~Fiftysix~

In mir drin brodelte die Wut, als Skylar sturzbetrunken auf dem Rücken vor mir lag und sich die Seele aus dem Leib lachte.

Es hätte mir bewusst sein müssen, dass es eine echt doofe Idee war, sie und die Russen allein zu lassen.

„Hi Daddy“, kicherte sie, als ich in ihre glasigen, betrunkenen Augen sah. Auf eine Art fand ich es auch niedlich, wie unbeschwert sie war, obwohl es mir lieber war, sie wäre ohne Alkohol in solch einem Zustand.

„Ich glaube, für dich ist heute genug“, sagte ich, als ich ihr vom Boden aufhalf. Sie torkelte heftig und ich zog sie an der Taille fest an meinem Körper, bevor sie nochmal zu Boden stürzte.

„Sie sind schuld“, lallte sie und zeigte dabei auf Stenja und Aljoscha, ehe sie erneut lachte und sich an mich klammerte. Natürlich war es voll und ganz den Russen zuschulden. Ich wusste, wie manipulativ und bedrohlich sie wirken können, wenn sie etwas wollen.

„Ich bringe dich ins Bett“, sagte ich und bugsierte, meine kaum noch laufende Prinzessin durch das Wohnzimmer. Sie stolperte bei den wenigen Schritten mehrmals über ihre eigenen Füße und an der Treppe angekommen, drehte sie sich noch einmal zu den unerwünschten Gästen.

„Gute Nacht. War nett mit euch“, brachte sie lallend hervor und winkte ihnen zu, wie die Queen, weshalb ich genervt meinen Kopf schüttelte. Seit wann war der Umgang mit Russen nett?

„Gute Nacht, Swjosdoschka“, entgegnete Aljoscha, woraufhin ich mich versteifte.

„Ihr kennt den Weg nach draußen“, sagte ich nur kühl, als sie bereits standen und Gott sei Dank mein Penthouse verließen. Sie hatten genug Chaos angerichtet. Mein Wohnzimmer sah aus, wie eine Kneipe, aber ich war erstaunt, dass Sky noch an keiner Alkoholvergiftung litt, obwohl sie scheinbar ordentlich mitgetrunken hatte.

„Was heißt sosdowka?“, fragte Sky und versuchte einige Male hintereinander das Wort auszusprechen, jedoch bekam sie jedes Mal einen Knoten in die Zunge.

„Swjosdoschka bedeutet Sternchen“, raunte ich, als ihre glitzernden Augen auf mir lagen. „Und es passt unglaublich gut, wenn man bedenkt, dass du Sky heißt, aber auch weil dein Lächeln wie ein einziger Stern funkelt.“

Sie sah mich nachdenklich an und wirkte ernst, ehe sie breit grinste. Bei Gott, sie war ein Stern, aber sicher wollte ich nicht, dass einer die Russen sie so nannte!

Da Sky nicht allzu gut zu Fuß war und ich bezweifelte, dass sie die Treppen schaffen würde, schlang ich meinen Arm unter ihre Beine und hob sie mit Leichtigkeit hoch.

Sie kicherte abermals, als ich mit ihr die Treppen nach oben ging und sie in ihr Zimmer brachte. Nur das Licht über ihrem Bett leuchtete, aber reichte vollkommen aus, um sie unbeschadet zu diesem zu bringen.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, murmelte ich, als sie sich auf dem Bett zusammenrollte.

„Sie waren in der Überzahl“, nuschelte sie in das Kissen.

„Hat man dir nie gesagt, dass man mit Russen nicht trinken soll?“, fragte ich belustigt, während ich die Decke nahm und sie mit dieser zudeckte.

„Jetzt weiß ich es“, meinte sie leise lachend. „Wie kann es sein, dass die noch geradeaus gehen können?“

„Baby, die haben wesentlich bessere Organe, als du. Mit solchen Leuten legt man sich nicht an“, erklärte ich ihr. Hatte Sky wirklich geglaubt, sie konnte mit ihnen mithalten und sie sogar unter den Tisch trinken?

„Bist du gar nicht sauer auf mich?“ Ihre Worte kamen kaum hörbar aus ihr heraus. Aber es war eine verständliche Frage, über die ich selbst nachdenken musste. Schnell kam ich zu dem Ergebnis, dass ich sehr wohl sauer war, allerdings eher über die Tatsache, dass sie glaubte, ich könnte über solch einen Vorfall nicht hinwegsehen.

