~Sixtyfour~

Der nächste Morgen kam viel zu schnell und mit ihm auch die Ernüchterung. Ich war wieder zurück an der Uni, wo ich mich ungewollt den Menschen stellen musste, die ich am wenigsten sehen wollte.

Ich wäre viel lieber in den schützenden Armen von Yonathan geblieben und behütet in seiner Obhut. Es waren erst wenige Stunden her, als die Situation so eskalierte und ich wollte wirklich nicht wissen, was die Russen noch alles vorhatten, um Unruhe zu stiften.

Der Vorfall von dem vorherigen Abend hatte sich natürlich sehr schnell rumgesprochen, weshalb die meisten auf dem Campus einen riesigen Bogen um mich machten. Wer konnte es ihnen schon verübeln?

Die meisten sahen mich an, als wäre ich diejenige gewesen, die gestern mit einer Waffe im Wohnheim herum geschossen und andere bedroht hätte.

Bevor ich zu der ersten Vorlesung ging, wollte ich zu meinem Zimmer, um dort noch meine Notizen und auch mein MacBook zu holen. Als ich an dem Wohnheim ankam, bemerkte ich bereits das angeregte Murmeln. Einige lachten und viele sahen mich nur abwartend, was mich schon stutzig machte.

Ich lief den Flur entlang zu meinem Zimmer und sah schon von weitem ein Zettel an meiner Tür.

Beim Nähertreten erkannte ich das Bild, welches mich zeigte, wie ich leicht bekleidet in meinem Zimmer saß. Darunter stand mit großen auffälligen Buchstaben „Biete Sex für jedermann. Gegen einen kleinen Aufpreis erfülle ich jeden Traum!" Meine Handynummer war ebenso darunter noch geschrieben und wütend riss ich das Blatt Papier von der Tür.

„Ey! Was kostet es mich denn, wenn ich mir mal richtig einen von dir blasen lasse?", hörte ich jemand männliches laut durch den Flur rufen. Mir stiegen vor Wut bereits wieder die Tränen in die Augen, weshalb ich eilig meine Tür öffnete und wortlos hinter dieser verschwand.

Meinen Kopf lehnte ich an die verschlossene Tür und schluchzte leise auf, ehe ich wutschnaubend meine Tränen von den Wangen strich.

Meine einzige Hoffnung war, dass nur wenige diesen Zettel gesehen hatten und es sich nicht auf dem gesamten Campus ausbreitete. Es war nur ein doofer Streich und ich war mir sicher, dass dies auf Mary zurückzuführen war.

Ich ging zu meinem Schreibtisch und griff nach meinem MacBook, um dann einmal tief durchzuatmen und mir selbst zunickend mein Zimmer wieder verließ. Da es noch sehr früh war und die meisten Studenten noch schliefen, glaubte ich sogar, dass der Großteil nicht einmal mitbekommen hatte, was an meiner Tür hing, weshalb ich mit optimistischen Schritten zu der Fakultät ging, in der ich eine Vorlesung für das Strafprozessrecht hatte.

Als ich den Saal betrat, erkannte ich, dass ich wohl die erste war, was angesichts der Uhrzeit auch kein Wunder war. Als Zweites fielen mir die etlichen Zettel auf, welche in dem kompletten Vorlesungssaal verteilt waren.

Es waren dieselben Zettel, wie auch der an meiner Tür, woraufhin ich mit rasendem Herzen anfing, die Zettel von dem Boden aufzuheben.

„Nein", entkam es mir nur abermals schluchzend, als ich erst da das Ausmaß erkannte. Auf dem Boden, an der riesigen Tafel, auf allen Sitzplätzen und sogar an einem Stück Wolle an der Decke befestigt, hingen Tausende von diesen Blättern. Sie hatten dasselbe Gedruckte, nur mit dem Unterschied, dass auf denen noch mit dicker, roter Schrift »Schlampe« stand.

Wie eine Verrückte wirbelte ich durch den Saal und sammelte so viele Blätter wie möglich auf, ehe ich diese in meine Tasche stopfe, welche jedoch bald voll war. Niemals würde ich es rechtzeitig schaffen, all diese Zettel aus dem Saal zu bekommen, weshalb ich mit vollen Händen auf meine Knie sank und nur noch bitterlich weinte.

Warum tat sie mir das an?

„Was ist hier denn los?" Ich erkannte umgehend den russischen Akzent und war unfassbar froh, als ich Stenja direkt in das Gesicht sah.

