~Eleven~

Ich saß in einem schwarzen SUV und wurde von dem Fahrer von Mr. Kingsley zurück zu dem Wohnheim gefahren, da ich beschloss doch lieber noch eine Nacht darüber zu schlafen. Der Fahrer stellte sich mir als Max vor und trug einen schwarzen Anzug, genauso wie man sich eben einen Chauffeur vorstellte.

Mir selbst war dies bereits viel zu viel, weshalb ich mit Mr. Kingsley auch kurze Zeit diskutiert hatte, doch gegen ihn kam man einfach nicht an, weshalb ich kurze Zeit später auch in dem SUV saß.

Dabei hätte mir frische Luft extrem gutgetan, nach all den Informationen, die ich bekommen hatte.

„Max?“, fragte ich nach vorn, als wir nur noch ungefähr drei Häuserblocks von der Universität entfernt waren.

„Miss MacKenzie?“

„Können Sie eventuell anhalten und mich herauslassen? Ich möchte den Rest gerne zu Fuß laufen und den Kopf frei bekommen“, fragte ich und erkannte in dem Rückspiegel den skeptischen Blick von Max.

„Ich habe strikte Anweisungen von Mr. Kingsley bekommen, Sie bis zu der Universität zu fahren", teilte Max mir mit. Ich rollte mit den Augen und verschränkte meine Arme vor der Brust. Er war bereits zu dem Zeitpunkt unerträglich, dabei hatte ich den Vertrag noch nicht unterschrieben.

„Mr. Kingsley hat es aber noch nicht zu bestimmen. Also lassen Sie mich bitte raus“, meinte ich mit einem genervten Unterton.

Max hielt das Auto an den Straßenrand und drehte sich leicht zu mir nach hinten. „Passen Sie auf sich auf.“

Ich nickte und presste meine Lippen zu einer geraden Linie, ehe ich die Tür öffnete und Max noch einmal laut ausatmen hörte. Mich überkam so ein Gefühl, dass für ihn der Abend nicht mehr allzu schön werden würde, aber mir konnte es egal sein, denn meinen eigenen Willen behielt ich für diese Nacht noch.

Ich schlug die Autotür zu und schaute diesem noch hinterher, wie es davon fuhr, ehe ich umkehrte und nachdenklich durch die dunkle Stadt ging.

Meine Tasche, in der sich der Vertrag befand, lag dabei schwer auf meiner Schulter. Gedanklich entwarf ich eine Pro- und Kontraliste, da ich absolut unentschlossen war, ob ich dieses Angebot annehmen oder ablehnen sollte.

Auf der Proseite befand sich natürlich das Finanzielle, wohingegen auf der Kontraseite die Abhängigkeit stand. Sicher wäre es toll, nicht mehr solch finanzielle Probleme zu haben. Ich könnte mich auf mein Studium konzentrieren und müsste nicht mehr jeden Cent umdrehen.

Auf der anderen Seite bedeutete es auch, dass ich meine Unabhängigkeit dafür aufgeben musste, denn laut Vertrag musste ich Mr. Kingsley rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Andere in meinem Alter hätten gesagt, dass sie keine Zeit für ihre Freunde mehr gehabt hätte, jedoch konnte ich diesen Punkt gedanklich wegstreichen, da ich nicht einmal Freunde hatte.

Nur warum sollte ich aus diesem Grund Zeit mit einem älteren Mann verbringen, welcher mich dauerhaft nervös machte?

Des Weiteren kam auf die Proliste, dass Mr. Kingsley nicht nur meine Geldsorgen beseitigen konnte, er würde sich auch um mich kümmern und mich unterstützen. Ein Mann, wie Mr. Kingsley, hatte sicherlich viel Einfluss und viele wichtige Kontakte, welche für meine Zukunft noch von großer Bedeutung werden konnte.

Auf die Kontraliste kam definitiv der Kontrollzwang von ihm. Er wollte einfach alles bestimmen. Von meiner Kleidung, bis zu meinen Schlafenszeiten.

Vollkommen in meinen Gedanken versunken, schaute ich auf und erkannte, dass ich nun doppelt so weit von der Uni entfernt war, als vorher. Direkt vor mir befand sich eine Bushaltestelle, an der zu meinem Glück auch ein Bus hielt. Kurz entschlossen stieg ich in diesen, denn er würde mich bis zu dem Campus der Universität bringen.

Erschöpft ließ ich mich auf einen Sitz am Fenster fallen. Der Bus war zu der späten Stunde nicht mehr allzu voll besetzt, weshalb ich meine Tasche neben mich auf den freien Sitz stellte. Langsam fuhr der Bus an und ich schaute nach draußen. Ich beobachtete die Lichter der Nacht, wie an mir vorbeirauschten.

Nur aus dem Augenwinkel spürte ich einen Blick auf mir, weshalb ich mich von der Scheibe entfernte und mich flüchtig umsah.

Ich sah eine ältere Dame, welche mir leicht zulächelte, woraufhin ich ihr es gleichtat, ehe ich mich wieder dem Fenster widmete und hinausschaute.

„Du siehst traurig aus, Schätzchen“, sagte die Frau, welche mich zuvor angelächelt hatte. Merkte man mir meinen Kummer so sehr an, dass es selbst fremden Personen auffiel?

Sie stand auf und trat vor mich, um sich auf einen der Klappsitze seitlich neben mich zu setzen. Die Frau war bereits älter und dies zeigten auch die Falten in ihrem Gesicht. Sie trug einen fliederfarbenen Filzmantel und passend dazu einen Hut, unter dem ihre grauen Haare kaum erkennbar waren. Ihr Schmuck und ihre Accessoires wirkten ausgesprochen teuer, weshalb sie in diesem heruntergekommenen Bus überhaupt nicht hineinpasste.