Sie ist jung. Wer wäre ich, wenn ich kein Verständnis dafür hätte, dass auch sie hin und wieder einen Höhenflug durchlebt? Doch Spoiler: Ich werde ihr ihre Flügel schon noch stutzen, sodass sie niemals zu hoch fliegen wird und immer wieder auf den Boden der Tatsachen fallen wird.

„Nicht so sehr, wie ich es eventuell hätte sein sollen“, gab ich ihr eine ehrliche Antwort. Mit meiner Hand strich ich sanft über ihre blonden Haare.

„Also willst du mich nicht bestrafen, Daddy?“, hakte sie weiter mit einem anzüglichen Lächeln auf den Lippen nach. Hätte es mich wundern sollen, dass sie selbst in dem Zustand danach lechzte von mir berührt zu werden?

Vermutlich nicht.

Und natürlich wollte ich sie bestrafen! Dafür, dass sie den Russen mehr Einblicke in ihre Gedankenwelt gegeben hatte, als ihnen zugestanden hat. Dafür, dass ich nun einen nutzlosen Kater als Haustier besaß und dafür, dass sie überhaupt das Zimmer verlassen hat.

„Doch, aber nicht, wenn du, so wie gerade, nicht all deine Sinne beisammen hast“, erwiderte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme viel zu streng klang.

Es würde mir nie in den Sinn kommen, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, sie anzufassen, wenn sie sich selbst nicht bewusst war, was geschieht. Ich mochte es zwar, wenn sie willenlos war, aber nicht, wenn sie wehrlos war.

Sky gähnte in eines der vielen Kopfkissen hinein und murmelte etwas Unverständliches, ehe kurz darauf nur noch ein leises Schnarchen den Raum erfüllte. Ich schaute einige Zeit in ihr inzwischen gedankenloses und glattes Gesicht. Keine Sorge und kein Kummer waren auf ihr zu erkennen, so wie es sonst ist, wenn man in ihre von Erinnerung gequälten Augen blickte.

Abermals überkamen mich diese schrecklichen Schuldgefühle und ich wusste nicht, wie lange ich diese noch ignorieren konnte. Sky hatte es nicht verdient, dass man sie so anlog, wie ich es tat, aber ich konnte es nicht über mein dunkles Herz bringen, ihr die Wahrheit zu sagen.

Ihr Liebesgeständnis machte dies nicht weniger erträglich. Ich bin grausam, wie kann sie mich dann lieben?

Sah sie nicht, was für ein herzloses, zynisches und schonungsloses Arschloch ich war?

Ich spürte, wie die Müdigkeit auch bei mir aufkeimte, je länger ich dieses Mädchen, welches nicht einmal erahnen sollte, wer ich war, anschaute. Die vorherige Nacht lag noch schwer auf meinen Gliedern, denn nachdem ich Demjan und auch Maxim verletzt hatte, kam ich um ein Gespräch mit beiden und auch unserem Vater nicht mehr herum.

Die Liebe lässt uns alle schreckliches tun. Wobei es bei Maxim nicht einmal tragisch gewesen wäre, wenn ich statt seine Schulter seinen Kopf getroffen hätte. Mein Vater sah dies natürlich anders.

Allmählich wurde auch er hellhörig und auch neugierig, was Sky anging. Es war vorher nie in seinem Interesse, da er alles, was mit Menschen zu tun hatte, die für ihn keine Bedeutung hatten, seinem Bruder Artjom überließ.

Allerdings verfolgte Artjom andere Ziele, was immer mein Vorteil war. Doch so langsam geriet es außer Kontrolle, wenn ich bereits meine Brüder angriff, welche an Sky weniger Interesse hatten, als an einem Ungeziefer unter ihrem Schuh.

Daher auch Timofej’s Besuch. Seine Forderung war alles andere tragbar für mich, aber ich musste den Ball flach halten und versuchen kein noch größeres Interesse in ihm zu wecken, was Sky betraf. Er hatte von mir bekommen, was er wollte, auch wenn dies hieß, dass Sky bald drei Probleme mehr hatte.

Tief ausatmend, löste ich meinen Blick von ihrer Schönheit. Ich sollte aufhören, sie wie ein psychotischer Stalker anzugieren, weshalb ich mich auch der Tür zuwandte und ihr Zimmer verließ.

Von unten nahm ich ein Klirren wahr und entdeckte Rose, wie sie das Wohnzimmer aufräumte.

