwachsene Frau, welche mit Puppen spielte?

„Was ist Littlespace?“, fragte ich neugierig.

„Das sind die Zeiten, in denen ich im sogenannten Kindermodus war. Da war ich für Eddy so etwas, wie eine Schutzbefohlene und er behandelte mich, wie ein wirklicher Vater es tun würde.“

Sie sprach damit etwas aus, was ich mir nicht im Geringsten vorstellen konnte.

„Aber Skylar, das handhabt jeder anders. Ich für meinen Teil kann dir sagen, dass ich es mit Männern vor Eddy überaus beschwerlich hatte. Mein Vater war der tollste Mann auf Erden! Er hat mich vergöttert und wahrscheinlich hatte ich daher meinen Vaterkomplex“, sagte sie, weshalb ich nur meinen Kopf neigte.

„Was meinen Sie mit Vaterkomplex?“

„Wir Frauen sind einfach gestrickt, denn wir wollen entweder einen Partner, der wie unser Vater ist, oder genau das Gegenteil. Da mein Vater sehr liebevoll war und mich so verwöhnt hatte, benötigte ich einen Mann, der dies überbieten konnte. Doch, wie du dir sicherlich denken kannst, ist es nicht leicht, einen Mann zu finden, der dir mehr Aufmerksamkeit gibt, als der Vater und für viele war es auch überhaupt nicht nachvollziehbar.“

„Und dann haben Sie Eddy kennengelernt?“, hakte ich neugierig nach. Es faszinierte mich und es klang für mich sogar nachvollziehbar, wieso es Menschen mit solchen Neigungen gab.

„Ja, er schien genau zu wissen, was ich bedurfte und ermöglichte mir, weiterhin mein Kindsein auszuleben, während ich aber auch seine Partnerin auf Augenhöhe für ihn war.“

„Und die Bestrafungen und der S-sex?“, stammelte ich, wie immer, wenn ich über solche Dinge redete. „Ich meine, hat er Ihnen auch wehgetan?“

„Oh ja! Das tat er“, lachte Ella, weshalb ich schockiert in ihre grünen Augen sah. „Aber es war ein sinnlicher Schmerz, welcher mich in andere Universen beförderte.“

Während sie sprach, fragte ich mich, wieso ich immer so neugierig sein musste. Das Gespräch ging nun eindeutig zu weit.

„Ist okay, ich möchte dies gar nicht vertiefen“, schüttelte ich eilig meinen Kopf.

„Wieso erzählst du mir nicht von deiner Kindheit? Vielleicht finden wir heraus, ob es auch für dich etwas wäre“, meinte sie und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Tee.

„Sie meinen, ob ich ebenso einen Vaterkomplex habe?“, fragte ich belustigt, bekam von ihr jedoch nur einen ernsten Blick.

„Um ehrlich zu sein, erinnere ich mich kaum an meine Eltern, da ich schon sehr früh zu meiner Tante kam, welche mich nach dem Unfall meiner Eltern großzog. Oder dies zumindest versuchte“, sagte ich.

„Gab es denn jemanden in deinem Leben, der die Vaterfigur übernommen hatte, als du klein warst?“

Ich schüttelte nur meinen Kopf, denn seit ich denken kann, gab es nur meine Tante, welche nicht ansatzweise dazu fähig war, sich um ein Kind zu kümmern. An meinen Vater selbst erinnerte ich mich nur sehr wage. Ich glaube, er war, wie meine Mom, immer liebevoll zu mir.

„Es ist traurig, aber ich denke, genau deswegen wäre es für dich ideal“, meinte sie aufmunternd. „Wenn man seine Kindheit schon früh aufgeben musste, um sich, um sich selbst zu kümmern, kann es gar nicht schlecht sein, wenn man diese noch einmal ein wenig nachholt wird und man die Verantwortung abgeben kann.“

Ich dachte über ihre Worte nach. Vermutlich hatte sie recht, es war schon verlockend, nicht komplett auf mich allein gestellt zu sein, wie ich es eigentlich war, seit ich 6 Jahre alt war. Ich hätte gern so etwas, wie Geborgenheit und eine liebevolle Umgebung gehabt, aber dafür all meine Freiheiten aufgeben?

„Wissen Sie, was, Ella? Sie haben absolut recht! Allerdings werde ich diesen Vertrag so nicht unterzeichnen! Ich studiere nicht umsonst Jura. Ich werde mit ihm in die Verhandlung gehen“, sagte ich entschlossen und stand dabei auf.

„So wollte ich das hören, Schätzchen!“

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