„Ist das so offensichtlich?“, rang ich mir ein Schmunzeln ab. Sie nickte und schien wohl auf eine Erklärung zu warten, weshalb ich überlegte, wie viel ich ihr anvertrauen konnte.

„Ich habe nur sehr viel Stress mit der Uni und meinem Job“, entschloss ich ihr die halbe Wahrheit zu erzählen.

„Das ist doch aber nicht alles, was dich bedrückt. Ein Junge?“, fragte sie und ich schaute überrascht die ältere Dame an.

„Warum sollte ich es Ihnen erzählen?“, fragte ich skeptisch.

„Manchmal tut es gut, sich jemanden anzuvertrauen.“

„Ich kenne Sie doch überhaupt nicht“, meinte ich noch immer zweifelnd.

„Ich heiße Elisabeth, aber du darfst mich Ella nennen. Also was hast du auf dem Herzen, Schätzchen“, sagte sie und machte mich damit absolut sprachlos. Was änderte ein Name daran, dass ich sie kannte?

„Es wirkt befreiend sich seine Sorgen von der Seele zu reden und manchmal kann man dies auch wesentlich besser einer fremden Person erzählen, als jemanden, den man kennt“, fuhr sie fort und brachte mich damit wirklich zum Nachdenken.

Bevor ich jedoch anfangen konnte, zu sprechen, bremste der Bus ruckartig. Ich hielt mich an der Stange vor mir fest und sah, wie meine Tasche zu Boden fiel. Der Vertrag rutschte dabei heraus und blieb direkt vor Ella's Füßen liegen, natürlich mit der Schrift nach oben!

„So so. Da drückt also der Schuh“, belächelte sie den Vertrag, welchen sie aufhob und flüchtig überflog.

„D-das ist ... nicht so, wie Sie denken“, stammelte ich und nahm ihr das Dokument aus den Händen, um es eilig wieder wegzupacken. „Das ist ein lächerliches Angebot, welches ich nicht annehmen werde.“

„Wieso?“

War das ihr Ernst?

„Weil es vollkommen absurd ist?“, antwortete ich, jedoch eher fragend.

„Sugardaddys sind schon etwas Tolles“, sagte sie beinahe schwärmend, weshalb ich meinen Kopf schnell hin und her drehte und schaute, ob jemand Bekanntes in dem Bus war, welcher mich auf den Arm nehmen wollte.

„Bitte?“

„Man mag es mir vielleicht nicht ansehen, aber als ich jung war, hatte ich auch einen Daddy, welchen ich einige Jahre später sogar geheiratet habe“, erzählte sie mir. Ich schaute sie fassungslos und mit großen Augen an, jedoch schien sie gedanklich in einer anderen Zeit zu sein.

„Er war überaus charmant und hat sich liebevoll um mich gekümmert. Zudem sah er unfassbar gut aus“, schwärmte sie weiter, während sie ihren Kopf leicht zur Seite neigte und verträumt lächelte.

„Moment, Sie waren ein Sugarbaby?“, hakte ich nach, weshalb sie nickte. Ich wurde augenblicklich hellhörig und rutschte auf meinen Sitz weiter nach vorn, um mich leicht zu Miss Ella zu beugen.

„Die beste Zeit meines Lebens“, meinte sie fröhlich, was mich wirklich überraschte. Ich hatte plötzlich so viele Fragen, die ich ihr stellen wollte und konnte meine Gedanken dabei überhaupt nicht sortieren.

„Hatten Sie keine Zweifel? Ich meine, Mr. Kingsley ist 15 Jahre älter als ich. Ich habe das Gefühl, wenn ich mich darauf einlasse, verpasse ich einen Teil meiner Jugend. Gut, ich bin 20, aber dennoch kommt es mir falsch vor, meine Zeit mit einem erwachsenen Mann zu verbringen“, erklärte ich und merkte, wie mir eine Last von den Schultern fiel, als ich endlich mit jemanden darüber reden konnte.

„Davon mal ab, möchte er mich, wie ein Kind behandeln. Das habe ich nicht nötig.“

„Nein, das siehst du falsch. Als Daddy wird er dich so behandeln, wie du dich fühlst. Wenn du sagst, du bist dennoch eine heranwachsende Frau, wird er darauf auch eingehen. Nur weil es Daddy heißt, bedeutet es nicht, dass er dich als sein Kind sieht. Es geht dabei nur darum, dass er dich, wie ein Kind lieben und umsorgen würde“, erklärte sie mir ruhig.

„Ich weiß nicht“, murmelte ich noch immer nicht ganzheitlich überzeugt.

„Sieht er denn gut aus?“, fragte sie mich vollkommen unerwartet.

„Ja. Er sieht atemberaubend aus und sein Geruch“, schwärmte nun ich. „Die Art und Weise, wie dominant er bei jedem Schritt wirkt ...“

„Dann solltest du unterzeichnen“, sagte Ella schulterzuckend und mit einem vielsagenden Lächeln.

„Na ja, ganz so leicht ist das nicht.“

„Es ist aber auch nicht so schwer“, zwinkerte sie und stand auf. „Ich muss hier leider aussteigen. Ich wohne dort in dem kleinen roten Häuschen. Falls du doch noch einmal mit jemanden reden möchtest, komm auf eine Tasse Tee zu mir“, sagte sie freundlich und drückte meine Hand liebevoll.

„J-ja danke“, stammelte ich und schenkte ihr ebenso ein herzliches Lächeln, bevor die alte Frau ausstieg und mich mit meinem Gedankenkarussell allein ließ.

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