„Du musst mir helfen, die alle wegzuräumen!", schrie ich ihn auffordernd an und stand hektisch auf, um an Stenja zu rütteln. Dieser nahm sich einen von den Zetteln und schaute sich diesen genauer an. Seine Stirn zog er in Falten und zerriss diesen plötzlich wutentbrannt vor meinen Augen.

„Bljacha mucha!", fluchte er auf Russisch und ich schreckte vor ihm zusammen, als er auch noch einen Stuhl kräftig umwarf. „Das bekommt diese Pisda sowas von zurück."

Erschrocken schaute ich ihn einfach nur überfordert an, als auch bereits andere Studenten allmählich eintrafen. Natürlich fielen ihnen auch sofort die vielen Zettel auf und umgehend lachte einer der Studenten laut los.

„Wenn du nicht willst, dass ich dir meine Faust so tief in den Rachen schlage, dass du demnächst deine Zähne durch den Arsch putzen musst, verpisst du dich jetzt", knurrte Stenja, ehe er ihm auch das Blatt Papier aus der Hand riss.

Überrascht über seine Reaktion riss ich meine Augen auf, war aber auch ebenso erleichtert, dass ich ihn auf meiner Seite hatte. Er half mir dabei alles einzusammeln und jeder, der es sich traute etwas zu sagen oder auch nur einen Laut von sich zu geben, bekam es sofort mit Stenja zu tun.

Noch vor der Vorlesung hatten wir den Saal vollständig aufgeräumt und die Studenten hielten ausreichend Abstand, indem sie vor der Tür warteten. Der Professor kam nur wenig später in den Vorlesungssaal und die nächste Stunde schaute ich gedankenverloren auf seine Notizen an der Tafel, während ich die brennenden Blicke meiner Kommilitonen auf meinem Rücken spürte.

Auch wenn alle Blätter beseitigt wurden und der Alptraum nun ein Ende haben könnte, erleichterte es mich in keinster Weise. Zu viele hatten den Zwischenfall mitbekommen und sich über mich lustig gemacht.

Die Demütigung saß viel zu tief,

Kurz bevor die Vorlesung zu Ende war, ertönte hinter mir Gelächter, weshalb ich mich behutsam nach hinten drehte, ehe auch mein Handy läutete und mir eine Nachricht anzeigte. Es war ein Link, auf welchen ich mit einem mulmigen Gefühl klickte und erschauderte, als die Seite geladen war. Es war ein Video zu sehen, welches mich in unterschiedlichen Situationen zeigte, ehe am Ende dasselbe Bild erschien, wie auf den Blättern.

Aufgelöst griff ich meine Tasche und rannte mit Tränen verschleierte Sicht aus dem Saal. Es war so unfassbar erniedrigend und ich glaubte, niemals wieder mein Zimmer verlassen zu können. Ich wollte die Fakultät verlassen, als ich jedoch einen festen Griff um meinen Körper spürte und sich jemand eng an mich drückte.

„Lass mich!", schrie ich, als ein mir unbekannter Student mich gegen eine Wand drückte.

„Ach komm schon, Süße. Ich bezahle dich auch gut."

Seine Hände wanderten unter den Saum meines Rockes und mit aller Kraft hob ich mein Bein, wodurch ich ihm mein Knie in seinen Schritt schlug. Er ließ augenblicklich von mir ab und hielt sich seine Eier, während er schmerzverzerrt über mich fluchte. „Dumme Schlampe!"

Ich nutzte die Gelegenheit und rannte eilig weiter. Ich schaffte es bis zu mein Wohnheim, welches ich vollkommen außer Atem und mit zittrigen Beinen betrat. Wie sollte ich das restliche Studium überstehen?

Mein erster Gedanke war es, Yonathan anzurufen, doch ich musste meine Probleme allein klären und wollte auch nicht, dass es erneut so eskalierte und er dieses Mal vielleicht jemanden umbrachte. Kyle in die Hand zu schießen, schien ihm immerhin auch nichts auszumachen.

Ich kam bei den Unisextoiletten vorbei, wo sich mir plötzlich mehrere Mädchen in den Weg stellten. Ängstlich machte ich einen Schritt zurück und fühlte bereits wieder mein Herz viel zu schnell schlagen.

„K-könnte ich bitte durch?", fragte ich leise stotternd. Doch anstatt mir meine Frage zu beantworten, oder meiner Bitte nachzukommen, zerrten sie mich plötzlich in die Toilette. Aus Reflex hob ich meine Arme vor mein Gesicht und weinte erneut, während ich immer wieder bat, dass sie mich in Ruhe lassen sollen.