„Ich bezahle dich doch nicht fürs Putzen“, meinte ich skeptisch, als ich unten ankam.

„Ich weiß, aber ich wollte nicht, dass Mrs. Bennett einen Schock erleidet und denkt, du hättest wieder angefangen zu trinken“, erklärte sie sich, als sie die benutzten Gläser unter ihre Arme klemmte und mit diesen in die Küche lief.

„Vermutlich wäre es aber leichter“, meinte ich und kassierte von ihr einen genervten Blick.

„Ich verstehe nicht, warum du es dir so schwer machst und warum du überhaupt all dies tolerierst.“ Der Argwohn aus ihrer Stimme war kaum zu überhören. Sie wusste über alles Bescheid, aber verstand nie, warum ich so sehr daran festhielt.

„Ich bin es ihr schuldig“, zuckte ich mit den Schultern.

„Du bist niemanden etwas schuldig, außer dir selbst! Du machst dich noch kaputt aufgrund des kleinen, naiven Mädchens.“ Sie spuckte mir die Wörter förmlich vor die Füße und wäre Rose nicht die Frau, die mein halbes Leben organisierte, hätte ich sie längst über eine Klippe geworfen.

„Und wenn, was geht es dich an?“, fragte ich mit demselben Argwohn, wie sie zuvor. In der Hinsicht würden wir uns nie einig werden.

„Stimmt. Absolut gar nichts“, sagte sie zickig und drückte mir mit all ihrer Kraft die leeren Gasflaschen gegen die Brust, weshalb ich diese eilig mit meinen Armen umklammerte. Sie machte auf dem Absatz kehrt, und ließ mich ihr dämlich hinterhersehen.

Sie würde sich von ganz allein beruhigen.

Ich trug die Flaschen in die Küche und stellte die benutzten Gläser ordentlich in die Spülmaschine, ehe ich aufsah und darüber grübelte, was die drei Russen Sky an dem Abend eventuell alles erzählt haben könnten.

Stenja war von den Dreien das größte Plappermaul, allerdings traute ich Kirill mehr zu Sky alles zu stecken. Nicht, weil er sie so sehr mochte, sondern weil er das Thema ohnehin schon seit langem leid war.

Doch hätten sie Sky etwas gesagt, wäre diese nicht so lustig und beschwert gewesen. Dennoch würden die Russen bald mehr als nur eine Gelegenheit haben, deshalb musste ich vorsorgen.

Mit langen Schritten ging ich zu meinem Büro und fing an, alle Papiere zu durchsuchen. Ich hatte etliche Dinge in meinen Unterlagen, welche mich allesamt schlecht hätten dastehen lassen. Kontoauszüge, Fotografien und andere Dokumente, welche ich mir vor Sky’s Zustimmung zu dem Vertrag besorgt hatte. All diese Dinge ließ ich in einem brauen Karton verschwinden.

Ich hätte es verbrennen können, doch wer wusste, ob ich dies nicht doch noch bräuchte. Vorerst würde ich den Karton in meinem Safe einschließen, doch auch da waren die Dinge nicht gut gesichert. Wer, wenn nicht ich, wusste, wie leicht man einen Safe knacken konnte?

Ich würde all dies zu einem Schließfach nach Quincy fahren. Damit wäre ich vorerst auf der sicheren Seite. Keiner kannte dieses Schließfach, welches in der Bank war. Um da heranzukommen, musste man schon einen gewagten Überfall planen.

Ich verließ mein Büro und lehnte meinen Kopf an die Tür. Wie einfach es wäre, wenn ich nur endlich die Wahrheit sagen könnte …

„Fuck!“ Ein lautes Knallen erklang, als meine Faust hart die Tür traf. Es wäre sinnvoller gewesen, hätte ich mir mit Faust ins eigene Gesicht geschlagen, denn die Tür konnte nun wirklich am wenigsten dafür.

Ein »Miau« hinter mir und ich drehte mich genervt herum. Der Kater sah mich vorwurfsvoll an, als wollte er mir mitteilen, dass er alles gesehen hätte.

Meine Beine lang machend, verschränkte ich meine Arme hinter meinen Kopf und kam zum ersten Mal seit drei Tagen zur Ruhe.

_______

🧐

Bisschen Denkstoff für euch 😉🤣

Na dann erzählt mir eure wilden Theoreien, bin gespannt 🥰

❤❤❤

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top