Herzschlag

Ich weiß noch genau, wie ich bei dir im Krankenhausbett lag und deinem Herzschlag lauschte. Es war ein kräftiges Klopfen, eine beständige Erinnerung daran, dass du lebendig bist. Du bist noch da. Mit jedem Herzschlag wusste ich, dass du bei mir bist und tief in dir drin noch die Frau steckte, die mich aufgezogen hat und die eine Stärke besitzt, die manche Menschen nicht einmal erahnen können. Und ich spürte ebenso meinen eigenen Herzschlag, der auf deinen antwortete. Meiner war ein wenig schneller und der Rhythmus ein anderer. Du hast nie versucht mir den Takt vorzugeben, in dem mein Herz zu schlagen hat. Nein, du hast mir immer die Freiheit gelassen meinen eigenen Takt zu finden, auch wenn meine Melodie dann manchmal schief klang und Misstöne darin erklangen. Doch du warst immer da, wenn ich deine Hilfe brauchte. Wenn ich an dich denke, dann denke ich an tanzen durch die Küche, Sonnenblumen und Umarmungen und nicht an Krankenhäuser, Chemogeruch oder Desinfektionsmittel. Weil du in meinen Erinnerungen immer das Leben bist und nicht der Tod. Und deswegen halte ich meine Erinnerungen fest, auch wenn sie wehtun. Denn solange ich mich erinnere bist du bei mir. Du bist in all den Erinnerungen, an die Umarmungen in denen du mich gehalten hast, wenn ich weinend nachhause kam. Du bist in den zahlreichen Stunden die wir im Schaukelsessel verbracht haben. Du wohnst in dem Lächeln mrines Bruders, in meinen Ideen und in den Idealen meiner Schwester. Und der Tod kann mir das niemals nehmen. Dass ich mir nur die schönen Erinnerungen vor Augen führe, heißt nicht, dass ich die schlechten Erinnerungen einfach vergessen habe. Es heißt, dass wir uns im Leben schon genug auf die negativen Dinge konzentrieren, besonders in den Zeiten die nicht so gut laufen und die Liebe, die diesen Erinnerungen innewohnt es einfacher macht. Ich habe mal einen Spruch gelesen, der besagte "Alles wird gut, nur halt nicht mehr so wie es war". Ich kann nicht behaupten, dass ich jeden Tag geneigt bin das zu glauben. Manchmal denke ich auch nur: Ihr habt doch alle keine Ahnung wie es ist. Aber an den Tagen, an denen ich nur mit Liebe an dich denke und nicht mit Schmerz, an denen kann ich mir das fast vorstellen. Natürlich hatte ich Angst vor dem Tag, an dem dein Herzschlag dem meinen nicht mehr antwortete und er deswegen in eine Leere geht, die niemand anders füllen kann. Aber irgendwann müssen wir alle loslassen, egal wie weh es tut und egal wie allein wir uns dann fühlen. Wenn du etwas wirklich liebst, lass es los. Kommt es zurück, gehört es zu dir. Ich weiß, dass du immer wieder zu mir zurückkommen wirst und mir in meinem Alltag immer wieder begegnen wirst. In jeder Erinnerung, die meinen Weg kreuzt, hast du einen Teil von dir hinterlassen und wir alle bewahren dich in unserem Herzen. Und selbst wenn ich alt, grau und dement bin: In meinem Herzen hast du immer einen Platz, solange es noch schlägt.

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Found this while writing today. Well, I felt like crying anyways.

Das ist der Text, den ich für die Beerdigung meiner Mutter geschrieben habe. Wobei das nicht meine ursprüngliche Intention war, als ich ihn geschrieben habe.  Es waren einfach nur Worte die aus meinem Kopf geströmt sind. Die erste Hälfte ist in meinem Kopf entstanden, als ich neben meiner Mutter im Krankenhausbett lag und die zweite Hälfte, während sie unten im Wohnzimmer lag und sediert wurde, damit sie friedlich sterben kann.

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