„Als Hure bist du verkehrt gekleidet", meinte eines der Mädchen zu mir und holte eine Schere aus ihrem Rucksack hervor. Panisch schaute ich in deren Gesichter und wollte vor ihnen flüchten, allerdings hielten mich drei fest, ehe die vierte die Schere an meine Kleidung ansetzte.

„Bitte hört auf", flehte ich erneut und zappelte wild. Allerdings war ich gegen vier Mädels absolut wehrlos, weshalb ich nur immer wieder schluchzte, während ich dabei zusehen musste, wie man mir meinen Rock und mein Top komplett zerschnitt.

„Schon besser", strahlte das Mädchen mit der Schere, als sie ihr Werk betrachtete. Sie hatte in meinen Rock mehrere große Schlitze geschnitten, weshalb man meine Beine, so wie meine Unterwäsche sehen konnte. Auch mein Top hat sie zerschnitten, sodass dieses bauchfrei war und der Ansatz meiner Brüste frei lag. Das Dekolletee hatte sie ebenso großzügig zerschnitten, weshalb ich mir schützend meine Arme vor den Körper hielt.

„Ihre Haare gefallen mir auch nicht", meinte eines der Mädchen, welches mich festhielt, woraufhin ich laut schrie und protestierte. Eine Hand legte sich auf meinen Mund und ich fühlte bereits die Schere an meinem Kopf, wodurch ich meine Augen fest zusammenkniff und anfing stumm zu beten.

„Das würde ich an eurer Stelle lieber nicht tun", ertönte eine lässige, dunkle Stimme. Ich wurde umgehend losgelassen und ich sah Kirill, wie dieser lässig neben den Mädchen an den Fliesen lehnte. Er sah natürlich, wie immer, genervt aus und hatte seinen Blick stur auf den Boden gerichtet. Er hatte seine Kapuze auf dem Kopf und auch seine Hände in den Hosentaschen, wodurch er nicht sonderlich bedrohlich wirkte.

„Und was geht dich das an?", giftete das Mädchen mit der Schere.

„Nichts", zuckte er lässig mit den Schultern und hob dann zum ersten Mal seinen Blick, während er auch seine Kapuze von dem Kopf nahm. Seine grünen Augen blitzten gefährlich auf und selbst mir gefror bei dem Anblick das Blut in den Adern.

„Dann zieh Leine!" Das Mädchen wendete sich erneut mir zu und wollte die Schere an meine Haare setzen, als Kirill ihr diese eilig abnahm und mit der Spitze voran an ihren Hals hielt.

„Dein Leben bedeutet mir nichts. Wenn es dir aber etwas bedeutet, solltest du ganz schnell verschwinden!" Seine Stimme war fest und seine Gestalt wirkte noch immer vollkommen desinteressiert, während ich am ganzen Körper nur zitterte.

Mein Herz hämmerte ängstlich und meine Tränen liefen noch schneller über meine Wangen.

Das Mädchen verstand endlich den Ernst und nickte nur eifrig, ehe sie mit eiligen Schritten und den anderen drei Mädchen die Toilette verließ.

Es war mir eindeutig alles zu viel und erschöpft sank ich mit meinem Rücken gegen das Waschbecken hinter mir, um aufgelöst die Augen zu schließen.

„Danke", murmelte ich und hielt mir meinen mittlerweile schmerzenden Kopf. Die letzten Stunden hätte ich nur zu gerne aus meinem Gedächtnis gelöscht, doch ich wusste, dass sich diese eingebrannt hatten.

„Hier, zieh die an", sagte Kirill und reichte mir seine Strickjacke. Verwundert schaute ich ihn an und dann die Jacke, ehe ich diese langsam nahm. Er war der zweite an dem Tag, welcher mich aus einer misslichen Lage befreit hatte und allmählich verstand ich gar nichts mehr.

Waren die Russen nicht unsere Feinde?

Ich zog die Jacke an und war froh, dass diese mir viel zu groß war und somit meinen Hintern und auch meine nackten Schenkel zur Hälfte bedeckte. Noch einmal bedankte ich mich und schloss den Reißverschluss.

„Ich ziehe mich um, dann kannst du diese direkt wiederhaben", teilte ich ihm mit, ehe wir gemeinsam die Toilette verließen und ich die wenigen Schritte zu meinem Zimmer ging.

Hätte ich bereits dort gewusst, was mich erwartete, hätte ich die Tür niemals geöffnet ...

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😳

Was wohl als nächstes passiert? 🫣

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